E-Mail-Werbung ohne Opt-in? Versteckter Hinweis in Datenschutzerklärung reicht nicht

Die Versendung von Werbung via E-Mail unterliegt in Deutschland strengen Vorgaben. Nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG ist Werbung per elektronischer Post grundsätzlich nur mit ausdrücklicher Einwilligung des Empfängers zulässig – gemeint ist das sog. „Opt-in“.
Eine wichtige Ausnahme enthält jedoch § 7 Abs. 3 UWG. Danach ist Werbung per E-Mail ausnahmsweise ohne Einwilligung erlaubt, wenn alle der folgenden vier Voraussetzungen erfüllt sind:
- Der Unternehmer hat im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware oder Dienstleistung vom Kunden dessen E-Mail-Adresse erhalten.
- Die Adresse wird für Werbung für eigene ähnliche Waren oder Dienstleistungen verwendet.
- Der Kunde hat der Verwendung nicht widersprochen.
- Der Kunde wurde bei Erhebung der Adresse und bei jeder Verwendung klar und deutlich darauf hingewiesen, dass er der Verwendung jederzeit widersprechen kann.
Diese Ausnahme ist bei Unternehmen beliebt – bietet sie doch einen scheinbar einfachen Weg zur Kundenansprache ohne Einwilligungsmanagement. Doch wie dieses Urteil zeigt: Die Anforderungen sind hoch. Der Teufel steckt im Detail – und im konkreten Fall sogar auf Seite 23 einer Datenschutzerklärung.
Sachverhalt des Verfahrens (LG Paderborn, 2 O 325/23)
Die Buchung einer Reise – und eine unerwünschte E-Mail
Die Klägerin – ein Unternehmen, das Licht- und Beschallungsanlagen vermietet – buchte am 05.09.2023 bei der Beklagten, einem Reisevermittlungsportal, über deren Internetseite zwei Flugtickets. Im Rahmen des Buchungsvorgangs gab die Klägerin ihre geschäftliche E-Mail-Adresse an.
Wenige Tage nach der Buchung – konkret ab dem 13.09.2023 – begann die Beklagte damit, an die Klägerin regelmäßig Werbe-E-Mails zu versenden. Diese enthielten Reiseangebote und Newsletterinhalte. Eine ausdrückliche Einwilligung der Klägerin zur Zusendung von Werbung war nicht erteilt worden.
Widerspruch und weitere Werbung
Am 14.09.2023 widersprach die Klägerin per E-Mail ausdrücklich der Verwendung ihrer Adresse zu Werbezwecken. Trotzdem gingen bis mindestens zum 03.10.2023 weiterhin Werbe-Mails bei der Klägerin ein.
Die Verteidigungsstrategie der Beklagten
Die Beklagte berief sich auf die Ausnahmeregelung des § 7 Abs. 3 UWG. Sie argumentierte:
- Die E-Mail-Adresse sei im Zusammenhang mit der Buchung erhoben worden (1. Voraussetzung),
- die Werbung beziehe sich auf ähnliche Dienstleistungen, also Reisen (2. Voraussetzung),
- ein ausdrücklicher Widerspruch sei erst nach Beginn der Werbeversendung erfolgt (3. Voraussetzung),
- und auf das Widerspruchsrecht sei in der Datenschutzerklärung hingewiesen worden (4. Voraussetzung).
Konkret enthielt die Datenschutzerklärung der Beklagten folgende Regelungen:
- Auf Seite 8 (von 26) fanden sich Aussagen wie:
"Um Ihnen regelmäßig Informationen über reisebezogene Produkte und Dienstleistungen zukommen zu lassen. Sie können sich jederzeit und ganz einfach von der E-Mail-Marketingkommunikation abmelden [...]"
- Auf Seite 23 bis 24 wurde zusätzlich über das Widerspruchsrecht informiert.
Die Beklagte sah diese Hinweise als ausreichend an.
Entscheidungsgründe des LG Paderborn
Das Gericht folgte der Argumentation der Beklagten nicht und verurteilte sie zur Unterlassung der Zusendung werblicher E-Mails. Maßgeblich war, dass die Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 UWG nicht vollständig erfüllt waren.
a) Voraussetzungen 1 und 2: ✔️ Erfüllt
- Die E-Mail-Adresse wurde im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Dienstleistung (Flugbuchung) erhoben.
- Die Werbung bezog sich auf eigene ähnliche Dienstleistungen der Beklagten (weitere Reisen).
Diese beiden Bedingungen sah das Gericht als erfüllt an.
b) Voraussetzung 3: ❌ Nicht erfüllt
Die Klägerin hatte explizit widersprochen – und zwar bereits am 14.09.2023. Dennoch versendete die Beklagte weiterhin Werbe-E-Mails. Das LG Paderborn stellte dazu klar:
„Ein Widerspruch muss vom Versender beachtet werden. Eine Weiterversendung der Werbung nach einem erklärten Widerspruch ist unzulässig und stellt eine unzumutbare Belästigung dar.“
Dass die Beklagte zunächst noch davon ausgegangen sein könnte, die Werbung sei rechtmäßig, spiele für die rechtliche Bewertung keine Rolle.
c) Voraussetzung 4: ❌ Nicht erfüllt – Kein klarer und deutlicher Hinweis
Der zentrale Knackpunkt der Entscheidung war, dass die Beklagte nicht bei Erhebung der E-Mail-Adresse klar und deutlich auf das Widerspruchsrecht hingewiesen hatte. Die Hinweise in der Datenschutzerklärung erfüllten diese Voraussetzung nicht, denn:
- Der Hinweis befand sich nicht direkt im Buchungsformular, sondern auf Seite 8 bzw. 23–24 eines 26-seitigen Dokuments.
- Er war nicht hervorgehoben (weder durch Fettdruck noch optisch hervorgehoben).
- Es fehlte ein konkreter Opt-out-Hinweis bei der Dateneingabe.
- Eine Kontaktmöglichkeit für den Widerspruch (z. B. E-Mail-Adresse) wurde nicht direkt angeboten.
Das LG Paderborn wörtlich:
„Die bloße Verlinkung der Datenschutzhinweise, die wiederum einen Verweis auf die Marketingaktivitäten der Beklagten enthält, erfüllt nicht die Anforderungen an einen klaren und deutlichen Hinweis [...] insbesondere, wenn dieser Hinweis – ohne textliche Hervorhebung – im Rahmen eines 26 Seiten umfassenden Schriftstücks enthalten ist.“
Das Gericht bezog sich u. a. auf die Rechtsprechung des LG Berlin (Urt. v. 16.11.2017 – 16 O 225/17), das bereits ähnliche Anforderungen formuliert hatte.
Was Unternehmen daraus lernen sollten
❌ Was nicht reicht:
- Hinweise nur in der Datenschutzerklärung, selbst wenn verlinkt.
- Hinweise, die nicht deutlich hervorgehoben werden.
- Kein konkreter Hinweis auf Widerspruchsmöglichkeit bei der E-Mail-Erhebung.
- Abmeldelinks nur in der Werbe-Mail selbst.
✅ Was erforderlich ist:
- Ein unmittelbarer Hinweis bei der Erhebung der E-Mail-Adresse (z. B. im Checkout oder Anmeldeformular).
- Der Hinweis muss klar und deutlich sein – optisch abgesetzt, prägnant formuliert.
- Beispiel:
„Wir verwenden Ihre E-Mail-Adresse, um Sie über ähnliche Reiseangebote zu informieren. Sie können dem jederzeit widersprechen – z. B. per E-Mail an:
- Optional, aber empfehlenswert: Eine Opt-out-Checkbox.
Fazit
Das Urteil des LG Paderborn ist ein klares Warnsignal an Unternehmen, die auf die Ausnahmeregelung des § 7 Abs. 3 UWG setzen. Es zeigt:
✅ Nur wer alle vier Voraussetzungen erfüllt, handelt rechtssicher.
❌ Versteckte Hinweise in langen Datenschutzerklärungen genügen nicht.
🚫 Einmal widersprochen – muss Schluss sein mit Werbung.
Unternehmen müssen ihre Marketingprozesse kritisch überprüfen. Andernfalls drohen Abmahnungen, Unterlassungsklagen und Reputationsschäden.
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