Birkenstock-Sandalen sind keine urheberrechtlich geschützten Werke

Birkenstock-Sandalen sind weltweit bekannt und beliebt. Ihr Design hat sich über Jahrzehnte bewährt und ist unverkennbar mit der Marke Birkenstock verbunden. Doch ist dieses Design auch urheberrechtlich geschützt? Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich in seinem Urteil vom 20. Februar 2025 (Az.: I ZR 16/24) mit dieser Frage befasst und entschieden, dass die Sandalenmodelle von Birkenstock keine urheberrechtlich geschützten Werke der angewandten Kunst darstellen. Diese Entscheidung hat weitreichende Konsequenzen für die Design- und Modebranche.
Hintergrundinformationen
Die Marke Birkenstock
Birkenstock ist ein deutsches Unternehmen, das auf eine lange Geschichte zurückblicken kann. Gegründet im Jahr 1774, hat sich die Marke als führender Hersteller von orthopädisch inspirierten Sandalen etabliert. Die charakteristischen Modelle zeichnen sich durch ihre ergonomische Form und den hohen Tragekomfort aus.
Das Design der Birkenstock-Sandalen
Das Design der Birkenstock-Sandalen ist funktional und zeitlos. Zu den bekanntesten Modellen gehören "Arizona", "Madrid" und "Boston". Sie sind oft aus Leder oder Kunstleder gefertigt und mit einer Kork-Latex-Sohle ausgestattet. Trotz dieser ikonischen Merkmale stellt sich die Frage, ob das Design die Anforderungen an den urheberrechtlichen Schutz erfüllt.
Urheberrechtlicher Schutz von Werken der angewandten Kunst
Was ist angewandte Kunst?
Angewandte Kunst bezeichnet gestalterische Werke, die sowohl ästhetische als auch funktionale Aspekte vereinen. Beispiele sind Möbeldesign, Mode und Produktgestaltung. Ein Werk der angewandten Kunst kann urheberrechtlichen Schutz genießen, wenn es eine ausreichende Schöpfungshöhe aufweist.
Voraussetzungen für den Urheberrechtsschutz
Laut deutscher Rechtsprechung muss ein Werk eine individuelle geistige Schöpfung sein, um als urheberrechtlich geschützt zu gelten. Dabei ist insbesondere relevant:
- Gestalterische Eigenart: Das Werk muss sich von bereits existierenden Formen deutlich abheben.
- Schöpfungshöhe: Es muss ein gewisses Maß an Kreativität aufweisen, das über das Alltägliche hinausgeht.
Der Rechtsstreit um die Birkenstock-Sandalen
Die Klage von Birkenstock
Birkenstock sah in Nachahmungen seiner Sandalen eine Verletzung des Urheberrechts und leitete rechtliche Schritte gegen verschiedene Hersteller ein. Ziel war es, den Vertrieb von Sandalen, die optisch den Birkenstock-Modellen ähnelten, zu unterbinden.
Die Vorinstanzen
- Landgericht Köln: In erster Instanz entschied das Landgericht, dass die Birkenstock-Sandalen urheberrechtlich geschützt seien. Es argumentierte, dass die Kombination aus Form, Material und Design eine schöpferische Eigenart aufweise.
- Oberlandesgericht Köln: Das OLG Köln sah dies anders und lehnte den urheberrechtlichen Schutz ab. Die Gestaltung der Sandalen sei eher funktional als künstlerisch.
Die Entscheidung des BGH vom 20.02.2025 (Az.: I ZR 16/24)
Urteilsinhalt
Der Bundesgerichtshof bestätigte die Entscheidung des Oberlandesgerichts und verneinte den Urheberrechtsschutz für die Birkenstock-Sandalen.
Begründung
Der BGH stützte sich in seiner Entscheidung auf eine detaillierte Prüfung der urheberrechtlichen Schutzvoraussetzungen für Werke der angewandten Kunst. Dabei argumentierte der Senat:
- Fehlende Schöpfungshöhe: Die Gestaltung der Sandalen orientiere sich primär an funktionalen und ergonomischen Gesichtspunkten. Die Form sei durch praktische Anforderungen wie Halt, Stabilität und Tragekomfort vorgegeben. Eine kreative Leistung, die über das Gewöhnliche hinausgehe, sei nicht ersichtlich.
- Kein klarer Abstand zu bestehenden Gestaltungsformen: Der BGH stellte fest, dass ähnliche Sandalenmodelle bereits vor der Entwicklung der Birkenstock-Designs existierten. Die Gestaltungselemente wie Riemen, Korksohle und Schließen seien nicht einzigartig und wurden bereits in anderen Produkten verwendet.
- Primäre Zweckbestimmung statt Kunstcharakter: Der Senat betonte, dass der Zweck der Sandalen primär auf Komfort und Funktionalität ausgerichtet sei. Mode- und Designaspekte spielten eine untergeordnete Rolle. Die Anforderungen an den Schutz als Werk der angewandten Kunst seien daher nicht erfüllt.
- Vergleich mit früheren Entscheidungen: Der BGH verwies auf frühere Urteile zur Schutzfähigkeit von Produktdesigns. Bereits in der Vergangenheit wurde der Schutz nur für solche Werke gewährt, die eine besondere gestalterische Höhe aufweisen. Bekannte Beispiele wie das "Freischwinger-Stuhl-Urteil" zeigten, dass eine bloße formale Eleganz oder Zweckdienlichkeit nicht ausreiche.
Bedeutung des Urteils
Diese Entscheidung verdeutlicht, dass Produktdesigns nicht automatisch urheberrechtlichen Schutz genießen, selbst wenn sie über Jahrzehnte hinweg erfolgreich sind. Die Auswirkungen sind erheblich:
- Erhöhte Anforderungen für Designer und Hersteller: Unternehmen müssen von Beginn an alternative Schutzmechanismen wie das Geschmacksmusterrecht oder das Markenrecht in Betracht ziehen.
- Stärkere Konkurrenz durch Nachahmungen: Hersteller dürfen sich an funktionalen Designs orientieren, was zu mehr Konkurrenz im Markt führt.
- Neue Strategie für den Schutz von Designklassikern: Die Mode- und Schuhbranche muss kreative Wege finden, um ikonische Designs rechtlich abzusichern.
Fazit
Die Entscheidung des BGH hat klargestellt, dass funktionale und gebräuchliche Designs nicht automatisch unter den Schutz des Urheberrechts fallen. Diese Einschätzung hat erhebliche Auswirkungen auf die Mode- und Designbranche. Hersteller profitieren von einer höheren Rechtssicherheit, während Designer andere Schutzmechanismen in Betracht ziehen müssen. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Rechtsprechung in Zukunft weiterentwickelt und ob sich neue Wege des Designschutzes etablieren.
Ansprechpartner
Alexander Bräuer
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