Cloudflare haftet als Content Delivery Network (CDN) für Urheberrechtsverletzungen

In einer immer stärker vernetzten digitalen Welt ermöglichen technische Dienstleister wie Cloudflare die blitzschnelle Auslieferung von Online-Inhalten – auch solchen, die gegen das Urheberrecht verstoßen. Die Rolle von Content Delivery Networks (CDNs) bei der Verbreitung urheberrechtswidriger Inhalte ist bislang juristisch nur punktuell beleuchtet worden. Mit dem Urteil des OLG Köln vom 03.11.2023 (Az. 6 U 149/22) hat ein deutsches Gericht nun klar festgestellt: Auch technische Mittler haften unter bestimmten Umständen für fremde Rechtsverletzungen.
Sachverhalt: Worum ging es?
Eine Tonträgerherstellerin klagte gegen Cloudflare Inc., weil über die Website ddl-music.to eines ihrer Alben öffentlich zugänglich gemacht wurde – ohne ihre Zustimmung.
Wichtige Eckpunkte:
- Die rechtsverletzende Website verwendete Dienste von Cloudflare:
- DNS-Resolver
- Content Delivery Network (CDN)
- Die Klägerin verlangte Unterlassung der weiteren Mitwirkung Cloudflares an der Verbreitung der rechtswidrigen Inhalte.
- Das Landgericht Köln (Vorinstanz) hatte die Klage noch abgewiesen.
- Das OLG Köln änderte die Entscheidung in zentralen Punkten.
Technische Hintergründe: Was macht Cloudflare eigentlich?
Cloudflare stellt als US-amerikanischer Anbieter technische Infrastruktur zur Verfügung:
Dienst |
Funktion |
CDN |
Spiegelt Inhalte auf weltweiten Servern zur schnelleren Auslieferung |
DNS-Resolver |
Übersetzt Domainnamen in IP-Adressen (vergleichbar mit einem Telefonbuch) |
Reverse Proxy |
Filtert Web-Traffic, erhöht Sicherheit und Anonymität des eigentlichen Hosts |
Besonders relevant war in diesem Fall der Reverse Proxy bzw. CDN-Dienst. Dadurch werden die eigentlichen Hosting-Provider der Website versteckt, der Traffic läuft über Cloudflare.
Entscheidung des OLG Köln im Detail
Haftung für das CDN: Zentrale Rolle bei der Rechtsverletzung
Das OLG stellte fest, dass Cloudflare mit seinem CDN aktiv an der Verbreitung der Inhalte beteiligt war.
Kernargumentation:
- Das CDN macht Inhalte schneller abrufbar und verbessert die Erreichbarkeit der rechtsverletzenden Seite.
- Die Einbindung war nicht rein passiv – Cloudflare war unmittelbar kausal tätig.
- Der Zugriff auf die streitgegenständlichen Inhalte war nur über das CDN möglich, weil Cloudflare die Original-IP maskierte.
„Die Beklagte hat damit für die öffentliche Zugänglichmachung eine technische Mitverantwortung übernommen.“
Damit sei Cloudflare nicht nur Störer, sondern potentiell sogar Täter – also haftbar wie der Betreiber selbst.
Keine Haftung für den DNS-Resolver
Anders sah es das Gericht beim DNS-Dienst von Cloudflare:
- Es bestehe keine zentrale Rolle bei der Verbreitung der Inhalte.
- Die Nutzung eines bestimmten DNS-Resolvers sei frei wählbar, Nutzer könnten auf Google DNS, OpenDNS o. a. ausweichen.
- Cloudflare falle hier unter das sogenannte Haftungsprivileg des § 8 TMG („Durchleitung“).
Fazit des Gerichts: Für den DNS-Dienst besteht keine Haftung, da kein aktiver Beitrag zur Verletzung.
Rechtliche Einordnung: Warum das Urteil wichtig ist
Das Urteil stützt sich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), insbesondere:
zentrale Voraussetzung für eine Haftung:
Der Dienstleister muss „in voller Kenntnis der Sachlage zur Verbreitung beitragen“.
Im vorliegenden Fall:
- Cloudflare wusste von den Rechtsverstößen (durch die Abmahnung).
- Reagierte nicht mit Kündigung oder Sperrung.
- Leistete weiterhin technische Hilfe zur Verbreitung.
Damit lag nach Ansicht des OLG eine Mitwirkung in Kenntnis vor.
Bedeutung für Cloudflare und andere CDN-Anbieter
Das Urteil ist ein Warnschuss für Tech-Infrastruktur-Dienstleister weltweit. Es zeigt: Wer Dienste für offensichtlich rechtswidrige Websites bereitstellt, kann selbst haftbar gemacht werden.
Konsequenzen:
- Hosting-Anbieter, CDN-Dienste und Proxy-Anbieter müssen künftig sorgfältiger prüfen, mit wem sie zusammenarbeiten.
- Rechteinhaber erhalten einen neuen Ansatzpunkt zur Rechtsdurchsetzung – ohne auf schwer erreichbare Websitebetreiber angewiesen zu sein.
- Es wird schwieriger, Anonymität durch Reverse Proxies zu missbrauchen.
Praktische Folgen: Was bedeutet das für Rechteinhaber und Kanzleien?
Für Rechteinhaber:
- Mehr Durchsetzungsmöglichkeiten, auch bei anonymen oder schwer greifbaren Rechtsverletzern.
- Möglichkeit zur strategischen Abmahnung technischer Mittler.
- Druckmittel gegenüber internationalen Akteuren wie Cloudflare.
Für Anwaltskanzleien:
- Argumentationsbasis bei zukünftigen Verfahren gegen CDN-Anbieter gestärkt.
- Präzise Abgrenzung zwischen privilegierter Durchleitung und aktiver Mitwirkung erforderlich.
- Beweissicherung durch technische Analysen (z. B. CDN-Nutzung, Header-Logs) wird relevanter.
Kritik und offene Fragen
- Cloudflare sieht sich selbst als neutraler Infrastrukturanbieter.
- Kritiker befürchten eine „Overblocking“-Tendenz: Anbieter könnten bei Beschwerden Inhalte vorsorglich sperren – auch legale.
- Es bleibt unklar, ob eine solche Haftung mit US-Recht vereinbar ist (Cloudflare ist in San Francisco ansässig).
Fazit
Das Urteil des OLG Köln stellt eine richtungsweisende Weichenstellung dar: Wer als technischer Dienstleister in zentraler Weise dazu beiträgt, urheberrechtsverletzende Inhalte zu verbreiten, haftet unter bestimmten Voraussetzungen – selbst wenn er „nur“ die Infrastruktur bereitstellt.
Cloudflare haftet – nicht, weil es Inhalte hostet, sondern weil es deren Verfügbarkeit entscheidend ermöglicht.
Ansprechpartner
Frank Weiß
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