Fristen und Dringlichkeit bei Abmahnungen und einstweiligen Verfügungen

Wer auf eine Rechtsverletzung reagieren will, muss oft schnell handeln. Ob im Wettbewerbsrecht, Markenrecht oder Presserecht – wer zögert, riskiert den Verlust einstweiliger Rechtsmittel. Zugleich dürfen Anspruchsgegner nicht überrumpelt werden: Auch sie haben ein Recht auf ausreichende Bedenk- und Beratungszeit.
Ein aktueller Beschluss des OLG Düsseldorf (vom 11.05.2023, Az. I-20 W 36/23) beleuchtet genau diesen Spannungsbogen zwischen „schnell genug sein“ und „angemessen abmahnen“. Die Richter betonen: Dringlichkeit ja – aber mit Fairness.
Der Fall: Werbung für Haarstyling-Produkt im Fokus
Im Mittelpunkt stand die Werbung eines Haarstyling-Produkts mit der Aussage:
„Wickelt, lockt und fixiert automatisch“.
Die Antragstellerin sah hierin eine irreführende Werbung und wollte per einstweiliger Verfügung deren weitere Verwendung verbieten lassen.
Sie hatte am 14. Februar 2023 erstmals Kenntnis von der Werbung erhalten und stellte den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung am 13. April 2023 – also knapp zwei Monate später – beim Landgericht Düsseldorf.
Das LG Düsseldorf wies den Antrag ab. Die Antragstellerin legte Beschwerde ein. Doch auch das OLG Düsseldorf bestätigte die Zurückweisung: Zwar sei die Dringlichkeitsfrist gerade noch gewahrt worden – aber: Die Abmahnung selbst sei inhaltlich problematisch gewesen.
Dringlichkeitsfrist: Zwei Monate – „gerade noch akzeptabel“
Das OLG Düsseldorf stellt klar:
Die Antragstellerin hatte noch innerhalb der Dringlichkeitsfrist gehandelt. Diese beschreibt den Zeitraum, den ein Antragsteller braucht, um vom Zeitpunkt der Kenntniserlangung bis zum Antrag auf einstweilige Verfügung zu reagieren.
In Düsseldorf geht man von einem maximal akzeptablen Zeitraum von zwei Monaten aus – und das bereits „am oberen Rand“ des Zulässigen. In anderen Oberlandesgerichten, etwa in Hamburg oder Köln, sind Fristen von einem Monat deutlich üblicher. Die Düsseldorfer Richter nannten die eigene Fristlänge daher „verhältnismäßig lang“.
➤ Fazit des Senats: Die Antragstellerin hatte „gerade noch“ rechtzeitig reagiert.
Fehler bei der Abmahnung: Zu kurze Frist für Stellungnahme
Die Abmahnung erfolgte am 4. April 2023 – also rund sieben Wochen nach der Kenntniserlangung. Die Gegenseite sollte bis zum 12. April 2023 um 12 Uhr eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgeben.
Problem:
Zwischen dem 4. und dem 12. April lagen Karfreitag (07.04.) und Ostermontag (10.04.) – zwei gesetzliche Feiertage. Damit blieben nur etwa dreieinhalb bis vier Werktage.
Zwar verlängerte die Antragstellerin auf Bitte der Gegenseite die Frist bis zum Geschäftsschluss am 12.04., doch das änderte nichts daran: Die gesetzte Reaktionsfrist war zu kurz, um als fair und rechtlich zulässig zu gelten.
Entscheidung des OLG Düsseldorf im Detail
Das OLG betonte mehrere zentrale Punkte:
- § 12 Abs. 1 UWG sieht eine gesetzliche Vermutung der Dringlichkeit vor – diese sei aber widerlegbar.
- Das Verhalten der Antragstellerin, insbesondere die zu knapp gesetzte Frist, zeige, dass es ihr offenbar nicht wirklich eilig sei – sie selbst habe durch die knappe Fristsetzung eine Rechtsdurchsetzung verzögert.
- Die gesetzte Frist war nicht angemessen:
- Mindestens 7 bis eher 10–14 Tage seien hier erforderlich gewesen.
- In der Osterzeit müsse man auch mit Urlaubszeiten, Abwesenheiten und erhöhtem Abstimmungsbedarf rechnen.
- Die Gegenseite benötige auch Zeit zur rechtlichen Prüfung und eventuell zur Übersetzung von Dokumenten.
➤ Fazit: Trotz rechtzeitiger Antragstellung war die einstweilige Verfügung zu Recht zurückgewiesen worden, weil der erforderliche Verfügungsgrund fehlte – nämlich das Bewusstsein erkennbarer Dringlichkeit.
Praxistipps für Abmahner & Antragsteller
✅ Do:
- Reagieren Sie schnell, idealerweise innerhalb von 1 Monat nach Kenntnis.
- Setzen Sie realistische Fristen: 7 bis 14 Tage sind in der Regel angemessen.
- Berücksichtigen Sie Feiertage, Ferienzeiten und Auslandsbezug.
- Dokumentieren Sie Ihre Schritte (Screenshots, E-Mails, Versandbelege).
❌ Don’t:
- Zu knapp bemessene Fristen können schädlich sein.
- Warten Sie nicht zu lange mit dem Verfügungsantrag – zwei Monate sind das absolute Maximum.
- Versenden Sie Abmahnungen nicht „im letzten Moment“, insbesondere nicht vor Feiertagswochen.
Fazit: Klare Fristen – kluge Strategie
Die Entscheidung des OLG Düsseldorf macht deutlich: Es geht nicht nur um das „Ob“, sondern auch um das „Wie“ beim Vorgehen gegen Rechtsverstöße. Wer sich auf einstweiligen Rechtsschutz beruft, muss konsequent, aber fair agieren.
- Die Gerichte erwarten zügiges Handeln – aber nicht um jeden Preis.
- Auch der Abgemahnte hat ein Recht auf angemessene Reaktion.
- Wer sich durch eine zu kurze Frist selbst widerspricht, gefährdet die Durchsetzung seiner Rechte.
Ein sorgfältig abgestimmtes Vorgehen – unter Berücksichtigung von Fristen, Feiertagen und der Gegenseite – erhöht die Erfolgsaussichten maßgeblich.
Ansprechpartner
Alexander Bräuer
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