Fototapete fotografiert und veröffentlicht? – LG Köln: Urheberrechtsverletzung!

Was auf den ersten Blick wie ein alltäglicher Vorgang erscheint – das Bewerben einer Ferienwohnung mit Fotos – wurde vor dem Landgericht Köln zum Streitfall. Die Entscheidung vom 18. April 2024 (Az. 14 O 60/23) hat weitreichende Bedeutung für alle, die Innenräume fotografieren und diese Bilder veröffentlichen: Fototapeten können urheberrechtlich geschützt sein.
Wer solche Bilder ohne Zustimmung des Rechteinhabers online stellt, riskiert eine Abmahnung wegen Urheberrechtsverletzung.
1. Der Sachverhalt im Detail
Die Beklagte war Betreiberin einer Ferienwohnung. Zur Bewerbung ihres Objekts nutzte sie verschiedene Online-Plattformen wie FeWo-direkt oder Booking.com und veröffentlichte dort mehrere Fotos der Innenräume. Auf diesen Aufnahmen war gut sichtbar eine großflächige Fototapete zu sehen, die eine Stadtansicht zeigte.
Zur Tapete selbst:
- Es handelte sich um eine Fototapete, auf der ein urheberrechtlich geschütztes Foto abgebildet war.
- Die Fotografie stammte von einem professionellen Fotografen, der seine Werke über eine Bildagentur lizenzierte.
- Die Tapete war nicht von der Beklagten selbst angebracht worden, sondern wurde durch die Vorbesitzerin – vermutlich durch ihre Großmutter – viele Jahre zuvor erworben und angebracht.
Die Reaktion:
Der Urheber bzw. Rechteinhaber des abgebildeten Fotos (die Klägerin) wurde durch die Onlinebilder auf die Veröffentlichung aufmerksam. Die Klägerin mahnte die Beklagte wegen Verletzung des Rechts auf öffentliche Zugänglichmachung (§ 19a UrhG) ab und forderte:
- Unterlassung der weiteren Nutzung,
- Entfernung der streitgegenständlichen Fotos,
- Zahlung von Schadensersatz.
Die Beklagte entfernte daraufhin die Fotos und überstrich sogar die Tapete. Dennoch weigerte sie sich, die geforderte Unterlassungserklärung zu unterzeichnen und Schadensersatz zu leisten – mit Verweis darauf, dass sie sich keiner Schuld bewusst sei.
2. Die rechtliche Würdigung des LG Köln – Schritt für Schritt
Das Landgericht Köln entschied klar zugunsten der Klägerin. Die Begründung ist bemerkenswert ausführlich und lässt keine Zweifel an der Rechtslage zu.
2.1. Verletzung des Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a UrhG)
Durch das Einstellen der Fotos der Ferienwohnung, auf denen die Fototapete zu sehen war, habe die Beklagte das Foto – in Form eines abgeleiteten Werkes – öffentlich zugänglich gemacht.
Dies verletze das ausschließliche Verwertungsrecht der Klägerin nach § 19a UrhG.
Das LG stellte unmissverständlich klar:
„Die streitgegenständliche Tapete zeigt ein urheberrechtlich geschütztes Lichtbild, dessen Nutzung im Rahmen der Veröffentlichung im Internet einer Lizenz bedurft hätte.“
2.2. Kein „unwesentliches Beiwerk“ i.S.d. § 57 UrhG
Die Beklagte berief sich auf die urheberrechtliche Schrankenregelung des § 57 UrhG. Diese besagt, dass urheberrechtlich geschützte Werke ohne Genehmigung verwendet werden dürfen, wenn sie als „unwesentliches Beiwerk“ neben dem eigentlichen Motiv erscheinen.
Das LG Köln erteilte dieser Argumentation eine klare Absage:
Gründe:
- Die Tapete sei nicht zufällig oder beiläufig auf dem Bild vorhanden, sondern bilde ein zentrales, gestalterisches Element des Raumes.
- Sie sei nicht austauschbar, sondern prägend für die Raumwirkung.
- Die Fotografie diene zur Bewerbung der Ferienwohnung – die Tapete habe eine konzeptionelle Werbefunktion.
„Die Tapete nimmt einen quantitativ erheblichen Teil des Fotos ein und ist qualitativ maßgeblich für die Atmosphäre des Raumes.“
Es komme nicht darauf an, ob der Durchschnittsgast das Motiv bewusst wahrnehme – sondern darauf, wie es im Kontext der Fotografie wirkt.
Das LG betont ausdrücklich, dass die Einschätzung der „Wesentlichkeit“ aus Sicht eines objektiven Durchschnittsbetrachters vorzunehmen sei – ein Maßstab, den die Kammermitglieder selbst anlegen könnten.
2.3. Keine konkludente Einräumung von Nutzungsrechten
Die Beklagte hatte argumentiert, dass durch den Erwerb der Tapete über den freien Handel (Verkauf durch den Einzelhandel) eine konkludente Einräumung von Nutzungsrechten erfolgt sei – insbesondere, da sie die Tapete ja rechtmäßig erworben und nicht selbst angebracht habe.
Das LG Köln erteilt auch dieser Argumentation eine deutliche Absage:
„Eine weitreichende Lizenz zur öffentlichen Wiedergabe durch schlüssiges Verhalten ist mit der Rechtsgeschäftslehre und der urheberrechtlichen Zweckübertragungslehre unvereinbar.“
Warum?
- Der Kauf eines urheberrechtlich geschützten Werks impliziert keine Rechte zur Veröffentlichung.
- Eine einmalige Nutzung als Wanddekoration ist keine stillschweigende Zustimmung zur Vervielfältigung oder Veröffentlichung.
- Selbst wenn die Tapete im Handel erhältlich ist, bedeutet das keine pauschale Lizenzvergabe an Endnutzer zur Onlineverbreitung.
2.4. Praktikabilitäts-Argumente überzeugen nicht
Das Gericht setzte sich kritisch mit dem Argument auseinander, man könne eine Ferienwohnung nicht bewerben, ohne den Raum authentisch darzustellen. Diese Auffassung hatte zuvor etwa das OLG Düsseldorf in einem vergleichbaren Fall angedeutet.
Doch auch diesem Ansatz widerspricht das LG Köln:
„Die Tapete hätte problemlos entfernt oder mit neutralen Gestaltungselementen ersetzt werden können.“
Dass dies mit Aufwand verbunden ist, spiele für die rechtliche Bewertung keine Rolle. Die Richter betonen:
Der Schutz des Urhebers kann nicht durch wirtschaftliche oder ästhetische Erwägungen unterlaufen werden.
2.5. Kein Rechtsmissbrauch der Klägerin
Abschließend prüfte das Gericht, ob das Vorgehen der Klägerin rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 242 BGB sein könnte – etwa wegen des langen Zeitraums zwischen Anbringung der Tapete (2012) und Abmahnung (2023). Auch das wurde klar verneint:
- Die Beklagte habe die Fotos selbst öffentlich gemacht.
- Die Klägerin habe nur auf eine aktuelle Verletzung reagiert.
- Die Rechteverfolgung sei weder schikanös noch unverhältnismäßig.
Praktische Relevanz und Lehren aus dem Urteil
Das Urteil hat signalhafte Wirkung für zahlreiche Branchen, in denen Innenraumfotos veröffentlicht werden:
Betroffen sind u.a.:
- Ferienwohnungsvermieter
- Hoteliers
- Immobilienmakler
- Innenarchitekten
- Fotografen und Agenturen
- Online-Plattformen wie Airbnb, Booking.com, Immoscout24
➤ Wichtige Lehren:
- Nicht jedes gekaufte Deko-Element darf einfach veröffentlicht werden.
- Urheberrecht gilt auch im privaten Wohnbereich, sobald Fotos öffentlich gemacht werden.
- Veröffentlichung = Eingriff in das Verwertungsrecht des Urhebers.
- Lizenzen sind aktiv einzuholen, wenn urheberrechtlich geschützte Werke auf Bildern erscheinen.
Fazit: Vorsicht bei Innenraumfotos – Urheberrecht endet nicht an der Zimmerwand
Das Urteil des LG Köln zeigt eindrucksvoll, wie konsequent die Rechtsprechung den Urheberrechtsschutz auch im digitalen Raum durchsetzt. Eine vermeintlich beiläufige Fototapete kann zur kostspieligen Abmahnung führen, wenn deren urheberrechtlich geschütztes Motiv ohne Lizenz im Internet gezeigt wird.
Wer mit Fotos wirbt – ganz gleich, ob bei Immobilien oder Hotellerie – muss sich bewusst machen: Auch das Setting ist rechtlich relevant.
Ihr Ansprechpartner für Urheberrecht
Sie haben eine Abmahnung erhalten? Oder möchten vorbeugend prüfen lassen, ob Ihre Inhalte rechtssicher sind?
Wir bieten:
- schnelle Ersteinschätzung
- Abwehr oder Durchsetzung urheberrechtlicher Ansprüche
- Vertragsgestaltung für Lizenzen & Nutzungsrechte
➡ Jetzt unverbindlich Kontakt aufnehmen – wir vertreten Sie bundesweit.
Ansprechpartner
Frank Weiß
Frank Weiß
Andere über uns
WEB CHECK SCHUTZ
Gestalten Sie Ihre Internetseite / Ihren Onlineshop rechts- und abmahnsicher.
Erfahren Sie mehr über die Schutzpakete der Anwaltskanzlei Weiß & Partner für die rechtssichere Gestaltung Ihrer Internetpräsenzen.