BGH billigt Hyperlinks auf illegales Softwareangebot

Wie weit darf Meinungsfreiheit gehen und ist sie auch dann zu schützen, wenn diese auf einen Hyperlink hinweist, der eindeutig das Herunterladen von illegaler Software zur Umgehung des Kopierschutzes urheberrechtlich geschützter Werke begünstigt? Der BGH hat die in Deutschland durch das Grundgesetz garantierte Meinungs- und Pressefreiheit verteidigt und das Setzen eines Links auf illegale Software gebilligt.
In diesem Rechtsstreit geht es um einen Artikel des Heise-Onlineportals, der über eine illegale Software zur Umgehung des Kopierschutzes urheberrechtlich geschützter Werke berichtete. In dem Artikel wurde ein Hyperlink auf die illegale streitgegenständliche Software mit der Bezeichnung „AnyDVD“ gesetzt mit dem Hinweis, dass die Umgehung des Kopierschutzes verboten ist. Im Umkehrschluss bedeutet diese Feststellung, dass die Software zur Umgehung des Kopierschutzes nicht erlaubt ist. Bei der angegriffenen Software handelt es sich um Treiber, die im Hintergrund mitlaufen, um eingelegte CDs und DVDs zu entschlüsseln und so illegale Raubkopieren anzufertigen. Die Klägerinnen sind Inhaber von Tonträger- und Bildrechten an DVDs und CDSs für Musik. Beklagte ist der Heise Zeitschriftenverlag. Die Klägerinnen nehmen die Beklagte auf Unterlassung zur Setzung des Hyperlinks in Anspruch.
Das Bundesverfassungsgericht als letzte Instanz nimmt die Verfassungsbeschwerde der Klägerinnen nicht an, da der Bundesgerichtshof einen Anspruch auf Unterlassung rechtsfehlerfrei verneint hat. Das BGH-Urteil hat die Urteile der Vorinstanzen einkassiert, die den Klägerinnen einen Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte unter dem Tatbestandsmerkmal der Teilnehmerhaftung gemäß §§ 823, 830 BGB sowie § 95 UrhG zugestanden hatten. Ferner wurde die Verfassungsbeschwerde der Klägerinnen aufgrund der fehlenden Rechtsbedeutung und Erfolgsaussichten nicht zur Entscheidung angenommen. Der BGH stärkt die in Deutschland garantierte Presse- und Meinungsfreiheit und stuft den Bericht über die illegale Software zur Umgehung des Kopierschutzes und das Setzen des Hyperlinks wegen des informationsvermittelnden Charakters als rechtmäßig ein. Bei dem streitgegenständlichen Hyperlink handelt es sich um die Einbettung in ein pressetypisches Erzeugnis in Form einer Stellungnahme, für die die Presse- und Meinungsfreiheit zu unterstellen ist. Die Richter bezeichnen den streitgegenständlichen Artikel als meinungsbildenden Diskussionsprozess. Die Pressefreiheit stützt auch die technische Verbreitung derartiger Inhalte. Eine eigene Meinungsäußerung des Verbreiters ist damit nicht verbunden. Die Richter erkennen das Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit der Beklagten an, da das Setzen des Hyperlinks auf die illegale Software nicht isoliert zu betrachten und nicht auf eine technische Dienstleistung zu reduzieren ist. Aufgrund ihres informationsvermittelnden Charakters genießt der Artikel samt Hyperlink den Schutz der Presse- und Meinungsfreiheit.
Der vorliegende Artikel berichtet über Äußerungen Dritter, die zwar in rechtswidriger Art und Weise die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen beeinträchtigen, das Informationsinteresse der Leser überwiegt jedoch. Die Beklagte begeht keine illegale Handlung, wenn sie über die streitgegenständliche Software berichtet. Diese besteht auch nicht mit dem Setzen des Hyperlinks, der die Leser sogleich zu der illegalen Software weiterleitet. Die Richter gehen diesen Rechtsstreit von einer anderen Seite an, denn sie weisen darauf hin, dass gerade die Schwere des vorliegenden Rechtsverstoßes ein besonderes Informationsinteresse der Leser begründet. Das Setzen des Hyperlinks vertieft diesen Rechtsverstoß nachweislich nicht, denn der durchschnittlich gut informierte Leser ist in der Lage, durch Eingabe des Namens „AnyDVD“ in einer Suchmaschine jederzeit zu dem Anbieter der illegalen Software zu gelangen. Das BVerfG führt aus, dass es für das Setzen von Hyperlinks keine abschließenden Regelungen gibt. Daher muss eine Abwägung der sich gegenüberstehenden Grundrechtspositionen vorgenommen werden. Die widerstreitenden Interessen werden aufgrund der Maßstäbe, die die Rechtsprechung an die Presse- und Meinungsfreiheit sowie an das Urheberrecht stellt, bewertet. Die Zuständigkeit des BVerfG ergibt sich aus den deutschen Grundrechten. Die Richtlinie 2001/29/EG lässt in dieser Hinsicht keinen großen Spielraum, so dass die Vorschriften aus § 95 UrhG an den EU-Grundrechten zu messen sind. Bestehen Zweifel, ist die Verfassungsbeschwerde gemäß Art. 267 AEUV dem EuGH vorzulegen.
In diesem Fall geht es jedoch darum, zu klären, ob ein auf der Teilnehmerhaftung basierender Unterlassungsanspruch in Verbindung mit § 95 UrhG der Klägerinnen den grundrechtlich geschützten Interessen auf freie Meinungsäußerung der Beklagten entgegensteht. Für eine abschließende Klärung dieser Frage enthält die zuvor zitierte Richtlinie keine vollharmonisierenden Regelungen, so dass die Interessenabwägung im Rahmen der Vorschriften des Grundgesetzes zu erfolgen hat. Das BVerfG stellt zudem eine eingeschränkte verfassungsgerichtliche Überprüfbarkeit der richterlichen Abwägung hervor.
BVerfG, Beschluss vom 15. Dezember 2001, Az. 1 BvR 1248/11
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