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„40 g Protein pro Becher“: Warum die Werbeaussage wettbewerbswidrig ist

| Rechtsanwalt Frank Weiß

Eiweißprodukte liegen im Trend: Fitness, Muskelaufbau und gesundes Leben treiben die Nachfrage nach „High Protein“-Snacks in die Höhe. Lebensmittelhersteller setzen auf plakative Aussagen wie „40 g Protein pro Becher“. Was viele nicht wissen: Solche Aussagen können rechtswidrig sein – und genau das stellte das Oberlandesgericht Stuttgart (Urteil vom 30.01.2025 – Az.: 2 U 145/23) Anfang 2025 klar. Die Entscheidung hat weitreichende Folgen für die Lebensmittelbranche – und sollte auch Werbeagenturen und Marketingabteilungen aufhorchen lassen.

Der Fall: Wie kam es zur gerichtlichen Auseinandersetzung?

Ein Lebensmittelhersteller brachte ein Milchprodukt auf den Markt, das auf der Vorderseite gut sichtbar mit der Aussage „40 g Protein pro Becher“ warb. Zusätzlich enthielt die Rückseite des Bechers die gesetzlich vorgeschriebene Nährwerttabelle, in der die Eiweißmenge ebenfalls korrekt ausgewiesen war.

Was aus Marketingsicht plausibel klingt, stieß bei einem Wettbewerbsverband auf juristische Bedenken. Die Begründung: Diese Form der isolierten Angabe einer Nährwertmenge auf der Verpackung verstoße gegen die Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV). Man klagte – und bekam letztlich Recht.

Die Entscheidung des OLG Stuttgart – Urteil vom 30.01.2025 – Az. 2 U 145/23

Kernaussage des Gerichts:

„Die angegriffene Angabe einer Proteinmenge, die sich auf den gesamten Inhalt des angepriesenen Produktes bezieht, ist von der Erlaubnis nach Art. 30 Abs. 3 LMIV nicht gedeckt und daher unzulässig.“

Das Gericht stellte klar:
Die LMIV erlaubt dem Hersteller nur ganz bestimmte Nährwertangaben außerhalb der Nährwerttabelle – etwa Angaben zum Brennwert oder zu den „Big Seven“ (Fett, gesättigte Fettsäuren, Zucker etc.). Die absolute Eiweißmenge – wie in diesem Fall „40 g Protein pro Becher“gehört nicht dazu.

Wesentliche Begründung des Gerichts:

  • Die Angabe sei nicht von Art. 30 Abs. 3 LMIV gedeckt, der ausdrücklich nur bestimmte Wiederholungen erlaubt.
  • Die „40 g“-Angabe könne Verbraucher in die Irre führen, weil sie das Produkt für gesünder halten könnten als es tatsächlich sei.
  • Auch die Health-Claims-Verordnung (HCVO) helfe hier nicht weiter: Zwar ist „High Protein“ als nährwertbezogene Angabe grundsätzlich erlaubt, doch die Angabe einer konkreten Menge außerhalb der Nährwerttabelle sei nicht zulässig.

Gesetzliche Grundlagen im Überblick

Art. 30 Abs. 3 LMIV

„Die in Artikel 30 Absatz 1 genannten Informationen dürfen in anderer Form wiederholt werden, sofern sie die Verbraucher nicht irreführen.“

→ Erlaubt sind Wiederholungen folgender Werte: Brennwert, Fett, gesättigte Fettsäuren, Zucker, Salz, Eiweiß.
Aber: Nicht in beliebiger Form und nicht als Mengenangabe pro Becher, sondern nur in der dafür vorgesehenen Form (i.d.R. je 100g / 100ml).

Health-Claims-Verordnung (HCVO)

Regelt zulässige gesundheits- und nährwertbezogene Aussagen.

→ Die Aussage „High Protein“ ist erlaubt, wenn der Eiweißanteil mindestens 20% des Brennwerts ausmacht.
→ Aber: Die Art der Darstellung und Platzierung muss im Einklang mit der LMIV stehen.

Warum ist die Angabe „40 g Protein pro Becher“ so problematisch?

1. Irreführungsgefahr

Der Verbraucher könnte annehmen, das Produkt sei außergewöhnlich eiweißreich – obwohl 40 g lediglich dem gesamten Becherinhalt (z.B. 400g) entsprechen und kein ungewöhnlicher Wert sind.

2. Verstoß gegen die Informationspflichten

Die isolierte Darstellung außerhalb der Nährwerttabelle ist nicht erlaubt, weil sie einen unzulässigen Werbeeffekt entfaltet.

3. Wettbewerbsverzerrung

Andere Hersteller, die sich gesetzeskonform verhalten, werden durch plakative und gesetzeswidrige Aussagen unter Druck gesetzt.

Welche Folgen hat das Urteil für Unternehmen?

Für Hersteller:

  • Werbeaussagen wie „40 g Protein pro Becher“ sollten unverzüglich entfernt oder nur im Kontext der Nährwerttabelle dargestellt werden.
  • Künftige Produktverpackungen sollten vorab auf LMIV- und HCVO-Konformität geprüft werden.

Für Wettbewerber:

  • Es besteht die Möglichkeit, Abmahnungen auszusprechen.
  • Bei systematischem Rechtsverstoß drohen gerichtliche Unterlassungsverfügungen und Ordnungsgelder.

Für Werbeagenturen und Marketingabteilungen:

  • Die Gestaltung von Verpackungen und Werbemitteln muss rechtlich abgesichert sein.
  • Pauschale Mengenangaben sollten nur innerhalb der zulässigen Pflichtangaben erscheinen.

Praxistipp für Unternehmen: So vermeiden Sie rechtliche Risiken

  1. Nutzen Sie nur die erlaubten Wiederholungsangaben laut Art. 30 Abs. 3 LMIV.
  2. Vermeiden Sie plakative Einzelangaben, die Verbraucher täuschen könnten.
  3. Stimmen Sie sich mit einer spezialisierten Kanzlei ab, bevor Sie neue Produktverpackungen in den Umlauf bringen.
  4. Verlassen Sie sich nicht auf das Argument, dass ähnliche Aussagen bereits im Markt verwendet werden – das schützt nicht vor Abmahnung oder Verbot.

Fazit: Protein verkauft – aber bitte gesetzeskonform

Das Urteil des OLG Stuttgart ist ein Warnschuss für die Lebensmittelbranche:
Nicht jede gesund klingende Aussage ist auch rechtlich zulässig. Die Werbeaussage „40 g Protein pro Becher“ mag auf den ersten Blick harmlos erscheinen, doch ihre isolierte Darstellung außerhalb der Nährwerttabelle kann als wettbewerbswidrig gewertet werden.

Lebensmittelhersteller, Agenturen und Marketingverantwortliche sollten aus diesem Fall lernen:
Lebensmittelrecht ist kein Werbe-Spielplatz – es ist präzise reguliert. Wer sich nicht daran hält, riskiert nicht nur Abmahnungen, sondern auch langfristigen Reputationsschaden.

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