Bösgläubige Markenanmeldung - Ein Leitfaden

Stellen Sie sich vor, Sie haben Ihr Unternehmen über Jahre hinweg aufgebaut, eine starke Marke etabliert und sich erfolgreich am Markt positioniert. Plötzlich erfahren Sie, dass eine andere Person oder ein Wettbewerber Ihre Marke – oder eine ihr zum Verwechseln ähnliche – für sich hat eintragen lassen. Sie sehen sich mit Abmahnungen, Unterlassungsklagen oder hohen Lizenzforderungen konfrontiert. Doch ist das rechtens? Oder handelt es sich um eine bösgläubige Markenanmeldung?
Das Markenrecht dient dem Schutz von Unternehmen und deren geistigem Eigentum. Doch in den falschen Händen kann es auch als strategisches Mittel missbraucht werden, um Wettbewerber zu behindern oder finanzielle Vorteile aus fremdem Erfolg zu ziehen. Bösgläubige Markenanmeldungen sind keine Seltenheit: Sie reichen von der Blockade potenzieller Marktteilnehmer bis hin zu spekulativen Registrierungen mit dem Ziel, die Marke später gewinnbringend zu verkaufen.
Doch was genau versteht man unter einer bösgläubigen Markenanmeldung? Welche rechtlichen Unterschiede bestehen zwischen deutschem und europäischem Recht? Und wie können Sie sich als Unternehmer oder Rechteinhaber vor solchen Praktiken schützen?
In diesem Beitrag erhalten Sie eine umfassende Analyse der rechtlichen Grundlagen, der wichtigsten Fallgruppen sowie der Konsequenzen einer bösgläubigen Markenanmeldung – ergänzt durch wegweisende Urteile, praxisnahe Beispiele und konkrete Handlungsempfehlungen.
Das Wichtigste in Kürze:
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Bösgläubige Markenanmeldung erkennen: Eine bösgläubige Markenanmeldung liegt vor, wenn eine Marke ohne ernsthafte Nutzungsabsicht und in unlauterer Absicht eingetragen wird – z. B. um Wettbewerber zu behindern, bekannte Marken auszunutzen oder spekulative Gewinne zu erzielen.
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Rechtliche Konsequenzen & Löschung: Bösgläubig angemeldete Marken können nach deutschem (§ 50 Abs. 1 MarkenG) und europäischem Recht (Art. 59 Abs. 1 lit. b UMV) nachträglich gelöscht werden. Unternehmen können Nichtigkeitsverfahren einleiten oder sich mit dem Einwand des Rechtsmissbrauchs gegen Abmahnungen verteidigen.
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Prävention & Schutz: Vorbeugung ist entscheidend – regelmäßige Markenrecherchen, schnelle Anmeldung eigener Marken und Überwachung von Registereinträgen helfen, bösgläubige Anmeldungen frühzeitig zu erkennen und rechtzeitig dagegen vorzugehen.
Was versteht man unter einer bösgläubigen Markenanmeldung?
Gibt es dabei Unterschiede zwischen deutschem und europäischem Recht?
Begriff der Bösgläubigkeit
Wann liegt Bösgläubigkeit bei einer Markenanmeldung vor?
Die Darlegungs- und Beweislast bei Bösgläubigkeit
Wann muss die Bösgläubigkeit vorliegen?
Die Rolle von Verhalten vor und nach der Anmeldung
Bösgläubigkeit bei Anmeldung und Eintragung in das Register
Bösgläubigkeit bei Bestand der Eintragung im Register
Bösgläubige Nutzung
Die Folgen einer Bösgläubigen Markenanmeldung
Was versteht man unter einer bösgläubigen Markenanmeldung?
Eine bösgläubige Markenanmeldung liegt vor, wenn eine Marke eingetragen werden soll, ohne dass ein rechtmäßiges oder berechtigtes Interesse des Anmelders besteht, und die Anmeldung stattdessen aus unlauteren oder schädigenden Motiven erfolgt. Dies kann darauf abzielen, andere Marktteilnehmer zu behindern, bestehende Rechte zu verletzen oder wirtschaftliche Vorteile aus der missbräuchlichen Anmeldung zu ziehen.
Eine bösgläubige Markenanmeldung wird als Missbrauch des Markensystems angesehen und kann zu erheblichen rechtlichen und finanziellen Konsequenzen für den Anmelder führen. Sie widerspricht dem Grundsatz, dass Marken nur zum Zwecke des tatsächlichen Gebrauchs und in gutem Glauben eingetragen werden sollten.
Gibt es dabei Unterschiede zwischen deutschem und europäischem Recht?
Ja, es gibt Unterschiede zwischen deutschem und europäischem Recht in Bezug auf bösgläubige Markenanmeldungen, insbesondere in der Ausgestaltung der gesetzlichen Grundlagen, der Anwendungsweise und der gerichtlichen Praxis. Nachfolgend werden die wesentlichen Unterschiede und Gemeinsamkeiten dargestellt:
1. Definition und gesetzliche Grundlage
- Deutsches Recht (MarkenG):
- Die Bösgläubigkeit ist ausdrücklich als Eintragungshindernis und Nichtigkeitsgrund im deutschen Markengesetz (§ 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG) verankert.
- Hiernach kann eine Marke nicht eingetragen werden, wenn sie „offensichtlich bösgläubig“ angemeldet wurde.
- Für die Löschung einer bösgläubig angemeldeten Marke nach der Eintragung ist § 50 Abs. 1 MarkenG einschlägig.
- Europäisches Recht (UMV):
- Auch im europäischen Markenrecht wird Bösgläubigkeit als Nichtigkeitsgrund genannt, allerdings in Art. 59 Abs. 1 lit. b UMV (Unionsmarkenverordnung). Die Bösgläubigkeit wird hier ebenfalls nicht definiert, sondern durch die Rechtsprechung konkretisiert.
- Anders als im deutschen Recht wird die Bösgläubigkeit in der UMV nicht explizit als Eintragungshindernis erwähnt, sondern nur als Grund zur Nichtigkeit. In der Praxis wird jedoch eine bösgläubige Anmeldung im Eintragungsverfahren ebenfalls abgelehnt, wenn sie bekannt wird.
2. Rechtsprechung und Auslegung
Deutsches Recht:
- Die deutschen Gerichte stützen sich bei der Prüfung von Bösgläubigkeit oft auf die Kenntnis des Anmelders von bestehenden Rechten Dritter und dessen Absichten.
- Die Beweislast für die Bösgläubigkeit liegt beim Antragsteller, der die Löschung der Marke verlangt. Es muss nachgewiesen werden, dass die Anmeldung in unlauterer Absicht erfolgte.
- Die deutsche Rechtsprechung berücksichtigt häufig:
- Ob der Anmelder wusste, dass die Marke von einem Dritten genutzt wird.
- Ob die Marke nur angemeldet wurde, um diese später teuer zu verkaufen oder Dritte zu behindern.
- Ob der Anmelder die Marke tatsächlich nutzen möchte.
Europäisches Recht:
- Die europäische Rechtsprechung, insbesondere der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH), hat die Bösgläubigkeit umfassend konkretisiert. Sie legt großen Wert auf eine umfassende Würdigung aller objektiven und subjektiven Umstände.
- Entscheidend ist die Absicht des Anmelders zum Zeitpunkt der Anmeldung.
- Der EuGH hat in mehreren Urteilen (z. B. Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli AG, C-529/07) klargestellt, dass folgende Kriterien für die Feststellung von Bösgläubigkeit relevant sind:
- Kenntnis des Anmelders von bestehenden Rechten Dritter.
- Absicht, den Dritten in der Nutzung der Marke zu behindern.
- Fehlen einer ernsthaften Absicht, die Marke selbst zu nutzen.
3. Prüfung und Beweislast
Deutsches Recht:
- In Deutschland muss der Antragsteller beweisen, dass die Marke bösgläubig angemeldet wurde. Dies geschieht oft durch die Darlegung der unlauteren Motive des Anmelders.
- Die Kenntnis des Anmelders über bestehende Rechte Dritter spielt eine entscheidende Rolle.
Europäisches Recht:
- Im EU-Recht erfolgt eine differenziertere Prüfung der Umstände, die nicht nur subjektive Motive, sondern auch objektive Elemente wie das Marktumfeld, die Nutzungsgeschichte der Marke und den Wettbewerb berücksichtigen.
- Die Beweislast liegt auch hier bei der Partei, die die Bösgläubigkeit geltend macht.
4. Verfahrensunterschiede
Deutschland:
- Ein Widerspruchsverfahren gegen eine bösgläubige Anmeldung kann direkt beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) eingereicht werden. Ein Löschungsantrag wegen Bösgläubigkeit kann nach der Eintragung beim DPMA oder durch eine Klage vor einem deutschen Zivilgericht (z. B. Landgericht) erfolgen.
EU (EUIPO):
- Im europäischen Recht wird ein Löschungsantrag wegen Bösgläubigkeit direkt beim EUIPO (Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum) gestellt.
- Alternativ können Klagen vor dem EuGH oder nationalen Gerichten der Mitgliedstaaten eingereicht werden.
5. Schwerpunkt der rechtlichen Bewertung
Deutsches Recht:
- Die deutsche Rechtsprechung konzentriert sich stärker auf den Nachweis unlauterer Absichten und die Behinderung anderer Marktteilnehmer. Die Praxis kann im Vergleich zur EU als etwas strikter angesehen werden, da „offensichtliche Bösgläubigkeit“ nachgewiesen werden muss.
Europäisches Recht:
- Die europäische Praxis folgt einer umfassenderen Analyse aller Umstände, einschließlich objektiver Marktbedingungen. Die Absicht des Anmelders wird stark in den Kontext des Wettbewerbs gesetzt.
Während deutsches und europäisches Recht ähnliche Prinzipien zur Bösgläubigkeit verfolgen, unterscheiden sie sich in der gesetzlichen Verankerung, der praktischen Anwendung und der Schwerpunktsetzung bei der Prüfung. Das EU-Recht ist oft breiter und kontextbezogener, während das deutsche Recht stärker auf den direkten Nachweis unlauterer Absichten fokussiert ist.
Begriff der Bösgläubigkeit
Der Begriff der Bösgläubigkeit hat im Markenrecht eine besondere Bedeutung, da er sowohl ein Eintragungshindernis als auch ein Grund für die Nichtigkeit einer Marke darstellen kann. Dabei bezieht sich Bösgläubigkeit auf den Umstand, dass der Anmelder einer Marke bewusst unredlich handelt und seine Anmeldung nicht in gutem Glauben erfolgt. Sie wird häufig mit dem Ziel vorgenommen, Dritte zu behindern, unlautere Vorteile zu erlangen oder bestehende Rechte zu verletzen.
Definition der Bösgläubigkeit im Markenrecht
Im rechtlichen Kontext bedeutet Bösgläubigkeit, dass eine Handlung mit dem Wissen erfolgt, dass sie unredlich oder unrechtmäßig ist. Im Markenrecht konkretisiert sich Bösgläubigkeit als:
- Unlauterer Zweck der Markenanmeldung:
- Die Anmeldung wird mit dem Ziel vorgenommen, Dritte zu behindern oder unrechtmäßig Vorteile zu erlangen.
- Fehlender ernsthafter Nutzungswille:
- Der Anmelder plant nicht, die Marke tatsächlich im geschäftlichen Verkehr zu verwenden, sondern verfolgt andere, z. B. spekulative Ziele.
- Missbrauch des Markensystems:
- Die Anmeldung widerspricht den Grundprinzipien des Markenschutzes, wie dem Schutz des fairen Wettbewerbs und dem Schutz vor Täuschung.
Rechtliche Grundlagen
Deutsches Recht:
- Bösgläubigkeit ist gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG ein Eintragungshindernis, wenn sie offensichtlich vorliegt. Nach § 50 Abs. 1 MarkenG ist sie zudem ein Nichtigkeitsgrund für bereits eingetragene Marken.
- In der deutschen Rechtsprechung wird Bösgläubigkeit im Einzelfall geprüft und oft eng ausgelegt, um Missbrauch im Markenrecht zu verhindern.
Europäisches Recht:
- Im europäischen Markenrecht ist Bösgläubigkeit ein Nichtigkeitsgrund gemäß Art. 59 Abs. 1 lit. b UMV. Die europäische Rechtsprechung hat den Begriff insbesondere durch die Urteile des EuGH (z. B. „Lindt & Sprüngli“, C-529/07) konkretisiert.
Prüfungskriterien für Bösgläubigkeit
Die Feststellung der Bösgläubigkeit ist ein komplexer Vorgang, der sowohl subjektive Absichten als auch objektive Umstände berücksichtigt. Wichtige Kriterien, die in der Rechtsprechung herangezogen werden, sind:
- Kenntnis des Anmelders über bestehende Rechte Dritter:
- Der Anmelder weiß oder hätte wissen müssen, dass ein Dritter die Marke bereits nutzt oder Rechte an einem ähnlichen Zeichen besitzt.
- Absicht, Wettbewerber zu behindern:
- Die Anmeldung wird vorgenommen, um einem Wettbewerber den Marktzugang zu erschweren oder ihn zur Aufgabe einer Marke zu zwingen.
- Fehlende Nutzungsabsicht:
- Der Anmelder plant nicht, die Marke im geschäftlichen Verkehr zu verwenden, sondern verfolgt andere Ziele, z. B. Spekulation oder Lizenzverkäufe.
- Trittbrettfahrerei oder Ausnutzung von Bekanntheit:
- Der Anmelder versucht, von der Bekanntheit eines bestehenden Zeichens zu profitieren, indem er eine ähnliche oder identische Marke anmeldet.
- Wiederholtes missbräuchliches Verhalten:
- Der Anmelder hat in der Vergangenheit bereits ähnliche Anmeldungen vorgenommen, die als bösgläubig eingestuft wurden.
Rechtsprechung zur Bösgläubigkeit
Einige Urteile, die den Begriff der Bösgläubigkeit konkretisiert haben, sind besonders prägend:
EuGH, „Lindt & Sprüngli“ (C-529/07):
Sachverhalt: Lindt & Sprüngli meldete die Marke des goldenen Schokoladenhasen an, obwohl ähnliche Hasen von anderen Herstellern bereits auf dem Markt waren. Ein Konkurrent warf Lindt vor, die Anmeldung sei bösgläubig.
Urteil: Der EuGH stellte fest, dass Bösgläubigkeit dann vorliegt, wenn der Anmelder zum Zeitpunkt der Anmeldung wusste oder hätte wissen müssen, dass Dritte ein identisches oder ähnliches Zeichen bereits benutzen, und die Anmeldung mit der Absicht erfolgt, die Nutzung durch andere zu behindern.
Bedeutung: Die Entscheidung betont die Bedeutung der Absicht des Anmelders und führt zu einer umfassenden Analyse der Umstände, einschließlich des Marktumfelds.
BGH, „Hard Rock Café“:
Sachverhalt: Ein Unternehmen meldete die Marke „Hard Rock Café“ für Deutschland an, ohne mit der international bekannten Marke verbunden zu sein. Es wurde argumentiert, dass die Anmeldung in böser Absicht erfolgte.
Urteil: Der BGH entschied, dass Bösgläubigkeit vorliegt, wenn der Anmelder eine Marke anmeldet, die er nur ausnutzen möchte, um vom Ruf einer bekannten Marke zu profitieren.
EuG, „Pelikan“:
Sachverhalt: Ein Dritter meldete die Marke „Pelikan“ für Schreibwaren an, obwohl der Name seit Jahrzehnten von der Pelikan AG genutzt wurde.
Urteil: Das Gericht sah die Anmeldung als bösgläubig an, da der Anmelder von der Bekanntheit der Marke profitierte und keine eigene ernsthafte Nutzung plante.
Praktische Beispiele für Bösgläubigkeit
- Spekulationsanmeldungen: Ein Anmelder registriert eine Marke, von der er weiß, dass sie in einem anderen Land bereits genutzt wird, um sie später teuer an den Rechteinhaber zu verkaufen.
- Blockade von Markteintritten: Ein Unternehmen meldet Marken von Wettbewerbern in Ländern an, in denen diese noch nicht registriert sind, um deren Markteintritt zu verhindern.
- Ausnutzung bekannter Marken: Ein Anmelder meldet eine Marke an, die einem bekannten Namen ähnlich ist (z. B. „Appletech“), um von der Reputation der Originalmarke zu profitieren.
- Verwechslungsgefahr: Eine Marke wird bewusst so gestaltet, dass Kunden sie mit einer anderen bekannten Marke verwechseln könnten, um von deren Bekanntheit zu profitieren.
Folgen einer bösgläubigen Markenanmeldung
Wenn Bösgläubigkeit nachgewiesen wird, hat dies folgende Konsequenzen:
- Ablehnung der Anmeldung: Das Markenamt (z. B. DPMA oder EUIPO) lehnt die Anmeldung ab, wenn die Bösgläubigkeit offensichtlich ist.
- Löschung der Marke: Eine bereits eingetragene Marke kann auf Antrag eines Dritten für nichtig erklärt und gelöscht werden.
- Schadensersatzforderungen: Der Anmelder kann für durch die bösgläubige Anmeldung entstandene Schäden haftbar gemacht werden.
Der Begriff der Bösgläubigkeit im Markenrecht ist ein entscheidender Mechanismus, um Missbrauch des Markensystems zu verhindern. Er dient dem Schutz des fairen Wettbewerbs und der Rechte Dritter. Die rechtliche Bewertung von Bösgläubigkeit erfolgt auf Grundlage von Einzelfallprüfungen, wobei sowohl subjektive Absichten als auch objektive Umstände berücksichtigt werden. Prägende Urteile wie „Lindt & Sprüngli“ und „Hard Rock Café“ zeigen, dass die Rechtsprechung klare Maßstäbe für die Bewertung setzt. Unternehmen sollten daher stets mit gutem Glauben und einer ernsthaften Nutzungsabsicht handeln, um Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.
Wann liegt Bösgläubigkeit bei einer Markenanmeldung vor?
Der Begriff der Bösgläubigkeit im Markenrecht spielt eine zentrale Rolle, um missbräuchliche Markenanmeldungen zu verhindern und das System des Markenschutzes vor unlauteren Praktiken zu bewahren. Während die rechtlichen Grundlagen in § 8 Abs. 2 Nr. 14 MarkenG (Deutschland) und Art. 59 Abs. 1 lit. b UMV (EU) festgelegt sind, fehlt eine gesetzliche Definition. Stattdessen wurde der Begriff durch Rechtsprechung konkretisiert und um verschiedene Fallgruppen erweitert.
Im Folgenden wird umfassend und vertieft dargelegt, wann Bösgläubigkeit vorliegt, mit besonderem Fokus auf die Fallgruppen, die durch Rechtsprechung entwickelt wurden.
Rechtliche Grundlage und allgemeine Definition
Deutsches Recht (§ 8 Abs. 2 Nr. 14 MarkenG):
Eine Markenanmeldung gilt als bösgläubig, wenn sie mit unlauteren Absichten erfolgt, wie z. B. der Behinderung von Dritten oder der Ausnutzung fremder Rechte, und nicht dem eigentlichen Zweck einer Marke dient: dem Hinweis auf die betriebliche Herkunft der Waren oder Dienstleistungen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH liegt Bösgläubigkeit insbesondere vor, wenn:
- Der Anmelder keinen Benutzungswillen hat,
- die Anmeldung primär zur Blockade von Wettbewerbern erfolgt, oder
- sie allein der wirtschaftlichen Ausnutzung fremder Rechte dient.
Europäisches Recht (Art. 59 Abs. 1 lit. b UMV):
Im EU-Recht wird Bösgläubigkeit als Nichtigkeitsgrund herangezogen. Nach der Rechtsprechung des EuGH liegt sie vor, wenn der Anmelder:
· Nicht lauter am Wettbewerb teilnehmen möchte, sondern die Anmeldung nutzt, um Dritte zu schädigen,
· die Marke anmeldet, um ein Recht zu erlangen, das über die eigentlichen Zwecke einer Marke hinausgeht, oder
· in einer Weise handelt, die den redlichen Handelsbräuchen widerspricht.
Beachte: Eine Anmeldung wird grundsätzlich als gutgläubig vermutet, und der Nachweis der Bösgläubigkeit obliegt demjenigen, der sich darauf beruft.
Vertiefte Fallgruppen der Bösgläubigkeit
Die Rechtsprechung hat eine Vielzahl von Fallgruppen herausgearbeitet, die Orientierung geben, wann Bösgläubigkeit angenommen werden kann. Die wichtigsten Fallgruppen werden im Folgenden detailliert erläutert.
1. Eingriff in einen schutzwürdigen Besitzstand
Ein schutzwürdiger Besitzstand liegt vor, wenn ein Dritter ein Zeichen bereits vor der Anmeldung verwendet hat, ohne formalen Markenschutz zu genießen. Bösgläubigkeit kann vorliegen, wenn der Anmelder dieses Zeichen in Kenntnis dieser Vorbenutzung anmeldet, insbesondere wenn die Anmeldung:
- auf die Behinderung des Vorbenutzers abzielt,
- der Monopolisierung dient, oder
- eine Ausnutzung des bereits bestehenden Rufs des Zeichens beabsichtigt.
Rechtsprechung:
- BGH, Urteil vom 15.10.2015, Az. I ZB 44/14 – LIQUIDROM
Ein Wellnessbad meldete die Marke „LIQUIDROM“ an, obwohl ein anderer Betreiber diese Bezeichnung bereits verwendet hatte. Der BGH sah hierin eine bösgläubige Anmeldung, da die Marke einzig dazu diente, den Vorbenutzer zu behindern. - EuG, Urteil vom 14.05.2019, Az. T-795/17 – NEYMAR
Ein Dritter meldete den Namen des Fußballspielers Neymar an, ohne mit diesem in Verbindung zu stehen. Das EuG urteilte, dass die Anmeldung einzig darauf abzielte, Neymars Bekanntheit auszunutzen.
Voraussetzungen für den schutzwürdigen Besitzstand:
- Das Zeichen muss eine gewisse Bekanntheit genießen (auch außerhalb der EU möglich).
- Der Vorbenutzer muss eine ernsthafte Nutzung in der EU oder Deutschland beabsichtigen.
- Es müssen besondere Umstände vorliegen, die die Anmeldung als unlauter erscheinen lassen (z. B. Kenntnis der Vorbenutzung).
Beispiele für Bösgläubigkeit:
- Ein Unternehmen meldet eine Domain an, die mit dem Namen eines konkurrierenden Unternehmens übereinstimmt, um dessen Geschäft zu behindern.
- Ein Anmelder registriert den Namen einer bekannten Person (z. B. eines Schauspielers), um von deren Bekanntheit zu profitieren.
2. Markenanmeldung als zweckfremdes Mittel im Wettbewerb (Sperrmarken)
Eine Anmeldung wird bösgläubig, wenn sie nicht der Kennzeichnung von Waren oder Dienstleistungen dient, sondern ausschließlich dazu verwendet wird, Wettbewerber zu behindern.
Rechtsprechung:
- BGH, Urteil vom 23.09.2015, Az. I ZR 105/14 – Goldbären
Haribo meldete die Marke „Gold-Teddy“ an, um Lindt daran zu hindern, einen Schokoladenteddy unter diesem Namen zu vertreiben. Der BGH urteilte, dass Haribo primär eine Behinderungsabsicht verfolgte. - BGH, Urteil vom 10.01.2008, Az. I ZR 38/05 – AKADEMIKS
Eine Marke wurde allein zu dem Zweck angemeldet, Wettbewerber an der Nutzung ähnlicher Kennzeichen zu hindern. Das Gericht bewertete dies als unlauteres Verhalten.
Kriterien für Sperrmarken:
- Die Anmeldung erfolgt in direkter Reaktion auf eine Nutzung durch Dritte.
- Es gibt keine erkennbare Absicht, die Marke selbst zu nutzen.
- Der Markeninhaber versucht, Wettbewerber durch die Anmeldung zu behindern (z. B. durch Abmahnungen).
Beispiele:
- Ein Konkurrent meldet eine Marke unmittelbar nach Bekanntwerden eines neuen Produktnamens eines Wettbewerbers an, um diesen an der Markteinführung zu hindern.
- Ein Anmelder nutzt die Markenregistrierung gezielt, um Dritte zu Lizenzzahlungen oder Käufen zu zwingen.
3. Fehlender Benutzungswille (Spekulationsmarken)
Eine Anmeldung ist bösgläubig, wenn der Anmelder keinen ernsthaften Nutzungswillen hat, sondern die Marke nur anmeldet, um wirtschaftliche Vorteile durch Verkauf, Lizenzierung oder Abmahnungen zu erzielen.
Rechtsprechung:
- OLG Frankfurt, Beschluss vom 03.05.2021, Az. 6 W 31/21 – ASCOLI
Ein Markeninhaber nutzte die Marke nicht, sondern versuchte, Dritte durch Abmahnungen und überhöhte Lizenzforderungen zu Geldzahlungen zu bewegen. Das Gericht sah hierin eine bösgläubige Anmeldung. - BGH, Beschluss vom 02.04.2009, Az. I ZB 8/06 – Ivadal I
Der BGH urteilte, dass eine Anmeldung, die primär darauf abzielt, wirtschaftliche Vorteile durch Spekulation zu erzielen, ohne die Marke selbst zu nutzen, bösgläubig ist.
Indizien für fehlenden Benutzungswillen:
- Die Marke wird kurz nach Anmeldung umfangreich für Abmahnungen genutzt.
- Es gibt keine erkennbaren Nutzungsaktivitäten (z. B. Produktion, Werbung).
- Der Markeninhaber fordert überhöhte Lizenzgebühren.
4. Wiederholungsmarken
Bösgläubigkeit liegt vor, wenn eine Marke mehrfach angemeldet wird, um die Benutzungsschonfrist zu verlängern und so rechtliche Anforderungen zu umgehen.
Rechtsprechung:
- EuG, Urteil vom 21.04.2021, Az. T-663/19 – MONOPOLY
Hasbro meldete die Marke „MONOPOLY“ wiederholt an, um die Benutzungsschonfrist zu umgehen. Das EuG sah hierin eine Umgehung der gesetzlichen Regeln und eine missbräuchliche Praxis.
Indizien für Wiederholungsmarken:
- Die Marke wird identisch oder nahezu identisch wiederholt angemeldet.
- Es gibt keine erkennbaren Bemühungen, die Marke tatsächlich zu nutzen.
- Die Anmeldung erfolgt kurz vor Ablauf der Schonfrist.
5. Trittbrettfahrerei (Ausnutzung von Bekanntheit)
Bösgläubigkeit wird angenommen, wenn ein Anmelder bewusst von der Reputation oder Bekanntheit einer Marke, eines Namens oder einer Person profitieren möchte.
Rechtsprechung:
- EuG, Urteil vom 14.05.2019, Az. T-795/17 – NEYMAR
Der Name des Fußballspielers Neymar wurde von einem Dritten angemeldet, um von dessen Bekanntheit zu profitieren. Das Gericht sah darin eine bösgläubige Anmeldung. - EuG, Urteil vom 08.05.2014, Az. T-327/12 – Simca
Die Anmeldung einer alten Automarke durch einen Dritten ohne Verbindung zu den ursprünglichen Eigentümern wurde als bösgläubig bewertet.
Prüfungskriterien für Bösgläubigkeit
Die Rechtsprechung hat folgende Kriterien entwickelt, um Bösgläubigkeit zu prüfen:
- Absicht des Anmelders:
Will der Anmelder die Marke tatsächlich nutzen oder verfolgt er unlautere Ziele? - Kenntnis über Rechte Dritter:
War dem Anmelder bekannt, dass ein Dritter das Zeichen bereits nutzt? - Zeitpunkt der Anmeldung:
Erfolgte die Anmeldung in Reaktion auf eine Nutzung durch einen Dritten? - Verhalten nach der Anmeldung:
Wurde die Marke tatsächlich genutzt oder nur zur Behinderung eingesetzt?
Bösgläubigkeit liegt vor, wenn eine Markenanmeldung nicht mit redlichen Absichten erfolgt. Die wichtigsten Fallgruppen – wie Sperrmarken, Trittbrettfahrerei oder Spekulationsmarken – zeigen, dass die Beurteilung immer im Einzelfall erfolgen muss, unter Berücksichtigung der Absicht des Anmelders und der Umstände der Anmeldung. Die Rechtsprechung setzt hohe Maßstäbe an den Nachweis der Bösgläubigkeit, um Missbrauch zu verhindern, gleichzeitig aber redliche Geschäftsinteressen zu schützen.
Die Darlegungs- und Beweislast bei Bösgläubigkeit
Die Beweislast im Zusammenhang mit der Geltendmachung der Bösgläubigkeit bei Markenanmeldungen ist ein zentraler Punkt, der über den Erfolg eines Nichtigkeitsantrags oder die Durchsetzbarkeit von Ansprüchen entscheidet. Nachfolgend wird ausführlich dargestellt, wer welche Beweise vorlegen muss, welche Anforderungen an die Beweisführung gestellt werden und wie die Rechtsprechung mit der Beweislast umgeht.
1. Grundsatz der Beweislast
a) Antragsteller trägt die Beweislast
Im deutschen und europäischen Markenrecht gilt der Grundsatz, dass derjenige, der eine bösgläubige Markenanmeldung geltend macht, die Darlegungs- und Beweislast trägt. Das bedeutet, dass der Antragsteller alle relevanten Umstände darlegen und beweisen muss, die eine Bösgläubigkeit des Markenanmelders begründen.
- Rechtsgrundlage:
- § 50 Abs. 1 MarkenG (Deutschland): Der Antragsteller muss beweisen, dass die Marke entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 14 MarkenG bösgläubig angemeldet wurde.
- Art. 59 Abs. 1 b) UMV (EU): Die Gutgläubigkeit wird vermutet, bis das Gegenteil bewiesen ist.
b) Vermutung der Gutgläubigkeit
Sowohl nach deutschem als auch nach europäischem Recht wird zunächst davon ausgegangen, dass der Anmelder einer Marke gutgläubig gehandelt hat. Diese Vermutung kann nur durch den Nachweis konkreter Umstände widerlegt werden.
- Rechtsprechung:
- EuG, Urteil vom 16.06.2021, Az. T-678/19 – Enterosgel:
Die Gutgläubigkeit wird vermutet, und die Beweislast für das Vorliegen einer Bösgläubigkeit liegt beim Antragsteller. - BPatG, Beschluss vom 15.11.2017, Az. 29 W (pat) 16/14 – YOU & ME:
In Zweifelsfällen wird von einer gutgläubigen Anmeldung ausgegangen.
2. Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast
a) Nachweis relevanter Tatsachen
Der Antragsteller muss sämtliche Tatsachen und Beweismittel vorlegen, die die Bösgläubigkeit stützen. Dazu zählen:
- Schriftliche oder elektronische Korrespondenz, die auf eine unlautere Absicht hindeutet.
- Indizien für eine Behinderungsabsicht, z. B. parallele Markenanmeldungen ohne Benutzungsabsicht.
- Beweise für die Kenntnis des Anmelders über bestehende Rechte Dritter.
Rechtsprechung:
- EuG, Urteil vom 21.05.2015, Az. T-635/14:
Der Antragsteller muss schlüssige und übereinstimmende Beweise vorlegen, um die Bösgläubigkeit darzulegen. - BPatG, Beschluss vom 17.09.2020, Az. 28 W (pat) 19/18 – BUBBLES:
Das DPMA prüft Bösgläubigkeit nur, wenn die Umstände klar ersichtlich sind und der Antragsteller entsprechende Nachweise liefert.
b) Sekundäre Darlegungslast des Markeninhabers
Wenn der Antragsteller konkrete Anhaltspunkte für die Bösgläubigkeit vorgelegt hat, trifft den Markeninhaber eine sekundäre Darlegungslast. Er muss nachvollziehbare Gründe und Motivationen für die Markenanmeldung vorbringen.
- BGH, Urteil vom 23.10.2019, Az. I ZR 46/19 – DA VINCI:
Kann der Markeninhaber seine Absicht nicht plausibel erklären, wird von einer bösgläubigen Anmeldung ausgegangen.
Beispiele:
- Der Markeninhaber hat eine Vielzahl von Marken ohne erkennbares Geschäftsmodell angemeldet.
- Der Markeninhaber kann die geplante Nutzung der Marke nicht nachweisen.
3. Beweisführung im Nichtigkeitsverfahren
a) Anforderungen an den Antragsteller
Im Rahmen eines Nichtigkeitsverfahrens vor dem DPMA oder EUIPO muss der Antragsteller nicht nur die Bösgläubigkeit darlegen, sondern diese auch mit belastbaren Beweismitteln untermauern.
- BPatG, Beschluss vom 24.04.2012, Az. 33 W(pat) 122/09 – soulhelp:
Der Antragsteller muss schlüssige Tatsachen vorlegen, die über bloße Vermutungen hinausgehen. - EuG, Urteil vom 13.12.2012, Az. T-136/11 – Pelikan:
Die Bösgläubigkeit muss durch objektive Indizien belegt werden, die in ihrer Gesamtheit auf eine unlautere Absicht schließen lassen.
b) Indizien für Bösgläubigkeit
Folgende Indizien können herangezogen werden, um die Bösgläubigkeit nachzuweisen:
- Eingriff in schutzwürdigen Besitzstand:
Der Markenanmelder wusste von den bestehenden Rechten eines Dritten und meldete die Marke trotzdem an. - Behinderungsabsicht:
Der Markenanmelder meldete die Marke ausschließlich, um einen Wettbewerber zu behindern. - Fehlender Benutzungswille:
Die Marke wurde angemeldet, ohne dass eine tatsächliche Nutzung beabsichtigt war (Spekulationsmarke). - BGH, Urteil vom 10.01.2008, Az. I ZR 38/05 – AKADEMIKS:
Eine Behinderungsabsicht kann angenommen werden, wenn keine plausible Nutzung der Marke beabsichtigt ist.
4. Beweislast im Verletzungsverfahren
a) Einwand des Rechtsmissbrauchs
Der Beklagte in einem Verletzungsverfahren kann den Einwand erheben, dass die Marke bösgläubig angemeldet wurde. Die Beweislast hierfür liegt zunächst beim Beklagten. Er muss darlegen, dass die Anmeldung rechtsmissbräuchlich erfolgte.
- BGH, Urteil vom 10.08.2000, Az. I ZR 283/97 – EQUI 2000:
Der Einwand des Rechtsmissbrauchs ist zulässig, wenn konkrete Indizien für eine bösgläubige Anmeldung vorliegen.
b) Günstigkeitsprinzip im Zivilrecht
Nach dem Günstigkeitsprinzip trägt derjenige die Beweislast, der sich auf einen für ihn günstigen Umstand beruft. So muss der Kläger beweisen, dass er aus der Marke Ansprüche herleiten kann, während der Beklagte darlegen muss, dass die Anmeldung rechtsmissbräuchlich war.
5. Herausforderungen der Beweisführung
a) Hohe Anforderungen
Die Gerichte und Ämter legen strenge Maßstäbe an die Darlegung und den Beweis der Bösgläubigkeit an. Es genügt nicht, bloße Vermutungen oder allgemein gehaltene Behauptungen aufzustellen.
b) Kosten der Beweisführung
Die Sammlung von Beweismitteln wie Schriftverkehr, Geschäftsunterlagen oder Zeugenaussagen kann mit erheblichen Kosten verbunden sein. Zudem sind die rechtlichen Anforderungen an die Beweiskraft hoch.
c) Langwierige Verfahren
Die Beweisführung kann zeitaufwändig sein, insbesondere wenn internationale Aspekte eine Rolle spielen, z. B. bei Unionsmarken.
Die Beweislast bei der Geltendmachung der Bösgläubigkeit liegt primär beim Antragsteller. Dieser muss durch schlüssige und belastbare Beweise nachweisen, dass die Markenanmeldung unlautere Absichten verfolgte. Dabei spielt die sekundäre Darlegungslast des Markeninhabers eine wichtige Rolle, insbesondere wenn konkrete Anhaltspunkte für die Bösgläubigkeit vorliegen. Die Rechtsprechung zeigt, dass die Hürden für den Nachweis hoch sind, jedoch durch sorgfältige Vorbereitung und umfassende Beweisführung überwunden werden können.
Wann muss die Bösgläubigkeit vorliegen?
Im Markenrecht ist der Zeitpunkt der Bösgläubigkeit ein zentraler Aspekt bei der Beurteilung, ob eine Markenanmeldung rechtmäßig erfolgt ist. Sowohl im deutschen als auch im europäischen Markenrecht wird eindeutig auf den Zeitpunkt der Markenanmeldung abgestellt. Diese Festlegung hat weitreichende Folgen, da sie bestimmt, ob eine Marke von vornherein an einem rechtlichen „Makel“ leidet, der sie angreifbar macht.
Zeitpunkt der Bösgläubigkeit
Die Rechtsprechung hat sich in den letzten Jahren zunehmend auf den Zeitpunkt der Anmeldung als entscheidenden Moment für die Beurteilung der Bösgläubigkeit konzentriert. Diese Entwicklung ist sowohl im deutschen als auch im europäischen Recht durch zahlreiche Urteile klargestellt worden:
Deutsches Markenrecht (§ 8 Abs. 2 Nr. 14 MarkenG):
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) muss Bösgläubigkeit zum Zeitpunkt der Anmeldung vorliegen. Frühere Rechtsprechungen, die noch auf den Zeitpunkt der Eintragung der Marke abstellten, wurden ausdrücklich aufgegeben.
- BGH, Beschluss vom 15.10.2015, Az. I ZB 44/14 – LIQUIDROM:
Der BGH entschied, dass für die Feststellung der Bösgläubigkeit allein der Zeitpunkt relevant ist, an dem der Antrag auf Markeneintragung beim Markenamt eingereicht wird. Die spätere Eintragung der Marke ist nicht maßgeblich. Diese Entscheidung korrigierte die frühere Rechtsprechung, die den Zeitpunkt der Eintragung in den Mittelpunkt stellte.
Europäisches Markenrecht (Art. 59 Abs. 1 lit. b UMV):
Auch das europäische Markenrecht stellt auf den Zeitpunkt der Anmeldung ab. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ist für die Beurteilung der Bösgläubigkeit die Absicht des Anmelders im Moment der Antragstellung entscheidend.
- EuGH, Urteil vom 11.06.2009, Az. C-529/07 – Lindt & Sprüngli:
Der EuGH stellte klar, dass Bösgläubigkeit zum Zeitpunkt der Anmeldung bestehen muss. Eine nachträgliche Nutzung der Marke in gutem Glauben kann eine ursprünglich bösgläubige Anmeldung nicht rechtfertigen.
Warum ist der Zeitpunkt der Anmeldung entscheidend?
Die Fixierung auf den Zeitpunkt der Anmeldung begründet sich aus der Struktur des Markenrechts. Marken dienen in erster Linie dazu, Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Dabei kommt dem Anmeldezeitpunkt folgende Bedeutung zu:
- Absicht des Anmelders:
Der Zeitpunkt der Anmeldung spiegelt die ursprünglichen Absichten des Anmelders wider. Eine Anmeldung sollte in gutem Glauben erfolgen, mit dem Ziel, die Marke für die eigene geschäftliche Tätigkeit zu nutzen. - Schutz des Wettbewerbs:
Die Anmeldung darf nicht missbraucht werden, um Dritte zu behindern oder sich unlautere Vorteile zu verschaffen. Die Betrachtung des Anmeldezeitpunkts verhindert, dass nachträgliche Änderungen im Verhalten des Anmelders den ursprünglichen Zweck der Anmeldung verschleiern. - Unheilbarer Makel:
Eine bösgläubige Anmeldung führt zu einem rechtlichen Makel, der nicht geheilt werden kann, selbst wenn die Marke später rechtmäßig genutzt wird oder von einem gutgläubigen Dritten übernommen wird.
Die Rolle von Verhalten vor und nach der Anmeldung
Obwohl der Zeitpunkt der Anmeldung entscheidend ist, können Handlungen vor und nach der Anmeldung als Indizien herangezogen werden, um die Absichten des Anmelders zum Anmeldezeitpunkt zu bewerten. Dies ist besonders relevant, da die Absicht des Anmelders in der Regel nicht unmittelbar ersichtlich ist.
Verhalten vor der Anmeldung
Das Verhalten des Anmelders vor der Anmeldung kann darauf hinweisen, ob er mit unlauteren Absichten gehandelt hat. Beispiele für solche Handlungen sind:
- Kenntnis über Rechte Dritter:
Bösgläubigkeit wird häufig angenommen, wenn der Anmelder wusste oder hätte wissen müssen, dass ein Dritter das Zeichen bereits nutzt. Diese Kenntnis allein begründet jedoch noch keine Bösgläubigkeit; sie muss mit einer Behinderungsabsicht verbunden sein. - BGH, Urteil vom 15.10.2015, Az. I ZB 44/14 – LIQUIDROM:
Der Anmelder wusste von der Nutzung des Zeichens durch einen anderen und meldete es dennoch an, um dessen Rechte zu behindern. - Strategische Beobachtung:
Wenn der Anmelder gezielt das Verhalten von Wettbewerbern beobachtet und daraufhin eine Marke anmeldet, kann dies auf eine Behinderungsabsicht hinweisen. - Recherchen und Vorbereitungen:
Umfangreiche Recherchen vor der Anmeldung, insbesondere über bestehende Nutzungen, können auf eine geplante bösgläubige Anmeldung hinweisen.
Verhalten nach der Anmeldung
Das Verhalten nach der Anmeldung kann weitere Hinweise darauf geben, ob die Anmeldung ursprünglich bösgläubig war. Beispiele sind:
- Nichtnutzung der Marke:
Eine Marke, die über einen längeren Zeitraum nicht genutzt wird, kann darauf hinweisen, dass keine ernsthafte Nutzungsabsicht bestand. - Abmahnungen und Lizenzforderungen:
Eine extensive Abmahnpraxis oder das Fordern überhöhter Lizenzgebühren spricht für eine bösgläubige Anmeldung. - OLG Düsseldorf, Urteil vom 08.06.2010, Az. I-20 U 199/09 – Spekulationsmarke:
Der Anmelder meldete die Marke an, ohne sie selbst zu nutzen, und versuchte, Dritte durch Lizenzforderungen wirtschaftlich zu belasten. - Verkauf der Marke:
Ein schneller Verkauf der Marke nach der Anmeldung kann darauf hindeuten, dass die Anmeldung nur spekulativen Zwecken diente.
Langfristige Indizien: Verhalten über Jahre hinweg
Selbst Handlungen, die Jahre vor oder nach der Anmeldung liegen, können als Beweismittel herangezogen werden.
- EuG, Urteil vom 01.02.2012, Az. T-291/09 – CHICKEN ON THE GRILL:
Das EuG erkannte an, dass das Verhalten des Anmelders über mehrere Jahre hinweg Rückschlüsse auf seine ursprünglichen Absichten zulassen kann.
Unheilbarer Makel der bösgläubigen Anmeldung
Eine bösgläubige Anmeldung führt zu einem rechtlichen Makel, der nicht geheilt werden kann. Dies bedeutet:
- Ungültigkeit der Marke:
Eine bösgläubig angemeldete Marke kann jederzeit für nichtig erklärt werden, unabhängig davon, ob sie später rechtmäßig genutzt wird. - BGH, Urteil vom 10.08.2000, Az. I ZR 283/97 – EQUI 2000:
Auch eine gutgläubige Nutzung durch einen späteren Erwerber ändert nichts an der ursprünglichen Bösgläubigkeit. - Keine Verteidigung durch spätere Nutzung:
Selbst wenn die Marke nach der Anmeldung in gutem Glauben genutzt wird, bleibt sie angreifbar. - Folgen für Dritte:
Ein gutgläubiger Erwerber einer bösgläubig angemeldeten Marke kann sich nicht auf seine Gutgläubigkeit berufen.
Wichtige Urteile im Überblick
1. EuGH, Urteil vom 11.06.2009, Az. C-529/07 – Lindt & Sprüngli
- Der Zeitpunkt der Anmeldung ist entscheidend. Bösgläubigkeit zum Zeitpunkt der Anmeldung macht die Marke unwirksam.
2. BGH, Beschluss vom 15.10.2015, Az. I ZB 44/14 – LIQUIDROM
- Die frühere Praxis, auf den Zeitpunkt der Eintragung abzustellen, wurde aufgegeben. Der Anmeldezeitpunkt ist maßgeblich.
3. OLG Düsseldorf, Urteil vom 08.06.2010, Az. I-20 U 199/09 – Spekulationsmarke
- Eine bösgläubige Marke bleibt unwirksam, auch wenn sie später rechtmäßig genutzt wird.
4. EuG, Urteil vom 01.02.2012, Az. T-291/09 – CHICKEN ON THE GRILL
- Verhalten über Jahre hinweg kann als Indiz für die Absichten des Anmelders zum Zeitpunkt der Anmeldung gewertet werden.
Die Bösgläubigkeit bei einer Markenanmeldung muss zum Zeitpunkt der Anmeldung vorliegen. Spätere Handlungen oder eine rechtmäßige Nutzung können den ursprünglichen Makel nicht heilen. Gleichzeitig spielen das Verhalten des Anmelders vor und nach der Anmeldung eine wichtige Rolle, da sie als Indizien für die Absicht des Anmelders gewertet werden können. Eine bösgläubig angemeldete Marke bleibt dauerhaft angreifbar und kann jederzeit gelöscht werden, unabhängig davon, wie sie später genutzt wird oder wer sie erwirbt. Dies schützt das Markenrecht vor Missbrauch und sichert einen fairen Wettbewerb.
Bösgläubigkeit bei Anmeldung und Eintragung in das Register
Die Bösgläubigkeit bei Markenanmeldungen hat unterschiedliche rechtliche Auswirkungen in Deutschland und der Europäischen Union (EU). Während das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) Bösgläubigkeit als absolutes Schutzhindernis von Amts wegen prüfen kann, erfolgt beim Amt der Europäischen Union für Geistiges Eigentum (EUIPO) keine solche Prüfung im Anmeldeverfahren. Dies führt zu wesentlichen Unterschieden in der Behandlung von Bösgläubigkeit während der Anmeldung und nach der Eintragung in das Markenregister.
1. Bösgläubigkeit nach deutschem Markenrecht
Rechtliche Grundlage: § 8 Abs. 2 Nr. 14 MarkenG
Nach deutschem Recht stellt Bösgläubigkeit ein absolutes Schutzhindernis dar, das einer Markeneintragung entgegensteht. Dies bedeutet:
- Von Amts wegen Prüfung: Das DPMA muss prüfen, ob Bösgläubigkeit vorliegt, allerdings nur in ersichtlichen Fällen.
- Prüfungsumfang des DPMA: Die Prüfung beschränkt sich auf klare und offensichtliche Sachverhalte, die ohne umfangreiche Ermittlungen festgestellt werden können.
Praktische Umsetzung durch das DPMA:
- Prüfung im Anmeldeverfahren:
Das DPMA prüft Bösgläubigkeit im Rahmen der Markenanmeldung von Amts wegen, jedoch nur, wenn ersichtliche Hinweise vorliegen.- Ein Zeichen, das eindeutig dazu dient, bekannte Marken zu imitieren oder auszunutzen.
- Hinweise aus anderen Verfahren, die auf eine bösgläubige Absicht des Anmelders hinweisen (z. B. vorangegangene Streitigkeiten).
- Beispiele für ersichtliche Fälle:
- Grenzen der Amtsprüfung:
Die Prüfung des DPMA auf Bösgläubigkeit erfolgt nicht durch aufwendige Ermittlungen, sondern basiert auf offensichtlichen Indizien. - BPatG, Beschluss vom 24.04.2012, Az. 33 W (pat) 122/09 – soulhelp:
Das BPatG stellte fest, dass das DPMA keine umfangreichen Nachforschungen anstellen muss, sondern nur in Fällen tätig wird, in denen Bösgläubigkeit ohne weiteres ersichtlich ist. - Hinweise Dritter:
Das DPMA kann Hinweise Dritter sowie Erkenntnisse aus anderen Verfahren berücksichtigen, um Bösgläubigkeit festzustellen.
Nach der Eintragung: Löschung der Marke
Wurde eine bösgläubige Anmeldung nicht im Anmeldeverfahren erkannt, bleibt die Möglichkeit, die Marke nachträglich löschen zu lassen:
- Rechtsgrundlage: § 50 Abs. 1 MarkenG.
Die Marke kann wegen Bösgläubigkeit gelöscht werden, wenn diese zum Zeitpunkt der Anmeldung vorlag. - Verfahren: Der Antrag auf Löschung muss beim DPMA oder vor einem Gericht gestellt werden.
Wichtige Rechtsprechung in Deutschland:
- BGH, Beschluss vom 15.10.2015, Az. I ZB 44/14 – LIQUIDROM:
Der BGH stellte klar, dass Bösgläubigkeit ausschließlich zum Zeitpunkt der Anmeldung beurteilt wird. Die Marke kann selbst dann gelöscht werden, wenn sie später rechtmäßig genutzt wird.
2. Bösgläubigkeit nach EU-Recht
Rechtliche Grundlage: Art. 59 Abs. 1 lit. b UMV
Im europäischen Markenrecht wird Bösgläubigkeit nicht als Schutzhindernis während des Anmeldeverfahrens geprüft. Sie ist ausschließlich ein Grund für die Nichtigkeit einer eingetragenen Unionsmarke. Dies führt zu folgenden Besonderheiten:
- Keine Prüfung von Amts wegen durch das EUIPO:
- Im Gegensatz zum DPMA prüft das EUIPO Bösgläubigkeit nicht von Amts wegen im Rahmen der Markenanmeldung.
- Begründung: Nach der Unionsmarkenverordnung (UMV) stellt Bösgläubigkeit lediglich einen Grund für die nachträgliche Nichtigkeitserklärung dar, nicht jedoch ein Schutzhindernis im Prüfungsverfahren.
- Keine Relevanz im Widerspruchsverfahren:
- Bösgläubigkeit kann im Widerspruchsverfahren nicht geltend gemacht werden.
- EuG, Urteil vom 17.12.2010, Az. T-192/09 – Seve Trophy:
Das Gericht entschied, dass Bösgläubigkeit im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens nicht berücksichtigt wird, da das Verfahren lediglich der Prüfung der relativen Eintragungshindernisse dient.
Nach der Eintragung: Antrag auf Nichtigkeit
Eine Unionsmarke kann wegen Bösgläubigkeit nach der Eintragung für nichtig erklärt werden:
- Rechtsgrundlage: Art. 59 Abs. 1 lit. b UMV.
Der Antrag auf Nichtigkeit kann entweder: - Direkt beim EUIPO gestellt werden, oder
- als Widerklage in einem Verletzungsverfahren vor einem nationalen Gericht erhoben werden.
Verfahren zur Nichtigkeitserklärung:
- Nachweis der Bösgläubigkeit:
Der Antragsteller muss nachweisen, dass der Markenanmelder zum Zeitpunkt der Anmeldung in böser Absicht handelte. - Indizien wie fehlender Nutzungswille, Behinderungsabsicht oder der Versuch, von der Bekanntheit eines Zeichens zu profitieren, werden herangezogen.
- Keine Verjährung:
Bösgläubigkeit kann auch Jahre nach der Eintragung geltend gemacht werden.
Wichtige Rechtsprechung im EU-Recht:
- EuGH, Urteil vom 11.06.2009, Az. C-529/07 – Lindt & Sprüngli:
Der EuGH betonte, dass Bösgläubigkeit nur dann zur Nichtigkeit führt, wenn sie zum Zeitpunkt der Anmeldung vorlag. Spätere Entwicklungen sind irrelevant. - EuG, Urteil vom 01.02.2012, Az. T-291/09 – CHICKEN ON THE GRILL:
Selbst Handlungen, die Jahre vor oder nach der Anmeldung liegen, können zur Beurteilung der Bösgläubigkeit herangezogen werden.
Die Bösgläubigkeit spielt im deutschen und europäischen Markenrecht eine unterschiedliche Rolle. In Deutschland ist sie ein absolutes Schutzhindernis, das vom DPMA in offensichtlichen Fällen geprüft wird. In der EU hingegen ist Bösgläubigkeit erst nach der Eintragung relevant und kann nur durch einen Nichtigkeitsantrag oder eine Widerklage geltend gemacht werden.
Praktische Empfehlungen:
- In Deutschland:
Unternehmen sollten bereits im Anmeldeverfahren darauf achten, dass keine Hinweise auf Bösgläubigkeit vorliegen, da das DPMA diese prüfen kann. - In der EU:
Auch wenn das EUIPO Bösgläubigkeit nicht prüft, können Dritte jederzeit einen Antrag auf Nichtigkeit stellen. Unternehmen sollten sich daher bewusst sein, dass ein bösgläubiges Verhalten langfristige Risiken birgt.
Das unterschiedliche Vorgehen zeigt, dass in der EU eine bösgläubige Anmeldung zunächst zu einer Markeneintragung führen kann, während sie in Deutschland bereits im Prüfungsverfahren gestoppt werden könnte. Langfristig führt eine bösgläubige Anmeldung jedoch in beiden Systemen zu rechtlichen Unsicherheiten und einem „unheilbaren Makel“.
Bösgläubigkeit bei Bestand der Eintragung im Register
Die Eintragung einer Marke, die ursprünglich bösgläubig angemeldet wurde, kann auch nach der Eintragung im Markenregister angefochten und für nichtig erklärt werden. Sowohl im deutschen Markenrecht (§ 50 Abs. 1 MarkenG) als auch im europäischen Markenrecht (Art. 59 Abs. 1 lit. b UMV) bestehen hierfür klare Regelungen. Die Möglichkeiten und Verfahren zur Löschung oder Nichtigkeitserklärung einer Marke unterscheiden sich jedoch in den beiden Rechtssystemen.
1. Bösgläubigkeit bei deutschen Marken (MarkenG)
Prüfung durch das DPMA im Nichtigkeitsverfahren
Das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) hat die Befugnis, auch nach der Eintragung einer Marke ein Nichtigkeitsverfahren einzuleiten, wenn Hinweise auf eine ursprünglich bösgläubige Anmeldung vorliegen. Dies kann entweder von Amts wegen oder auf Antrag eines Dritten erfolgen.
a) Prüfung von Amts wegen
- Zeitliche Begrenzung:
Das DPMA darf ein Nichtigkeitsverfahren von Amts wegen nur innerhalb von zwei Jahren ab Eintragung der Marke einleiten. - Einschränkung auf ersichtliche Bösgläubigkeit:
Das DPMA prüft dabei lediglich, ob die Bösgläubigkeit ersichtlich ist, ohne umfangreiche Ermittlungen durchzuführen. - BPatG, Beschluss vom 24.04.2012, Az. 33 W (pat) 122/09 – soulhelp:
Das Bundespatentgericht betonte, dass nur Fälle offensichtlicher Bösgläubigkeit geprüft werden, etwa wenn bereits aus dem Anmeldeverhalten oder vorliegenden Indizien eindeutig auf unlautere Absichten geschlossen werden kann.
b) Prüfung auf Antrag
- Rechtsgrundlage:
Nach § 50 Abs. 1 MarkenG kann jede Person einen Antrag auf Nichtigkeit wegen Bösgläubigkeit stellen. Es ist nicht erforderlich, dass der Antragsteller persönlich betroffen ist. - Fristen:
Für einen Antrag auf Nichtigkeit gibt es keine zeitliche Begrenzung. Die Bösgläubigkeit kann also auch Jahre nach der Eintragung geltend gemacht werden. - Verfahrensablauf:
- Der Antrag wird schriftlich beim DPMA eingereicht.
- Der Markeninhaber erhält eine zweimonatige Frist zur Stellungnahme (§ 53 MarkenG).
- Widerspricht der Markeninhaber nicht fristgemäß, wird die Marke gelöscht.
- Bei Widerspruch prüft das DPMA die Sachlage und trifft eine Entscheidung.
- Gegen die Entscheidung des DPMA kann Beschwerde beim Bundespatentgericht (BPatG) eingelegt werden.
Besonderheit: Auswirkungen auf den Markenschutz
- Eine Marke, die wegen Bösgläubigkeit gelöscht wird, verliert ihren gesamten Schutz rückwirkend. Die Löschung wirkt, als hätte die Marke nie existiert.
- Auch eine gutgläubige Nutzung durch den Markeninhaber nach der Eintragung heilt den ursprünglichen Makel der Bösgläubigkeit nicht.
2. Bösgläubigkeit bei Unionsmarken (UMV)
Prüfung im Nichtigkeitsverfahren beim EUIPO
Im Gegensatz zum DPMA kann das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) keine Nichtigkeitsverfahren von Amts wegen einleiten. Bösgläubigkeit kann nur auf Antrag eines Dritten oder im Rahmen einer Widerklage in einem Verletzungsverfahren geltend gemacht werden.
a) Nichtigkeitsantrag durch Dritte
- Rechtsgrundlage:
Gemäß Art. 59 Abs. 1 lit. b UMV kann ein Antrag auf Nichtigkeit gestellt werden, wenn die Marke bösgläubig angemeldet wurde. - Antragsberechtigung:
- Jedermann kann einen Antrag stellen; eine persönliche Betroffenheit ist nicht erforderlich.
- Es gibt keine zeitliche Begrenzung für die Antragstellung.
b) Verfahren beim EUIPO
- Schriftlicher Antrag:
Der Antrag wird beim EUIPO eingereicht, das ein Nichtigkeitsverfahren einleitet. - Gegenseitige Stellungnahmen:
Der Markeninhaber und der Antragsteller können sich während des Verfahrens mehrfach äußern. Das EUIPO gewährt so viele Fristen, wie es für erforderlich hält (Art. 64 UMV). - Entscheidung:
Über Beschwerden gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung entscheidet die Beschwerdekammer des EUIPO. Gegen die Entscheidung der Beschwerdekammer kann Klage beim Gericht der Europäischen Union (EuG) eingereicht werden (Art. 72 Abs. 1 UMV).
Besonderheit: Keine Prüfung von Amts wegen
Das EUIPO hat im Gegensatz zum DPMA keine Befugnis, von sich aus die Bösgläubigkeit einer Marke zu prüfen. Dies unterstreicht den Unterschied zwischen dem deutschen und europäischen Markenrecht.
3. Rechtsprechung zu Bösgläubigkeit im Bestand der Marke
Deutsches Recht:
- BGH, Urteil vom 15.10.2015, Az. I ZB 44/14 – LIQUIDROM:
Bösgläubigkeit zum Zeitpunkt der Anmeldung führt zur Löschung, unabhängig davon, wie die Marke nach der Eintragung genutzt wurde. - BPatG, Beschluss vom 24.04.2012, Az. 33 W (pat) 122/09 – soulhelp:
Das BPatG entschied, dass das DPMA keine umfangreichen Ermittlungen durchführen muss. Eine Prüfung von Amts wegen erfolgt nur bei offensichtlicher Bösgläubigkeit.
Europäisches Recht:
- EuGH, Urteil vom 11.06.2009, Az. C-529/07 – Lindt & Sprüngli:
Bösgläubigkeit zum Zeitpunkt der Anmeldung ist ausschlaggebend. Spätere rechtmäßige Nutzung heilt den Makel nicht. - EuG, Urteil vom 01.02.2012, Az. T-291/09 – CHICKEN ON THE GRILL:
Das Verhalten des Markeninhabers über einen längeren Zeitraum kann Indizien für die ursprüngliche Bösgläubigkeit liefern.
Die Bösgläubigkeit bei einer Markenanmeldung kann auch nach der Eintragung angefochten werden, sowohl in Deutschland als auch in der EU. Die Verfahren unterscheiden sich jedoch in wichtigen Punkten:
- Deutschland:
Das DPMA kann von Amts wegen ein Nichtigkeitsverfahren einleiten, allerdings nur innerhalb von zwei Jahren nach Eintragung. Zudem ist ein Antrag auf Nichtigkeit jederzeit möglich, unabhängig davon, wer den Antrag stellt. - EU:
Das EUIPO prüft Bösgläubigkeit ausschließlich auf Antrag oder im Rahmen einer Widerklage. Es gibt keine Fristen für den Nichtigkeitsantrag.
In beiden Systemen führt der Nachweis von Bösgläubigkeit dazu, dass die Marke rückwirkend gelöscht oder für nichtig erklärt wird, unabhängig davon, ob sie nach der Eintragung rechtmäßig genutzt wurde. Der „unheilbare Makel“ einer bösgläubigen Anmeldung bleibt dauerhaft bestehen.
Bösgläubige Nutzung
Die bösgläubige Nutzung einer Marke umfasst mehr als die missbräuchliche Anmeldung eines Kennzeichens. Sie betrifft auch den Einsatz der Marke im geschäftlichen Verkehr, sei es durch Abmahnungen, Unterlassungsklagen oder andere Maßnahmen, die auf der vermeintlich rechtmäßigen Eintragung beruhen. Hierbei können Verstöße gegen markenrechtliche, wettbewerbsrechtliche und allgemeinzivilrechtliche Normen geltend gemacht werden. Dieser Beitrag beleuchtet detailliert, wie bösgläubige Nutzung rechtlich bewertet wird, welche Ansprüche gegen den Markeninhaber geltend gemacht werden können und welche Fallgruppen und Rechtsgrundlagen die Rechtsprechung entwickelt hat.
1. Bösgläubigkeit und Nutzung der Marke: Überblick
Begriff der bösgläubigen Nutzung
Eine Marke wird bösgläubig genutzt, wenn der Markeninhaber sie nicht primär zur Kennzeichnung von Waren oder Dienstleistungen einsetzt, sondern:
- Mit der Absicht, andere Marktteilnehmer zu behindern oder zu verdrängen.
- Um wirtschaftliche Vorteile aus der Position als Markeninhaber zu ziehen, z. B. durch Abmahnungen oder Lizenzforderungen.
- Zur Blockade der geschäftlichen Aktivitäten eines Mitbewerbers.
Wichtige Unterscheidung:
- Bösgläubige Anmeldung: Liegt bereits beim Eintragungsprozess eine unlautere Absicht vor, führt dies zur Anfechtbarkeit der Marke.
- Bösgläubige Nutzung: Unabhängig von der ursprünglichen Absicht der Anmeldung wird die Marke nach ihrer Eintragung in unlauterer Weise eingesetzt.
2. Rechtliche Ansprüche gegen bösgläubige Nutzung
a) Einwand des Rechtsmissbrauchs
Der Einwand des Rechtsmissbrauchs ist ein zentraler Verteidigungsmechanismus gegen Ansprüche, die auf bösgläubiger Nutzung basieren. Er wird insbesondere in Fällen geltend gemacht, in denen der Inhaber einer bösgläubig angemeldeten Marke:
- Unterlassungs- oder Schadensersatzansprüche erhebt,
- eine strafbewehrte Unterlassungserklärung einklagt oder
- durch andere rechtliche Maßnahmen versucht, die wirtschaftliche Handlungsfreiheit eines Mitbewerbers einzuschränken.
Rechtsprechung:
- BGH, Urteil vom 10.08.2000, Az. I ZR 283/97 – EQUI 2000:
Der Bundesgerichtshof erkannte den Einwand des Rechtsmissbrauchs an, wenn der Markeninhaber keinen ernsthaften Nutzungswillen hatte und die Marke lediglich zur Behinderung von Wettbewerbern einsetzte. - BGH, Urteil vom 23.10.2019, Az. I ZR 46/19 – DA VINCI:
Der Einwand kann selbst dann noch erhoben werden, wenn der Beklagte bereits eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hat. Der Einwand entbindet den Betroffenen von der Zahlung einer Vertragsstrafe.
b) Ansprüche aus älteren Rechten (§ 14 MarkenG, Art. 61 UMV)
Der Inhaber älterer Markenrechte kann gegen die Nutzung einer bösgläubig angemeldeten Marke Ansprüche geltend machen, wie:
- Unterlassung:
Der Inhaber der älteren Marke kann verlangen, dass die Nutzung der bösgläubigen Marke eingestellt wird. - Beseitigung:
Maßnahmen zur Entfernung der Marke aus der Geschäftswelt können ergriffen werden. - Schadensersatz:
Ein Ausgleich für den durch die bösgläubige Nutzung entstandenen Schaden kann verlangt werden.
Wichtige Punkte:
- Bösgläubigkeit führt dazu, dass Verwirkung nicht eingreift.
- BGH, Urteil vom 10.01.2008, Az. I ZR 38/05 – AKADEMIKS:
Der Inhaber einer älteren Marke kann auch nach Jahren Ansprüche geltend machen, ohne dass der Einwand der Verwirkung greift.
c) Ansprüche aus Wettbewerbsrecht (§ 4 Nr. 4 UWG)
Eine bösgläubige Nutzung kann auch als gezielte Mitbewerberbehinderung nach § 4 Nr. 4 UWG angegriffen werden. Hierbei wird geprüft, ob die Nutzung der Marke darauf abzielt, die wirtschaftliche Handlungsfähigkeit von Wettbewerbern zu beeinträchtigen.
Rechtsprechung:
- BGH, Urteil vom 15.10.2015, Az. I ZB 69/14 – GLÜCKSPILZ:
Der BGH entschied, dass § 4 Nr. 4 UWG angewendet werden kann, wenn der Markeninhaber die Marke zweckfremd einsetzt, um Wettbewerber zu blockieren. - OLG Köln, Urteil vom 26.03.2021, Az. 6 U 11/21 – American Food and Drinks:
Eine unlautere Behinderung liegt vor, wenn der Markeninhaber durch die Nutzung gezielt Mitbewerber verdrängt oder deren Marktchancen beeinträchtigt.
Voraussetzungen für eine unlautere Behinderung:
- Zweckfremde Nutzung der Marke:
Die Marke wird nicht zur Förderung des eigenen Wettbewerbs eingesetzt, sondern zur Verdrängung von Mitbewerbern. - Gesamtwürdigung des Einzelfalls:
Die Umstände der Nutzung, einschließlich des Verhaltens des Markeninhabers, müssen eine gezielte Behinderung erkennen lassen.
d) Schadensersatzansprüche (§ 826 BGB)
Nach § 826 BGB können geschädigte Parteien Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung geltend machen.
Rechtsprechung:
- OLG Düsseldorf, Urteil vom 08.06.2010, Az. I-20 U 199/09 – Spekulationsmarke:
Das Gericht entschied, dass die Anmeldung einer Marke ohne Nutzungsinteresse, allein zum Zweck der wirtschaftlichen Ausbeutung, eine sittenwidrige Schädigung darstellt.
3. Fallgruppen bösgläubiger Nutzung
Die Rechtsprechung hat mehrere typische Fallgruppen entwickelt, in denen bösgläubige Nutzung vorliegt:
a) Zweckfremde Abmahnungen
- Markeninhaber nutzen ihre Rechte, um Dritte durch übermäßige Abmahnungen oder überhöhte Schadensersatzforderungen wirtschaftlich zu schädigen.
- BGH, Urteil vom 03.02.2005, Az. I ZR 45/03 – Russisches Schaumgebäck:
Zweckfremde Abmahnungen gelten als unlautere Behinderung, wenn keine ernsthafte Nutzungsabsicht besteht.
b) Lizenzforderungen ohne Nutzungsabsicht
- Ein Markeninhaber fordert unverhältnismäßig hohe Lizenzgebühren, obwohl die Marke nicht genutzt wird.
- OLG Frankfurt, Urteil vom 27.10.2011, Az. 6 U 179/10:
Lizenzforderungen ohne tatsächliche Nutzung können als rechtsmissbräuchlich angesehen werden.
c) Wettbewerbsblockade
- Der Markeninhaber meldet eine Marke gezielt an, um Mitbewerber am Markteintritt zu hindern.
- BGH, Urteil vom 26.06.2008, Az. I ZR 190/05 – EROS:
Die Blockade von Marktchancen eines Mitbewerbers durch eine bösgläubig genutzte Marke ist unlauter.
d) Missbrauch durch Vertragsstrafen
- Der Markeninhaber nutzt eine strafbewehrte Unterlassungserklärung, um Vertragsstrafen zu erzwingen.
- BGH, Urteil vom 23.10.2019, Az. I ZR 46/19 – DA VINCI:
Eine Vertragsstrafe kann bei bösgläubiger Markenanmeldung zurückgewiesen werden.
4. Prozessuale Verteidigung und Widerklage
Widerklage auf Löschung
- Ein Beklagter kann im Verletzungsprozess eine Widerklage auf Löschung erheben, wenn die Marke bösgläubig angemeldet wurde.
- BGH, Urteil vom 10.01.2008, Az. I ZR 38/05 – AKADEMIKS:
Die Widerklage auf Löschung ist ein zulässiges Mittel der Verteidigung gegen bösgläubige Nutzung.
Einrede des Rechtsmissbrauchs
- Der Beklagte kann geltend machen, dass die Geltendmachung von Markenrechten rechtsmissbräuchlich ist.
- BGH, Urteil vom 15.10.2015, Az. I ZB 69/14 – LIQUIDROM:
Der BGH erkannte an, dass der Einwand des Rechtsmissbrauchs die Geltendmachung markenrechtlicher Ansprüche verhindern kann.
Die bösgläubige Nutzung einer Marke stellt nicht nur eine Verletzung des Markenrechts dar, sondern greift häufig auch in den Wettbewerb und allgemeine zivilrechtliche Grundsätze ein. Die Rechtsprechung hat klar formuliert, dass der Einwand des Rechtsmissbrauchs, Ansprüche auf Schadensersatz und die Widerklage auf Löschung wirksame Mittel gegen solche Praktiken sind. Unternehmen sollten bewusst handeln, da die gezielte Nutzung einer Marke zur Behinderung von Wettbewerbern erhebliche rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann.
Die Folgen einer Bösgläubigen Markenanmeldung
Eine bösgläubige Markenanmeldung hat weitreichende rechtliche Konsequenzen für den Markeninhaber, potenzielle Mitbewerber und den allgemeinen Wettbewerb. Die Feststellung der Bösgläubigkeit beeinflusst die Durchsetzbarkeit von Markenrechten und kann zur vollständigen oder teilweisen Nichtigkeit der Marke führen. Im Folgenden werden die rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen einer bösgläubigen Markenanmeldung umfassend dargelegt, ergänzt durch Beispiele und relevante Rechtsprechung.
1. Rechtsfolgen: Verlust der Markenrechte
a) Nichtigkeit der Marke
Ist eine bösgläubige Anmeldung nachgewiesen, wird die Marke für nichtig erklärt. Dies bedeutet, dass der Markeneintragung von Anfang an jegliche Rechtswirkung fehlt. Es wird festgestellt, dass keine markenmäßigen Rechte bestanden haben.
- Rechtsgrundlage:
- § 50 Abs. 1 MarkenG (Deutschland): Löschung der Marke bei Verstoß gegen § 8 Abs. 2 Nr. 14 MarkenG.
- Art. 59 Abs. 1 b) UMV (EU): Löschung einer Unionsmarke wegen Bösgläubigkeit.
Rechtsprechung:
- BGH, Urteil vom 10.08.2000, Az. I ZR 283/97 – EQUI 2000:
Der Bundesgerichtshof stellte fest, dass die Löschung einer Marke nicht nur den Verlust des Markenschutzes bedeutet, sondern auch alle auf die Marke gestützten Ansprüche entfallen. - EuGH, Urteil vom 29.01.2020, Az. C-371/18 – SkyKick:
Der EuGH entschied, dass eine teilweise Nichtigkeit möglich ist, wenn Bösgläubigkeit nur hinsichtlich bestimmter Waren- oder Dienstleistungsklassen vorliegt.
b) Auswirkungen auf parallele Marken
Eine für nichtig erklärte nationale Marke kann Auswirkungen auf identische Unionsmarken haben, wenn dieselbe bösgläubige Absicht nachgewiesen wird. Andersherum gilt dies jedoch nicht zwingend, da die Bewertung der Bösgläubigkeit individuell erfolgt.
Beispiel:
- Wird eine deutsche Marke wegen bösgläubiger Anmeldung gelöscht, kann ein identischer Antrag auf Löschung einer entsprechenden Unionsmarke gestellt werden, sofern die Bösgläubigkeit auch auf Unionsebene nachweisbar ist.
2. Rechtsfolgen für die Nutzung der Marke
a) Einrede des Rechtsmissbrauchs
Der Inhaber einer bösgläubig angemeldeten Marke kann daran gehindert werden, markenrechtliche Ansprüche geltend zu machen.
- BGH, Urteil vom 23.10.2019, Az. I ZR 46/19 – DA VINCI:
Der Einwand des Rechtsmissbrauchs kann selbst dann noch erhoben werden, wenn der Beklagte bereits eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hat.
Konsequenzen für den Markeninhaber:
- Verlust von Unterlassungsansprüchen:
Markeninhaber können keine Unterlassungsansprüche durchsetzen. - Kein Schadensersatz:
Forderungen auf Schadensersatz werden abgewiesen, wenn die Marke rechtsmissbräuchlich angemeldet wurde.
3. Schadensersatzansprüche gegen den Markeninhaber
a) Ansprüche geschädigter Parteien
Geschädigte Parteien können nach § 826 BGB (Deutschland) Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung geltend machen.
- OLG Düsseldorf, Urteil vom 08.06.2010, Az. I-20 U 199/09 – Spekulationsmarke:
Die vorsätzliche Anmeldung einer Marke zum Zweck der Kapitalisierung aus Verwechslungen stellt eine sittenwidrige Schädigung dar.
b) Erstattung von Anwalts- und Gerichtskosten
Betroffene können auch die Erstattung von Kosten verlangen, die durch die Abwehr unberechtigter Ansprüche des bösgläubigen Markeninhabers entstanden sind.
4. Löschung der Marke aus dem Register
a) Nichtigkeitsverfahren
Die Löschung einer bösgläubigen Marke erfolgt durch ein amtliches Verfahren.
- Deutsches Recht:
Ein Antrag auf Löschung kann von jedem gestellt werden, unabhängig davon, ob der Antragsteller persönlich betroffen ist. - EU-Recht:
Bösgläubigkeit wird nicht automatisch geprüft, sondern muss im Rahmen eines Löschungsverfahrens oder einer Widerklage geltend gemacht werden.
Rechtsprechung:
- BPatG, Beschluss vom 24.04.2012, Az. 33 W(pat) 122/09 – soulhelp:
Das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) prüft Bösgläubigkeit nur in ersichtlichen Fällen, z. B. wenn Hinweise Dritter oder Erkenntnisse aus anderen Verfahren vorliegen.
b) Widerklage im Verletzungsverfahren
Wird ein Unternehmen wegen Markenrechtsverletzung verklagt, kann es im Rahmen einer Widerklage die Löschung der Marke beantragen.
- BGH, Urteil vom 10.01.2008, Az. I ZR 38/05 – AKADEMIKS:
Die Widerklage ist ein effektives Mittel, um Ansprüche aus bösgläubigen Marken zu entkräften.
5. Wettbewerbsrechtliche Folgen
a) Unlautere Behinderung nach § 4 Nr. 4 UWG
Die bösgläubige Anmeldung und Nutzung einer Marke kann eine gezielte Behinderung von Wettbewerbern darstellen, wenn sie darauf abzielt, deren geschäftliche Entfaltungsmöglichkeiten zu beeinträchtigen.
- BGH, Urteil vom 15.10.2015, Az. I ZB 69/14 – GLÜCKSPILZ:
Der Bundesgerichtshof stellte klar, dass die Nutzung einer Marke zur gezielten Behinderung unzulässig ist.
Beispiele:
- Behinderung durch Sperrmarken:
Marken werden angemeldet, um Mitbewerber von der Nutzung bestimmter Zeichen auszuschließen. - Abmahnmissbrauch:
Der Markeninhaber nutzt die Marke ausschließlich zur massenhaften Abmahnung.
b) Ansprüche auf Unterlassung und Schadensersatz
Wettbewerber können nach § 4 Nr. 4 UWG und § 826 BGB Ansprüche auf Unterlassung und Schadensersatz geltend machen, wenn sie durch die bösgläubige Anmeldung oder Nutzung einer Marke geschädigt wurden.
6. Wirtschaftliche und strategische Folgen
a) Verlust von Geschäftsgrundlagen
Für den Markeninhaber bedeutet die Nichtigkeit einer Marke, dass sämtliche wirtschaftlichen Vorteile, die aus der Marke resultieren, entfallen.
b) Rufschädigung
Eine nachgewiesene bösgläubige Anmeldung kann den Ruf eines Unternehmens erheblich schädigen, insbesondere wenn die Marke genutzt wurde, um Wettbewerber zu behindern oder Verbraucher irrezuführen.
7. Beispielhafte Fallgruppen
a) Eingriff in fremden Besitzstand
- BGH, Urteil vom 23.09.2015, Az. I ZR 105/14 – Goldbären:
Haribo meldete eine Marke an, um Lindt von der Nutzung ähnlicher Kennzeichen auszuschließen. Der BGH stellte eine bösgläubige Anmeldung fest.
b) Zweckfremde Abmahnungen
- OLG Frankfurt, Urteil vom 27.10.2011, Az. 6 U 179/10 – Russisches Schaumgebäck:
Die Anmeldung wurde nur vorgenommen, um massenhaft Abmahnungen zu verschicken.
c) Wiederholungsmarken
- EuG, Urteil vom 21.04.2021, Az. T-663/19 – MONOPOLY:
Die erneute Anmeldung einer Marke, um die fünfjährige Benutzungsschonfrist zu umgehen, wurde als bösgläubig bewertet.
Die Folgen einer bösgläubigen Markenanmeldung sind gravierend. Sie führen zur Nichtigkeit der Marke, verhindern die Durchsetzung von Ansprüchen und können erhebliche Schadensersatzforderungen nach sich ziehen. Unternehmen sollten sicherstellen, dass Markenanmeldungen nicht nur rechtlich sauber, sondern auch im Einklang mit den Grundsätzen des lauteren Wettbewerbs erfolgen. Die rechtzeitige Prüfung der Anmeldung und der Nutzungsabsicht kann helfen, kostspielige Konsequenzen zu vermeiden.
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Alexander Bräuer
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