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BGH-Urteil: Ein Meister ist ausreichend für zwei Hörgeräteakustiker-Geschäfte

| Rechtsanwalt Frank Weiß

Ein Geschäft für Hörgeräteakustik kann ganze Tage geöffnet sein, auch wenn ein Meister nur halbe Tage anwesend ist. Die für das Handwerk im Gesundheitsbereich geltende Forderung der ständigen Meisterpräsenz muss dadurch nicht verletzt werden, wie einem Urteil des Bundesgerichtshofs zu entnehmen ist (BGH, Urteil vom 17. Juli 2013, Az. I ZR 222/11).

Im vorliegenden Fall war ein Hörgeräteakustik-Meister für zwei Schwestergeschäfte in verschiedenen Orten zuständig, die 26 Kilometer voneinander entfernt sind. Der Meister war jeweils einen halben Tag in dem einen und einen halben Tag in dem anderen Geschäft vor Ort. Ein weiteres Unternehmen der gleichen Branche mit mehreren Filialen hatte dagegen geklagt, dass in den betreffenden Ladenlokalen kein Meister als Vollzeit-Betriebsleiter zur Verfügung stehe. Das Landgericht Augsburg und auch das Oberlandesgericht München hatten die Unterlassungsklage als begründet betrachtet. Der Bundesgerichtshof (BGH) hob die Entscheidungen der Vorinstanzen allerdings auf und wies die Klage ab. Er erkannte weder einen Verstoß gegen die Handwerksordnung noch eine Irreführung der Verbraucher.

Grundsätzlich erwarte der Verbraucher zwar, dass eine in einem Geschäft angebotene Dienstleistung während der Öffnungszeiten unmittelbar erbracht werde. Sei das nicht der Fall, könne eine Irreführung, wie sie im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) aufgeführt ist, vorliegen. Den speziellen Fall, in dem der Hörgeräteakustiker jeweils nur halbe Tage im Geschäft zur Verfügung stand, bewertete der BGH allerdings anders. Der Verbraucher berücksichtige durchaus die Art der angebotenen Dienstleistung sowie die Gepflogenheiten im Geschäftsverkehr. So rechne der Kunde zum Beispiel beim Friseur oder im medizinischen Bereich damit, dass die jeweilige Dienstleistung nur nach vorheriger Terminvereinbarung möglich ist. Ein Verbraucher, der ins Ladengeschäft kommt, um sich von einem Hörgeräteakustiker beraten und behandeln zu lassen, wird demnach nicht getäuscht, wenn diese Dienstleistung nicht sofort erbracht werden kann, weil der Meister sich in einem Geschäft am anderen Ort befindet. 

Auch die Forderung der ständigen Meisterpräsenz sah der BGH im vorliegenden Fall nicht verletzt. Das jeweilige Ladenlokal darf demnach auch zu den Zeiten geöffnet sein, zu denen der Meister nicht vor Ort ist. Das übrige Personal könne in diesen Zeiträumen solche Dienstleistungen erbringen, die keine Gefahr für die Gesundheit bergen, also zum Beispiel Termine vereinbaren oder Batterien wechseln. Der BGH sieht daher im Offenhalten des Geschäfts bei Abwesenheit des Meisters sogar Vorteile für den Verbraucher.

In der Begründung seiner Entscheidung weist der BGH ausdrücklich darauf hin, dass die Forderung der Meisterpräsenz nicht erfüllt wäre, wenn der Meister nur ganz gelegentlich ins Geschäft käme, weil er zum Beispiel für sehr viele oder weit voneinander entfernt liegende Betriebe zuständig wäre. Im vorliegenden Fall war der Meister aber regelmäßig jeweils halbe Tage im einen sowie im anderen Laden anwesend.

BGH, Urteil vom 17.07.2013, Az. I ZR 222/11

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