Bestellmasken im Online-Handel: Alle Kosten müssen klar erkennbar sein

Transparenz ist eine der wichtigsten Währungen im E-Commerce. Verbraucher sollen wissen, wofür sie zahlen – und zwar bevor sie auf den Button klicken. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 04. Juni 2024 (Az. X ZR 81/23) erneut bekräftigt, wie streng die Anforderungen an die Bestellmasken im Onlinehandel zu fassen sind. Dabei präzisiert das Gericht die Reichweite des § 312j BGB in Verbindung mit dem allgemeinen Verbraucherrecht und der Verbraucherrechterichtlinie. In diesem Beitrag analysieren wir das Urteil detailliert, gehen auf den zugrundeliegenden Sachverhalt ein und beleuchten die rechtlichen und praktischen Konsequenzen für Unternehmen.
I. Der Sachverhalt im Detail
Die Klägerin buchte am 24. Dezember 2021 über die Online-Buchungsplattform der Beklagten (einem bekannten Reiseportal) eine Flugreise. Während des Buchungsvorgangs wurde ihr ein kostenloses 30-tägiges Probeabo für eine "Prime-Mitgliedschaft" angeboten. Das Abo versprach Rabatte auf Flüge und Hotels. Entscheidend: Das Probeabo verwandelte sich automatisch in ein kostenpflichtiges Jahresabo zum Preis von 74,99 €, sofern keine fristgerechte Kündigung erfolgte.
Die Klägerin buchte die Flugreise zu einem rabattierten Preis, der durch die Aktivierung des Probeabos ermöglicht wurde. Später stellte sie fest, dass ihr für die Prime-Mitgliedschaft 74,99 € vom Konto abgebucht worden waren. Sie focht den Vertrag an, erklärte den Widerruf und verlangte die Rückzahlung. Die Beklagte lehnte dies ab.
II. Die rechtliche Ausgangslage: § 312j Abs. 3 und 4 BGB
§ 312j BGB regelt die Anforderungen an sogenannte "Button-Lösungen" bei Verbraucherverträgen im elektronischen Geschäftsverkehr. Absatz 3 fordert, dass die Bestellsituation so gestaltet sein muss, dass der Verbraucher ausdrücklich bestätigt, eine zahlungspflichtige Bestellung abzugeben. Absatz 4 BGB regelt, dass bei Verstoß gegen diese Pflicht kein wirksamer Vertrag zustande kommt.
III. Die Entscheidungsgründe des BGH im Einzelnen
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Unwirksamkeit des Abonnementvertrags
Der BGH kam zu dem Ergebnis, dass der Vertrag über die Prime-Mitgliedschaft nach § 312j Abs. 4 BGB unwirksam ist. Begründung: Die Beklagte habe die Bestellsituation nicht so gestaltet, dass für die Klägerin eindeutig erkennbar war, dass sie mit dem Klick auf "Jetzt kaufen" nicht nur den Flug, sondern auch ein kostenpflichtiges Abonnement abschließt.
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Keine ausreichende Transparenz in der Bestellmaske
Die entscheidende Bestellmaske am Ende des Vorgangs enthielt keine klare Information über die künftige Kostenpflicht des Abonnements. Der Begriff "30-Tage-GRATIS-Probeabo" wurde hervorgehoben, aber ohne klarzustellen, dass dies zu einem kostenpflichtigen Vertrag führt. Hinweise auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen und verlinkte Details reichen nach Ansicht des Gerichts nicht aus.
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Zwei verschiedene Verträge – ein Bestellvorgang
Der BGH betonte, dass der Verbraucher in einer solchen Konstellation – also Abschluss zweier unabhängiger Verträge (Flugbuchung und Abo) im Rahmen eines einheitlichen Bestellvorgangs – in der Bestellmaske deutlich auf beide Verträge hingewiesen werden muss. Das habe die Beklagte versäumt.
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Keine Anrechnung des erhaltenen Vorteils
Besonders hervorzuheben ist die Klarstellung des Gerichts, dass der Unternehmer sich bei einem nach § 312j Abs. 4 BGB unwirksamen Vertrag nicht auf Wertersatz gem. § 818 Abs. 2 BGB berufen kann. Der Schutzzweck der Norm würde dadurch unterlaufen. Das bedeutet: Selbst wenn der Verbraucher durch das (unwirksame) Abo einen preislichen Vorteil hatte, darf dieser nicht angerechnet werden.
IV. Die Leitsätze des Urteils (BGH X ZR 81/23)
a) Der Verbraucher muss aus der Bildschirmmaske, in der sich die Bestellschaltfläche befindet, erkennen können, für welche Leistungen er sich zahlungspflichtig verpflichtet.
b) Wird mit einem Klick auf "Jetzt kaufen" mehr als ein Vertrag abgeschlossen, muss die Maske darauf unmissverständlich hinweisen.
c) Der Schutzzweck von § 312j Abs. 4 BGB verhindert grundsätzlich eine Anrechnung von Wertersatz für Vorteile aus einem unwirksamen Vertrag.
V. Bedeutung für die Praxis
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Online-Händler müssen ihre Bestellmasken überprüfen
Alle kostenpflichtigen Leistungen, die mit einem Klick abgeschlossen werden, müssen klar und sichtbar vor dem finalen Klick kommuniziert werden. Dies betrifft insbesondere Abo-Fallen, versteckte Zusatzangebote oder vorausgewählte Optionen.
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Verzicht auf "verkaufspsychologische Tricks"
Begriffe wie "Gratis", "kostenlos" oder "Testphase" dürfen nur verwendet werden, wenn gleichzeitig deutlich gemacht wird, dass eine Zahlungspflicht eintritt, sofern keine rechtzeitige Kündigung erfolgt.
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Keine Aufrechnung mit Preisvorteilen bei unwirksamen Verträgen
Das Urteil setzt Unternehmern klare Grenzen: Ein Preisvorteil durch ein unwirksames Abo kann nicht gegen einen Rückforderungsanspruch aufgerechnet werden. Das schafft Rechtssicherheit für Verbraucher und zwingt Händler zu größerer Sorgfalt.
VI. Fazit: Mehr Transparenz, mehr Verbraucherschutz
Der Bundesgerichtshof hat mit seiner Entscheidung X ZR 81/23 ein deutliches Signal an den Onlinehandel gesendet: Undurchsichtige Bestellprozesse und versteckte Kosten sind unzulässig. Die Gestaltung von Bestellmasken muss den Anforderungen des § 312j BGB vollumfänglich gerecht werden. Unternehmer sind gut beraten, ihre Checkout-Prozesse rechtlich zu prüfen und transparent zu gestalten. Verbraucher erhalten hingegen eine Stärkung ihrer Rechte und einen effektiven Schutz vor Überrumpelung und Intransparenz.
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