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Bezeichnung mit "frische Weide-Milch"

OLG Nürnberg, Urteil vom 7.2.2017, Az. 3 U 1537/16
| Rechtsanwalt Frank Weiß

Nach dem vorliegenden Urteil darf Vollmilch als Weide-Milch bezeichnet werden, da keine rechtlichen Vorgaben existieren, die definieren, wann eine Milch als Weide-Milch bezeichnet werden darf. Es ist zudem nicht einwandfrei bewiesen, dass die angesprochenen Verkehrskreise mit dem Begriff „Weide-Milch“ ausschließlich Milch von Kühen in Weidehaltung in Verbindung bringen.

Die Beklagte ist ein bundesweit tätiger Discounter, der in seinem Lebensmittelsortiment auch als Weide-Milch bezeichnete Vollmilch vertreibt. Die Schauseite der Verpackung zeigt Kühe, die auf einer Weide grasen. Die Rückseite der Verpackung enthält den Hinweis, dass es sich um 100 Prozent Weidemilch handelt, die von Kühen stammt, die mindestens 120 Tage im Jahr mindestens sechs Stunden täglich auf der Weide grasen. Diese Werbeaussage entspricht der Wahrheit.

Kläger ist ein Wettbewerbsverband, der die klagegegenständliche Werbeaussage gemäß §§ 3, 3a, 5, 8 UWG i. V. m. Art. 7 Abs. 1a LVM für wettbewerbswidrig und damit unlauter hält. Er nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch. Der Kläger führt an, die klagegegenständliche Werbeaussage sei irreführend, da die Milch von Kühen stamme, die lediglich 120 Tage im Jahr auf der Weide stünden, den Rest des Jahres jedoch im Stall verbringen. Damit handele es sich um ein Saisonprodukt, das jedoch ganzjährig angeboten werde. Nach Meinung des Klägers ist auch der Hinweis auf der Rückseite der Verpackung nicht dazu geeignet, die Verbraucher vor einer Irreführung zu schützen. Diese würden angesichts dieser Werbeaussage und dem Bild von grasenden Kühen erwarten, dass die Milch von Kühen stammt, die das ganze Jahr über auf der Weide stehen. Das Landgericht gab der Klage in erster Instanz Recht.

Das OLG hob das Urteil der Vorinstanz jedoch auf und ließ eine Revision nicht zu. Die Einlassung des Klägers scheitert bereits daran, dass die Beklagte nicht für die streitgegenständliche Werbeaussage auf der Milchverpackung verantwortlich ist, da sie diese als Discounter lediglich vertreibt. Gemäß LMIV dürfen Lebensmittelhändler, die keinen Einfluss auf die Informationen der Lebensmittel haben, diese nicht vertreiben, wenn sie im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit Kenntnis darüber erlangen, dass die Produkte nicht dem Lebensmittelinformationsrecht und den Anforderungen der einzelstaatlichen einschlägigen Rechtsvorschriften entsprechen. Im vorliegenden Fall ist nicht davon auszugehen, da keine rechtlichen Vorgaben vorliegen, die bestimmen, wann eine Milch als Weide-Milch zu bezeichnen ist.

Auf das Irreführungsgebot gemäß § 5 UWG kann sich der Kläger gleichfalls nicht berufen, da die europarechtlichen Vorgaben der LVIM nicht unterlaufen werden dürfen. § 5 UWG dient der Umsetzung der Richtlinie 2005/29/EG, soweit die Rechte der Verbraucher betroffen sind. Die auf dieser Richtlinie beruhenden Rechtsvorschriften gehen den nationalen Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten vor. Die Lebensmittelinformationsverordnung enthält mit Art. 7 ein umfassendes Irreführungsverbot. Diese abschließende Regelung setzt Mindeststandards fest und erlaubt keine strengere abweichende Regelung nationaler Gesetze. § 5 UWG ist daher auf der Grundlage dieser europäischen Rechtsvorschriften auszulegen.

Die Richter hatten darüber zu entscheiden, ob die Klägerin als Vertreiberin der klagegegenständlichen Milchprodukte auch für die auf den Verpackungen angebrachten Werbeaussagen der Hersteller haftbar zu machen ist. Gemäß Art. 8 LVIM sind diese Voraussetzungen jedoch nicht erfüllt. Die Beklagte ist für die Werbung auf der Verpackung und der Bezeichnung der Milch als „Weide-Milch“ nicht verantwortlich. Das erstinstanzliche Urteil lässt die Frage jedoch offen, ob die angegriffene Werbeaussage „100 Prozent Weide-Milch“ tatsächlich gegen § 7 LIVM verstößt oder nicht. Der Senat des Berufungsgerichts kommt jedoch zu einem anderen Urteil, denn gemäß dieser Rechtsvorschrift dürfen Informationen über Lebensmittel nicht irreführend sein. Ob eine Irreführung vorliegt oder nicht, entscheidet letztendlich die Vorstellung der angesprochenen Verkehrskreise. Wichtig ist, dass die Werbeaussage auf der Verpackung der klagegegenständlichen Milchprodukte keine falschen Vorstellungen von der Herkunft und der daraus resultierenden Qualität hervorrufen.

Der Senat ist zu dem Entschluss gelangt, dass es zweifelhaft ist, dass Verbraucher mit der Werbeaussage „100 % Weide-Milch“ tatsächlich Milchprodukte in Verbindung bringen, die ausschließlich von Kühen stammt, die das ganze Jahr auf der Weide grasen. Diese Erwartung können durchschnittlich gut informierte Verbraucher nach Meinung der Richter auch gerade in Zeiten einer globalisierten Welt nicht hegen, in der jedes Land die Lebensmittelproduktion nach nationalen Rechtsvorschriften anders handhabt.

OLG Nürnberg, Urteil vom 7.2.2017, Az. 3 U 1537/16

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