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Beleidigung einer Mitschülerin in Internetblog

VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.05.2011, Az. 9 S 1056/11

Schüler pflegen untereinander bisweilen einen rüden Umgangston – auch im Internet. Was ihnen dabei oft nicht bewusst ist: Ein diffamierender Facebook-, Blog- oder Forenbeitrag gegen einen Mitschüler oder Lehrer kann schulrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen – selbst wenn er in der Freizeit verfasst wird.
 
Mit einem Fall, in dem eine Beleidigung im Internet zum Unterrichtsausschluss führte, hatte sich der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zu befassen (Beschluss vom 12.05.2011, Az. 9 S 1056/11). Ausschlaggebend für eine schulische Ordnungsmaßnahme ist seiner Ansicht nach nicht, wo die Äußerung erfolgt ist, sondern, ob sie den Schulbetrieb stört. Voraussetzung für einen temporären Schulausschluss ist allerdings, dass ein schweres Fehlverhalten vorliegt. Dies hängt unter anderem davon ab, ob der Angegriffene namentlich genannt wird. Denn ist der Betroffene identifizierbar, besteht bei Beleidigungen im Internet die Gefahr, dass sie sich unkontrolliert verbreiten.
 
Der Fall
 Eine Realschülerin beleidigte in ihrem Blog auf einem sozialen Netzwerk eine Klassenkameradin, die unter persönlichen Problemen litt, massiv. Sie bezeichnete ihre Kollegin – ohne deren Namen zu erwähnen – als "Punkbitch", "asozial" und "assi". Maliziös attestierte sie ihr "Mut zur Hässlichkeit" und meinte – anspielend auf die Probleme der Mitschülerin – sie dürfe später einmal deren Hartz IV finanzieren. Der Blog-Eintrag blieb nicht ohne Wirkung: Die Schulleitung verhängte einen eintägigen Unterrichtsausschluss.
 
Das wollte die Realschülerin, die ihren Beitrag nach dem Eingreifen der Schulleitung sofort gelöscht hatte, nicht akzeptieren. Sie erhob Widerspruch und beantragte vorläufigen Rechtsschutz. Das Verwaltungsgericht Stuttgart gewährte ihrem Widerspruch aufschiebende Wirkung, wogegen der Schulleiter Beschwerde erhob. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg wies die Beschwerde zurück.
 
Aus den Entscheidungsgründen
Das Schulgesetz des Landes Baden-Württemberg erlaubt einen befristeten Unterrichtsausschluss, wenn ein Schüler durch eine schwere Pflichtverletzung den Schulbetrieb oder die Rechte von Mitschülern oder Lehrern gefährdet.
 
Der Verwaltungsgerichtshof sieht im Blog-Beitrag der Realschülerin – obwohl er in der Freizeit geschrieben wurde – eine Pflichtverletzung gegenüber der Schule. Der Bezug zur Schule liege darin, dass sich das beanstandete Verhalten störend auf den Schulbetrieb ausgewirkt und die Rechte der Mitschülerin verletzt habe. Wo sich das Fehlverhalten ereignet habe, sei nicht maßgebend.
 
Dass der fragliche Beitrag beleidigend ist, steht für die Richter außer Frage. Die verwendeten Ausdrücke und die Diffamierung der Schulkameradin aufgrund ihrer persönlichen Schwierigkeiten gingen weit über das Maß der durch die Meinungsfreiheit geschützten Kritik hinaus.
 
Erschwerend komme hinzu, dass die Äußerung im Internet erfolgt sei. Anders als bei einer Beleidigung im persönlichen Gespräch oder innerhalb des Klassenverbandes bestehe bei einer ins Internet gestellten Diffamierung die Gefahr der unkontrollierbaren Verbreitung. Selbst nach deren Löschung bestehe das Risiko, dass die beleidigende Äußerung im Internet weiterexistiere. Auf den fraglichen Blog-Eintrag habe jeder Internet-Nutzer ohne Passwort zugreifen können.
 
Gegen die Gefahr einer unkontrollierbaren Verbreitung der Beleidigungen spreche jedoch, dass die fehlbare Schülerin ihre Kollegin weder mit ihrem Klarnamen noch mit ihrem Nickname genannt habe. Ebenso wenig habe sie ein Bild der Angegriffenen eingestellt. Diese sei somit nur für Klassenkameraden und andere Schulkollegen identifizierbar gewesen. Der Blog-Eintrag entspricht deshalb nach Auffassung des Gerichts eher einer Beleidigung im Bekanntenkreis. Bedeutung messen die Richter ferner der Tatsache zu, dass die Realschülerin die Verbreitungsgefahr über den Bekanntenkreis hinaus beendete, indem sie den Beitrag nach Intervention der Schule umgehend löschte.
 
Auch was die Störung des Schulbetriebs angeht, relativieren die Richter. Sie sind sich nicht sicher, ob die Unruhe in der Klasse der fehlbaren Realschülerin überwiegend auf deren Beleidigungen zurückzuführen ist. In der Klasse habe schon vorher erhebliches Konfliktpotenzial geherrscht.
 
Aus diesen Gründen bezweifelt der Verwaltungsgerichtshof, dass die Pflichtverletzung der Schülerin schwer genug wiegt, um einen Schulausschluss zu rechtfertigen. Er kommt daher zum Schluss, dass dem Interesse der Realschülerin an der aufschiebenden Wirkung Vorrang einzuräumen ist vor dem Interesse der Schulleitung am Vollzug des Ausschlusses.
 
VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.05.2011, Az. 9 S 1056/11

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