BGH-Urteil zu Deep Links

Die Suche im Internet nach bestimmten Artikeln oder Informationen kann sich für den ungeübten Nutzer recht schwierig gestalten. Es ist oft die Fülle der Informationen, die eine Orientierung problematisch macht. Suchmaschinen und Suchdienste können dabei helfen, Darstellungen und Informationen zu bestimmten Gebieten oder Sachverhalten zu finden. Beispiel dafür ist der Internet-Suchdienst „Paperboy“. Der Dienst stellt vor allem Infos aus aktuellen Zeitungsartikeln zur Verfügung.
Gibt ein Suchender ein bestimmtes Wort ein, so werden alle Veröffentlichungen zu diesem Begriff aufgelistet. In der ersten Zeile ist immer ein Link angegeben. Klickt der Nutzer auf diesen Hinweis, wird er sofort zum vollständigen Artikel geführt. Allerdings schickt der Betreiber von Paperboy den User nicht auf die Homepage des Anbieters. Die gewünschten Informationen liegen unterhalb der Startseite, und deshalb wird ein solcher Verweis auch als Deep-Link bezeichnet. Der Benutzer muss sich nicht mit Werbung oder aufspringenden Fenstern beschäftigen, sondern gelangt sofort zu der gewünschten Information. Paperboy macht Interessenten auch das Angebot, zu bestimmten Suchworten täglich per E-Mail informiert zu werden.
Gegen den Informationsdienst hat die Verlagsgruppe Klage erhoben, die das „Handelsblatt“ und die Zeitschrift „EURO“ (früher DM) verlegt. Einzelne Artikel aus den Zeitungen werden auch im Internet veröffentlicht. Die Klägerin war der Meinung, dass Paperboy ihre Rechte verletze, wenn die entsprechenden Artikel in die Suche einbezogen würden. Das E-Mail-Angebot des Dienstes verstoße gegen das Wettbewerbsrecht. Durch die Suche mit den Deep-Links sei das Urheberrecht an den Artikeln verletzt worden. Auch die Rechte an den Datenbanken, in denen die Artikel gespeichert wurden, würden auf dieses Weise unterlaufen.
Im Januar 2000 gab das Landgericht Köln der Klage statt, im Oktober wies das Berufungsgericht die Klage ab. Die Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe blieb ebenfalls ohne Erfolg. Nach Auffassung des Gerichts handelt Paperboy keinesfalls gegen die Rechte der Klägerin. Wenn ein Artikel ohne Schutzmaßnahmen im Internet veröffentlicht wird, so ist die Nutzung bereits durch die Veröffentlichung möglich. Wenn der Berechtigte sein Werk trotz der Möglichkeit unberechtigter Nutzung im Netz zugänglich macht, so ist das seine Entscheidung.
Weiter könne ein Nutzer auch ohne Hyperlink ungehinderten Zugang zu einem Artikel erhalten. Über die URL könne der Nutzer darauf zugreifen. Der Hyperlink erleichtert lediglich den Zugang zu einem Artikel. Ein Nutzer muss die Adresse der Seite nicht im Adressfenster des Browsers eingeben und mit Maus oder Eingabetaste auf die URL zugreifen. Sollte es allerdings technische Sperren geben, so ist das Umgehen der Startseite durch den direkten Zugriff über den Deep-Link möglicherweise unzulässig. Doch in diesem Fall hatte die Klägerin nicht dargelegt, dass es solche Sperren für die Veröffentlichungen gegeben habe.
Der BGH konnte auch kein wettbewerbswidriges Verhalten feststellen. Der Suchdienst Paperboy bietet nach Auffassung der Richter erheblichen Zusatznutzen für die Allgemeinheit. Er macht zahlreiche Informationen möglich und verschleiert auch nicht deren Herkunft. Zwar muss die Klägerin auf Einnahmen verzichten, wenn der Nutzer an der Startseite mit Werbeeinträgen vorbeigehe. Doch deshalb könne man nicht verlangen, dass ausschließlich der Weg über die Startseite erlaubt sei und die Hyperlinks untersagt werden müssten.
Der Verlag nutzt das Internet für seine Produkte und Angebote. Im Gegenzug muss er sich Einschnitte gefallen lassen, die sich aus dem Interesse der Allgemeinheit an einem funktionierenden Internet ergeben. Suchdienste wie Paperboy tragen gerade auch mit den beanstandeten Deep-Links dazu bei, die Informationsflut zu kanalisieren, zu gliedern und damit erst sinnvoll nutzbar zu machen. Die Arbeit der Suchdienste ist also nach Ansicht des Gerichts unverzichtbar und darf deshalb nicht behindert werden. Das gilt, wenn diese Dienste Informationen zugänglich machen und dabei keine technischen Sperren oder Schutzmaßnahmen umgehen.
BGH Karlsruhe, Urteil vom 17.07.2003, Az. I ZR 259/00
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