Bezeichnung eines Formfleisch-Schinkens als “Gourmet Aufschnitt”

Laut des OVG Berlins ist die Bezeichnung von Kochschinken als „Gourmet-Aufschnitt“ und „Eine hauchdünn geschnittene Delikatesse“ irreführend, wenn es sich bei dem Produkt um minderwertiges Formfleisch handelt. Der Zusatz „Formfleisch, Schinken aus Schinkenstückchen zusammengelegt gegart“ kann eine Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise nicht ausschließen, da er mit einem kleineren Schriftbild angebracht wurde.
Die Klägerin ist Herstellerin eines Kochschinkenproduktes. Auf ihrer Verpackung bewirbt sie das Produkt als „Delikatesse“ und „Gourmet-Aufschnitt“. Tatsächlich handelt es sich bei diesem Produkt laut einer Untersuchung des Landeslabors Berlin-Brandenburg vom 10.02.2011 um minderwertiges Formfleisch. Das Produkt der Klägerin stellt ein Erzeugnis eigener Art dar und weicht stark von der Vorstellung der angesprochenen Verkehrskreise von einem qualitativ hochwertigen Schinkenprodukt ab. Aufgrund dieser Feststellungen erstatte das Bezirksamt Pankow-Berlin Strafanzeige. Die Herstellerin des streitgegenständlichen Schinkenprodukts hat mit ihrer Klage Feststellung begehrt, die beanstandete Bezeichnung verstoße nicht gegen § 11 LFGB. Das Landeslabor Berlin-Brandenburg legte am 27.10.2011 ein ergänzendes Gutachten vor, das die Ergebnisse des Vorgutachtens bestätigt. Die Klägerin gab ein Gegengutachten in Auftrag.
Das Gericht lehnt die Beauftragung eines Sachverständigengutachtens im Beweisverfahren ab und hat die Klage abgewiesen. Die Erstinstanz kommt zu dem Entschluss, die Klägerin bewirbt ihr Fleischprodukt gemäß § 11 LFGB in irreführender Weise. Die streitgegenständlichen Bezeichnungen der Klägerin „Gourmet-Aufschnitt“ und „Delikatesse“ rufen bei den angesprochenen verständigen, durchschnittlichen informierten und aufmerksamen Verbrauchern eine Erwartung an das Produkt als reiner Kochschinken hervor, die das Formfleisch-Produkt der Klägerin in keiner Weise erfüllt. Die Aufschrift auf der Verpackung bezeichnet das klagegegenständliche Produkt eindeutig als Kochschinken. Die darunter befindlichen Zusätze mit dem Hinweis auf Formfleisch und das Zusammenfügen von Schinkenstücken sind aufgrund ihrer optischen Gestaltung mit einem kleineren Schriftbild kein Bestandteil der Produktbezeichnung. Es fehlt der eindeutige Hinweis auf den Formfleischcharakter. Die positiv werbenden Bezeichnungen auf der Verpackung sowie die räumliche und grafische Gestaltung lenken das Augenmerk des Verbrauchers sofort auf sich. Der dazwischen liegende Hinweis auf den Formfleischcharakter ist deutlich kleiner, so dass er auch für Verbraucher mit guter Sehkraft nicht ohne weiteres lesbar ist. Der durchschnittlich gut informierte Verbraucher nimmt diese Zeile nicht als Bestandteil der Produktbezeichnung wahr. Auf der Unterseite der Verpackung befindet sich das für aufmerksame Verbraucher interessante Zutatenverzeichnis. An dieser Stelle hätte die Klägerin den Hinweis auf den Formfleischcharakter ihres Produktes gut lesbar anbringen müssen. Die Klägerin sieht den Hinweis auf das Vorliegen von Formfleisch nicht als Teil der Produktbeschreibung. Ihr Produkt könne durchaus als Kochschinkenprodukt eingestuft werden, da für den Herstellungsprozess Schinkenstücke verwendet werden, die jedes für sich genommen so groß sind, dass sie die Anforderungen als Kochschinken erfüllen.
Der Zulassungsantrag der Klägerin zur Berufung trägt keine schlüssigen Gegenargumente vor, die die erhebliche Tatsachenfeststellung der angegriffenen Entscheidung der Vorinstanz in Frage stellt. Was die Einlassung der Klägerin hinsichtlich die Größe, Form und Zusammensetzung ihres Fleischprodukts angeht, so ist sie irrelevant. Die Klägerin bemängelt, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, der Verbraucher erwarte mit Art und Gestaltung ihrer Verpackung ein Kochschinkenprodukt und kein Formfleisch. Eine optische und grafische Darstellung von Schinkenstückchen sei eindeutig auf der Schauseite der Verpackung angebracht. Die Klägerin verkennt, dass dem durchschnittlich gut informierten und angemessen aufmerksamen Verbraucher, auf dessen Wahrnehmung abzustellen ist, der industrielle Herstellungsprozess des Fleischproduktes wohl kaum bekannt sein dürfte. Für ihn sind die Einzelheiten des Produktionsprozesses unerheblich. Die Verbrauchererwartung ist unabhängig vom Herstellungsverfahren zu beurteilen.
Das Verwaltungsgericht hat zurecht die Einholung eines Sachverständigengutachtens abgelehnt, da das von der Klägerin eingebrachte Gutachten den Untersuchungsergebnissen des Landeslabors keine substantiellen Einwände entgegenbringt. Die Berufung wird nicht zugelassen (§ 124 VwGO). Die Vorinstanz hat in der Gesamtbetrachtung der Verpackung die grafische Gestaltung und die räumliche Anordnung der Etiketten und Aufschriften beanstandungsfrei vorgenommen. Streitig vorliegend sind nicht die Größe von Schinkenteilen und die Zusammensetzung unter Berücksichtigung des Herstellungsprozesses. Der Zulassungsgrund zur Berufung (§ 124 VwGO) liegt nicht vor, weil der Rechtssache keine besondere Bedeutung, die zur Fortbildung einer einheitlichen obergerichtlichen Rechtsprechung führt, beigemessen wird. Ferner weist sie keine rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten auf, die nur eine höchstrichterliche Entscheidung im Berufungsverfahren klären kann. Die von der Klägerin vorgebrachten besonderen rechtlichen Schwierigkeiten aufgrund der „Bedeutung des Gegengutachtens“ und die besonderen tatsächlichen Schwierigkeiten aufgrund der „Uneinigkeit“ zwischen den Gutachtern der beiden Parteien führen nicht zu einer Berufungszulassung, da sie den Feststellungen der Gegenpartei (Landeslabor) nicht substantiiert entgegengetreten. Die Richtigkeit der Einschätzung der Gegenpartei und des Verwaltungsgerichts lässt sich im Berufszulassungsverfahren klären. Ein Verfahrensmangel liegt nicht vor. Der Beschluss ist nach § 152 VwGO unanfechtbar.
OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10.06.2014, Az. OVG 5 N 30.12
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