Darf man private WhatsApp-Nachrichten veröffentlichen?

Kaum ein Messenger ist so weit verbreitet wie WhatsApp. Täglich werden darüber Millionen privater Nachrichten ausgetauscht – oft persönlich, manchmal emotional, gelegentlich auch brisant. Doch was passiert, wenn jemand diese privaten Nachrichten plötzlich öffentlich macht? Ob als Screenshot auf Social Media, in einem Blogbeitrag oder gar vor Gericht: Die Veröffentlichung privater WhatsApp-Nachrichten wirft regelmäßig heikle rechtliche Fragen auf.
In der Praxis sind solche Fälle längst keine Seltenheit mehr. Ein Bruder veröffentlicht im Familienstreit kompromittierende Chatverläufe. Eine Ex-Partnerin stellt intime Nachrichten auf Instagram bloß. Oder ein Journalist zitiert aus geleakten WhatsApp-Chats eines Politikers. Auch im Schul- oder Arbeitskontext kommt es immer wieder vor, dass Nachrichten weitergeleitet oder veröffentlicht werden – oft mit dem Ziel, jemanden bloßzustellen oder unter Druck zu setzen. Solche Fälle sind emotional aufgeladen – und juristisch hochbrisant.
Denn private Kommunikation steht unter dem besonderen Schutz des Persönlichkeitsrechts. Hinzu kommen Fragen des Datenschutzes: Dürfen personenbezogene Daten einfach so weitergegeben werden? Und was ist, wenn die Nachricht auch einen gewissen schöpferischen Gehalt hat – ist sie dann urheberrechtlich geschützt?
Dieser Beitrag beleuchtet systematisch, wann die Veröffentlichung privater WhatsApp-Nachrichten rechtlich zulässig ist – und wann nicht. Im Fokus stehen dabei die verschiedenen Rechtsbereiche, die betroffen sein können: das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das Datenschutzrecht (DSGVO) sowie das Urheberrecht. Auch mögliche strafrechtliche Konsequenzen und zivilrechtliche Ansprüche werden behandelt – praxisnah und verständlich.
Was sind „private Nachrichten“ überhaupt?
Die rechtliche Einordnung im Überblick
Strafrechtliche Risiken
Zivilrechtliche Folgen
Wann ist eine Veröffentlichung ausnahmsweise zulässig?
Verhaltenstipps für den Alltag
Fazit
Was sind „private Nachrichten“ überhaupt?
Nicht jede Nachricht, die jemand schreibt, ist automatisch „privat“. Doch gerade bei Messenger-Diensten wie WhatsApp stellt sich die Frage, ob und wann eine Äußerung als „privat“ gilt – und damit unter besonderem rechtlichen Schutz steht. Die Unterscheidung zwischen privaten und öffentlichen Aussagen ist entscheidend dafür, ob eine Veröffentlichung zulässig sein kann.
Private vs. öffentliche Äußerungen
Private Nachrichten sind Mitteilungen, die erkennbar innerhalb eines nicht-öffentlichen, persönlichen Rahmens erfolgen. Sie richten sich an einen bestimmten Empfänger oder eine kleine, geschlossene Gruppe – etwa in einem Einzelchat oder einer privaten WhatsApp-Gruppe. Die Inhalte sind typischerweise nicht zur Weiterverbreitung bestimmt, sondern dienen der vertraulichen Kommunikation.
Öffentliche Äußerungen hingegen sind solche, die bewusst in einem größeren, offenen Rahmen getätigt werden – zum Beispiel durch Beiträge in sozialen Netzwerken, auf Websites, in Foren oder als Leserkommentar. Sie sind für eine unbestimmte Vielzahl von Personen einsehbar und grundsätzlich nicht dem Schutzbereich privater Kommunikation zuzuordnen.
Besonderheit bei Messenger-Diensten wie WhatsApp
Messenger-Dienste wie WhatsApp vermitteln den Eindruck eines geschützten Raums. Technisch gesehen erfolgt die Kommunikation verschlüsselt, und nur die beteiligten Nutzer können die Inhalte lesen. Juristisch spricht man hier vom sogenannten Vertraulichkeitsrahmen. Dieser Rahmen umfasst alle Personen, denen die Nachricht ausdrücklich oder konkludent zugedacht ist.
Wichtig ist: Auch Gruppen-Chats können dem privaten Bereich zugeordnet sein – allerdings nur, wenn die Teilnehmerzahl überschaubar bleibt und ein gewisses Vertrauensverhältnis besteht. Bei sehr großen Gruppen (z. B. mehr als 50 oder 100 Teilnehmern) kann fraglich sein, ob noch von einem privaten Rahmen ausgegangen werden darf.
Die Rolle des „Vertraulichkeitsrahmens“
Der Vertraulichkeitsrahmen ist ein juristisches Schlüsselkonzept. Er beschreibt den Schutzraum, innerhalb dessen eine Äußerung gemacht wird – also die Personen, gegenüber denen der Verfasser bereit war, seine Aussage preiszugeben. Wer eine Nachricht außerhalb dieses Rahmens veröffentlicht, greift in das Persönlichkeitsrecht des Absenders ein.
Beispiel: Wenn jemand einem Freund eine Nachricht schreibt und dieser sie ohne Einwilligung im Internet veröffentlicht, wird der ursprüngliche Vertraulichkeitsrahmen gesprengt. Das kann rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen – zivilrechtlich und in bestimmten Fällen sogar strafrechtlich.
Die rechtliche Einordnung im Überblick
1. Allgemeines Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG)
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist ein „geborenes Grundrecht“, das sich aus der Kombination von Art. 1 Abs. 1 GG (Menschenwürde) und Art. 2 Abs. 1 GG (freie Entfaltung der Persönlichkeit) ableitet. Es schützt die private Lebenssphäre des Einzelnen – also auch seine Kommunikation. Besonders im digitalen Zeitalter gewinnt dieser Schutz stark an Bedeutung.
Schutz der Vertraulichkeit persönlicher Kommunikation
Ein zentraler Bestandteil des Persönlichkeitsrechts ist der Schutz der Vertraulichkeit persönlicher Kommunikation. Wer sich jemandem privat anvertraut – sei es mündlich, per Brief oder digital über WhatsApp – muss sich darauf verlassen können, dass diese Inhalte nicht ohne Zustimmung an die Öffentlichkeit gelangen. Dies gilt selbst dann, wenn der Inhalt keine sensiblen oder intimen Informationen enthält. Schon die Veröffentlichung alltäglicher Aussagen kann einen unzulässigen Eingriff darstellen, wenn sie aus dem geschützten Kommunikationskontext herausgelöst werden.
Recht auf informationelle Selbstbestimmung
Eng damit verbunden ist das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Es bezeichnet die Befugnis jedes Einzelnen, selbst zu bestimmen, welche personenbezogenen Informationen über ihn preisgegeben oder weiterverarbeitet werden dürfen. Auch eine WhatsApp-Nachricht, die personenbezogene Daten (Name, Telefonnummer, private Meinungen, Gefühle, etc.) enthält, fällt unter diesen Schutz. Wird sie ohne Einwilligung veröffentlicht, liegt regelmäßig ein Eingriff in dieses Recht vor.
Eingriffsqualität durch Veröffentlichung
Die Veröffentlichung einer privaten Nachricht kann – je nach Inhalt, Reichweite und Kontext – einen erheblichen Grundrechtseingriff darstellen. Maßgeblich ist dabei nicht nur, dass veröffentlicht wird, sondern auch wie:
- Wird die Nachricht vollständig oder nur teilweise wiedergegeben?
- Erfolgt die Veröffentlichung auf einer kleinen Website oder in sozialen Netzwerken mit großer Reichweite?
- Wird der Absender identifizierbar gemacht?
Je nach Einzelfall kann die Veröffentlichung den Betroffenen bloßstellen, ihm peinlich sein oder sogar seinen Ruf schädigen. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht bietet in solchen Fällen einen wirksamen Schutz – allerdings ist es kein absolutes Recht. In bestimmten Konstellationen kann es hinter anderen Grundrechten zurücktreten (z. B. Pressefreiheit oder berechtigtes öffentliches Informationsinteresse).
2. Datenschutzrecht (DSGVO und BDSG)
Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) schützt personenbezogene Daten – also alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare Person beziehen. Dazu zählen auch Inhalte von WhatsApp-Nachrichten, wenn sie Rückschlüsse auf eine bestimmte Person zulassen (z. B. Name, Telefonnummer, Meinungen, Fotos, Standortdaten).
Anwendung der DSGVO im rein privaten Bereich
Grundsätzlich gilt die DSGVO nicht für „rein persönliche oder familiäre Tätigkeiten“ (Art. 2 Abs. 2 lit. c DSGVO). Diese sogenannte Haushaltsausnahme schützt private Kommunikation vor einer übermäßigen Regulierung. Wer also z. B. in einem privaten Chat mit Freunden oder Familienmitgliedern Nachrichten austauscht oder sie im engsten Kreis weiterleitet, fällt meist nicht unter die DSGVO.
Wann endet der „Haushaltsausnahmetatbestand“?
Problematisch wird es, wenn Inhalte außerhalb dieses privaten Rahmens veröffentlicht werden – etwa auf Instagram, Twitter oder in einem öffentlichen Blog. Dann kann die Ausnahme nicht mehr greifen. Sobald eine Veröffentlichung gezielt einem größeren Publikum zugänglich gemacht wird, handelt es sich nicht mehr um eine rein private Tätigkeit. In diesen Fällen findet die DSGVO Anwendung – mit allen rechtlichen Pflichten, insbesondere:
- Einwilligung der betroffenen Person (Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO)
- Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung (Art. 5, 6 DSGVO)
- Informationspflichten (Art. 13 f. DSGVO)
Verarbeitung personenbezogener Daten durch Dritte
Wer die Inhalte eines fremden WhatsApp-Chats ohne Zustimmung weiterverarbeitet oder veröffentlicht, verarbeitet personenbezogene Daten eines Dritten. Diese Verarbeitung ist grundsätzlich nur dann erlaubt, wenn eine Rechtsgrundlage vorliegt – etwa eine Einwilligung oder ein berechtigtes Interesse. Letzteres kann in Ausnahmefällen greifen, etwa bei Enthüllungen von Rechtsverstößen oder Missständen – aber niemals leichtfertig oder willkürlich.
Ein Verstoß gegen die DSGVO kann ernsthafte Folgen haben: Neben zivilrechtlichen Ansprüchen drohen auch Bußgelder nach Art. 83 DSGVO – selbst für Privatpersonen, wenn sie systematisch und öffentlich Daten Dritter missbrauchen.
3. Urheberrechtliche Fragen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1, § 12 UrhG)
Neben Persönlichkeits- und Datenschutzrecht kann auch das Urheberrecht eine Rolle spielen – insbesondere dann, wenn Inhalte kreativ oder individuell gestaltet sind.
Sind WhatsApp-Nachrichten überhaupt urheberrechtlich geschützt?
Nicht jede Nachricht ist ein „Werk“ im Sinne des Urheberrechts (§ 2 Abs. 1 UrhG). Erforderlich ist ein persönlich-geistiger Schöpfungsakt, also ein gewisses Maß an Individualität. Eine kurze Alltagsnachricht wie „Kommst du morgen zum Training?“ ist sicher nicht schutzfähig. Anders kann es jedoch bei längeren, stilistisch geprägten oder besonders kreativen Texten aussehen – etwa bei poetischen Liebesnachrichten, persönlichen Essays oder sprachlich ausgefeilten Tiraden. Auch Emojis, Bilder oder Sprachnachrichten können schutzfähig sein, wenn sie eine gewisse Gestaltungshöhe erreichen.
Veröffentlichungsrecht und § 201a StGB
Nach § 12 UrhG steht allein dem Urheber das Recht zu, zu bestimmen, ob und wie sein Werk veröffentlicht wird. Wer also eine urheberrechtlich geschützte Nachricht ungefragt weiterverbreitet oder veröffentlicht, verletzt dieses Veröffentlichungsrecht. Das kann Unterlassungs-, Schadensersatz- oder Lizenzansprüche nach sich ziehen.
Hinzu kommt § 201a StGB, der die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen unter Strafe stellt – etwa bei der Veröffentlichung von Fotos oder Screenshots, die aus einem privaten Chat stammen. Zwar schützt § 201a vorrangig Bildinhalte, aber bei Kombination mit dem Urheberrecht kann auch ein Screenshot einer schutzfähigen Nachricht problematisch werden.
Fazit dieses Abschnitts:
Wer private WhatsApp-Nachrichten ohne Zustimmung veröffentlicht, verletzt unter Umständen gleich mehrere Rechtsgüter: das Persönlichkeitsrecht, das Datenschutzrecht und das Urheberrecht. Die Bewertung hängt stets vom Einzelfall ab – aber der Grundsatz lautet: Private Kommunikation bleibt privat – und darf nicht leichtfertig publik gemacht werden.
Strafrechtliche Risiken
Wer private WhatsApp-Nachrichten ungefragt veröffentlicht, riskiert nicht nur zivilrechtliche Konsequenzen – auch das Strafrecht kann greifen. In vielen Fällen handelt es sich um mehr als nur einen „vermeintlichen Fehltritt“: Es können Straftatbestände erfüllt sein, die mit Geldstrafe oder sogar Freiheitsstrafe geahndet werden. Die folgenden Vorschriften spielen in der Praxis eine besonders wichtige Rolle:
1. Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes (§ 201 StGB)
Nach § 201 Abs. 1 StGB macht sich strafbar, wer das nicht öffentlich gesprochene Wort eines anderen aufnimmt oder eine solche Aufnahme unbefugt weitergibt. Zwar bezieht sich der Gesetzeswortlaut primär auf gesprochene Sprache, doch auch Sprachnachrichten über WhatsApp können darunterfallen. Entscheidend ist, dass die Äußerung in einem privaten Kontext erfolgt ist und der Sprecher nicht mit einer Aufzeichnung oder Verbreitung gerechnet hat.
Auch das Weiterleiten oder Veröffentlichen einer per WhatsApp erhaltenen Audioaufnahme (z. B. Sprachnachricht) ohne Zustimmung kann eine Strafbarkeit nach § 201 Abs. 2 StGB begründen – vor allem, wenn dies vorsätzlich geschieht und die Identität des Sprechers erkennbar ist.
2. Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen (§ 201a StGB)
§ 201a StGB schützt das Recht auf Privatsphäre in Bildform. Strafbar macht sich etwa, wer:
- Bildaufnahmen von einer anderen Person in ihrer Wohnung oder in einer vergleichbar geschützten Situation aufnimmt oder verbreitet,
- unbefugt Aufnahmen von besonders geschützten Körperteilen verbreitet,
- Screenshots von intimen Chatverläufen oder Fotos ohne Zustimmung veröffentlicht.
Auch wenn der Chatverlauf selbst „nur Text“ enthält, kann ein Screenshot in Verbindung mit einem Profilbild, Zeitstempel oder Namen eine Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs darstellen – insbesondere, wenn der Screenshot Rückschlüsse auf intime, peinliche oder belastende Inhalte zulässt.
3. Beleidigung, üble Nachrede, Verleumdung (§§ 185–187 StGB)
Die Veröffentlichung privater Nachrichten kann – je nach Inhalt und Kontext – auch Ehrdelikte auslösen:
- § 185 StGB – Beleidigung: Wenn durch die Veröffentlichung eine ehrverletzende Aussage öffentlich gemacht wird (z. B. „Mein Chef ist ein unfähiger Idiot“).
- § 186 StGB – Üble Nachrede: Wenn eine Tatsachenbehauptung über jemanden veröffentlicht wird, die dessen Ansehen schädigen kann – auch wenn sie wahr ist, aber nicht bewiesen werden kann.
- § 187 StGB – Verleumdung: Wenn gezielt falsche Tatsachen über eine Person verbreitet werden, um sie verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen.
Die Strafen reichen von Geldstrafe bis hin zu Freiheitsstrafe – in besonders schweren Fällen sogar bis zu fünf Jahre.
4. Mögliche Strafbarkeit durch Screenshots
Ein besonders häufiger Fall in der Praxis: Jemand macht einen Screenshot eines privaten WhatsApp-Verlaufs und veröffentlicht ihn in sozialen Netzwerken oder leitet ihn ohne Einwilligung weiter. Auch wenn dies auf den ersten Blick harmlos erscheint, kann es strafbar sein – etwa wegen:
- Verletzung der Vertraulichkeit (§ 201 StGB bei Sprachnachrichten),
- Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs (§ 201a StGB),
- Datenschutzverstößen oder
- Ehrverletzungsdelikten (§§ 185 ff. StGB).
Die Strafbarkeit hängt dabei nicht nur vom Inhalt, sondern auch vom Zweck und der Reichweite der Veröffentlichung ab. Wer z. B. einen Screenshot nutzt, um einen anderen bewusst zu diffamieren, handelt nicht mehr „im Affekt“, sondern möglicherweise mit strafrechtlich relevantem Vorsatz.
Fazit dieses Abschnitts:
Die Veröffentlichung privater WhatsApp-Nachrichten kann – je nach Einzelfall – eine oder mehrere Straftatbestände erfüllen. Die Grenze zur Strafbarkeit ist oft schneller überschritten, als man denkt. Vor allem die Kombination aus Screenshots, Ehrverletzung und öffentlicher Weiterverbreitung birgt ein hohes Risiko.
Zivilrechtliche Folgen
Wer private WhatsApp-Nachrichten ohne Zustimmung veröffentlicht, muss nicht nur mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen. Auch zivilrechtlich kann das Verhalten erhebliche Folgen nach sich ziehen – und zwar unabhängig davon, ob ein Strafverfahren eingeleitet wird. Betroffene haben verschiedene Möglichkeiten, sich rechtlich zur Wehr zu setzen und Ansprüche geltend zu machen.
1. Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche
Ein zentrales Instrument im Zivilrecht ist der Unterlassungsanspruch: Wer in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt wurde, kann verlangen, dass der Rechtsverletzer künftig jede weitere Veröffentlichung unterlässt. Das gilt insbesondere, wenn Wiederholungsgefahr besteht – was regelmäßig angenommen wird, sobald eine rechtswidrige Veröffentlichung bereits erfolgt ist.
Rechtsgrundlage ist § 1004 BGB analog in Verbindung mit § 823 Abs. 1 BGB sowie Art. 1 und 2 GG. Zusätzlich kann auch ein Beseitigungsanspruch bestehen – z. B. auf Löschung eines Screenshots in einem Social-Media-Beitrag oder die Entfernung eines Chatverlaufs von einer Website.
Unterlassungsansprüche können im Eilverfahren (per einstweiliger Verfügung) durchgesetzt werden – oft innerhalb weniger Tage. Verstöße gegen solche gerichtlichen Anordnungen können mit Ordnungsgeld oder Ordnungshaft sanktioniert werden.
2. Schadensersatz und Schmerzensgeld (§ 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1, 2 GG)
Wer das Persönlichkeitsrecht eines anderen verletzt, kann darüber hinaus zu Schadensersatz und in schwerwiegenden Fällen auch zu Schmerzensgeld verpflichtet sein.
Die Anspruchsgrundlage ist § 823 Abs. 1 BGB – der Schutz „sonstiger Rechte“ umfasst auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Besonders gravierend ist die Verletzung dann, wenn der Betroffene durch die Veröffentlichung:
- bloßgestellt,
- sozial ausgegrenzt,
- beruflich geschädigt oder
- seelisch belastet wird.
Die Höhe des Schmerzensgeldes hängt vom Einzelfall ab. Kriterien sind u. a. die Art und Schwere der Verletzung, die Verbreitung der Inhalte, der Grad der Bloßstellung sowie die Einsicht oder Uneinsichtigkeit des Verfassers.
Beispiel: Wird ein peinlicher oder intimer Chatverlauf öffentlich gemacht und der Betroffene dadurch im privaten oder beruflichen Umfeld gedemütigt, können schnell mehrere hundert oder sogar tausende Euro an Schmerzensgeld in Betracht kommen.
3. Anspruch auf Gegendarstellung oder Widerruf
Neben Löschung und Unterlassung kann in bestimmten Fällen auch ein Widerruf oder eine Gegendarstellung verlangt werden. Das ist insbesondere dann relevant, wenn durch die Veröffentlichung:
- falsche Tatsachen verbreitet oder
- irreführende Eindrücke erweckt werden.
Ein Widerruf dient dazu, eine unwahre Behauptung zurückzunehmen. Die Gegendarstellung ermöglicht es dem Betroffenen, seine eigene Sicht der Dinge öffentlich darzustellen – etwa im gleichen Medium, in dem die Nachricht veröffentlicht wurde. Voraussetzung ist allerdings, dass es sich um eine Tatsachenbehauptung handelt (und nicht nur um eine Meinungsäußerung).
Diese Ansprüche sind besonders relevant, wenn die Veröffentlichung einen beruflichen, geschäftlichen oder politischen Kontext betrifft – also z. B. bei Bloggern, Journalisten, Arbeitgebern oder Influencern.
Fazit dieses Abschnitts:
Die Veröffentlichung privater WhatsApp-Nachrichten kann empfindliche zivilrechtliche Folgen haben – von einstweiligen Verfügungen bis hin zu Geldentschädigungen. Wer sich durch eine solche Veröffentlichung in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt fühlt, hat gute Chancen, sich erfolgreich zu wehren – notfalls auch mit anwaltlicher Hilfe und gerichtlicher Unterstützung.
Wann ist eine Veröffentlichung ausnahmsweise zulässig?
So eindeutig der Schutz privater Kommunikation in vielen Fällen ist – er gilt nicht absolut. Es gibt Ausnahmesituationen, in denen die Veröffentlichung von WhatsApp-Nachrichten zulässig sein kann. Das gilt vor allem dann, wenn höherrangige Interessen berührt werden – insbesondere das öffentliche Informationsinteresse oder die Pressefreiheit. Entscheidend ist dabei stets eine interessenbezogene Abwägung im Einzelfall.
1. Abwägung: Öffentliches Informationsinteresse vs. Persönlichkeitsrecht
Kollidieren das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG) und das Interesse der Öffentlichkeit an einer Information, müssen Gerichte abwägen, welches Interesse im konkreten Fall überwiegt.
Ein öffentliches Interesse kann z. B. bestehen, wenn:
- Missstände in Politik, Wirtschaft oder Verwaltung aufgedeckt werden,
- Straftaten oder erhebliche Pflichtverletzungen durch private Nachrichten belegt werden,
- eine relevante gesellschaftliche Debatte ausgelöst wird.
Dabei gilt: Je privater und intimer die Nachricht, desto höher ist das Schutzinteresse des Absenders. Je stärker die Nachricht hingegen einen Sachverhalt von allgemeiner Bedeutung betrifft, desto eher kann eine Veröffentlichung gerechtfertigt sein.
2. Rolle der Pressefreiheit (Art. 5 GG)
Die Pressefreiheit schützt die freie Berichterstattung über Tatsachen und Meinungen – auch unter Verwendung vertraulicher Quellen. Journalisten dürfen unter bestimmten Voraussetzungen auch aus privaten Mitteilungen zitieren, wenn dies für die Erfüllung ihrer Informationsaufgabe erforderlich ist.
Allerdings schützt die Pressefreiheit nicht jede Veröffentlichung. Sie muss sich im Rahmen des presserechtlichen Persönlichkeits- und Datenschutzes bewegen. Insbesondere gilt:
- Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht muss verhältnismäßig sein.
- Die Nachricht muss sachbezogen und relevant sein.
- Eine Anonymisierung kann erforderlich sein, wenn die Identifizierung der betroffenen Person nicht notwendig ist.
Gerade im journalistischen Bereich gelten daher hohe Anforderungen an Sorgfalt und Abwägung.
3. Rechtfertigungsgründe aus der Rechtsprechung
Die Gerichte haben in verschiedenen Konstellationen entschieden, dass eine Veröffentlichung privater Nachrichten ausnahmsweise gerechtfertigt sein kann – etwa:
- Zur Beweissicherung oder Beweisführung in Gerichtsverfahren
Beispiel: Ein Arbeitnehmer legt WhatsApp-Nachrichten vor, um Mobbing oder sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz zu belegen. - Zur Aufdeckung von Rechtsverstößen
Beispiel: Ein Politiker äußert sich in einem privaten Chat rassistisch oder menschenverachtend – und die Öffentlichkeit hat ein berechtigtes Interesse an dieser Information. - Bei vorherigem Einverständnis oder mutmaßlicher Einwilligung
Beispiel: Die betroffene Person hat sich bereits öffentlich zu dem Thema geäußert oder die Vertraulichkeit ausdrücklich aufgehoben.
Die Rechtsprechung betont dabei regelmäßig: Pauschale Veröffentlichungen sind unzulässig, zulässig ist allenfalls eine gezielte, sorgfältig abgewogene und möglichst schonende Weitergabe einzelner Inhalte.
4. Besonderheiten bei Prominenten oder Amtsträgern
Wer im Licht der Öffentlichkeit steht, muss sich in bestimmten Grenzen auch eine intensivere Berichterstattung gefallen lassen – insbesondere dann, wenn das Verhalten im Zusammenhang mit der öffentlichen Rolle steht. Das gilt z. B. für:
- Politiker,
- Prominente,
- leitende Angestellte in Unternehmen des öffentlichen Interesses.
Doch auch hier ist Vorsicht geboten: Eine vollständige Preisgabe privater Chatverläufe ist in der Regel nicht zulässig. Selbst öffentliche Personen behalten ein Recht auf einen geschützten Kernbereich privater Kommunikation.
Fazit dieses Abschnitts:
Eine Veröffentlichung privater WhatsApp-Nachrichten ist nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zulässig – etwa bei gewichtigen öffentlichen Interessen, im Rahmen journalistischer Aufarbeitung oder zur Wahrung berechtigter Beweiszwecke. Dabei muss stets sorgfältig abgewogen werden. Die Grenze zur Rechtsverletzung ist schnell überschritten.
Verhaltenstipps für den Alltag
Private Nachrichten sind schnell verschickt – aber genauso schnell auch weitergeleitet oder öffentlich gemacht. Wer sich nicht unnötig in rechtliche Schwierigkeiten bringen will, sollte den Umgang mit WhatsApp-Screenshots und privaten Chatverläufen mit Bedacht gestalten. Die folgenden Verhaltenstipps helfen dabei, rechtlich auf der sicheren Seite zu bleiben.
1. Was man beim Weiterleiten oder Posten von Screenshots beachten sollte
- Immer vorher fragen: Wer eine private Nachricht oder einen Screenshot veröffentlichen oder weiterleiten möchte, sollte die ausdrückliche Einwilligung des Absenders einholen – am besten schriftlich. Auch vermeintlich harmlose Inhalte können rechtlich geschützt sein.
- Anonymisieren reicht oft nicht aus: Nur den Namen zu schwärzen, schützt nicht automatisch vor rechtlichen Risiken. Wenn die betroffene Person indirekt identifizierbar ist (z. B. durch Profilbild, Spitznamen, Kontext), liegt trotzdem ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht vor.
- Keine Veröffentlichung im Affekt: Emotionale Reaktionen – etwa nach einem Streit – führen häufig zu vorschnellen Handlungen. Wer einen Screenshot aus Wut oder Frust veröffentlicht, riskiert nicht nur juristischen Ärger, sondern oft auch strafrechtliche Folgen.
- Plattformregeln beachten: Auch soziale Netzwerke wie Instagram, Facebook oder TikTok verbieten in ihren Nutzungsbedingungen die Veröffentlichung fremder Inhalte ohne Zustimmung. Verstöße können zu Sperrungen oder Löschungen führen – unabhängig vom juristischen Risiko.
2. Wie man sich gegen eine unzulässige Veröffentlichung wehren kann
- Beweise sichern: Wer feststellt, dass eigene Nachrichten ohne Zustimmung veröffentlicht wurden, sollte Screenshots anfertigen, Zeitpunkte notieren und die Fundstelle dokumentieren. Das ist wichtig für eine mögliche rechtliche Auseinandersetzung.
- Verfasser direkt auffordern, den Inhalt zu löschen: In vielen Fällen lässt sich ein Problem im ersten Schritt ohne Anwalt klären – durch eine höfliche, aber bestimmte Aufforderung zur Löschung.
- Juristische Hilfe einholen: Bleibt der Verfasser uneinsichtig, kann ein Rechtsanwalt außergerichtlich oder gerichtlich tätig werden. Möglich sind:
- Abmahnungen mit Unterlassungserklärung
- Einstweilige Verfügungen bei Eilbedürftigkeit
- Schadensersatz- oder Schmerzensgeldklagen
- Meldung an Plattformen: Bei Veröffentlichungen auf sozialen Medien können Verstöße auch direkt über die Plattform gemeldet werden. Die meisten Anbieter sind verpflichtet, rechtswidrige Inhalte nach entsprechender Mitteilung zu prüfen und ggf. zu löschen.
3. Präventive Maßnahmen
- Sensible Inhalte nur über sichere Kanäle austauschen: Besonders private oder vertrauliche Informationen sollten nicht leichtfertig über Messenger-Dienste verschickt werden. Für sensible Themen sind verschlüsselte und datenschutzfreundliche Alternativen (z. B. Signal oder Threema) oft die bessere Wahl.
- Vertraulichkeit betonen: Wer ausdrücklich darauf hinweist, dass bestimmte Nachrichten nicht weitergeleitet oder veröffentlicht werden dürfen („Vertraulich – bitte nicht weitergeben“), schafft ein rechtlich relevantes Signal. Solche Hinweise können im Streitfall helfen, den Vertrauensbruch nachzuweisen.
- Bewusst kommunizieren: Jeder sollte sich bewusst sein, dass digitale Kommunikation immer dokumentierbar ist. Im Zweifel gilt: Was man nicht auf einer öffentlichen Plakatwand lesen möchte, sollte man auch nicht schreiben – selbst im scheinbar privaten Chat.
Fazit dieses Abschnitts:
Mit etwas Achtsamkeit lassen sich viele rechtliche Konflikte vermeiden. Wer respektvoll mit der Privatsphäre anderer umgeht, spart sich nicht nur Ärger, sondern zeigt auch digitalen Anstand. Gleichzeitig gilt: Wer selbst betroffen ist, muss sich nicht alles gefallen lassen – das Recht bietet wirksame Mittel zur Verteidigung.
Fazit
Die Veröffentlichung privater WhatsApp-Nachrichten ist rechtlich ein hochsensibles Thema. Wer glaubt, eine Nachricht einfach als Screenshot in sozialen Netzwerken teilen oder per E-Mail weiterleiten zu dürfen, bewegt sich schnell auf gefährlichem Terrain.
Zusammengefasst gilt:
- Private Nachrichten stehen unter dem besonderen Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.
- Bei einer Veröffentlichung können je nach Fall Datenschutzrecht, Urheberrecht und sogar Strafrecht relevant werden.
- Wer ohne Zustimmung Nachrichten Dritter veröffentlicht, muss mit Unterlassungsansprüchen, Schmerzensgeldforderungen und Strafanzeigen rechnen.
Rechtlich sicher ist man nur, wenn:
- der Absender ausdrücklich eingewilligt hat,
- die Nachricht bereits öffentlich ist oder
- ein gewichtiger Ausnahmegrund vorliegt (z. B. zur Aufdeckung von Missständen oder als zulässiges Beweismittel).
Besonders riskant wird es:
- bei intimen, ehrverletzenden oder vertraulichen Inhalten,
- wenn Screenshots in großer Reichweite veröffentlicht werden,
- oder wenn die betroffene Person dadurch bloßgestellt oder identifizierbar wird.
Im Zweifel sollte man sich vorher juristisch beraten lassen, statt hinterher mit Abmahnungen, Gerichtsverfahren oder Strafanzeigen konfrontiert zu werden. Der Grundsatz lautet: Privat bleibt privat – und verdient rechtlichen Respekt.
Ansprechpartner
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