Zum Hauptinhalt springen

Birkenstock-Sandalen sind keine urheberrechtlich geschützten Werke

| Rechtsanwalt Frank Weiß

Birkenstock-Sandalen sind weltweit bekannt und beliebt. Ihr Design hat sich über Jahrzehnte bewährt und ist unverkennbar mit der Marke Birkenstock verbunden. Doch ist dieses Design auch urheberrechtlich geschützt? Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich in seinem Urteil vom 20. Februar 2025 (Az.: I ZR 16/24) mit dieser Frage befasst und entschieden, dass die Sandalenmodelle von Birkenstock keine urheberrechtlich geschützten Werke der angewandten Kunst darstellen. Diese Entscheidung hat weitreichende Konsequenzen für die Design- und Modebranche.

Hintergrundinformationen

Die Marke Birkenstock

Birkenstock ist ein deutsches Unternehmen, das auf eine lange Geschichte zurückblicken kann. Gegründet im Jahr 1774, hat sich die Marke als führender Hersteller von orthopädisch inspirierten Sandalen etabliert. Die charakteristischen Modelle zeichnen sich durch ihre ergonomische Form und den hohen Tragekomfort aus.

Das Design der Birkenstock-Sandalen

Das Design der Birkenstock-Sandalen ist funktional und zeitlos. Zu den bekanntesten Modellen gehören "Arizona", "Madrid" und "Boston". Sie sind oft aus Leder oder Kunstleder gefertigt und mit einer Kork-Latex-Sohle ausgestattet. Trotz dieser ikonischen Merkmale stellt sich die Frage, ob das Design die Anforderungen an den urheberrechtlichen Schutz erfüllt.

Urheberrechtlicher Schutz von Werken der angewandten Kunst

Was ist angewandte Kunst?

Angewandte Kunst bezeichnet gestalterische Werke, die sowohl ästhetische als auch funktionale Aspekte vereinen. Beispiele sind Möbeldesign, Mode und Produktgestaltung. Ein Werk der angewandten Kunst kann urheberrechtlichen Schutz genießen, wenn es eine ausreichende Schöpfungshöhe aufweist.

Voraussetzungen für den Urheberrechtsschutz

Laut deutscher Rechtsprechung muss ein Werk eine individuelle geistige Schöpfung sein, um als urheberrechtlich geschützt zu gelten. Dabei ist insbesondere relevant:

  • Gestalterische Eigenart: Das Werk muss sich von bereits existierenden Formen deutlich abheben.
  • Schöpfungshöhe: Es muss ein gewisses Maß an Kreativität aufweisen, das über das Alltägliche hinausgeht.

Der Rechtsstreit um die Birkenstock-Sandalen

Die Klage von Birkenstock

Birkenstock sah in Nachahmungen seiner Sandalen eine Verletzung des Urheberrechts und leitete rechtliche Schritte gegen verschiedene Hersteller ein. Ziel war es, den Vertrieb von Sandalen, die optisch den Birkenstock-Modellen ähnelten, zu unterbinden.

Die Vorinstanzen

  • Landgericht Köln: In erster Instanz entschied das Landgericht, dass die Birkenstock-Sandalen urheberrechtlich geschützt seien. Es argumentierte, dass die Kombination aus Form, Material und Design eine schöpferische Eigenart aufweise.
  • Oberlandesgericht Köln: Das OLG Köln sah dies anders und lehnte den urheberrechtlichen Schutz ab. Die Gestaltung der Sandalen sei eher funktional als künstlerisch.

Die Entscheidung des BGH vom 20.02.2025 (Az.: I ZR 16/24)

Urteilsinhalt

Der Bundesgerichtshof bestätigte die Entscheidung des Oberlandesgerichts und verneinte den Urheberrechtsschutz für die Birkenstock-Sandalen.

Begründung

Der BGH stützte sich in seiner Entscheidung auf eine detaillierte Prüfung der urheberrechtlichen Schutzvoraussetzungen für Werke der angewandten Kunst. Dabei argumentierte der Senat:

  • Fehlende Schöpfungshöhe: Die Gestaltung der Sandalen orientiere sich primär an funktionalen und ergonomischen Gesichtspunkten. Die Form sei durch praktische Anforderungen wie Halt, Stabilität und Tragekomfort vorgegeben. Eine kreative Leistung, die über das Gewöhnliche hinausgehe, sei nicht ersichtlich.
  • Kein klarer Abstand zu bestehenden Gestaltungsformen: Der BGH stellte fest, dass ähnliche Sandalenmodelle bereits vor der Entwicklung der Birkenstock-Designs existierten. Die Gestaltungselemente wie Riemen, Korksohle und Schließen seien nicht einzigartig und wurden bereits in anderen Produkten verwendet.
  • Primäre Zweckbestimmung statt Kunstcharakter: Der Senat betonte, dass der Zweck der Sandalen primär auf Komfort und Funktionalität ausgerichtet sei. Mode- und Designaspekte spielten eine untergeordnete Rolle. Die Anforderungen an den Schutz als Werk der angewandten Kunst seien daher nicht erfüllt.
  • Vergleich mit früheren Entscheidungen: Der BGH verwies auf frühere Urteile zur Schutzfähigkeit von Produktdesigns. Bereits in der Vergangenheit wurde der Schutz nur für solche Werke gewährt, die eine besondere gestalterische Höhe aufweisen. Bekannte Beispiele wie das "Freischwinger-Stuhl-Urteil" zeigten, dass eine bloße formale Eleganz oder Zweckdienlichkeit nicht ausreiche.

Bedeutung des Urteils

Diese Entscheidung verdeutlicht, dass Produktdesigns nicht automatisch urheberrechtlichen Schutz genießen, selbst wenn sie über Jahrzehnte hinweg erfolgreich sind. Die Auswirkungen sind erheblich:

  • Erhöhte Anforderungen für Designer und Hersteller: Unternehmen müssen von Beginn an alternative Schutzmechanismen wie das Geschmacksmusterrecht oder das Markenrecht in Betracht ziehen.
  • Stärkere Konkurrenz durch Nachahmungen: Hersteller dürfen sich an funktionalen Designs orientieren, was zu mehr Konkurrenz im Markt führt.
  • Neue Strategie für den Schutz von Designklassikern: Die Mode- und Schuhbranche muss kreative Wege finden, um ikonische Designs rechtlich abzusichern.

Fazit

Die Entscheidung des BGH hat klargestellt, dass funktionale und gebräuchliche Designs nicht automatisch unter den Schutz des Urheberrechts fallen. Diese Einschätzung hat erhebliche Auswirkungen auf die Mode- und Designbranche. Hersteller profitieren von einer höheren Rechtssicherheit, während Designer andere Schutzmechanismen in Betracht ziehen müssen. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Rechtsprechung in Zukunft weiterentwickelt und ob sich neue Wege des Designschutzes etablieren.

Ansprechpartner

Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Andere über uns

WEB CHECK SCHUTZ

Gestalten Sie Ihre Internetseite / Ihren Onlineshop rechts- und abmahnsicher.

WEB CHECK Schutzpakete der Anwaltskanzlei Weiß & Partner

Erfahren Sie mehr über die Schutzpakete der Anwaltskanzlei Weiß & Partner für die rechtssichere Gestaltung Ihrer Internetpräsenzen.

Cyber-Sicherheit

Webpräsenz der Allianz für Cyber-Sicherheit

Aktuelles

| Rechtsanwalt Frank Weiß | Aktuell
Online-Bewertungen beeinflussen das Image von Unternehmen zunehmend und sind heute ein zentraler Bestandteil digitaler Reputation. Besonders auf Plattformen wie Kununu, wo Arbeitn…
| Rechtsanwalt Frank Weiß | Aktuell
Der Glaube an "Wundermittel" im digitalen Zeitalter In Zeiten wachsender Gesundheitsbewusstheit und digitaler Verunsicherung florieren Produkte, die Schutz vor vermeintlichen Gef…
| Rechtsanwalt Frank Weiß | Aktuell
In Zeiten, in denen Datenlecks zum Alltag digitaler Kommunikation gehören, gewinnt die Frage nach dem Ausgleich immaterieller Datenschutzschäden zunehmend an Bedeutung. Mit einem…
| Rechtsanwalt Frank Weiß | Aktuell
In der heutigen digitalen Arbeitswelt spielen Online-Bewertungsplattformen wie Kununu, Glassdoor oder Indeed eine zentrale Rolle. Sie ermöglichen es (ehemaligen) Mitarbeitenden, i…