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Bild darf keine Profilbilder von Facebook-Hetzern veröffentlichen

OLG München, Urteil vom 17.03.2016, Az. 29 U 368/16
| Rechtsanwalt Frank Weiß

Das OLG München entschied mit Urteil vom 17.03.2016, Az. 29 U 368/16, dass das Hochladen eines Fotos in einem Social Network wie Facebook keine Einwilligung in die Weiterverbreitung in einem gänzlich anderen Kontext, wie der Berichterstattung zur Flüchtlingskrise, darstellt. In diesem Zusammenhang bezog der Senat auch Stellung zu der Frage, ob die Presse ein berechtigtes Interesse daran hat, in einem Zeitungsportal bei der Wiedergabe einer Facebook-Meinungsäußerung einer Person auch deren Profilfoto und Namen preiszugeben.

Die Bild-Zeitung stellte Facebook-Nutzer, die gegen Flüchtlinge hetzten, „an den Pranger“
Im Rahmen ihrer Berichterstattung zur Flüchtlingskrise stellte die Bild-Zeitung in ihrer Printausgabe sowie auf ihrer Internetseite mehrere Meinungsäußerungen von Facebook-Nutzern zur Schau und betitelte den Artikel mit der Überschrift „Hass auf Flüchtlinge - ... stellt die Hetzer an den Pranger“. Neben den „geposteten“ Äußerungen wurden auch die Namen und Profilbilder der Betroffenen veröffentlicht. Das OLG München musste sich nun mit der Frage befassen, ob die Bild-Zeitung in diesem Kontext Abbildungen dieser Facebook-Nutzer verwenden durfte. Eine der „an den Pranger gestellten“ Betroffenen beantragte den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Bild-Zeitung. Das Landgericht München I sah jedoch keinen Anlass, der Antragsgegnerin die Veröffentlichung des streitgegenständlichen Bildes zu untersagen. Die Antragsgegnerin dürfe auch ohne Einwilligung der Betroffenen die Profilbilder verbreitet zur Schau stellen, da es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handele. Gegen diese Entscheidung wendete sich die Antragstellerin mit der Berufung.

Wer ein Bild bei Facebook einstellt, willigt nicht in die Weiterverbreitung ein
Das OLG München hob das Urteil des Landgerichts auf die Berufung der Antragstellerin auf und verbot der Antragsgegnerin, das Lichtbild der Betroffenen auf bild.de zu veröffentlichen. Die Antragstellerin sei auf dem Foto erkennbar und habe weder ausdrücklich noch konkludent in die Veröffentlichung ihres Bildnisses eingewilligt. Durch das Einstellen eines Fotos ins Internet räume die Berechtigte anderen Nutzern weder ausdrücklich noch stillschweigend ein urheberrechtliches Nutzungsrecht und ebenso wenig einen schuldrechtlichen Anspruch auf Nutzung des Fotos ein. Nur, wenn dem Betroffenen Zweck, Art und Umfang der Veröffentlichung bekannt seien, könne eine stillschweigende Einwilligung angenommen werden, wenn das Verhalten des Berechtigten für den objektiven Erklärungsempfänger zudem als Einwilligung verstanden werden könne. Dagegen sei das Einstellen eines Bildes auf Facebook ohne Zugriffssperre nicht als Einwilligung in die Weiterverbreitung außerhalb des Kreises der zugriffsberechtigten Nutzer zu werten, zumal der Artikel der Bild-Zeitung in einem ganz anderen Kontext zu sehen sei. 

Handelt es sich bei den Facebook-Profilbildern um Bildnisse der Zeitgeschichte?
Das OLG München nahm zudem Bezug zu der Ansicht des Landgerichts, wonach es sich bei den veröffentlichten Fotos um Bildnisse der Zeitgeschichte handeln solle. Zugunsten der Pressefreiheit sei dieser Begriff in einem weiten Sinn zu verstehen. Das Interesse der Öffentlichkeit an vollständiger Information sei hier maßgebend und müsse mit dem Schutz vor öffentlicher Kenntnisnahme einer Person abgewägt werden. Der Schutz der Privatsphäre könne entfallen, wenn ein Betroffener sich mit der Veröffentlichung einer gewöhnlich als privat geltenden Angelegenheit einverstanden gezeigt habe. Zwar habe der Artikel der Bild-Zeitung historisch-politische Bedeutung, da es um die Flüchtlingskrise gehe. Die Meinungsäußerungen der Betroffenen dürfen in diesem Rahmen wiedergegeben werden. Es gäbe jedoch kein berechtigtes Interesse daran, die Identität der Betroffenen durch Abbildung ihres mit Namen versehenen Fotos preiszugeben. Bei dem Interneteintrag der Antragstellerin handele es sich um die Äußerung einer beliebigen Person. Darum sei nicht ersichtlich, welche Bedeutung das Aussehen und der Name der Betroffenen für eine sachbezogene Erörterung ihrer Meinung im Rahmen der Flüchtlingsdebatte haben könne, da das Profilbild keinen weiterführenden Informationsgehalt habe.  

Der „Pranger“ der Bild-Zeitung hat eine größere Reichweite als ein privater Facebook-Eintrag
Die Antragstellerin habe zwar mit der Wiedergabe und Bewertung ihrer öffentlichen Äußerung rechnen müssen. Ihr Profilbild sei aber lediglich auffindbar, wenn gezielt ihr Name bei Facebook eingegeben werde. Dadurch habe nur ein geringer Teil der Internetnutzer die Möglichkeit, das Bild zu sehen. Die Weiterverbreitung dieses Fotos in einem Massemedium („Pranger“) habe dagegen eine gänzlich andere Dimension. Insgesamt dürfe die Bild-Zeitung die Abbildung der Betroffenen im Internet-Pranger darum nicht weiterverbreiten. Die Revision wurde nicht zugelassen.
 
OLG München, Urteil vom 17.03.2016, Az. 29 U 368/16

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