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Das Freihaltebedürfnis im Markenrecht: Ein Leitfaden

| Rechtsanwalt Frank Weiß

Stellen Sie sich vor, ein Unternehmen könnte sich den Begriff „Brot“ oder „Bio“ als exklusive Marke sichern und anderen Anbietern verbieten, diese Begriffe zu verwenden. Dies hätte weitreichende Konsequenzen: Der Wettbewerb wäre erheblich eingeschränkt, Verbraucher könnten in die Irre geführt werden und die sprachliche Freiheit im Geschäftsverkehr würde massiv beschnitten.

Genau hier greift das Freihaltebedürfnis im Markenrecht. Es sorgt dafür, dass beschreibende, gängige oder allgemein benötigte Begriffe nicht von einem einzelnen Unternehmen monopolisiert werden können. Dadurch bleibt die Wirtschaft frei von künstlichen Hürden und verhindert, dass Marktteilnehmer durch Markenmonopole unfair eingeschränkt werden.

Unternehmen, die eine Marke anmelden, stoßen häufig auf das Freihaltebedürfnis als zentrales Schutzhindernis. Besonders betroffen sind Begriffe, die die Art, Beschaffenheit, Herkunft oder Eigenschaften eines Produkts oder einer Dienstleistung beschreiben. Doch was genau bedeutet das Freihaltebedürfnis, welche Begriffe sind betroffen, und gibt es Strategien, um dennoch Markenschutz zu erlangen?

In diesem Beitrag erfahren Sie alles Wissenswerte über das Freihaltebedürfnis im Markenrecht, die relevante Rechtsprechung sowie konkrete Beispiele aus der Praxis.

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Freihaltebedürfnis als Markenhürde: Beschreibende Begriffe wie „Bio“ oder „E-Bike“ können nicht als Marke eingetragen werden, da sie für den Wettbewerb freigehalten werden müssen (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG).
  • Relevante Rechtsprechung: Gerichte lehnen Marken ab, wenn sie für wesentliche Produktmerkmale oder gängige Branchenbegriffe stehen (z. B. „Post“ für Postdienstleistungen).
  • Alternative Schutzstrategien: Unternehmen können Markenschutz dennoch erlangen, etwa durch Verkehrsdurchsetzung (wenn über 50 % der Verbraucher die Bezeichnung als Marke erkennen) oder durch Wort-Bild-Marken mit einzigartigem Design.

 

Übersicht:

Was ist das Freihaltebedürfnis im Markenrecht?
Was versteht man unter „Verkehrsdurchsetzung“?
Was ist unter fehlender Unterscheidungskraft zu verstehen?
Weitere Beispiele für das Freihaltebedürfnis im Markenrecht

 

Was ist das Freihaltebedürfnis im Markenrecht?

1. Einleitung: Bedeutung und Zweck des Freihaltebedürfnisses

Das Freihaltebedürfnis ist ein zentrales Prinzip des Markenrechts, das den freien Wettbewerb schützt und verhindert, dass Unternehmen sich Begriffe oder Zeichen sichern, die andere Marktteilnehmer zur Beschreibung ihrer eigenen Produkte oder Dienstleistungen benötigen.

Wenn eine Marke ein Wort oder eine Bezeichnung umfasst, die üblicherweise zur Beschreibung von Eigenschaften, Merkmalen oder der Herkunft eines Produkts oder einer Dienstleistung verwendet wird, kann diese Marke nicht eingetragen werden. So soll verhindern, dass Unternehmen sich gängige oder notwendige Begriffe exklusiv sichern und Mitbewerber dadurch im Wettbewerb behindern.

Ein praktisches Beispiel:
Angenommen, ein Unternehmen versucht, das Wort „Bio“ für Lebensmittel als Marke eintragen zu lassen. Da „Bio“ eine allgemeine Bezeichnung für biologisch angebaute Produkte ist und von vielen Anbietern verwendet werden muss, wäre eine Monopolisierung durch ein einziges Unternehmen nicht zulässig.

Das Freihaltebedürfnis basiert auf dem Gedanken, dass Sprache nicht privat „besetzt“ werden kann, sondern für alle Marktteilnehmer verfügbar bleiben muss.

2. Gesetzliche Grundlagen

Das Freihaltebedürfnis ist in § 8 Abs. 2 Nr. 2 des Markengesetzes (MarkenG) sowie in Art. 7 Abs. 1 lit. c der Unionsmarkenverordnung (UMV) geregelt.

§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG:

„Von der Eintragung ausgeschlossen sind Marken, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, Beschaffenheit, Menge, Bestimmung, des Werts, der geografischen Herkunft oder der Zeit der Herstellung der Ware oder der Dienstleistung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale dienen können.“

Art. 7 Abs. 1 lit. c UMV:

„Von der Eintragung ausgeschlossen sind Marken, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, welche im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können.“

Zielsetzung der gesetzlichen Regelungen:

  • Schutz des Wettbewerbs: Kein Unternehmen soll durch die Eintragung von beschreibenden Begriffen einen unlauteren Wettbewerbsvorteil erhalten.
  • Sprachliche Freiheit: Wichtige Begriffe und Redewendungen müssen für alle Unternehmen verfügbar bleiben.
  • Verbraucherschutz: Kunden sollen nicht durch irreführende oder monopolistisch geschützte Begriffe verwirrt werden.

Einfach gesagt: Begriffe, die für die Beschreibung einer Ware oder Dienstleistung erforderlich sind, dürfen nicht als Marke monopolisiert werden.

3. Rechtsprechung zum Freihaltebedürfnis

Das Freihaltebedürfnis wurde durch eine Vielzahl an Gerichtsentscheidungen konkretisiert. Hier sind einige der wichtigsten Fälle, die die Anwendung dieses Grundsatzes verdeutlichen:

EuGH, Urteil „Baby-Dry“ (C-383/99 P)

  • Der Europäische Gerichtshof entschied, dass eine Wortmarke nicht automatisch vom Markenschutz ausgeschlossen ist, nur weil sie aus beschreibenden Begriffen besteht.
  • Es wurde jedoch betont, dass die Begriffe eine „ungewöhnliche Kombination“ darstellen müssen, die über eine bloße Beschreibung hinausgeht.
  • Bedeutung: Ein einfaches Aneinanderfügen beschreibender Begriffe reicht nicht aus, um die Schutzfähigkeit zu gewährleisten.

EuGH, Urteil „Doublemint“

  • Das Gericht stellte klar, dass ein Begriff bereits dann nicht schutzfähig ist, wenn er eine beschreibende Verwendung in der Zukunft nicht ausschließt.
  • Das bedeutet, dass ein Begriff nicht nur aktuell beschreibend sein muss – es genügt, wenn er dies potenziell in Zukunft sein könnte.
  • Bedeutung: Die Beurteilung des Freihaltebedürfnisses erfolgt nicht nur anhand des aktuellen Sprachgebrauchs, sondern auch mit Blick auf mögliche zukünftige Entwicklungen.

BPatG, Beschluss „Post“

  • Die Anmeldung des Begriffs „Post“ als Marke wurde abgelehnt, da der Begriff eine beschreibende Bedeutung für Postdienstleistungen hat.
  • Bedeutung: Allgemein gebräuchliche Begriffe, die eine Dienstleistung oder ein Produkt unmittelbar beschreiben, sind nicht schutzfähig.

Diese Rechtsprechung zeigt, dass die Gerichte das Freihaltebedürfnis sehr ernst nehmen und streng prüfen, ob ein Begriff von der Allgemeinheit genutzt werden muss.

4. Typische Beispiele für das Freihaltebedürfnis

Das Freihaltebedürfnis betrifft vor allem Begriffe aus folgenden Kategorien:

  1. Beschreibende Begriffe
    • „Frisch & Lecker“ für Lebensmittel
    • „Natürlich“ für Naturkosmetik
    • „Fitness“ für Sportartikel
  2. Geografische Angaben
    • „Bayerisches Bier“ (geschützte Herkunftsbezeichnung)
    • „Schwarzwald“ für Schinkenprodukte
    • „Toskana“ für Wein
  3. Gängige Werbeslogans oder Begriffe
    • „Geiz ist geil“ (war streitig, aber schlussendlich als Marke anerkannt)
    • „Best Choice“ für Handelswaren
    • „Top Service“ für Dienstleistungen
  4. Technische Begriffe oder Produktmerkmale
    • „UltraHD“ für Fernseher
    • „4K“ für hochauflösende Kameras
    • „Turbo“ für Autos

Falls ein Begriff in eine dieser Kategorien fällt, besteht ein hohes Risiko, dass er nicht als Marke eingetragen werden kann.

Das Freihaltebedürfnis ist eine der häufigsten Hürden bei der Markenanmeldung. Unternehmen sollten sich bewusst sein, dass allgemein beschreibende Begriffe kaum eingetragen werden können. Falls eine Marke dennoch angemeldet werden soll, gibt es Strategien zur Umgehung dieses Hindernisses, z. B.:

  • Verkehrsdurchsetzung: Nachweisen, dass die Marke sich im Markt durchgesetzt hat.
  • Kombination mit Fantasieelementen: Statt „Fitness“ → „FitnoX“.
  • Graphische Gestaltung: Manchmal kann eine Wort-Bild-Marke eingetragen werden.

Letztlich zeigt sich, dass das Freihaltebedürfnis nicht nur eine rechtliche Regelung, sondern ein wesentliches Prinzip für einen fairen Wettbewerb ist. Eine frühzeitige strategische Planung hilft, unnötige Ablehnungen von Markenanmeldungen zu vermeiden.

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Was versteht man unter „Verkehrsdurchsetzung“?

1. Einleitung: Die Bedeutung der Verkehrsdurchsetzung im Markenrecht

Die Verkehrsdurchsetzung ist eines der wichtigsten Instrumente im Markenrecht, um eine Marke trotz ursprünglich fehlender Unterscheidungskraft oder eines bestehenden Freihaltebedürfnisses doch eintragen zu lassen. Grundsätzlich müssen Marken von Natur aus unterscheidungskräftig sein, damit sie eine geschützte Herkunftsangabe für Waren oder Dienstleistungen darstellen. Ist eine Marke jedoch rein beschreibend oder zu allgemein, kann sie in der Regel nicht eingetragen werden.

Hier kommt die Verkehrsdurchsetzung ins Spiel: Ein Zeichen, das von sich aus nicht unterscheidungskräftig oder von der Allgemeinheit freizuhalten ist, kann dennoch als Marke schutzfähig sein, wenn es sich im Markt durchgesetzt hat und von den relevanten Verkehrskreisen als Marke eines bestimmten Unternehmens erkannt wird.

Die Verkehrsdurchsetzung ist somit eine Ausnahme von den absoluten Schutzhindernissen des Markenrechts und ermöglicht es, eine ursprünglich nicht eintragungsfähige Marke doch zu schützen, sofern ein hoher Bekanntheitsgrad nachgewiesen wird.

2. Gesetzliche Grundlage und Rechtsrahmen

Die Verkehrsdurchsetzung ist in § 8 Abs. 3 des Markengesetzes (MarkenG) geregelt:

„Absatz 2 Nr. 1, 2 und 3 stehen der Eintragung einer Marke nicht entgegen, wenn sie sich für die Waren oder Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt wird, in den beteiligten Verkehrskreisen durchgesetzt hat.“

Dies bedeutet, dass auch Zeichen, die keine originäre Unterscheidungskraft besitzen oder dem Freihaltebedürfnis unterliegen, dennoch als Marke geschützt werden können, wenn sie durch langjährige, umfangreiche und intensive Nutzung in den relevanten Verkehrskreisen als Kennzeichen eines Unternehmens wahrgenommen werden.

Verkehrsdurchsetzung als Ausnahme

Die Verkehrsdurchsetzung ermöglicht es, dass auch Marken eingetragen werden, die ansonsten unter den folgenden absoluten Schutzhindernissen scheitern würden:

  • Fehlende Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG)
    → Die Marke ist zu generisch oder beschreibend, z. B. „Gute Qualität“ für Möbel oder „Lecker“ für Lebensmittel.
  • Freihaltebedürfnis (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG)
    → Das Zeichen beschreibt eine Eigenschaft des Produkts, z. B. „Vollkorn“ für Brot oder „Premium“ für Autos.
  • Gebräuchliche Zeichen oder Angaben (§ 8 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG)
    → Begriffe, die im allgemeinen Sprachgebrauch häufig vorkommen, z. B. „24/7“ für Dienstleistungen.

Die Verkehrsdurchsetzung kann jedoch nicht helfen, wenn eine Marke aus rein amtlichen Bezeichnungen oder rechtswidrigen Begriffen besteht.

3. Voraussetzungen für eine Verkehrsdurchsetzung

Die Verkehrsdurchsetzung ist an strenge Kriterien geknüpft, die erfüllt sein müssen, damit eine Marke trotz ursprünglicher Schutzunfähigkeit doch eingetragen wird.

a) Fehlende originäre Schutzfähigkeit

  • Das Zeichen oder Wort muss ursprünglich nicht unterscheidungskräftig gewesen sein.
  • Dies betrifft Begriffe, die zu allgemein, beschreibend oder aus dem allgemeinen Sprachgebrauch stammen.
  • Beispiele: „Apotheke“ für eine Pharmazie oder „Fitness“ für Sportartikel.

b) Durchsetzung in den relevanten Verkehrskreisen

  • Die Marke muss sich bei einer relevanten Gruppe von Personen als Herkunftshinweis durchgesetzt haben.
  • „Relevanter Verkehrskreis“ bedeutet je nach Produkt oder Dienstleistung:
    • Endverbraucher (bei Konsumgütern wie Kleidung oder Lebensmitteln).
    • Fachkreise (bei spezialisierten Produkten wie medizinischen Geräten oder IT-Dienstleistungen).
    • Beide Gruppen, wenn ein Produkt sowohl Verbraucher als auch Fachleute betrifft (z. B. Software).

c) Langjährige und intensive Nutzung

  • Eine Marke muss über einen längeren Zeitraum verwendet worden sein.
  • In der Praxis gilt eine mindestens fünfjährige intensive Nutzung als Voraussetzung.
  • Werbekampagnen, Umsatzentwicklungen und Marktpräsenz spielen dabei eine Rolle.

d) Hoher Bekanntheitsgrad erforderlich

  • Eine Verkehrsdurchsetzung setzt voraus, dass die Marke von einer erheblichen Mehrheit des Publikums als Marke erkannt wird.
  • Gerichte verlangen in der Regel, dass mindestens 50 % der befragten Personen die Marke einem bestimmten Unternehmen zuordnen.
  • In Ausnahmefällen können auch 30 % ausreichen, wenn weitere starke Belege für die Markenwahrnehmung vorhanden sind.

e) Nachweis durch Verkehrsbefragung

  • Der wichtigste Beweis für eine Verkehrsdurchsetzung ist eine repräsentative Verkehrsbefragung durch ein anerkanntes Meinungsforschungsinstitut.
  • Typischer Ablauf einer Verkehrsbefragung:
    • Eine Stichprobe (300–1.000 Personen) wird repräsentativ befragt.
    • Typische Frage:
      „Wenn Sie das Wort X hören, denken Sie dann an ein bestimmtes Unternehmen?“
      Ja, an Unternehmen Y → Marke durchgesetzt
      Nein, allgemeiner Begriff → Marke nicht durchgesetzt
    • Die Ergebnisse müssen wissenschaftlich valide sein und vor Gericht Bestand haben.

4. Wichtige Gerichtsentscheidungen zur Verkehrsdurchsetzung

Die Gerichte haben in verschiedenen Fällen entschieden, ob eine Verkehrsdurchsetzung erfolgreich war oder nicht.

EuGH, Urteil „Chiemsee“ (C-108/97, C-109/97)

  • Der EuGH entschied, dass eine geografische Angabe nur dann durchsetzbar ist, wenn sie nicht mehr als Hinweis auf eine Region, sondern als spezifische Marke für ein Unternehmen verstanden wird.
  • Im Fall von „Chiemsee“ für Sportbekleidung konnte eine hohe Verkehrsdurchsetzung nachgewiesen werden.

BPatG, „Sparkasse“

  • Der Begriff „Sparkasse“ war ursprünglich beschreibend für eine Bank.
  • Durch langjährige Nutzung und intensive Werbung wurde die Marke durchgesetzt und geschützt.

BPatG, „Leicht & Cross“

  • Der Begriff „Leicht & Cross“ wurde zunächst als beschreibend für Knäckebrot abgelehnt.
  • Eine repräsentative Verkehrsbefragung zeigte jedoch, dass über 50 % der Verbraucher die Marke einem bestimmten Hersteller zuordneten.

5. Praktische Bedeutung für Unternehmen

Die Verkehrsdurchsetzung ist ein mächtiges Werkzeug, um auch beschreibende Begriffe als Marke eintragen zu lassen. Unternehmen sollten folgende Maßnahmen treffen, um ihre Marke erfolgreich durchzusetzen:

  1. Langfristige Markenstrategie
    • Einheitliche Nutzung der Marke in Werbung, Verpackung und Vertrieb.
    • Langfristige Etablierung als Herkunftszeichen.
  2. Nachweisbare Marktdurchdringung
    • Umsatzzahlen und Marktanteile dokumentieren.
    • Bekanntheitsgrad durch Werbekampagnen steigern.
  3. Rechtliche Absicherung
    • Frühzeitig Verkehrsbefragungen einleiten.
    • Anwaltskanzleien mit Erfahrung im Markenrecht konsultieren.

6. Fazit

Die Verkehrsdurchsetzung ist eine Möglichkeit, um auch nicht unterscheidungskräftige oder beschreibende Begriffe als Marke zu schützen. Sie erfordert jedoch eine hohe Bekanntheit in den relevanten Verkehrskreisen, die durch langjährige Nutzung und eine repräsentative Verkehrsbefragung belegt werden muss. Während eine Durchsetzung für allgemein beschreibende Begriffe schwierig ist, gibt es zahlreiche Fälle, in denen Unternehmen ihre Marken erfolgreich schützen konnten. Eine frühzeitige strategische Planung ist entscheidend, um rechtliche Hürden zu umgehen und langfristigen Markenschutz zu sichern.

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Was ist unter fehlender Unterscheidungskraft zu verstehen?

1. Einführung: Die Bedeutung der Unterscheidungskraft im Markenrecht

Die Unterscheidungskraft ist eines der zentralen Schutzkriterien für Marken und bestimmt, ob ein Zeichen überhaupt als Marke eingetragen werden kann. Sie bezeichnet die Eignung eines Zeichens, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Eine Marke ohne Unterscheidungskraft kann nicht registriert werden, da sie ihre Hauptfunktion – den Herkunftshinweis – nicht erfüllen kann.

Die Unterscheidungskraft ist in § 8 Abs. 2 Nr. 1 des Markengesetzes (MarkenG) geregelt:

„Von der Eintragung ausgeschlossen sind Marken, die keine Unterscheidungskraft besitzen.“

Das bedeutet: Ein Zeichen, das als zu allgemein oder beschreibend angesehen wird, kann nicht als Marke geschützt werden. Es muss sich von anderen Begriffen oder Zeichen abheben und eine eindeutige Verbindung zum Unternehmen herstellen.

2. Warum ist Unterscheidungskraft so wichtig?

Die Unterscheidungskraft ist das Herzstück einer Marke. Ohne sie könnte jeder allgemeine oder beschreibende Begriff monopolisiert werden, was zu einer Einschränkung des Wettbewerbs führen würde.

Ziel der Unterscheidungskraft:

  1. Schutz der Verbraucher
    • Eine Marke muss erkennen lassen, von welchem Unternehmen das Produkt stammt.
    • Beispiel: „Adidas“ unterscheidet sich klar von „Nike“, aber „Sportschuhe“ wäre zu allgemein.
  2. Wettbewerbsschutz
    • Unternehmen dürfen keine Begriffe oder Zeichen schützen, die andere Unternehmen zur Beschreibung ihrer Produkte benötigen.
    • Beispiel: „Bio“ für Lebensmittel ist zu allgemein, „BioFarmX“ hingegen wäre unterscheidungskräftig.
  3. Effektiver Markenschutz
    • Marken müssen so beschaffen sein, dass sie nicht mit beschreibenden Begriffen verwechselt werden.
    • Beispiel: „Best Buy“ wäre für Elektronik zu allgemein, aber „BestByte“ könnte unterscheidungskräftig sein.

3. Wann fehlt einer Marke die Unterscheidungskraft?

Ein Zeichen besitzt keine Unterscheidungskraft, wenn es sich nicht klar von anderen Zeichen abhebt oder rein beschreibend für die Waren oder Dienstleistungen ist.

Folgende Kategorien fallen typischerweise unter fehlende Unterscheidungskraft:

a) Allgemein gebräuchliche Begriffe

  • Wörter oder Zeichen, die als allgemeine Gattungsbezeichnung für eine Ware oder Dienstleistung dienen.
  • Beispiel:
    • „Apotheke“ für eine Apotheke
    • „Autohaus“ für ein Autohaus

b) Beschreibende Begriffe

  • Wörter, die eine Eigenschaft, Qualität oder den Zweck einer Ware oder Dienstleistung beschreiben.
  • Beispiel:
    • „Super frisch“ für Lebensmittel
    • „Extra scharf“ für Messer
    • „100 % Natur“ für Bio-Produkte

Gerichtsurteil dazu:
EuGH, Urteil „Doublemint“ (C-191/01 P)

  • Ein Zeichen ist nicht unterscheidungskräftig, wenn es zur Bezeichnung einer Eigenschaft der Ware oder Dienstleistung dient.
  • Der Begriff „Doublemint“ wurde nicht als Marke anerkannt, da er auf doppelte Frische in Kaugummi hinweist.

c) Werbeslogans

  • Allgemeine Werbesprüche, die lediglich eine positive Aussage über ein Produkt oder eine Dienstleistung treffen.
  • Beispiel:
    • „Simply the best“ für Bekleidung
    • „We care for you“ für Gesundheitsdienstleistungen

Gerichtsurteil dazu:


EuGH, Urteil „Vorsprung durch Technik“ (C-398/08 P)

  • Der Slogan wurde zunächst als nicht unterscheidungskräftig angesehen.
  • Durch lange Nutzung und Bekanntheit konnte Audi jedoch Unterscheidungskraft nachweisen.

d) Abkürzungen und Zahlenkombinationen

  • Wenn sie keine eigenständige Bedeutung haben oder zu generisch sind.
  • Beispiel:
    • „ABC“ für Beratungsdienste
    • „123“ für Finanzdienstleistungen

e) Geografische Angaben

  • Ortsnamen oder regionale Bezeichnungen, die allgemein für bestimmte Produkte stehen.
  • Beispiel:
    • „Bayerisches Bier“ (geschützte Herkunftsangabe)
    • „Schwarzwald“ für Schwarzwälder Schinken

Gerichtsurteil dazu:


EuGH, Urteil „Chiemsee“ (C-108/97, C-109/97)

  • Geografische Bezeichnungen können nur dann als Marke geschützt werden, wenn sie nicht primär als Hinweis auf die geografische Herkunft verstanden werden.

4. Beispiele für Marken, die wegen fehlender Unterscheidungskraft abgelehnt wurden

  • „Beste Qualität“ für Lebensmittel → zu allgemein
  • „Green Energy“ für erneuerbare Energien → beschreibend
  • „100 % Natürlich“ für Kosmetikprodukte → beschreibt nur die Produkteigenschaft
  • „Hotel International“ für eine Hotelkette → keine Unterscheidungskraft

Dagegen wurden einige beschreibende Marken durch Verkehrsdurchsetzung geschützt (siehe vorheriges Kapitel), z. B.:

  • „Sparkasse“ für Banken
  • „Leicht & Cross“ für Knäckebrot
  • „Post“ für die Deutsche Post AG

5. Abgrenzung zur Freihaltebedürftigkeit

Die fehlende Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) bedeutet, dass eine Marke nicht als Herkunftshinweis wahrgenommen wird, weil sie zu allgemein oder beschreibend ist. Sie kann keine Verbindung zu einem bestimmten Unternehmen herstellen. Beispiele sind „Beste Qualität“ für Lebensmittel oder „Schnell & Sicher“ für Versicherungen.

Das Freihaltebedürfnis (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG) hingegen stellt sicher, dass beschreibende Begriffe für alle Wettbewerber verfügbar bleiben. Ein Zeichen unterliegt dem Freihaltebedürfnis, wenn es eine wesentliche Eigenschaft, eine gängige Bezeichnung oder eine geografische Herkunft beschreibt, z. B. „Bio“ für Lebensmittel oder „Schwarzwald“ für Schinken.

Während eine Marke ohne Unterscheidungskraft durch Verkehrsdurchsetzung schutzfähig werden kann, ist das bei Begriffen mit Freihaltebedürfnis nur in Ausnahmefällen möglich.

6. Möglichkeiten, fehlende Unterscheidungskraft zu überwinden

Unternehmen können verschiedene Strategien nutzen, um trotz fehlender Unterscheidungskraft Markenschutz zu erlangen:

  1. Verkehrsdurchsetzung nachweisen
    • Wenn eine Marke bereits lange im Markt etabliert ist und Verbraucher sie einem bestimmten Unternehmen zuordnen, kann eine Eintragung erfolgen.
    • Beispiel: „Sparkasse“ oder „Leicht & Cross“.
  2. Kreative Wortkombinationen wählen
    • Beschreibende Begriffe mit Fantasiewörtern kombinieren.
    • Beispiel: „BioFarmX“ statt nur „Bio“.
  3. Wort-Bild-Marke anmelden
    • Falls das Wort allein nicht schutzfähig ist, kann eine Kombination mit einer grafischen Gestaltung helfen.
    • Beispiel: Logo mit einer besonderen Schrift oder einem Symbol.

Die Unterscheidungskraft ist die Grundvoraussetzung für den Markenschutz. Begriffe, die allgemein, beschreibend oder zu gebräuchlich sind, werden nicht als Marke eingetragen. Allerdings gibt es Möglichkeiten, den Markenschutz doch noch zu erreichen, sei es durch kreative Namensgestaltung, Wort-Bild-Marken oder Verkehrsdurchsetzung. Wer eine Marke anmeldet, sollte daher frühzeitig prüfen, ob Unterscheidungskraft gegeben ist oder ob alternative Strategien notwendig sind.

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Weitere Beispiele für das Freihaltebedürfnis im Markenrecht

1. Allgemein beschreibende Begriffe für Produkte oder Dienstleistungen

  • „Laptop“ für tragbare Computer
  • „Smartphone“ für Mobiltelefone
  • „E-Bike“ für Elektrofahrräder
  • „Online-Banking“ für digitale Bankdienstleistungen
  • „Streaming“ für Online-Videodienste

2. Fachbegriffe oder übliche Branchenbezeichnungen

  • „Dentist“ für Zahnärzte
  • „Physio“ für Physiotherapiepraxen
  • „Consulting“ für Unternehmensberatungen
  • „Coaching“ für Schulungs- oder Trainingsangebote
  • „Eventagentur“ für Veranstaltungsorganisation

3. Geografische Bezeichnungen und Herkunftsangaben

  • „Champagner“ für Schaumwein (geschützte Ursprungsbezeichnung)
  • „Parmesan“ für Käse aus Italien (geschützte Herkunftsangabe)
  • „Bayerisches Bier“ für Bier aus Bayern
  • „Toskana“ für Weine aus der italienischen Region
  • „Alpenwasser“ für Mineralwasser

4. Technische Merkmale oder Produktbestandteile

  • „WLAN“ für kabellose Internetverbindungen
  • „5G“ für Mobilfunktechnologie der fünften Generation
  • „Nano“ für Produkte mit Nanotechnologie
  • „USB“ für universelle Datenverbindungen
  • „Bluetooth“ (wurde ursprünglich als Marke eingetragen, ist aber mittlerweile ein Standardbegriff)

5. Werbeslogans und gängige Werbebegriffe

  • „Top-Qualität“ für Waren aller Art
  • „Schnell & sicher“ für Dienstleistungen
  • „Natürlich gesund“ für Bio-Produkte
  • „Wir lieben Lebensmittel“ (Rewe konnte diesen Slogan schützen, aber viele generische Werbesprüche sind nicht schutzfähig)
  • „Innovativ & nachhaltig“ für Umweltprodukte

6. Farb- und Zahlenkombinationen mit allgemeiner Bedeutung

  • „24/7“ für Dienstleistungen, die rund um die Uhr verfügbar sind
  • „1A“ für Premium-Produkte
  • „100 % Bio“ für Naturprodukte
  • „4K“ für hochauflösende Bildschirme
  • „360°-Marketing“ für Werbeagenturen

7. Abkürzungen mit allgemeiner oder beschreibender Bedeutung

  • „DIY“ für „Do it Yourself“-Produkte
  • „IT“ für Informationstechnologie
  • „VR“ für Virtual Reality
  • „AI“ für Künstliche Intelligenz
  • „FAQ“ für Webseiten mit häufig gestellten Fragen

8. Namen von Feiertagen oder allgemeinen Veranstaltungen

  • „Oktoberfest“ für ein Volksfest
  • „Black Friday“ für Rabattaktionen (war als Marke eingetragen, wurde jedoch in Deutschland für nicht schutzfähig erklärt)
  • „Valentinstag“ für Geschenke oder Floristik
  • „Weihnachtsmarkt“ für Märkte im Dezember
  • „Sommerfest“ für Eventveranstaltungen

Diese Beispiele verdeutlichen, dass das Freihaltebedürfnis besonders bei beschreibenden Begriffen, Branchenbezeichnungen, geografischen Angaben und technischen Standards greift. Begriffe, die in der Alltagssprache fest etabliert sind und für viele Marktteilnehmer wichtig sind, können nicht monopolisiert werden, um einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten.

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