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EU stoppt Greenwashing

| Rechtsanwalt Frank Weiß

Grün verkauft sich gut – manchmal zu gut. In Zeiten von Klimawandel, Umweltkrisen und einem wachsenden Bewusstsein für Nachhaltigkeit setzen Unternehmen zunehmend auf „grüne“ Werbebotschaften. Produkte sollen „umweltfreundlich“, „klimaneutral“, „nachhaltig“ oder „ökologisch“ sein – zumindest auf dem Papier. Doch nicht alles, was grün glänzt, ist auch tatsächlich gut für die Umwelt. Genau hier beginnt das Problem des sogenannten Greenwashings.

Was ist Greenwashing?

Der Begriff Greenwashing bezeichnet Marketingstrategien von Unternehmen, die den Eindruck erwecken sollen, ein Produkt, eine Dienstleistung oder das gesamte Unternehmen sei besonders umweltfreundlich – ohne dass diese Behauptungen einer objektiven Prüfung standhalten. Oftmals werden dabei vage oder wissenschaftlich nicht belegbare Aussagen verwendet, die den Verbraucher gezielt in die Irre führen. Die Folge: Ein scheinbar „grünes“ Image, das mit der Realität wenig zu tun hat.

Beispiele gefällig? Ein Waschmittel wird als „biologisch abbaubar“ beworben, obwohl es nur zu einem Bruchteil die gesetzlich geforderten Kriterien erfüllt. Ein Flugunternehmen wirbt mit „klimaneutralen Reisen“, weil es CO₂-Zertifikate kauft, deren Wirkung fragwürdig ist. Oder ein Modeunternehmen lobt einzelne Kollektionen als „nachhaltig“, obwohl in den Lieferketten weiterhin massive Umweltverstöße stattfinden.

Warum ist das Thema aktuell so brisant?

Greenwashing ist kein neues Phänomen, aber es gewinnt zunehmend an Relevanz – insbesondere vor dem Hintergrund des EU Green Deals, wachsender Klimaschutzauflagen und eines wachsamen Verbraucherbewusstseins. Laut einer Studie der EU-Kommission aus dem Jahr 2020 waren über 50 % der umweltbezogenen Aussagen in der Werbung vage, irreführend oder unbegründet. Ganze 40 % konnten nicht einmal durch Belege untermauert werden.

In der Praxis bedeutet das: Verbraucher werden systematisch getäuscht, während wirklich nachhaltige Unternehmen ins Hintertreffen geraten. Gleichzeitig werden politische Klimaziele untergraben. Für den freien Wettbewerb, das Verbrauchervertrauen – und letztlich auch für den Rechtsstaat – ist das ein untragbarer Zustand.

Deshalb hat die EU nun reagiert. Mit einem neuen Gesetzespaket, das Greenwashing den Kampf ansagt und Unternehmen künftig strengere Transparenz- und Belegpflichten auferlegt. Dieser Beitrag beleuchtet, wie die EU Greenwashing künftig verhindern will, welche Folgen das für Unternehmen hat – und was Gerichte und Gesetzgeber jetzt von der Werbewirtschaft erwarten.

Hintergrund: Greenwashing in der Werbung

Werbung ist ein mächtiges Instrument – insbesondere, wenn sie Emotionen weckt und Werte anspricht. Und was ist derzeit wirkungsvoller als das Versprechen, etwas „Gutes für die Umwelt“ zu tun? Genau das machen sich viele Unternehmen zunutze – teils bewusst, teils aus Unwissenheit. Der Grat zwischen legitimer Umweltkommunikation und irreführender Werbung ist dabei oft schmal. Greenwashing beginnt, wo ökologische Aussagen nicht belegbar, übertrieben oder schlichtweg falsch sind.

Typische Beispiele aus verschiedenen Branchen

1. Lebensmittelindustrie: Zahlreiche Produkte tragen Label wie „natürlich“, „umweltfreundlich verpackt“ oder „CO₂-neutral produziert“. Doch bei näherem Hinsehen bestehen Verpackungen weiterhin aus Verbundmaterialien, die nicht recycelbar sind. „CO₂-neutral“ wird häufig durch fragwürdige Kompensationsprojekte erreicht, ohne dass reale Emissionen gesenkt werden.

2. Textilbranche: Modekonzerne bewerben einzelne Kollektionen als „conscious“, „green“ oder „nachhaltig“, obwohl diese nur einen Bruchteil des Sortiments ausmachen. Gleichzeitig bleiben Fast-Fashion-Praktiken, umweltschädliche Produktion und unfaire Arbeitsbedingungen bestehen. Der Nachhaltigkeitsanspruch wird zur reinen PR-Maßnahme.

3. Kosmetik und Reinigungsmittel: Hier finden sich Aussagen wie „biologisch abbaubar“, „vegan“ oder „frei von Mikroplastik“. Tatsächlich ist „biologisch abbaubar“ kein geschützter Begriff und sagt nichts über die Abbaugeschwindigkeit oder die Umweltwirkung aus. „Frei von Mikroplastik“ ist häufig nur ein Teilaspekt – flüssige Kunststoffe bleiben in der Rezeptur enthalten.

4. Energie- und Mobilitätssektor: Fluggesellschaften, Automobilhersteller und Energieanbieter werben mit „klimaneutralem Fliegen“, „grünem Strom“ oder „emissionsfreien Autos“. Dabei werden CO₂-Ausgleichszahlungen als Deckmantel genutzt, während der tatsächliche Energieverbrauch oder Produktionsfußabdruck unberücksichtigt bleibt. Zudem wird oft verschwiegen, dass auch E-Mobilität Ressourcen verbraucht und Emissionen verursacht – nur eben nicht am Auspuff.

Auswirkungen auf Verbraucher und Markttransparenz

Die Folgen von Greenwashing sind vielschichtig – und juristisch nicht zu unterschätzen:

  • Verbrauchertäuschung: Kunden treffen Kaufentscheidungen auf Basis unzutreffender Informationen. Das verletzt nicht nur das Vertrauen in Marken, sondern unterläuft auch das Recht auf informierte Entscheidung.
  • Wettbewerbsverzerrung: Unternehmen, die ernsthaft in Nachhaltigkeit investieren, geraten ins Hintertreffen, wenn Konkurrenten sich mit unzutreffenden Umweltclaims profilieren – ein klarer Verstoß gegen das Lauterkeitsprinzip des Wettbewerbsrechts.
  • Vertrauensverlust: Werden Fälle von Greenwashing öffentlich, sinkt das Vertrauen nicht nur in das betreffende Unternehmen, sondern auch in Label, Gütesiegel und Umweltkommunikation insgesamt. Der Markt droht, in eine Zynismusspirale zu geraten.
  • Hemmnis für echten Umweltschutz: Wenn scheinbar umweltfreundliche Produkte in Wirklichkeit keine nachhaltige Wirkung haben, wird auch die ökologische Gesamtbilanz verschleiert. So entsteht eine trügerische Komfortzone für Verbraucher und Politik.

Gerade deshalb ist die rechtliche Einordnung solcher Praktiken entscheidend. Denn wo die Grenze zwischen geschicktem Marketing und Verbrauchertäuschung verläuft, beginnt der rechtliche Spielraum für Abmahnungen, gerichtliche Unterlassungsansprüche und Bußgelder.

Rechtlicher Rahmen vor der EU-Richtlinie

Greenwashing ist kein rechtliches Niemandsland – schon vor dem Eingreifen der EU-Gesetzgebung gab es auf nationaler und europäischer Ebene Regelungen, die sich gegen irreführende Umweltwerbung richteten. Doch die Praxis zeigte: Die bestehenden Vorschriften reichten nicht aus, um das Problem effektiv zu bekämpfen.

Bisherige Regelungen im deutschen und europäischen Wettbewerbsrecht

Im deutschen Recht war Greenwashing bislang in erster Linie über das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) angreifbar – konkret über die Vorschriften zur irreführenden Werbung (§ 5 UWG) und zur irreführenden geschäftlichen Handlung durch Umweltwerbung (§ 5a UWG).

Nach § 5 Abs. 1 UWG handelt unlauter, wer unwahre oder zur Täuschung geeignete Angaben über wesentliche Merkmale einer Ware oder Dienstleistung macht – etwa zu den Umweltwirkungen eines Produkts. Zusätzlich schützt § 5a UWG den Verbraucher davor, über wesentliche Informationen im Unklaren gelassen zu werden, wenn diese für eine informierte Entscheidung nötig wären.

Auf EU-Ebene griff in der Vergangenheit vor allem die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (UGP-Richtlinie, 2005/29/EG). Auch sie verbietet irreführende Informationen, etwa über die Beschaffenheit, die Vorteile oder die Umweltverträglichkeit eines Produkts. Allerdings enthielt sie keine spezifischen Vorgaben für Umweltwerbung – was in der Praxis zu erheblichen Auslegungsspielräumen führte.

Zwar gab es vereinzelt Selbstregulierungsinstrumente – etwa durch Wettbewerbszentralen oder Verbraucherverbände – und auch die Rechtsprechung begann, sich mit dem Thema zu befassen. Doch es mangelte an konkreten Vorgaben, was genau erlaubt oder unzulässig ist.

Herausforderungen bei der Durchsetzung gegen Greenwashing

Trotz vorhandener Vorschriften war die rechtliche Durchsetzung gegen Greenwashing in der Praxis schwierig – aus mehreren Gründen:

  1. Unklare Begrifflichkeiten: Begriffe wie „nachhaltig“, „klimaneutral“ oder „umweltfreundlich“ sind nicht gesetzlich definiert. Das machte es schwer, objektiv zu beurteilen, ob eine Werbeaussage zutrifft oder nicht.
  2. Fehlende Beweislastregelungen: In der Praxis mussten oft Verbraucherschutzverbände oder Wettbewerber nachweisen, dass eine grüne Werbeaussage unzutreffend oder irreführend ist – ein schwieriges Unterfangen, vor allem bei komplexen Lieferketten oder Emissionsberechnungen.
  3. Fehlende Sanktionen und klare Verbote: Zwar konnten Gerichte in einzelnen Fällen Werbeaussagen untersagen oder Ordnungsgelder verhängen. Doch Bußgelder oder behördliche Sanktionen gab es – anders als etwa im Datenschutzrecht – kaum.
  4. Verwirrende Siegel und Labels: Auch das „Siegel-Wildwuchs“ war lange ein Problem: Zahlreiche selbstgeschaffene oder unzureichend überprüfte Öko-Labels täuschten eine Nachhaltigkeit vor, die objektiv nicht bestand. Rechtliche Anforderungen an die Vergabe oder Verwendung solcher Kennzeichnungen fehlten weitgehend.
  5. Grenzüberschreitende Werbung: Gerade bei international agierenden Unternehmen wurden nationale Rechtsrahmen schnell wirkungslos. Ohne harmonisierte EU-Vorgaben blieben nationale Urteile oft folgenlos, wenn das Unternehmen im Ausland saß.

Fazit:
Obwohl das UWG und die UGP-Richtlinie grundsätzlich Schutzmechanismen gegen Greenwashing enthielten, waren sie in der praktischen Anwendung oft stumpfe Schwerter. Der Bedarf an einer klaren, einheitlichen und durchsetzbaren Regelung auf EU-Ebene war daher immens – nicht nur aus verbraucherschutzrechtlicher, sondern auch aus wettbewerbs- und klimapolitischer Sicht.

Die neue EU-Richtlinie gegen Greenwashing

Anlass und Zielsetzung der Richtlinie

Greenwashing war lange Zeit ein blinder Fleck im EU-Verbraucherschutzrecht. Zwar existierten Regelungen gegen irreführende Werbung, doch sie reichten in der Praxis nicht aus, um der Flut an „grünen“ Marketingversprechen etwas entgegenzusetzen. Eine Marktanalyse der EU-Kommission aus dem Jahr 2020 kam zu dem Ergebnis, dass mehr als die Hälfte aller umweltbezogenen Aussagen auf Produkten nicht überprüfbar oder schlicht falsch waren.

Der politische Druck nahm zu – sowohl durch zivilgesellschaftliche Organisationen als auch durch die Wirtschaft selbst, die Rechtsklarheit und faire Wettbewerbsbedingungen forderte. Zudem passte das Thema perfekt in die Strategie der Europäischen Union, ihren „Green Deal“ auch rechtlich wirksam zu untermauern.

Die neue Richtlinie zielt daher darauf ab, den Begriff „Nachhaltigkeit“ nicht länger zur hohlen Phrase verkommen zu lassen. Umweltversprechen sollen künftig nur noch dann erlaubt sein, wenn sie nachvollziehbar, belegbar und transparent sind. Ziel ist ein besser informierter Verbraucher – und ein Markt, der ökologisches Verhalten belohnt statt nur vortäuscht.

Wesentliche Inhalte und Vorgaben für Unternehmen

Die EU-Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel wurde am 17. Januar 2024 vom Europäischen Parlament endgültig verabschiedet und ergänzt die UGP-Richtlinie 2005/29/EG sowie die Verbraucherrechte-Richtlinie 2011/83/EU. Die Mitgliedstaaten – darunter auch Deutschland – müssen die Vorgaben bis spätestens 2026 in nationales Recht umsetzen. Was genau kommt nun auf Unternehmen zu?

1. Verbot von allgemeinen Umweltaussagen ohne Nachweis

Umweltaussagen wie „umweltfreundlich“, „nachhaltig“, „grün“, „klimaneutral“, „biologisch abbaubar“ oder „CO₂-kompensiert“ dürfen künftig nicht mehr pauschal verwendet werden, es sei denn:

  • Es existieren klare, überprüfbare und wissenschaftlich fundierte Belege, die diese Aussage untermauern.
  • Der gesamte Produktlebenszyklus wird berücksichtigt (von der Herstellung bis zur Entsorgung).
  • Die Aussagen werden konkretisiert, z. B. durch Angabe, worin genau die Umweltfreundlichkeit besteht.

Beispiel: Die Aussage „klimaneutral“ ist nur dann zulässig, wenn transparent offengelegt wird, ob die Emissionen vermieden, reduziert oder nur durch Zertifikate kompensiert wurden – und welche Methode zur Berechnung verwendet wurde.

2. Regulierung von Umweltsiegeln und Zertifizierungen

Ein weiterer Fokus liegt auf der Eindämmung des Siegel-Dschungels. Die Richtlinie unterscheidet künftig klar zwischen:

  • Zertifizierungen auf Basis von unabhängigen Prüfinstitutionen, die auf transparenten Kriterien beruhen
  • und unternehmenseigenen Umweltlogos, die häufig rein werblichen Charakter haben.

Was wird konkret verboten?

  • Die Einführung eigener Umweltzeichen, die nicht auf einem anerkannten Zertifizierungsverfahren beruhen
  • Die Verwendung von staatlich nicht geprüften Labels, wenn diese zu einer Täuschung der Verbraucher führen können

Künftig dürfen nur noch solche Siegel verwendet werden, die auf einem klaren Akkreditierungsmechanismus beruhen – das könnte etwa die ISO-Norm 14024 oder vergleichbare EU-Standards sein. Unternehmen werden verpflichtet, offenzulegen, wie das Siegel vergeben wurde, durch wen und auf welcher Grundlage.

3. Anforderungen an die Transparenz und Nachvollziehbarkeit von Umweltbehauptungen

Die Richtlinie verlangt, dass sämtliche Umweltversprechen für Verbraucher leicht verständlich, präzise und nachvollziehbar sein müssen. Das bedeutet:

  • Verweise auf Datenquellen, Studien oder Prüfberichte müssen möglich sein.
  • Aussagen dürfen sich nicht nur auf Teilaspekte beziehen (z. B. eine „recycelte Verpackung“ bei einem ansonsten umweltschädlichen Produkt).
  • Zukunftsversprechen wie „wir wollen bis 2030 klimaneutral sein“ müssen mit einem glaubwürdigen Plan unterlegt werden.

Verboten sind in Zukunft auch:

  • Umweltbehauptungen über ein gesamtes Unternehmen („wir sind grün“), wenn sich diese nur auf ein einzelnes Produkt beziehen.
  • Werbung mit dem bloßen Verzicht auf gesetzlich ohnehin verbotene Stoffe oder Praktiken, z. B. „frei von FCKW“ (die bereits seit Jahrzehnten verboten sind).

Fazit:

Die neue EU-Richtlinie macht aus einem rechtlichen Flickenteppich ein scharfes Instrument gegen Greenwashing. Unternehmen müssen künftig transparenter, überprüfbarer und ehrlicher kommunizieren, wenn sie mit Umweltversprechen werben wollen. Das ist nicht nur ein Gewinn für Verbraucher und Mitbewerber – sondern auch für den Umweltschutz als solchen.

Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht

Fristen und Verfahren zur Implementierung in Deutschland

Die EU-Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel wurde am 17. Januar 2024 vom Europäischen Parlament verabschiedet und ist im März 2024 in Kraft getreten. Damit beginnt die Umsetzungsfrist für alle Mitgliedstaaten: Bis zum 27. September 2026 muss Deutschland die Vorgaben in nationales Recht überführen – voraussichtlich durch Änderungen im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) sowie flankierende Anpassungen im Verbraucherschutzgesetzbuch (VSBG) und weiteren Spezialgesetzen.

Das Bundesministerium der Justiz (BMJ) hat bereits signalisiert, dass ein entsprechender Gesetzentwurf zur UWG-Novelle vorbereitet wird. Ein Referentenentwurf könnte bereits im Laufe des Jahres 2025 in die öffentliche Diskussion gehen. Die Umsetzung erfolgt dabei im Rahmen des sogenannten „1:1-Umsetzungsgebots“, das bedeutet: Der nationale Gesetzgeber darf die Richtlinie nicht abschwächen, wohl aber durch klarstellende oder strengere Vorschriften ergänzen.

Es ist zu erwarten, dass Verbände, Unternehmen und Verbraucherorganisationen im Rahmen der Umsetzung intensiv beteiligt werden – insbesondere mit Blick auf die Definition konkreter Werbeaussagen, die künftig als unzulässig gelten könnten. Auch eine Kohärenzprüfung mit bestehenden Siegeln, Standards und freiwilligen Unternehmensinitiativen wird Teil des Prozesses sein.

Erwartete Änderungen im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)

Das UWG wird das zentrale Gesetz bleiben, wenn es um die rechtliche Bewertung von Greenwashing geht. Die neuen EU-Vorgaben dürften insbesondere § 5 und § 5a UWG betreffen – also die Regelungen zur irreführenden Werbung und zur Irreführung durch Unterlassen.

Konkret ist Folgendes zu erwarten:

1. Erweiterung der „schwarzen Liste“ unlauterer Geschäftspraktiken

Die EU-Richtlinie sieht vor, dass bestimmte Umweltversprechen explizit als unlautere Praxis eingestuft werden. Diese Praktiken müssen in Anhang I der UGP-Richtlinie aufgenommen werden – der sogenannten „Blacklist“. In Deutschland dürfte diese Liste in einem eigenen Anhang zum UWG aufgeführt werden.

Beispiele für künftig „per se unzulässige“ Werbung:

  • Aussagen wie „klimaneutral“, „umweltfreundlich“ oder „nachhaltig“, ohne Nachweis
  • Werbung mit selbstgeschaffenen Umweltsiegeln, ohne unabhängige Zertifizierung
  • Irreführende Behauptungen über die zukünftige Umweltleistung, ohne konkreten, nachprüfbaren Plan
  • Werbung mit dem bloßen Einhalten gesetzlicher Mindeststandards („frei von Schadstoffen“, obwohl ohnehin verboten)

2. Neue Anforderungen an Nachweispflichten und Transparenz

Es ist damit zu rechnen, dass das UWG künftig klarstellt, dass der Werbende die Beweislast trägt, wenn Umweltaussagen angegriffen werden – eine wichtige Neuerung gegenüber der bisherigen Praxis, in der Kläger die Irreführung darlegen mussten. Dies stärkt die Position von Verbraucherverbänden, NGOs und Wettbewerbern, die gegen Greenwashing vorgehen wollen.

3. Sanktionen und Bußgeldvorschriften

Zwar ist das UWG in erster Linie zivilrechtlich ausgestaltet, dennoch könnte es flankierend öffentlich-rechtliche Bußgeldvorschriften geben – insbesondere dann, wenn Unternehmen systematisch gegen die neuen Transparenzvorgaben verstoßen. Auch ein erweiterter Unterlassungsanspruch im Kollektivklagerecht (gemäß der EU-Verbandsklagenrichtlinie) ist denkbar.

Ausblick

Die Umsetzung der Greenwashing-Richtlinie dürfte nicht nur rechtstechnisch, sondern auch politisch brisant werden: Auf der einen Seite steht das Ziel, Verbraucher besser zu schützen und den Wettbewerb fairer zu gestalten. Auf der anderen Seite könnten Unternehmen einen erhöhten Compliance-Aufwand geltend machen – insbesondere solche, die international agieren oder komplexe Lieferketten bedienen.

Für Unternehmen wird es daher umso wichtiger, sich frühzeitig auf die künftigen Anforderungen einzustellen – etwa durch interne Audits, die Nachvollziehbarkeit von Nachhaltigkeitsclaims oder die Prüfung eingesetzter Siegel und Labels.

Auswirkungen auf Unternehmen und Werbung

Die neue EU-Richtlinie gegen Greenwashing wird für viele Unternehmen kein kleiner Eingriff, sondern eine strategische Zäsur sein. Wer bislang mit allgemein-ökologischen Werbebotschaften operiert hat, muss seine Marketingstrategie nun kritisch überdenken und rechtssicher gestalten. Gleichzeitig bietet die neue Rechtslage auch Chancen – vor allem für ehrliche Marktteilnehmer, die auf Transparenz statt Täuschung setzen.

Notwendige Anpassungen in der Marketingstrategie

Für Marketingabteilungen bedeutet die neue Rechtslage: Weg von Schlagworten – hin zu konkreten Nachweisen.

Unternehmen müssen künftig:

  • Alle umweltbezogenen Aussagen belegen können, z. B. mit Studien, Zertifikaten, Emissionsbilanzen oder Lebenszyklusanalysen.
  • Die Aussagekraft verwendeter Begriffe wie „nachhaltig“ oder „klimaneutral“ transparent erklären, z. B. auf Landingpages oder Produktverpackungen.
  • Den Einsatz von Umweltsiegeln sorgfältig prüfen – sind sie zertifiziert? Unabhängig vergeben? Wissenschaftlich fundiert?
  • Marketingmaterialien, Social-Media-Beiträge, Produktbeschreibungen und Pressemitteilungen rechtlich vorab prüfen lassen, insbesondere bei Aussagen mit Umweltbezug.

Tipp: Unternehmen sollten frühzeitig ein internes „Green-Claim-Audit“ durchführen – also sämtliche Umweltwerbung systematisch auf Belegbarkeit, Genauigkeit und Verständlichkeit überprüfen.

Auch Agenturen, Designer und externe Kommunikationsdienstleister müssen künftig geschult werden, um ungewolltes Greenwashing zu vermeiden.

Risiken bei Verstößen und mögliche Sanktionen

Verstöße gegen die neuen Vorgaben können künftig deutlich härter geahndet werden als bisher:

  • Abmahnungen durch Wettbewerber oder Verbände (§ 8 UWG)
  • Unterlassungsansprüche und ggf. gerichtliche Verfügungen
  • Schadensersatzklagen durch getäuschte Verbraucher (zunehmend im Fokus durch neue Kollektivklagerechte)
  • Bußgelder: Zwar enthält das UWG selbst keine Bußgeldnorm, doch flankierende Regelungen könnten – wie im Datenschutzrecht – eingeführt werden. Hier sind Sanktionen in Höhe von mehreren zehntausend Euro denkbar, insbesondere bei systematischem Greenwashing.

Hinzu kommt der immaterielle Schaden: Ein öffentlich bekannt gewordener Greenwashing-Vorwurf kann zu einem Reputationsverlust, Einbruch der Verkaufszahlen oder zum Verlust von Kooperationspartnern führen – ganz zu schweigen von Shitstorms in sozialen Medien.

Beispiel: Große Textilketten und Kosmetikhersteller mussten in den letzten Jahren mehrfach Umweltversprechen zurückziehen oder umformulieren – etwa nachdem Verbraucherzentralen oder NGOs juristisch dagegen vorgingen. Die Folgen: Imagekrise, Millionenverluste, Rückrufaktionen.

Chancen für ehrliche und transparente Kommunikation

Doch die Richtlinie ist nicht nur Risiko, sondern auch Chance. Wer seine Kommunikation auf die neuen Anforderungen einstellt, kann sich positiv vom Wettbewerb abheben:

  • Unternehmen, die glaubwürdig und belegbar kommunizieren, schaffen Vertrauen – bei Kunden, Geschäftspartnern und Investoren.
  • Eine transparente Nachhaltigkeitsstrategie wird zunehmend zum entscheidenden Differenzierungsmerkmal in vielen Branchen.
  • Wer bei der Kommunikation nachprüfbar ist, kann das eigene Engagement für Umwelt- und Klimaschutz authentisch sichtbar machen – und so langfristig Marktanteile gewinnen.
  • In der Investor Relations und bei ESG-Ratings werden verlässliche Nachhaltigkeitskennzahlen immer wichtiger. Unternehmen mit „ehrlicher Werbung“ haben hier einen klaren Vorteil.

Nicht zuletzt: Wer sich an die Vorgaben hält, muss keine Angst vor regulatorischen Risiken haben – und kann in der öffentlichen Kommunikation sogar gezielt mit der „Greenwashing-Freiheit“ werben.

Fazit:
Die neue EU-Richtlinie wird das Marketing vieler Unternehmen verändern – hin zu mehr Verantwortung, Sorgfalt und Glaubwürdigkeit. Wer sich jetzt rechtzeitig darauf einstellt, kann Risiken minimieren und gleichzeitig wertvolles Vertrauen aufbauen.

Fallbeispiele und Rechtsprechung

Auch wenn der Begriff „Greenwashing“ in Gesetzestexten bislang nicht explizit verwendet wurde, hat sich die deutsche Rechtsprechung zunehmend mit grün eingefärbten Werbeaussagen beschäftigt. Die Tendenz: Gerichte stellen hohe Anforderungen an die Belegbarkeit von Umweltaussagen – und sanktionieren pauschale, nicht überprüfbare Versprechen konsequent.

Analyse von bisherigen Gerichtsentscheidungen zu Greenwashing

1. LG Karlsruhe, Urteil vom 26.03.2021 – 13 O 46/20 KfH: „klimaneutral“ ohne Erklärung ist unzulässig
Ein Hersteller hatte seine Produkte mit dem Begriff „klimaneutral“ beworben, ohne offenzulegen, wie diese Klimaneutralität erreicht wurde. Das Landgericht Karlsruhe stellte klar:
➡️ Der Begriff „klimaneutral“ sei nicht selbsterklärend.
➡️ Verbraucher müssten über den Kompensationsmechanismus (z. B. Zertifikate, CO₂-Ausgleichsprojekte) informiert werden.
➡️ Fehlt diese Erläuterung, sei die Werbung irreführend und wettbewerbswidrig (§ 5 UWG).

2. LG Heilbronn, Urteil vom 20.10.2022 – 21 O 12/22: „umweltfreundlich“ ist kein Freifahrtschein
Ein Automobilhändler warb mit einem Fahrzeug als „umweltfreundlich“, obwohl dessen Gesamt-CO₂-Ausstoß nicht unter dem Durchschnitt lag.
➡️ Das Gericht urteilte: Die Aussage sei objektiv unrichtig und irreführend, da keine Nachweise vorgelegt wurden.
➡️ Der Begriff „umweltfreundlich“ setze konkrete Umweltvorteile voraus, die auch belegt und verständlich dargestellt werden müssten.

3. LG Düsseldorf, Urteil vom 29.11.2022 – 34 O 44/21: Eigenes Umweltsiegel = Wettbewerbsverstoß
Ein Unternehmen hatte ein selbst entworfenes Label („Green Product Certified“) auf der Verpackung angebracht, ohne dass ein unabhängiger Zertifizierungsprozess vorlag.
➡️ Das LG Düsseldorf untersagte die Werbung.
➡️ Der Einsatz von pseudo-offiziellen Siegeln ohne objektive Grundlage stelle eine gezielte Täuschung der Verbraucher dar.

Diese Urteile zeigen: Gerichte reagieren zunehmend sensibel auf unkonkrete, pauschale Umweltversprechen. Entscheidend ist dabei stets, ob die Aussage klar, belegbar und nicht irreführend ist. Dabei greifen die Gerichte auf bewährte Prinzipien des Lauterkeitsrechts zurück – etwa das Transparenzgebot oder die Irreführungsvermeidung gemäß § 5 UWG.

Mögliche Auswirkungen der neuen Richtlinie auf zukünftige Urteile

Mit der neuen EU-Richtlinie dürften sich zwei entscheidende Veränderungen in der Rechtsprechung abzeichnen:

1. Klarere Leitlinien für Gerichte

Die Richtlinie konkretisiert nun erstmals auf europäischer Ebene, welche Green Claims künftig pauschal verboten sind – etwa unbestimmte Begriffe ohne Nachweis, eigene Umweltlabels oder Werbeaussagen über künftige Umwelteffekte ohne überprüfbare Strategie.

➡️ Dies verschafft Gerichten eine belastbare rechtliche Grundlage, um unzulässige Werbeaussagen konsequenter und schneller zu untersagen.
➡️ Die bisherige „Grauzone“ vieler Begriffe (z. B. „nachhaltig“, „umweltfreundlich“) wird durch klarere Anforderungen ersetzt.

2. Beweislast kehrt sich um

Die geplanten Änderungen im UWG dürften auch die Beweislast im Streitfall verschieben: Unternehmen müssen künftig selbst belegen, dass ihre Aussagen zutreffen – nicht der Kläger muss das Gegenteil beweisen.

➡️ In der Praxis bedeutet das: Wer mit Umweltversprechen wirbt, muss diese von Anfang an dokumentieren und rechtlich absichern.
➡️ Die Anforderungen an Marketing und Rechtsabteilung steigen – ebenso wie das Risiko bei Versäumnissen.

3. Stärkung der Kollektivklage-Instrumente

Mit der Umsetzung der EU-Verbandsklagenrichtlinie könnten künftig Verbraucherschutzverbände und NGOs häufiger gegen Greenwashing klagen – auch im Namen betroffener Konsumenten.
➡️ Dies dürfte zu einer Zunahme an Grundsatzentscheidungen führen – und möglicherweise zur Entwicklung richterlich definierter Standards für zulässige Werbung.

Fazit und Handlungsempfehlungen

Zusammenfassung der wichtigsten Punkte

Greenwashing ist längst kein Randphänomen mehr, sondern ein zentrales Problem moderner Konsumgesellschaften – mit rechtlichen, wirtschaftlichen und ökologischen Folgen. Die bisherige Gesetzeslage konnte dem wachsenden Missbrauch von Umweltwerbung nur bedingt etwas entgegensetzen. Allgemeine Begriffe wie „klimaneutral“ oder „nachhaltig“ blieben oft unkonkret, Belege fehlten oder wurden nicht offengelegt, Labels wurden selbst entworfen und führten Verbraucher gezielt in die Irre.

Mit der neuen EU-Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel kommt nun ein echter Paradigmenwechsel:

  • Pauschale Umweltaussagen ohne Beleg werden verboten.
  • Selbstvergebene Siegel ohne unabhängige Prüfung gelten als unlautere Geschäftspraxis.
  • Unternehmen sind verpflichtet, Umweltaussagen transparent, nachvollziehbar und belegbar zu machen.
  • Die Beweislast liegt künftig beim Werbenden, nicht beim kritischen Verbraucher.

Diese Vorgaben müssen bis spätestens Ende September 2026 in deutsches Recht umgesetzt werden – eine Neufassung des UWG ist absehbar.

Empfehlungen für Unternehmen zur Vermeidung von Greenwashing

Unternehmen, die auch künftig mit Umweltversprechen werben wollen, sollten folgende Schritte umgehend einleiten:

Marketingstrategie überprüfen:
Alle Werbeaussagen mit Umweltbezug sollten auf ihre Konkretheit, Nachvollziehbarkeit und Belegbarkeit geprüft werden.

Belege sammeln und dokumentieren:
Wer „nachhaltig“, „klimaneutral“ oder „umweltfreundlich“ wirbt, muss dies wissenschaftlich und faktisch belegen können – durch Studien, Zertifikate, Audits oder Ökobilanzen.

Siegel und Label validieren:
Nur unabhängige, standardisierte Umweltzeichen sollten verwendet werden – idealerweise solche, die bereits EU-weit anerkannt sind (z. B. EU Ecolabel, Blauer Engel, FSC, etc.).

Juristische Prüfung einführen:
Eine interdisziplinäre Kontrolle durch Rechtsabteilung und Marketing sollte zum Standard werden – idealerweise auch extern durch eine spezialisierte Kanzlei.

Transparenz gegenüber Kunden erhöhen:
Komplexe Inhalte (z. B. CO₂-Kompensation) sollten über QR-Codes, Landingpages oder Nachhaltigkeitsberichte niedrigschwellig aufgeschlüsselt werden.

Langfristige Nachhaltigkeitsstrategie etablieren:
Verbraucher belohnen echte Bemühungen – wer glaubwürdig handelt, wird nicht nur juristisch sicherer, sondern auch unternehmerisch erfolgreicher.

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