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Bei Online-Verstößen gegen die PAngVO genügt einfache Unterlassungserklärung ohne Vertragsstrafe

| Rechtsanwalt Frank Weiß

1. Hintergrund: Die PAngVO als Stolperfalle im Onlinehandel

Die Preisangabenverordnung (PAngVO) verpflichtet Unternehmer, bei Produkten, die nach Gewicht, Volumen, Länge oder Fläche angeboten werden, zusätzlich zum Gesamtpreis auch den Grundpreis (also z. B. €/Liter oder €/kg) klar und deutlich auszuweisen. Diese Regel soll Preisvergleiche für Verbraucher vereinfachen. Besonders im E-Commerce führt die PAngVO jedoch regelmäßig zu Abmahnungen – häufig wegen formaler Fehler oder technischer Versäumnisse.

Gerade kleine Onlinehändler geraten dadurch schnell ins Visier von Mitbewerbern, die ihre Abmahnrechte geltend machen – oft mit der Forderung nach strafbewehrten Unterlassungserklärungen, also Erklärungen, bei deren Bruch empfindliche Vertragsstrafen drohen. Doch was, wenn der Händler weniger als 100 Mitarbeitende beschäftigt?

Das OLG Hamm (OLG Hamm, Beschl. v. 06.02.2024 - Az.: 4 W 22/23) hatte über genau diesen Fall zu entscheiden – und sorgte mit seiner Entscheidung für mehr Klarheit.

2. Der Sachverhalt: Fehlende Grundpreisangabe und keine Vertragsstrafe

Ein Online-Händler bot auf seiner Website unter anderem das Produkt „F. Erstbefüllung / Neubefüllung 500 ml“ an – ohne Grundpreisangabe, wie sie § 4 Abs. 1 Satz 1 PAngV vorschreibt. Ein Wettbewerber nahm dies zum Anlass, den Händler außergerichtlich abzumahnen und die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung zu verlangen.

Der abgemahnte Händler, ein kleines Unternehmen mit weniger als 100 Mitarbeitenden, stellte den Verstoß ab und gab eine nicht strafbewehrte Unterlassungserklärung ab.

Dem Mitbewerber genügte dies nicht – er beantragte beim Landgericht Bochum eine einstweilige Verfügung, um eine strafbewehrte Erklärung zu erzwingen. Das LG erließ diese ohne Anhörung des Antragsgegners.

Als dieser von der Verfügung erfuhr, erkannte er sie inhaltlich an, wehrte sich aber gegen die Kostentragung, da er bereits vorgerichtlich eine ausreichende Unterlassungserklärung abgegeben hatte. Das LG folgte diesem Einwand und legte dem Antragsteller die Kosten auf. Dagegen richtete sich die sofortige Beschwerde zum OLG Hamm.

3. Die rechtliche Bewertung durch das OLG Hamm

Das OLG Hamm wies die Beschwerde des Antragstellers zurück und bestätigte die Entscheidung des Landgerichts in vollem Umfang. Die Begründung ist vielschichtig – hier im Detail:

a) Keine Pflicht zur Vertragsstrafe bei kleinen Unternehmen – § 13a Abs. 2 UWG

Kern der Argumentation ist § 13a Abs. 2 UWG, eingeführt durch das „Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“. Danach gilt:

„Die Vereinbarung einer Vertragsstrafe […] ist ausgeschlossen, wenn der Abgemahnte in der Regel weniger als 100 Mitarbeiter beschäftigt […], und es sich um eine erstmalige Abmahnung wegen gesetzlicher Informations- oder Kennzeichnungspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr handelt.“

Das OLG stellte klar:

  • Der Antragsgegner war erstmals abgemahnt worden,
  • der Verstoß betraf eine gesetzliche Informationspflicht (§ 4 Abs. 1 Satz 1 PAngV),
  • und der Verstoß ereignete sich im Online-Handel, also im elektronischen Geschäftsverkehr.

Fazit: Die Voraussetzungen des § 13a Abs. 2 UWG waren erfüllt. Eine Vertragsstrafe durfte nicht gefordert werden.

b) Qualifikation des PAngVO-Verstoßes als „Informationspflicht“

Besonderes Augenmerk legte das Gericht darauf, den konkreten Verstoß gegen die PAngVO als gesetzliche Informationspflicht im Sinne von § 13 Abs. 4 UWG zu qualifizieren.

Dabei griff es ausdrücklich auf die Gesetzesbegründung zurück, in der unter anderem auf die PAngVO als klassisches Beispiel für Informationspflichten verwiesen wird. Zudem sei es nicht erforderlich, dass es sich um eine speziell auf den Online-Handel zugeschnittene Regelung handelt – entscheidend sei, dass der Verstoß im Online-Handel begangen wurde.

Zitat aus dem Beschluss:

„Bei dem begangenen Verstoß gegen § 4 Abs. 1 Satz 1 PAngV handelt es sich um einen im elektronischen Rechtsverkehr – namentlich in dem von ihm betriebenen Online-Shop – begangenen Verstoß gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten i.S.v. § 13 Abs. 4 UWG.“

c) Kein Anspruch auf Vertragsstrafe – kein Rechtsschutzbedürfnis

Weil der Mitbewerber gesetzlich nicht zur Forderung einer Vertragsstrafe berechtigt war, bestand kein Rechtsschutzbedürfnis für die gerichtliche Geltendmachung. Die nicht strafbewehrte Unterlassungserklärung war ausreichend, um den gesetzlichen Anforderungen zu genügen.

Zitat:

„Etwas Anderes kann bei verständiger Würdigung des gesetzgeberischen Willens nicht angenommen werden.“

Das Gericht verwies darauf, dass Mitbewerber – im Gegensatz zu bestimmten Behörden oder Verbraucherschutzvereinen – gerade nicht zur Vertragsstrafe berechtigt sind, wenn § 13a Abs. 2 UWG greift.

d) Kostentragung nach § 93 ZPO

Da der Abgemahnte dem Unterlassungsbegehren bereits vor Einleitung des Verfahrens nachkam (wenn auch ohne Vertragsstrafe), wurde das Gericht ohne Not in Anspruch genommen. Die Voraussetzungen des § 93 ZPO waren damit erfüllt.

Ergebnis: Der Antragsteller musste die Kosten des Verfahrens tragen.

4. Bedeutung und Reichweite der Entscheidung

Diese Entscheidung des OLG Hamm ist wegweisend für den Umgang mit Abmahnungen im Online-Handel, insbesondere für kleinere Händler:

Für Händler:

  • Bei erstmaligem Verstoß gegen Informationspflichten im Onlinehandel genügt eine nicht strafbewehrte Unterlassungserklärung,
  • Wichtig: Nur bei weniger als 100 Mitarbeitenden!

⚠️ Für Mitbewerber:

  • Die Abgabe einer Vertragsstrafe darf nicht verlangt werden, wenn § 13a Abs. 2 UWG einschlägig ist,
  • Kostspielige gerichtliche Verfahren können schnell zur Kostenfalle werden, wenn der Gegner formal korrekt reagiert.

Fazit: Klare Leitplanken für den fairen Wettbewerb

Das OLG Hamm hat eine klare und praxisnahe Entscheidung getroffen. Sie stärkt die Position kleiner Onlinehändler und zeigt, dass das Wettbewerbsrecht nicht als Druckmittel für überzogene Forderungen missbraucht werden darf.

Die Entscheidung schafft zugleich mehr Rechtssicherheit – für Anwälte wie für Mandanten – und verdeutlicht, dass Abmahner bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche auch die Schranken des UWG zu beachten haben.

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