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fotografierte Passantin verklagt Künstler auf Schmerzensgeld

LG Berlin, Urteil vom 03.06.2014, Az. 27 O 56/14
| Rechtsanwalt Frank Weiß

War die Straßenfotografie bisher als Kunstform geschützt, wird sie mit diesem Urteil nun stark eingeschränkt. Jede Privatperson kann nun auch in der Öffentlichkeit Privatheit und damit den Schutz der eigenen Privatsphäre einfordern. Geldentschädigungen werden jedoch nur dann angewiesen, wenn die Privatperson unvorteilhaft oder verfälscht dargestellt und das Persönlichkeitsrecht somit stark verletzt wird.

Im Rahmen der Ausstellung „Ostkreuz. Westwärts. Neue Sicht auf Charlottenburg“, die ab 20. September 2013 im Amerika-Haus in Berlin Charlottenburg gezeigt wurde, war auch eine Fotografie zu sehen, die Gegenstand dieser Klage ist. Abgebildet war eine Frau, die nun sowohl den Fotografen als auch den Aussteller auf Unterlassung und Schadenersatz wegen Veröffentlichung ihres Fotos verklagt hat.

Zur Begründung ihrer Klage brachte die Frau vor, dass sie mit der Fotografie ihr Persönlichkeitsrecht schwer verletzt sehe. Bereits die heimliche Aufnahme sei ein Straftatsbestand. Der Fotograf hätte sich ihre Zustimmung einholen müssen. Dem hätte sie jedoch ohnehin nicht entsprochen, da sie kein Interesse daran habe, sich in einer privaten Situation der Öffentlichkeit zu präsentieren. Die Fotografie habe sie schließlich in Verbindung zu einem Pfandhaus gezeigt, ihre Kleidung wie auch Gesichtsausdruck wären unvorteilhaft gewesen. Menschen, die die Fotografie betrachtet haben, hätten über ihre Beweggründe und ihr Aussehen spekulieren können. So sei die Klägerin über Wochen in der Öffentlichkeit zur Schau gestellt worden und habe schließlich ein Gefühl des Ausgesetztseins empfunden.

Nach Ansicht der Klägerin könne sich der beklagte Fotograf auch nicht auf § 23 Abs. 1 Nr. 4 des Kunsturheberrechtsgesetzes berufen, da die Klägerin der Digitalfotografie den Status der Straßenfotografie als Kunstform abspricht.

Da es nun aber bereits zur Veröffentlichung ihres Bildes gegen ihren Willen gekommen sei, forderte die Klägerin zudem einen abstrakten Schadenersatz in Form einer fiktiven Lizenzgebühr.

Beide Beklagten, sowohl der Fotograf als auch der Aussteller, beantragten die Klage abzuweisen. Insbesondere der Fotograf machte geltend, dass er sich durchaus in der Tradition der sogenannten „Street Photography“ sehe und legte zudem detalliert den künstlerischen Wert und die Symbolik des Fotos dar, das Gegenstand der Verhandlung war. Gegenüber der künstlerischen Freiheit habe das Persönlichkeitsrecht der Klägerin hier zurückzutreten. Von einer Entschädigungszahlung wollten Fotograf und Aussteller ebenso Abstand nehmen, da die Klägerin einer Veröffentlichung ohnehin nicht zugestimmt hätte.

Das Landgericht Berlin hat darauf entschieden, dass die Beklagten die Klägerin in ihrem Persönlichkeitsrecht nicht schwer verletzt hätten. Die Fotografie zeige die Klägerin lediglich in einer normalen Alltagssituation, und es entstehe darüber hinaus nicht der Eindruck, sie hätte gerade das Pfandhaus verlassen. Allerdings habe die Klägerin glaubhaft versichert, dass sie die Ausstellung ihres Bildnisses im öffentlichen Raum als peinlich empfunden habe. Zudem werde die Klägerin aufgrund der öffentlichen überlebensgroßen Abbildung aus ihrer Anonymität herausgerissen und zur Diskussionsgrundlage für ihr fremde Menschen. Daher könne hier § 23 Abs. 1 Nr. 2 des Kunsturheberrechtsgesetzes geltend gemacht werden, wo es heißt, dass es nur dann keiner Einwilligung der abgebildeten Personen bedarf, wenn diese lediglich als zufälliges Beiwerk in einem Natur- oder Architekturfoto dienen. In der betreffenden Fotografie sei die Klägerin jedoch das zentrale Motiv, weshalb jede Veröffentlichung ihrer Einwilligung bedurft hätte.

Wäre das Bildnis der Klägerin nun für Werbezwecke kommerziell genutzt worden, hätte ein Anspruch auf Zahlung bestanden. Allerdings wurde die Fotografie lediglich im Rahmen einer Ausstellung genutzt, die für die Öffentlichkeit unentgeltlich zu besuchen war. Auch hier müssen Fotograf als auch Veranstalter keine Zahlung begleichen.

Allerdings hat die Klägerin Anspruch auf die Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten aufgrund des Anspruchs der Klägerin auf Unterlassung der Verwendung ihres Bildnisses in der Öffentlichkeit. Die Beklagten haben hier jeweils zehn Prozent der Kosten zu tragen, die übrigen achtzig Prozent die Klägerin selbst.

LG Berlin, Urteil vom 03.06.2014, Az. 27 O 56/14

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