Buttonlösung bei kostenlosen Probeabos

1. Einleitung: Kostenlos, aber nicht umsonst – und schon gar nicht rechtlich
Kostenlose Probeabos sind ein zentrales Marketinginstrument vieler digitaler Anbieter – insbesondere im Streaming-, E-Learning- oder News-Bereich. Doch häufig sind sie nur ein Türöffner für ein langfristiges, kostenpflichtiges Abo. Diese Konstellation hat in den letzten Jahren immer wieder zu rechtlichen Auseinandersetzungen geführt, vor allem mit Blick auf § 312j Abs. 3 BGB – die sog. Buttonlösung. Das Kammergericht Berlin hat in seiner Entscheidung vom 05.11.2024 (Az. 5 U 5/24) nun grundlegend Stellung genommen zur Frage, ob bereits beim Start eines kostenlosen Probeabos die Buttonlösung greift – mit bemerkenswertem Ergebnis.
2. Der Sachverhalt im Detail
2.1 Die App Blinkist und ihr Probeabo-Modell
Die Beklagte, Anbieterin der bekannten App Blinkist, bot über den Apple App Store ein sogenanntes kostenloses Probeabo an: Sieben Tage lang konnte der Nutzer die Inhalte der App ohne Kosten testen. Erfolgte keine rechtzeitige Kündigung, ging das Probeabo automatisch in ein kostenpflichtiges Jahresabo zum Preis von 89,99 Euro über.
2.2 Ablauf des Bestellvorgangs in der App
- Nutzerführung: Zunächst wurde der Nutzer durch ein mehrstufiges Auswahlverfahren innerhalb der App geführt (z. B. Interessensgebiete, Ziele).
- Angebotsdarstellung: Es folgte ein Bildschirm mit der Information zum Probeabo – deutlich hervorgehoben als kostenlos für sieben Tage, anschließend automatische Verlängerung.
- Button mit Aufschrift: Am unteren Bildschirmrand erschien ein grüner Button mit dem Text:
„Kostenloses Probeabo starten – Easy testen, easy beenden“ - Weiterleitung zum App Store: Nach Betätigung des Buttons wurde der Nutzer zum Apple App Store weitergeleitet.
- App Store-Bestätigung: Dort musste der Nutzer den kostenpflichtigen Vertragsabschluss per Face ID und Doppelklick der Seitentaste autorisieren.
3. Die rechtliche Ausgangslage: § 312j Abs. 3 und 4 BGB
§ 312j Abs. 3 BGB regelt, dass ein Unternehmer im elektronischen Geschäftsverkehr dazu verpflichtet ist, den Button, mit dem ein Verbraucher einen kostenpflichtigen Vertrag abschließt, unmissverständlich mit einer Formulierung wie „zahlungspflichtig bestellen“ zu beschriften. Erfolgt das nicht, ist der Vertrag gemäß § 312j Abs. 4 BGB nichtig.
Ziel: Vermeidung von „Kostenfallen“ – also Situationen, in denen Verbraucher sich versehentlich kostenpflichtig verpflichten, ohne dass sie dies eindeutig erkennen konnten.
4. Die Klage: Verbraucherschutzverein sieht Buttonlösung verletzt
Ein Verbraucherschutzverein sah in dem Button „Kostenloses Probeabo starten“ einen Verstoß gegen § 312j Abs. 3 BGB. Seine Argumentation:
- Der Button sei der entscheidende Schritt zum Vertragsschluss.
- Die Formulierung verschleiere die nachfolgende Kostenpflicht.
- Damit sei der Vertrag nichtig – und die automatische Verlängerung unzulässig.
5. Die Entscheidung des KG Berlin: Klare Abgrenzung der Vertragsschritte
5.1 Kein Vertragsschluss durch den Button in der App
Das KG Berlin stellte klar: Durch den Button in der App („Kostenloses Probeabo starten“) wurde noch kein Vertrag geschlossen. Dieser sei lediglich der Start eines mehrstufigen Bestellprozesses – vergleichbar mit dem Hinzufügen eines Produkts in einen Warenkorb. Der eigentliche Vertragsschluss erfolge erst im Apple App Store, also durch die dortige Autorisierung mittels Face ID.
➡️ Folge: Die Buttonlösung greift erst bei diesem finalen Schritt – nicht bei vorgelagerten Aktionen innerhalb der App.
5.2 Die Pflicht zur eindeutigen Beschriftung trifft Apple, nicht Blinkist
Der Vertrag wurde über die Infrastruktur von Apple abgeschlossen. Apple selbst verwendet im Store standardisierte Bestätigungsdialoge, in denen:
- die Kostenpflicht explizit benannt ist,
- der Vertragszeitraum und die Bedingungen zur Verlängerung dargestellt werden,
- eine eindeutige Handlung (zweifacher Klick plus Face ID) verlangt wird.
Das KG sieht hierin eine vollständige und verbraucherfreundliche Umsetzung der Buttonlösung – und eine ausreichende Transparenz im Sinne des Gesetzes.
5.3 Keine Irreführung durch die Formulierung in der App
Auch der verwendete Buttontext („Kostenloses Probeabo starten – Easy testen, easy beenden“) sei nicht zu beanstanden:
- Die Aussage sei zutreffend, da der Testzeitraum tatsächlich kostenlos war.
- Die Formulierung „easy beenden“ impliziere, dass der Nutzer das Angebot kündigen muss, um eine Verlängerung zu vermeiden – was wiederum auf die anschließende Kostenpflicht hinweise.
- Ein verständiger Durchschnittsverbraucher könne durch diese Wortwahl nicht in die Irre geführt werden.
6. Juristische Bewertung und Einordnung
✅ Vertragsschluss über App Stores als Sonderfall
Das KG macht deutlich: Bei Verträgen, die über App Stores wie Apple abgeschlossen werden, ist nicht der Button innerhalb der App entscheidend, sondern der systemseitig gesteuerte Abschluss durch die Store-Oberfläche. Dies hat Folgen:
- Anbieter können innerhalb ihrer App informieren und vorbereiten, müssen aber nicht die gesetzlich geforderte Beschriftung auf jedem Button verwenden.
- Voraussetzung ist jedoch, dass der finale Abschluss nicht innerhalb der App, sondern plattformseitig mit vollständiger Kostentransparenz erfolgt.
✅ Keine Erweiterung der Buttonlösung auf vorbereitende Handlungsschritte
§ 312j Abs. 3 BGB gilt ausschließlich für den letzten, rechtlich bindenden Akt. Würde man den Anwendungsbereich auf vorgelagerte Buttons ausweiten, würde dies den Gesetzeswortlaut überdehnen und Unternehmen in unverhältnismäßiger Weise belasten – so das KG.
7. Bedeutung für Anbieter & Verbraucher
Für Unternehmen:
- Bei Verträgen über Drittplattformen wie Apple oder Google Play besteht erheblicher Spielraum, solange der eigentliche Vertragsschluss nicht in der App erfolgt.
- Trotzdem sollten Anbieter nicht bewusst irreführende Begriffe verwenden – Transparenz bleibt der beste Schutz vor Abmahnungen.
Für Verbraucher:
- Der eigentliche Vertrag kommt nicht durch einen App-Button zustande, sondern erst im Store.
- Wichtig ist, nicht einfach durchzuklicken, sondern alle Angaben im App Store zu prüfen – hier liegt die rechtliche Relevanz.
8. Fazit: Eindeutig, aber nicht unnachgiebig – kluge Differenzierung durch das KG Berlin
Mit seinem Urteil zeigt das KG Berlin ein feines Gespür für technische Abläufe, Plattformarchitektur und die Schutzinteressen von Verbrauchern. Es unterscheidet sauber zwischen vorbereitenden und rechtsverbindlichen Schritten und schützt so sowohl Verbraucher vor Intransparenz, als auch Unternehmen vor überzogener Reglementierung.
In Zeiten immer komplexerer digitaler Geschäftsmodelle bietet die Entscheidung eine wichtige Orientierung: Die Buttonlösung ist kein Allheilmittel, aber ein starkes Instrument – wenn sie zur richtigen Zeit am richtigen Ort eingesetzt wird.
Ansprechpartner
Alexander Bräuer
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