Check24 darf Versicherungen bewerten
Das Vergleichsportal Check24 darf Versicherungsprodukte mit Noten bewerten, ohne gegen das Werberecht zu verstoßen – so der Europäische Gerichtshof (EuGH) in seinem Urteil vom 8. Mai 2025 (Az. C-697/23). Der Richterspruch markiert einen Meilenstein für digitale Vergleichsdienste und klärt grundlegende Fragen zur Abgrenzung von vergleichender Werbung.
Ausgangspunkt: Die Klage der HUK-Coburg gegen Check24
Auslöser des Rechtsstreits war eine Klage der HUK-Coburg, einer großen deutschen Versicherungsgesellschaft, gegen mehrere Gesellschaften der Check24-Gruppe. Diese betrieben Vergleichsportale für Versicherungen und verwendeten sogenannte "Tarifnoten" (Noten von 1,0 bis 4,0), um Versicherungsangebote zu bewerten. Die HUK sah darin eine unzulässige vergleichende Werbung und eine Irreführung der Verbraucher im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).
Bereits 2020 hatte das LG Köln die Darstellung der Tarifnoten bei Kfz-Versicherungen kritisiert, was zu Nachbesserungen auf Seiten von Check24 führte. Die Streitfrage blieb jedoch auch für andere Versicherungssparten aktuell. Das Landgericht München I legte die Sache dem EuGH zur Vorabentscheidung vor.
Die zentrale Rechtsfrage: Liegt "vergleichende Werbung" vor?
Im Kern ging es um die Auslegung von Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2006/114/EG über irreführende und vergleichende Werbung. Diese definiert vergleichende Werbung als jede Werbung, die einen Mitbewerber oder dessen Produkte erkennbar macht. Daraus leitete sich die zentrale Frage ab:
Ist Check24 ein Mitbewerber der HUK-Coburg im Sinne des europäischen Werberechts?
Nur wenn dies bejaht wird, würde die Tarifnotendarstellung unter die Voraussetzungen für zulässige vergleichende Werbung nach Art. 4 der Richtlinie fallen. Insbesondere Art. 4 Buchst. c verlangt, dass der Vergleich objektiv eine oder mehrere wesentliche, relevante, nachprüfbare und typische Eigenschaften der Produkte betrifft.
Das Urteil des EuGH: Kein Wettbewerbsverhältnis, keine vergleichende Werbung
Der Gerichtshof entschied eindeutig: Check24 sei kein Mitbewerber der HUK-Coburg. Das Portal biete selbst keine Versicherungen an, sondern trete nur als Vermittler auf. Damit fehle es an der für vergleichende Werbung notwendigen Substituierbarkeit der Produkte.
"Ein Online-Vergleichsdienst [...] der von einem Unternehmen bereitgestellt wird, das kein Mitbewerber im Sinne dieser Bestimmung ist, [...] fällt nicht unter den Begriff „vergleichende Werbung“ im Sinne dieser Bestimmung."
Die Richter präzisierten weiter, dass dies auch dann gilt, wenn das Unternehmen wie Check24 als Vermittler auftritt und Verbraucher bei Vertragsabschlüssen unterstützt. Solange keine eigene Marktteilnahme bei den bewerteten Produkten erfolgt, bestehe kein Wettbewerbsverhältnis.
Entscheidungsgründe im Detail
1. Begriff des "Mitbewerbers"
Zentral für die Entscheidung ist die Frage der Substituierbarkeit der angebotenen Dienstleistungen. Die EuGH-Rechtsprechung definiert Mitbewerber als Unternehmen, deren Leistungen sich an den gleichen Bedarf und dieselbe Zweckbestimmung richten.
Check24 bietet keine Versicherungsprodukte an, sondern stellt technische Vergleichsinstrumente bereit. Es bedient damit einen anderen Markt (Vermittlung und Information) als ein Versicherer wie die HUK-Coburg (Versicherungsschutz).
2. Objektivität der Bewertung
Das Landgericht München I hatte zudem bezweifelt, ob eine Tarifnote überhaupt eine objektive Eigenschaft darstellt, wie von Art. 4 Buchst. c gefordert. Der EuGH musste dazu nicht Stellung nehmen, da er bereits die Anwendung der Richtlinie auf diesen Fall verneinte. Rein vorsorglich betonte der Gerichtshof jedoch, dass auch eine Punktbewertung eine Orientierung bieten könne, wenn sie auf nachvollziehbaren Parametern beruhe.
3. Bedeutung für Verbraucher und Wettbewerb
Der EuGH erinnerte daran, dass die Richtlinie 2006/114/EG auch verbraucherfreundlich gedacht ist. Vergleichende Werbung ist grundsätzlich erlaubt, wenn sie sachlich bleibt. Bewertungssysteme wie die Tarifnote können komplexe Produktinformationen vereinfachen und Entscheidungsprozesse unterstützen.
Auswirkungen für die Praxis
Das Urteil bringt insbesondere für digitale Vergleichsportale erhebliche Rechtssicherheit. Die wichtigsten Konsequenzen:
- Vergleichsportale dürfen bewerten, solange sie keine eigenen Produkte anbieten.
- Vermittler sind vom Begriff der vergleichenden Werbung ausgenommen, solange sie objektiv informieren.
- Verbraucher profitieren von klarer Orientierung, solange Transparenz und Nachvollziehbarkeit gewährleistet sind.
Fazit: EuGH sorgt für Klarheit
Das Urteil des EuGH vom 08.05.2025 (C-697/23) klärt grundlegend die Frage, wann eine Bewertung als vergleichende Werbung gilt. Vergleichsportale wie Check24 bewegen sich rechtlich auf sicherem Boden, solange sie selbst keine konkurrierenden Produkte vertreiben. Damit stärkt der EuGH nicht nur die Rechtssicherheit für Plattformbetreiber, sondern auch die Informationsfreiheit und Markttransparenz für Verbraucher.
Hinweis für Unternehmen: Wer Bewertungsplattformen angreift, muss sorgfältig prüfen, ob tatsächlich ein Wettbewerbsverhältnis vorliegt. Die bloße Bewertung durch Dritte begründet noch keine vergleichende Werbung im Sinne des UWG oder der EU-Richtlinie.
Tipp aus der Kanzleipraxis: Lassen Sie Ihre Bewertungsstrategien und Werbemaßnahmen stets vorab auf kartell- und wettbewerbsrechtliche Risiken prüfen – vor allem im digitalen Umfeld. Wir unterstützen Sie gerne!
Ansprechpartner
Frank Weiß
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