Beweislast für Kündigung eines Facebook-Accounts trägt Meta

David gegen Goliath im digitalen Raum
Immer wieder berichten Nutzerinnen und Nutzer sozialer Netzwerke von plötzlichen Sperrungen oder gar vollständigen Löschungen ihrer Accounts. Oft geschieht dies ohne nachvollziehbare Begründung, die Kommunikation mit dem Plattformbetreiber bleibt unklar oder verstummt ganz. Besonders bei großen Anbietern wie Facebook (bzw. Meta) fühlen sich Betroffene schnell ohnmächtig.
Das Oberlandesgericht (OLG) Dresden hat mit Urteil vom 12. Dezember 2023 (Az. 4 U 1049/23) nun ein deutliches Zeichen gesetzt: Wer einen Social-Media-Account sperrt oder kündigt, muss diese Maßnahme beweisen können. Das betrifft insbesondere auch die Plattform Meta und deren Plattform Facebook.
Der Sachverhalt: Ein Account verschwindet
Ein Facebook-Nutzer wurde durch Meta gesperrt. Laut Meta habe der Nutzer gegen die Facebook-Gemeinschaftsstandards verstoßen, konkret sei es um die Veröffentlichung von Nacktdarstellungen und die sexuelle Ausbeutung von Kindern gegangen – ein schwerwiegender Vorwurf.
Doch was genau soll gepostet worden sein? Diese Frage konnte Meta nicht mehr beantworten. Die betreffenden Inhalte seien laut Facebook unwiderruflich gelöscht worden. Es existierten keine Screenshots, keine konkrete Beschreibung, kein nachvollziehbarer Kontext. Facebook blieb bei pauschalen Behauptungen.
Der Nutzer klagte gegen die Sperrung. Er wollte die Reaktivierung seines Facebook-Accounts erreichen. Zusätzlich verlangte er Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO, weil die Sperrung seiner Ansicht nach eine unzulässige Datenverarbeitung darstellte.
Die Entscheidung des OLG Dresden: Klare Worte, klare Beweislast
1. Beweislast bei Meta
Das OLG Dresden stellt unmissverständlich klar: Die Beweislast für die Rechtmäßigkeit der Sperrung oder Kündigung eines Facebook-Accounts liegt bei Meta.
„Es obliegt nach allgemeinen Darlegungs- und Beweislastgrundsätzen der Beklagten, die sich auf einen Verstoß gegen ihre Gemeinschaftsstandards durch den Kläger beruft, vorzutragen und zu beweisen, dass ein wichtiger Grund für die dauerhafte Deaktivierung des Nutzerkontos vorgelegen hat.“
2. Kein schülssiger Vortrag seitens Meta
Meta konnte nicht konkret darstellen, was genau der Kläger gepostet haben soll. Es existierte kein Screenshot, keine Beschreibung des Inhalts, keine Datierung des Beitrags. Das Gericht kritisierte:
„Die Beklagte hat sich [...] darauf beschränkt, einen Verstoß gegen das Verbot von Nacktdarstellung und sexueller Ausbeutung von Kindern zu behaupten. Dies reicht nicht aus.“
Somit fehlte jegliche Grundlage für eine rechtliche Würdigung des vermeintlichen Verstoßes.
3. Selbst verursachte Beweisnot geht zu Lasten Metas
Facebook argumentierte, dass der betreffende Inhalt nicht mehr rekonstruiert werden könne, weil er endgültig gelöscht worden sei. Auch dies ließ das OLG Dresden nicht gelten:
„Soweit die Beklagte behauptet, ihr sei kein weiterer Vortrag möglich, weil der Beitrag unwiederbringlich und vollständig gelöscht worden sei, hat sie den Umstand, dass ihr weder ein schlüssiger Vortrag noch ein Beweisantritt möglich ist, selbst herbeigeführt.“
Die Richter erkannten hierin eine selbst verschuldete Beweisnot. Wer Inhalte löscht, bevor ein Verfahren abgeschlossen ist, kann sich nicht im Nachhinein auf fehlende Beweismittel berufen.
4. Ablehnung des DSGVO-Schadensersatzes
Im Hinblick auf den Anspruch nach Art. 82 DSGVO urteilte das Gericht, dass zwar eine Datenverarbeitung durch die Kontosperre vorliege, es aber an einem nachgewiesenen konkreten Schaden fehle:
„Der Schaden muss tatsächlich und sicher entstanden sein. [...] Der bloße Datenverlust stellt keinen Schaden dar. Der Kontrollverlust über die Daten stellt keinen immateriellen Schaden im Sinne von Art. 82 DSGVO dar.“
Damit wurde der Schadensersatzanspruch des Klägers zurückgewiesen.
Juristische Einordnung und Relevanz
Die Entscheidung des OLG Dresden reiht sich in eine wachsende Zahl an Urteilen ein, die die Macht großer Plattformbetreiber begrenzen. Sie stärkt das zivilrechtliche Gleichgewicht zwischen Nutzer und Anbieter.
Wesentliche Aspekte:
- Verstoßvorwürfe müssen konkretisiert werden.
- Plattformen sind für die Dokumentation ihrer Sperrgründe verantwortlich.
- Löschungen von Inhalten vor Abschluss einer Streitigkeit gehen zu Lasten des Betreibers.
Die pauschale Berufung auf die Gemeinschaftsstandards oder automatisierte Löschprozesse kann die Beweislast nicht ersetzen. Gerade bei gravierenden Maßnahmen wie einer Kontokündigung müssen Anbieter eine tragfähige Entscheidungsgrundlage nachweisen.
Fazit:
Die Entscheidung des OLG Dresden ist richtungsweisend: Plattformbetreiber wie Meta dürfen nicht nach Belieben Accounts sperren und dann behaupten, der Verstoß sei längst gelöscht. Wer Sanktionen gegen Nutzer verhängt, muss diese nachvollziehbar dokumentieren und beweisen können.
Für Nutzer bedeutet dies:
- Sie haben ein Recht auf Transparenz.
- Sie müssen sich nicht mit pauschalen Vorwürfen abfinden.
- Sie können und sollten rechtlich gegen ungerechtfertigte Sperren vorgehen.
Hinweis unserer Kanzlei:
Sollten auch Sie von einer Sperrung oder Kündigung bei Facebook, Instagram, TikTok oder einem anderen sozialen Netzwerk betroffen sein, helfen wir Ihnen gerne weiter. Unsere Kanzlei ist auf IT- und Datenschutzrecht spezialisiert und setzt Ihre Rechte konsequent durch – notfalls vor Gericht.
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