Bei Pfandbehältern ist Pfandbetrag gesondert anzugeben

Pfand auf Flaschen ist im Alltag längst selbstverständlich. Doch aus juristischer Sicht hat dieser kleine Zusatzbetrag eine große Wirkung: Besonders dann, wenn es um Preisangaben in der Werbung geht. Mit seinem Urteil vom 26. Oktober 2023 hat der Bundesgerichtshof (BGH) in der Sache "Flaschenpfand IV" (Az. I ZR 135/20) nun eine zentrale Klarstellung vorgenommen: Pfandbeträge müssen bei Werbung separat ausgewiesen werden und dürfen nicht im Gesamtpreis enthalten sein.
Was diese Entscheidung bedeutet, warum der Fall bis vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) ging und was das Urteil für Unternehmen bedeutet, erfahren Sie in diesem ausführlichen Beitrag.
Der Ausgangspunkt: Werbung mit Pfand ohne Preistransparenz?
Im Zentrum des Rechtsstreits stand ein Handzettel eines Lebensmittelhändlers, mit dem unter anderem Getränke in Pfandflaschen und Joghurt in Pfandgläsern beworben wurden. Dabei war der Pfandbetrag nicht in den beworbenen Preis eingerechnet. Stattdessen enthielt der Werbetext lediglich den Hinweis "zzgl. ... € Pfand".
Der klagende Verband
Klage erhob ein Verbraucherschutzverband, der die Interessen seiner Mitglieder auf Einhaltung des Wettbewerbsrechts wahrnimmt. Der Verband sah in der gewählten Form der Preisangabe einen Verstoß gegen die damals geltende Preisangabenverordnung (PAngV a.F.) und forderte Unterlassung.
Die Rechtsfrage
Kernfrage des Rechtsstreits: Gehört der Pfandbetrag zum anzugebenden Gesamtpreis? Oder darf bzw. muss er separat ausgewiesen werden?
Der Prozessverlauf: Drei Instanzen und der Weg zum EuGH
Entscheidung des Landgerichts
Das erstinstanzlich zuständige Landgericht folgte der Argumentation des Klägers und bejahte einen Verstoß gegen die Preisangabenverordnung. Es stellte klar: Wer gegenüber Verbrauchern für Produkte wirbt, muss den Gesamtpreis korrekt angeben – und dieser beinhalte auch das Pfand.
Entscheidung des Berufungsgerichts
Anders sah es das Berufungsgericht: Es wies die Klage ab. Die Richter waren der Ansicht, dass der Pfandbetrag nicht zum Gesamtpreis gehöre, sondern gesondert anzugeben sei. Eine Verpflichtung, das Pfand im Gesamtpreis aufzuführen, bestehe nicht.
Revision und Vorlage an den EuGH
Der Streitpunkt betraf letztlich nicht nur deutsches Recht, sondern die Auslegung der europäischen Preisangabenrichtlinie 98/6/EG. Daher setzte der BGH das Verfahren aus und legte dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) am 29. Juli 2021 (Beschluss: I ZR 135/20) eine Vorabentscheidungsfrage vor (vgl. Pressemitteilung Nr. 148/21).
Der EuGH urteilte am 29. Juni 2023 (C-543/21):
"Der in Artikel 2 Buchstabe a der Richtlinie genannte Verkaufspreis umfasst nicht den Betrag, der vom Verbraucher als Pfand für einen wiederverwendbaren Behälter zu zahlen ist."
Fazit des EuGH: Pfandbeträge sind nicht Bestandteil des Verkaufspreises im Sinne der Richtlinie.
Entscheidung des BGH: Pfandbetrag ist separat anzugeben
Nach der EuGH-Entscheidung nahm der BGH das Verfahren wieder auf und verkündete am 26. Oktober 2023 sein Urteil. Er wies die Revision des Klägers zurück und bestätigte die Entscheidung des Berufungsgerichts.
Zentrale Leitsätze der BGH-Entscheidung:
- Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV a.F. (heute § 3 Abs. 1 i.V.m. § 2 Nr. 3 PAngV n.F.) ist der Gesamtpreis anzugeben.
- Der Gesamtpreis schließt aber nicht den Pfandbetrag ein, der beim Kauf von Waren in Pfandbehältern zu entrichten ist.
- Diese Auslegung ist richtlinienkonform, da der EuGH klargestellt hat, dass das Pfand nicht zum Verkaufspreis zählt.
Systematik der PAngV
Die Verordnung sieht ausdrücklich vor, dass Pfandbeträge separat auszuweisen sind. Schon die alte Fassung (§ 1 Abs. 4 PAngV a.F.), aber auch die neue Fassung (§ 7 Satz 1 PAngV n.F.) machen dies unmissverständlich klar.
Ziel der Regelung: Verbraucherschutz
Die gesonderte Ausweisung dient einem praktischen Zweck: Verbraucherinnen und Verbraucher sollen die Preise von Produkten realistisch einschätzen und miteinander vergleichen können. Ein einheitlicher Vergleichspreis wäre nicht gegeben, wenn das Pfand willkürlich einbezogen oder ausgelassen werden dürfte.
Rechtliche Bewertung: Warum das Urteil sinnvoll ist
Die Entscheidung schafft endlich Rechtssicherheit für Händler, Werbetreibende und Verbraucher. Denn sie schließt eine Regelungslücke, die in der Praxis immer wieder zu Unsicherheiten führt. Gerade in Zeiten zunehmender Online- und Prospektwerbung ist eine einheitliche Preisstruktur von großer Bedeutung.
Vorteile der getrennten Angabe:
- Klare Trennung von Produktpreis und Pfand
- Realistische Vergleichbarkeit zwischen Produkten
- Schutz vor Irreführung über den tatsächlichen Warenwert
- Transparenz bei Werbung
Auswirkungen auf die Praxis: Was Händler jetzt beachten müssen
Wer ist betroffen?
- Einzelhändler im stationären Bereich
- Betreiber von Online-Shops
- Hersteller, die direkt an Verbraucher verkaufen
- Marktplatzanbieter (z. B. Plattformen wie Amazon oder eBay)
Pflicht zur gesonderten Angabe gilt:
- In Prospekten und Flyern
- Auf Online-Produktseiten
- Auf Regaletiketten im stationären Handel
Empfehlungen für die Praxis:
- Prüfen Sie Ihre Preisangaben bei allen Produkten mit Pfandpflicht.
- Verwenden Sie Formulierungen wie: „0,59 € zzgl. 0,25 € Pfand“ statt „0,84 € inkl. Pfand“.
- Passen Sie gegebenenfalls Ihre Kassensoftware, Onlineshops und Printwerbung an.
Fazit: Kleine Beträge, große Bedeutung für das Wettbewerbsrecht
Das Urteil des BGH im Fall "Flaschenpfand IV" bringt nicht nur Klarheit, sondern auch Fairness in den Wettbewerb. Es stellt sicher, dass Verbraucher nicht durch uneinheitliche Preisangaben irritiert werden und ihre Kaufentscheidung auf verlässlicher Grundlage treffen können.
Pfand ist kein Preisbestandteil, sondern ein separat auszuweisender Rückgabebetrag. Diese Differenzierung muss konsequent auch in der Werbung eingehalten werden.
Unsere Kanzlei unterstützt Sie gerne dabei, Ihre Preisangaben rechtskonform zu gestalten – ob im Online-Shop, in Werbematerialien oder im stationären Handel. Sprechen Sie uns an!
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Alexander Bräuer
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