Zum Hauptinhalt springen

Online-Shop, der mit Aussage "Bequemer Kauf auf Rechnung" wirbt, muss Einschränkungen transparent darstellen

| Rechtsanwalt Frank Weiß

Im digitalen Handel hat Vertrauen eine zentrale Bedeutung. Online-Shops versuchen, dieses Vertrauen durch kundenfreundliche Zahlungsoptionen wie den "Kauf auf Rechnung" zu stärken – eine Methode, die besonders für sicherheitsbedachte Konsumenten attraktiv ist. Doch wenn solche Zahlungsweisen mit Einschränkungen wie Bonitätsprüfungen verknüpft sind, stellt sich die Frage: Muss der Online-Händler diese Einschränkungen schon in der werblichen Ankündigung offenlegen?

Diese Frage beantwortete der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem aufsehenerregenden Urteil vom 15. Mai 2025 (C-100/24). Die Entscheidung hat unmittelbare Auswirkungen auf Online-Shops in der gesamten EU – und klärt erstmals eindeutig, dass die Bewerbung einer Zahlungsmodalität wie „Kauf auf Rechnung“ eine Verkaufsförderungsmaßnahme darstellt, die besonderen Informationspflichten unterliegt.

Der Ausgangsfall – Der Streit um "Bequemer Kauf auf Rechnung"

Die Beklagte: Ein großer Online-Händler

Im Mittelpunkt des Rechtsstreits steht ein deutscher Online-Händler, der über seine Website Bekleidungsartikel vertreibt. Dabei warb das Unternehmen an prominenter Stelle mit dem Slogan:

„Bequemer Kauf auf Rechnung“

Diese Aussage suggerierte dem durchschnittlichen Verbraucher, dass es sich um eine unkomplizierte, jederzeit verfügbare Zahlungsoption handelte. Die Realität sah jedoch anders aus: Der Rechnungskauf war nur nach einer erfolgreichen Bonitätsprüfung durch eine externe Wirtschaftsauskunftei möglich.

Die Klägerin: Eine Verbraucherorganisation

Eine deutsche Verbraucherzentrale sah hierin eine unlautere geschäftliche Handlung und reichte Klage ein. Nach ihrer Auffassung stellt die Werbung mit dem Rechnungskauf ohne Hinweis auf die zugrunde liegende Bonitätsprüfung eine Täuschung über wesentliche Eigenschaften des Angebots dar. Das beanstandete Verhalten verstoße gegen § 6 Abs. 1 Nr. 3 DDG, wonach Verkaufsförderungsmaßnahmen nur unter der Bedingung zulässig sind, dass deren Modalitäten klar, verständlich und eindeutig mitgeteilt werden.

Der nationale Rechtsrahmen: § 6 Abs. 1 Nr. 3 DDG

Die zentrale Norm im Streitfall ist § 6 Abs. 1 Nr. 3 des Digitaldienstegesetzes (DDG). Sie lautet:

„Angebote zur Verkaufsförderung wie Preisnachlässe, Zugaben und Geschenke klar als solche erkennbar sein müssen und die Bedingungen für ihre Inanspruchnahme leicht zugänglich sein sowie klar und unzweideutig angegeben werden müssen“

Die Norm beruht auf Art. 6 lit. c der Richtlinie 2000/31/EG (E-Commerce-Richtlinie). Sie zielt darauf ab, den Verbraucher vor missverständlicher oder unvollständiger Werbung im digitalen Raum zu schützen. Der entscheidende Punkt: Fällt der Hinweis "Bequemer Kauf auf Rechnung" unter eine Verkaufsförderung im Sinne des Gesetzes – ja oder nein?

Die Vorlagefrage an den EuGH

Da diese Rechtsfrage von unionsrechtlicher Bedeutung ist und noch nicht abschließend geklärt war, rief der Bundesgerichtshof (BGH) den Europäischen Gerichtshof an. Der BGH legte dem EuGH folgende Frage vor:

Ist der Hinweis auf eine Zahlungsmodalität (z. B. Rechnungskauf), der mit Bedingungen verknüpft ist, ein "Angebot zur Verkaufsförderung" im Sinne von Art. 6 lit. c der Richtlinie 2000/31/EG?

Die Antwort des EuGH auf diese Frage hat eine wegweisende Wirkung entfaltet.

Entscheidungsgründe des EuGH – Urteil vom 15.05.2025, C-100/24

a) Werbung mit Zahlungsarten ist Verkaufsförderung

Der EuGH stellte klar: Ja – die Bewerbung eines Rechnungskaufs stellt eine Verkaufsförderungsmaßnahme dar, wenn sie geeignet ist, die wirtschaftliche Entscheidung des Verbrauchers zu beeinflussen. Die Richter begründeten das wie folgt:

  • Eine Zahlungsmodalität wie der Rechnungskauf verschafft dem Verbraucher einen objektiven, wirtschaftlichen Vorteil.
  • Dieser Vorteil besteht insbesondere darin, dass der Kunde zunächst die Ware erhält und später bezahlt – was finanzielle Sicherheit und Vertrauen schafft.
  • Daher wirkt ein solcher Hinweis verkaufsfördernd – und ist rechtlich als „kommerzielle Kommunikation“ einzustufen.

Wörtlich heißt es:

„Eine Werbeaussage auf der Website eines im Onlinehandel tätigen Unternehmens, mit der auf eine bestimmte Zahlungsmodalität hingewiesen wird, fällt unter den Begriff ‚Angebot zur Verkaufsförderung‘ [...], sofern diese Zahlungsmodalität dem Adressaten dieser Aussage einen objektiven und sicheren Vorteil verschafft, der sein Verhalten bei der Entscheidung für eine Ware oder Dienstleistung beeinflussen kann.“

b) Transparenzpflicht ab dem ersten Kontakt mit der Werbung

Entscheidend ist, dass einschränkende Bedingungen – wie etwa die Bonitätsprüfungnicht erst im Bestellprozess oder in den AGB kommuniziert werden dürfen. Vielmehr müssen sie bereits bei der werblichen Ankündigung klar genannt werden. Im Fall der Beklagten hätte dies bedeutet, dass bereits beim Hinweis „Bequemer Kauf auf Rechnung“ ein Zusatz wie

„nur bei positiver Bonitätsprüfung“

angefügt werden müsste.

c) Schutz des Verbrauchers vor irreführenden Anreizen

Ziel der Richtlinie sei es, den Verbraucher nicht nur vor falschen Informationen, sondern auch vor unvollständigen oder irreführenden Darstellungen zu schützen. Eine solche unvollständige Information könne den Verbraucher zu einer wirtschaftlichen Entscheidung bewegen, die er bei vollständiger Kenntnis nicht getroffen hätte.

Der EuGH betont: Der Schutz des Verbrauchers sei nur gewährleistet, wenn dieser von Anfang an erkennen könne, ob er die beworbene Zahlungsoption realistisch in Anspruch nehmen kann.

Auswirkungen in der Praxis

Das Urteil hat für den Online-Handel in der gesamten EU erhebliche Folgen:

Pflicht zur frühzeitigen Aufklärung

Einschränkungen wie Bonitätsprüfungen, Altersvoraussetzungen oder exklusive Kundenkreise müssen unmittelbar bei der werbenden Aussage offengelegt werden.

AGB reichen nicht aus

Ein bloßer Hinweis auf AGB oder ein späterer Vermerk im Checkout-Prozess genügt nicht. Entscheidend ist die Transparenz am "Point of Promotion".

Risiko von Abmahnungen und Klagen

Wettbewerber, Verbraucherzentralen und Mitbewerber können Verstöße gegen die Informationspflichten abmahnen – mit Unterlassungsansprüchen, Kostenerstattungspflichten und Reputationsrisiken.

Neue Standards für Marketingtexte

Marketing und Recht müssen enger zusammenarbeiten. Slogans wie „Bequemer Kauf auf Rechnung“ oder „Jetzt einfach zahlen später“ sind künftig nur noch mit klaren Zusatzhinweisen rechtssicher.

Handlungsempfehlungen für Unternehmen

  • Slogans rechtlich prüfen: Ist die Aussage geeignet, das Kaufverhalten zu beeinflussen?
  • Transparenz herstellen: Bedingungen wie Bonitätsprüfungen oder Ausschlüsse sofort nennen.
  • Wording anpassen: z. B. „Kauf auf Rechnung (nur bei positiver Bonitätsprüfung)“.
  • Marketing & Legal verzahnen: Präventive Beratung schützt vor Abmahnungen.

Fazit

Mit dem Urteil vom 15. Mai 2025 hat der EuGH eine Lücke im Verbraucherschutz geschlossen und ein starkes Zeichen für mehr Transparenz im E-Commerce gesetzt. Wer mit Zahlungsarten wie dem Rechnungskauf wirbt, darf die zugrunde liegenden Bedingungen nicht verschweigen. Die Entscheidung verlangt von Online-Händlern ein Umdenken im Umgang mit Werbeaussagen – weg vom reinen Verkaufsargument, hin zu einer ehrlichen, offenen Kommunikation mit dem Verbraucher.

Gerade in einem wettbewerbsintensiven Umfeld ist Vertrauen die neue Währung – und juristisch saubere Kommunikation der Schlüssel.

Ansprechpartner

Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Andere über uns

WEB CHECK SCHUTZ

Gestalten Sie Ihre Internetseite / Ihren Onlineshop rechts- und abmahnsicher.

WEB CHECK Schutzpakete der Anwaltskanzlei Weiß & Partner

Erfahren Sie mehr über die Schutzpakete der Anwaltskanzlei Weiß & Partner für die rechtssichere Gestaltung Ihrer Internetpräsenzen.

Cyber-Sicherheit

Webpräsenz der Allianz für Cyber-Sicherheit

Aktuelles

| Rechtsanwalt Frank Weiß | Aktuell
Wir haben Kenntnis von betrügerischen urheberrechtlichen Abmahnungen erlangt, die den Namen der Kanzlei Hausfeld missbrauchen. Diese Fake-Abmahnungen zielen gezielt auf Social-Med…
| Rechtsanwalt Frank Weiß | Aktuell
Ein Klick – und das ganze Leben steht Kopf. Laura (26) bekommt eines Morgens mehrere beunruhigende Nachrichten von Freunden: Intime Fotos von ihr kursieren auf Facebook. Aufgenomm…
| Rechtsanwalt Frank Weiß | Aktuell
Die identifizierende Verdachtsberichterstattung gehört zu den sensibelsten Bereichen des Medienrechts. Wird über einen konkreten Verdacht öffentlich berichtet und eine Person erke…
| Rechtsanwalt Frank Weiß | Aktuell
In Zeiten digitaler Arbeitsprozesse stellt sich zunehmend die Frage, wie weit der Zugriff von Arbeitgebern auf dienstlich bereitgestellte Kommunikationsmittel reichen darf – insbe…