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Beeinträchtigung der Urheberschaft durch Bestreiten inter partes

| Rechtsanwalt Frank Weiß

Urheber zu sein bedeutet nicht nur, ein Werk zu erschaffen, sondern auch, als dessen Schöpfer anerkannt zu werden. Doch wann liegt eine Verletzung des Rechts auf Anerkennung der Urheberschaft vor? Reicht eine bloße Bestreitung gegenüber dem Urheber selbst aus?

Mit Urteil vom 27. Juni 2024 (Az. I ZR 102/23) hat der Bundesgerichtshof (BGH) diese wichtige Frage präzisiert – und damit den Schutzumfang des § 13 UrhG klar konturiert.

1. Der Sachverhalt im Detail

Der Kläger, ein Schriftsteller, veröffentlichte 2014 das Buch „Der verratene Himmel – Rückkehr nach Eden“ im Eigenverlag. Als einzige weitere beteiligte Person wird die spätere Beklagte genannt, die dem Kläger seinerzeit als Lektorin zur Seite stand.

Mehrere Jahre nach der Veröffentlichung, im Jahr 2021, kam es zu Auseinandersetzungen: Die Beklagte beanspruchte nun selbst Urheberrechte an dem Buch. In einem Schreiben an den Kläger machte sie geltend, sie habe erheblichen schöpferischen Anteil am Buch und forderte den Kläger auf, es zu unterlassen, sich weiterhin als alleinigen Autor zu bezeichnen.

Später leitete die Beklagte eine an den Kläger gerichtete Klageschrift – die ihren Standpunkt und ihre Forderungen zusammenfasste – an dessen frühere Lebensgefährtin weiter.

Der Kläger sah darin eine Verletzung seines Rechts auf Anerkennung seiner Urheberschaft nach § 13 UrhG. Er klagte auf Unterlassung, die Beklagte möge es unterlassen, gegenüber Dritten zu behaupten, sie sei (Mit-)Urheberin des Buches.

2. Die Instanzentscheidungen

  • Landgericht: Die Klage wurde abgewiesen.
  • Berufungsgericht (OLG Hamburg): Die Berufung des Klägers blieb ebenfalls erfolglos.

Begründung in beiden Instanzen:
Eine Verletzung des Anerkennungsrechts nach § 13 UrhG sei nicht ersichtlich, da die Bestreitungen der Beklagten nur inter partes, also nur gegenüber dem Kläger selbst erfolgt seien.
Ein relevanter Eingriff in das Urheberpersönlichkeitsrecht setze jedoch eine Außenwirkung voraus, die hier nicht gegeben sei.

3. Die Revision zum BGH

Der Kläger legte Revision ein. Sein Hauptargument:
Schon die bloße Behauptung gegenüber ihm selbst sei geeignet, sein Recht auf Anerkennung der Urheberschaft zu beeinträchtigen. Zudem habe die Beklagte durch die Weiterleitung der Klageschrift an seine ehemalige Partnerin eine Verletzung auch gegenüber Dritten begangen.

Der BGH nutzte die Gelegenheit, um die Grundsätze rund um § 13 UrhG präzise herauszuarbeiten.

4. Entscheidungsgründe des BGH

4.1 Das Recht auf Anerkennung der Urheberschaft

§ 13 UrhG schützt den Urheber davor:

  • Nicht als Urheber benannt zu werden (Recht auf Nennung),
  • Nicht fälschlich jemand anderem zugeschrieben zu werden (Recht auf korrekte Zuordnung),
  • Dass jemand anderes sich seine Urheberschaft anmaßt oder diese bestreitet (Schutz der geistigen Beziehung zum Werk).

Das Recht auf Anerkennung der Urheberschaft ist ein absolutes Recht – es wirkt grundsätzlich gegen jedermann.

ABER:
Nicht jede interne Meinungsäußerung führt zu einer relevanten Verletzung!

4.2 Bloßes Bestreiten der Urheberschaft gegenüber dem Urheber selbst

Nach Ansicht des BGH reicht ein bloßes Bestreiten oder Anmaßen der Urheberschaft gegenüber dem Urheber allein nicht aus, um eine Verletzung nach § 13 UrhG zu begründen.

Begründung:

  • Das Urheberpersönlichkeitsrecht schützt die öffentliche Anerkennung und Wertschätzung der schöpferischen Leistung.
  • Es schützt nicht vor bloßen Meinungsverschiedenheiten oder Auseinandersetzungen im privaten Rahmen.
  • Es bedarf einer Außenwirkung: Entweder durch die Mitteilung an Dritte oder durch die konkrete Gefahr einer solchen Mitteilung.

Damit grenzt der BGH das Urheberpersönlichkeitsrecht – in Analogie zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht – bewusst ein:
Nicht jedes persönlich empfundene Unrecht ist ein rechtlich relevantes Unrecht.

4.3 Die Weitergabe der Klageschrift an eine dritte Person

Die Beklagte hatte die Klageschrift an die ehemalige Lebensgefährtin des Klägers geschickt.
Der Kläger sah darin eine Verbreitung ihrer unzutreffenden Behauptungen.

Der BGH prüfte genau:

  • Die Weiterleitung erfolgte nicht öffentlich, sondern an eine einzelne, private Person.
  • Zweck der Weiterleitung war keine Diffamierung oder öffentliche Bloßstellung, sondern sollte offenbar lediglich informativ erfolgen (im Rahmen des Streits).
  • Eine konkrete Gefahr einer weiteren Verbreitung konnte der Kläger nicht darlegen.

Folglich:
Auch diese Handlung begründete keine Verletzung des Rechts auf Anerkennung der Urheberschaft.

4.4 Keine Erstbegehungsgefahr

Der BGH stellte ferner klar, dass eine bloße Vermutung, die Beklagte könne in Zukunft ihre Behauptungen öffentlich verbreiten, nicht genügt.

Für einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch ist eine konkrete Erstbegehungsgefahr erforderlich:

  • Ernsthafte, greifbare Anhaltspunkte für eine zukünftige rechtswidrige Handlung.
  • Bloße Besorgnis oder Misstrauen reicht nicht aus.

Auch hier fehlten dem Kläger ausreichende Belege.

5. Zusammenfassung der BGH-Entscheidung

Mit Urteil vom 27. Juni 2024 (Az. I ZR 102/23) hat der Bundesgerichtshof (BGH) klargestellt, dass das Recht auf Anerkennung der Urheberschaft gemäß § 13 UrhG nicht bereits durch ein bloßes Bestreiten oder Anmaßen der Urheberschaft im rein internen Verhältnis verletzt wird. Ein rechtlich relevanter Eingriff in das Urheberpersönlichkeitsrecht setzt vielmehr eine Außenwirkung voraus – etwa durch eine Äußerung gegenüber Dritten oder durch das Entstehen einer konkreten Gefährdung der öffentlichen Wahrnehmung des Urhebers.

Die bloße Meinungsäußerung gegenüber dem tatsächlichen Urheber selbst, selbst wenn sie entschieden erfolgt, stellt noch keine Verletzung des § 13 UrhG dar, da das Gesetz primär die Wertschätzung und öffentliche Zuordnung der schöpferischen Leistung schützt. Auch die Weiterleitung einer Klageschrift an eine einzelne, private Person erfüllt nach Ansicht des Gerichts nicht die Voraussetzungen einer außenwirksamen Verletzung, solange keine Diffamierung, gezielte Publizität oder konkrete Verbreitungsgefahr erkennbar ist.

Ebenso lehnte der BGH einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch ab, da es an der erforderlichen konkreten Erstbegehungsgefahr fehlte. Allgemeine Befürchtungen reichen hierfür nicht aus.

Fazit des BGH:
Das Urheberpersönlichkeitsrecht schützt nicht vor internen Streitigkeiten oder bloßen Meinungsverschiedenheiten, sondern vor Außenwirkungen, die das öffentliche Ansehen und die Zuweisung der schöpferischen Leistung gefährden. Dadurch wird der Schutzbereich des § 13 UrhG rechtsdogmatisch präzise eingegrenzt – und einer Ausweitung auf rein subjektive Verletzungsgefühle eine klare Absage erteilt.

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