Falsche Blickfangwerbung: Fußnoten reichen nicht zur Korrektur
Rabatte ziehen – das wissen Werbetreibende ganz genau. Wenn große Prozentzahlen in auffälliger Schriftgröße die Aufmerksamkeit der Verbraucher fesseln, greifen viele gerne spontan zu. Doch was, wenn sich hinter solchen „Knallerangeboten“ ein juristisches Täuschungsmanöver verbirgt? Das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg hat in einer Entscheidung (Beschluss vom 23.12.2022 – Az.: 3 U 1720/22) klargestellt: Eine objektiv falsche Blickfangwerbung kann nicht durch Klarstellungen in der Fußnote „gerettet“ werden.
In diesem Beitrag erklären wir Ihnen, was genau hinter dem Fall steckt, welche rechtlichen Maßstäbe gelten und warum irreführende Werbung nicht mit Sternchen-Texten entschuldigt werden kann.
Der Fall: „39 % in ALLEN Abteilungen“ – aber nicht wirklich
Ein Möbelhaus warb in einer Anzeige plakativ mit der Aussage:
„39 % in ALLEN Abteilungen – Tische & Stühle, Betten, Sofas, Küchen, Reduzierte Waren, Große Marken, Haushalt, Teppiche, Lampen, Deko, Gardinen“
Darunter befand sich eine Fußnote, die zahlreiche Ausnahmen enthielt. Unter anderem waren bestimmte Marken, bereits reduzierte Artikel, Bücher und Gutscheine vom Rabatt ausgeschlossen. Auch einzelne Produktgruppen wurden relativiert.
Trotz dieses „Kleingedruckten“ sah das OLG Nürnberg die Werbung als unzulässig irreführend an. Der Grund: Die plakative Aussage im Blickfang sei objektiv falsch – und damit nicht durch Klarstellungen in Fußnoten zu heilen.
Blickfangwerbung und ihre juristischen Grenzen
Werbung darf zugespitzt sein – aber sie darf nicht lügen. Blickfangwerbung bedeutet, dass eine bestimmte Aussage besonders hervorgehoben wird. Genau diese Aussage prägt die Erwartungshaltung der Verbraucher.
Daher gilt im Wettbewerbsrecht ein klarer Grundsatz:
Eine irreführende Blickfangwerbung kann nur dann zulässig sein, wenn ein klarer und unmissverständlicher Hinweis erfolgt, der selbst am Blickfang teilhat.
Ein Sternchenvermerk in kleiner Schrift am Seitenende reicht in der Regel nicht aus – erst recht nicht, wenn die Blickfangangabe objektiv falsch ist.
Die rechtliche Beurteilung des OLG Nürnberg im Detail
Das OLG Nürnberg stufte die Werbung als „dreiste Lüge“ ein. Diese Formulierung mag drastisch klingen, sie hat jedoch eine klare rechtliche Bedeutung:
„Handelt es sich um eine falsche Angabe zu einer leicht nachprüfbaren, objektiven Tatsache, für die es keinen vernünftigen Grund gibt (...), liegt eine sogenannte ‚dreiste Lüge‘ vor.“
Die Aussage „39 % in ALLEN Abteilungen“ sei objektiv falsch, da zahlreiche Abteilungen und Produkte vom Rabatt tatsächlich ausgeschlossen waren – insbesondere bereits reduzierte Ware, obwohl diese in der Blickfangwerbung explizit mitgenannt wurde.
Diese Unrichtigkeit war laut Gericht:
- eindeutig erkennbar,
- leicht zu vermeiden,
- ohne sachlichen Anlass und
- nicht bloß missverständlich, sondern objektiv unrichtig.
Entscheidend war dabei auch, dass der Verbraucher bei einer so pauschalen Rabattankündigung keinen Anlass hat, auf Einschränkungen durch eine Fußnote zu achten. Die Angabe suggeriert uneingeschränkte Gültigkeit, insbesondere für bereits reduzierte Waren.
Wann kann eine Fußnote dennoch wirksam aufklären?
In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass ein klarer und unmissverständlicher Hinweis eine irreführende Vorstellung ausnahmsweise korrigieren kann. Allerdings gelten dafür strenge Voraussetzungen:
- Der Hinweis muss leicht erkennbar sein.
- Er muss am Blickfang teilhaben – also nicht versteckt in der Fußnote stehen.
- Er darf nicht im Widerspruch zur hervorgehobenen Aussage stehen.
Im vorliegenden Fall war dies nicht gegeben. Die Fußnote beschränkte den Rabatt deutlich – das widersprach jedoch dem klaren Wortlaut der Blickfangwerbung. Der durchschnittliche Verbraucher wird durch die Werbung also bewusst in die Irre geführt.
Was bedeutet das für Unternehmen?
Wenn Sie mit Preisnachlässen werben, sollten Sie sich über die rechtlichen Grenzen klar sein:
- Werbeaussagen müssen zutreffend sein.
- Fußnoten reichen nicht aus, um objektive Falschinformationen zu relativieren.
- Achten Sie darauf, dass Einschränkungen bereits im Haupttext klar und verständlich formuliert werden.
- Blickfangangaben müssen im Gesamtkontext wahr sein – nicht nur im Zusammenspiel mit Fußnoten.
Andernfalls drohen Abmahnungen, Unterlassungsklagen und erhebliche Kosten.
Fazit: Ehrlichkeit siegt – auch im Marketing
Das OLG Nürnberg hat mit seiner Entscheidung ein deutliches Zeichen gesetzt: Werbung darf nicht tricksen. Objektiv falsche Aussagen im Blickfang sind nicht durch Fußnoten entschuldbar – insbesondere dann nicht, wenn es sich um leicht erkennbare und vermeidbare Unwahrheiten handelt.
Wenn Sie also in Ihrer Werbung mit Zahlen, Superlativen oder pauschalen Aussagen arbeiten, sollten Sie deren Richtigkeit genau prüfen. Denn eins ist sicher: Die Konkurrenz, Verbraucherverbände und Gerichte schauen ganz genau hin.
Bei rechtlichen Fragen zur Zulässigkeit Ihrer Werbung stehen wir Ihnen gerne mit unserer spezialisierten Beratung zur Seite.
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Frank Weiß
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