Zum Hauptinhalt springen

BFSG: Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz für mehr Barrierefreiheit

| Rechtsanwalt Frank Weiß

Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz: Rechtliche Grundlagen und Auswirkungen im Überblick

Digitale Teilhabe ist ein zentrales Element moderner Gesellschaften – doch für Millionen von Menschen mit Behinderungen sind zahlreiche Produkte und Dienstleistungen bis heute nur eingeschränkt nutzbar. Mit dem Inkrafttreten des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes (BFSG) setzt Deutschland ein klares Zeichen für mehr Inklusion und gleiche Chancen: Das Gesetz verpflichtet zahlreiche Unternehmen dazu, ihre Produkte und digitalen Angebote barrierefrei zu gestalten – vom Online-Shop über mobile Apps bis hin zu Geldautomaten.

Die rechtlichen Vorgaben basieren auf der europäischen Barrierefreiheitsrichtlinie (EU) 2019/882 und betreffen insbesondere den Bereich des elektronischen Geschäftsverkehrs. Doch welche Unternehmen müssen die neuen Anforderungen umsetzen? Welche Ausnahmen gelten? Welche Produkte und Dienstleistungen fallen konkret unter die Regelungen – und was bedeutet „barrierefrei“ im rechtlichen Sinne überhaupt? Welche Fristen gelten und welche Sanktionen drohen bei Verstößen?

In diesem Beitrag geben wir einen umfassenden Überblick über die rechtlichen Grundlagen, konkreten Anforderungen, Umsetzungsfristen sowie die praktischen Auswirkungen des BFSG. Ziel ist es, betroffene Unternehmen praxisnah über ihre Pflichten zu informieren – und zugleich die Chancen zu beleuchten, die barrierefreie Angebote mit Blick auf neue Zielgruppen, Reputation und rechtliche Sicherheit bieten.

 

Übersicht:

Was ist das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG)?
Welche Unternehmen sind vom BFSG betroffen?
Welche Unternehmen sind vom BFSG ausgenommen? 
Welche Produkte und Dienstleistungen fallen unter die Regelungen des BFSG?
Welche Dienstleistungen werden von dem Begriff „Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr“ erfasst?
Welche konkreten Anforderungen stellt das BFSG an die betroffenen Unternehmen?
Welche Dokumentations- und Nachweispflichten bestehen?
Ab wann müssen Unternehmen die Anforderungen des BFSG umsetzen?
Welche Konsequenzen drohen bei Nichteinhaltung der Vorgaben?

 

Was ist das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG)?

Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) setzt die EU-Richtlinie 2019/882 über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen in Deutschland um. Es verfolgt das Ziel, Barrieren für Menschen mit Behinderungen zu reduzieren und ihnen eine gleichberechtigte Teilhabe an Wirtschaft und Gesellschaft zu ermöglichen. Das BFSG definiert verbindliche Anforderungen an die Barrierefreiheit von bestimmten Produkten und Dienstleistungen, um sicherzustellen, dass diese für alle Menschen zugänglich und nutzbar sind.

Das Gesetz soll insbesondere technische Standards und Gestaltungsvorgaben festlegen, die Unternehmen einhalten müssen, um ihre Produkte und Dienstleistungen barrierefrei zu gestalten. Hierzu zählen digitale und physische Barrieren unter anderem in den Bereichen wie Kommunikation, Transport und Finanzdienstleistungen.

nach oben

Welche Unternehmen sind vom BFSG betroffen?

Das BFSG verpflichtet Hersteller, Händler und Importeure, die von dem BFSG erfassten Produkte in den Verkehr bringen oder vertreiben sowie Dienstleistungserbringer, die von dem  BFSG erfassten Dienstleistungen für Verbraucher bereitstellen.

nach oben

Welche Unternehmen sind von den Verpflichtungen des BFSG ausgenommen? 

Von den Verpflichtungen des BFSG sind zunächst Kleinstunternehmen, die Dienstleistungen erbringen, ausgenommen. Als Kleinstunternehmen gelten Betriebe mit weniger als 10 Beschäftigten und einem Jahresumsatz oder einer Jahresbilanzsumme von höchstens 2 Millionen Euro. Die Ausnahme gilt nur für Dienstleistungen. Kleinstunternehmen, die dem BFSG unterfallende Produkte herstellen oder vertreiben, sind von den Verpflichtungen nicht befreit.

Zusätzlich können Unternehmen, für die die Umsetzung der Barrierefreiheitsanforderungen eine unverhältnismäßige Belastung darstellen würde, eine Ausnahme beantragen. Für einen solchen Antrag ist eine detaillierte Beurteilung erforderlich, die dokumentiert und der zuständigen Marktüberwachungsbehörde vorgelegt werden muss.

nach oben

Welche Produkte und Dienstleistungen fallen unter die Regelungen des BFSG?

Zu den betroffenen Produktkategorien zählen:

  • Hardwaresysteme für Universalrechner für Verbraucher einschließlich der für diese Hardwaresysteme bestimmte Betriebssysteme (z.B. Computer und deren Betriebssysteme);
  • die folgenden Selbstbedienungsterminals:
    • Zahlungsterminals und zu diesen gehörige Hardware und Software;
    • die folgenden Selbstbedienungsterminals, die zur Erbringung der unter dieses Gesetz fallenden Dienstleistungen bestimmt sind:
      • Geldautomaten;
      • Fahrausweisautomaten;
      • Check-in-Automaten;
      • interaktive Selbstbedienungsterminals zur Bereitstellung von Informationen, mit Ausnahme von Terminals, die als integrierte Bestandteile von Fahrzeugen, Luftfahrzeugen, Schiffen oder Schienenfahrzeugen eingebaut sind;
  • Verbraucherendgeräte mit interaktivem Leistungsumfang, die für Telekommunikationsdienste verwendet werden  (z.B. Mobiltelefone und Tablets);
  • Verbraucherendgeräte mit interaktivem Leistungsumfang, die für den Zugang zu audiovisuellen Mediendiensten verwendet werden (z.B. Fernseher);
  • E-Reader und ähnliche Produkte.

 Zu den relevanten Dienstleistungen gehören:

  • Telekommunikationsdienste mit Ausnahme von Übertragungsdiensten zur Bereitstellung von Diensten der Maschine-Maschine-Kommunikation (z.B. Anbieter von Telefonie, Internetzugang und Nachrichtendiensten);
  • folgende Elemente von Personenbeförderungsdiensten im Luft-, Bus-, Schienen- und Schiffsverkehr mit Ausnahme von Stadt-, Vorort- und Regionalverkehrsdiensten, für die nur die nachfolgenden Vorgaben zu den Selbstbedienungsterminals gelten:
    • Webseiten;
    • auf Mobilgeräten angebotene Dienstleistungen, einschließlich mobiler Anwendungen;
    • elektronische Tickets und elektronische Ticketdienste;
    • die Bereitstellung von Informationen in Bezug auf den Verkehrsdienst, einschließlich Reiseinformationen in Echtzeit, bei Informationsbildschirmen allerdings nur dann, wenn es sich um interaktive Bildschirme im Hoheitsgebiet der Europäischen Union handelt
    • interaktive Selbstbedienungsterminals im Hoheitsgebiet der Europäischen Union, mit Ausnahme der Terminals, die als integrierte Bestandteile von Fahrzeugen, Luftfahrzeugen, Schiffen und Schienenfahrzeugen eingebaut sind und für die Erbringung von solchen Personenbeförderungsdiensten verwendet werden;
  • Bankdienstleistungen für Verbraucher (z.B. Online-Banking, mobile Banking-Apps, Geldautomaten);
  • E-Books und hierfür bestimmte Software;
  • Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr (z.B. Online-Shops und digitale Plattformen).

nach oben

Welche Dienstleistungen werden von dem Begriff „Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr“ erfasst?

Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) versteht unter "Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr", Dienstleistungen der Telemedien, die über Webseiten und über Anwendungen auf Mobilgeräten angeboten werden und elektronisch und auf individuelle Anfrage eines Verbrauchers im Hinblick auf den Abschluss eines Verbrauchervertrags erbracht werden.

Darunter fallen vor allem Online-Shops, in denen Verbraucher Produkte oder Dienstleistungen kaufen können. Ebenso gehören nach aktueller Auffassung auch Plattformen und Anwendungen dazu, die die Online-Buchung von Terminen ermöglichen, demnach die Vertragsschlüsse gegebenenfalls nur vorbereiten, wie etwa für Arztbesuche oder Friseurleistungen.

Entscheidend ist, dass die Angebote auf den Abschluss eines Verbrauchervertrags ausgerichtet sind. Reine Informations- oder Präsentationsseiten ohne interaktive Funktionen zum Vertragsschluss fallen nicht unter die Regelungen des BFSG.

nach oben

Welche konkreten Anforderungen stellt das BFSG an die betroffenen Unternehmen?

Die Barrierefreiheit definiert das Gesetz wie folgt:

„Produkte und Dienstleistungen sind barrierefrei, wenn sie für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind.“

Für die konkreten Anforderungen verweist das BFSG auf eine von dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen, dem Bundesministerium für Gesundheit, dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur zu erlassende Rechtsverordnung.

Die vorbezeichneten Verordnung wurde unter der Bezeichnung „Verordnung über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen nach dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz – BFSGV“ am 22.06.2022 verkündet.

In der Verordnung wird die Bundesfachstelle für Barrierefreiheit verpflichtet, auf Ihrer Webseite die wichtigsten zu beachtenden Standards für die vom BFSG betroffenen Produkte und Dienstleistungen zu veröffentlichen. Daneben regelt die Verordnung einzelne allgemeine Anforderungen an die Bereitstellung von Produktinformationen, Produktverpackungen, Anleitungen, Gestaltung von Benutzerschnittstelle, Funktionalität von Produkten sowie branchenspezifische Anforderungen an Selbstbedienungsterminals, E-Book-Lesegeräte und Verbraucherendgeräte mit interaktivem Leistungsumfang. Für die vom BFSG erfassten Dienstleistungen regelt die Verordnung allgemeine Anforderungen, z.B. legt sie für Webseiten fest, dass diese auf konsistente und angemessene Weise wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust gestaltet werden müssen. Spezielle Anforderungen gibt es auch an Dienstleistungen betreffend der Telekommunikation, Personenbeförderung, Bankdienstleistungen, E-Books und Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr (Online-Shops).   

1. Beispiel zu den Anforderungen an Informationen zum Produkt

Informationen zur Nutzung müssen, 

  • über mehr als einen sensorischen Kanal zur Verfügung gestellt werden,
  • in verständlicher Weise dargestellt werden,
  • den Verbrauchern auf eine Weise dargestellt werden, die sie wahrnehmen können und
  • in einer Schriftart mit angemessener Größe und mit geeigneter Form unter Berücksichtigung des vorhersehbaren Nutzungskontexts und mit ausreichendem Kontrast sowie ausreichenden Abständen zwischen den Buchstaben, Zeilen und Absätzen dargestellt werden.

Informationen zu den Barrierefreiheitsfunktionen des Produktes sind bei Inverkehrbringen des Produkts öffentlich verfügbar zu machen und müssen,

  • über mehr als einen sensorischen Kanal zur Verfügung gestellt werden,
  • für den Verbraucher auffindbar sein,
  • in verständlicher Weise dargestellt werden,
  • den Verbrauchern auf eine Weise dargestellt werden, die sie wahrnehmen können,
  • in einer Schriftart mit angemessener Größe und mit geeigneter Form unter Berücksichtigung des vorhersehbaren Nutzungskontexts und mit ausreichendem Kontrast sowie anpassbaren Abständen zwischen den Buchstaben, Zeilen und Absätzen dargestellt werden,
  • hinsichtlich ihres Inhalts in Textformaten zur Verfügung gestellt werden, die sich zum Generieren alternativer assistiver Formate eignen, die in unterschiedlicher Art dargestellt werden und über mehr als einen sensorischen Kanal wahrgenommen werden können,
  • mit einer alternativen Darstellung des Inhalts angeboten werden, wenn Elemente nicht-textlichen Inhalts enthalten sind,
  • eine Beschreibung der Benutzerschnittstellen des Produkts, wie Handhabung, Steuerung und Rückmeldung, Eingabe und Ausgabe enthalten, wobei die Beschreibung die in § 6 der Verordnung aufgezählten Anforderungen erfüllen muss; dabei muss in der Beschreibung jeweils angegeben werden, ob das Produkt die in § 6 der Verordnung genannten Bestandteile, Funktionen und Merkmale aufweist,
  • eine barrierefreie Beschreibung der Produktfunktionalität enthalten und dabei die in § 6 der Verordnung aufgezählten Anforderungen erfüllen; dabei muss in der Beschreibung jeweils angegeben werden, ob das Produkt die in § 6 der Verordnung genannten Bestandteile, Funktionen und Merkmale aufweist und
  • eine Beschreibung der Soft- und Hardwareschnittstelle des Produkts mit Hilfsmitteln enthalten, wobei die Beschreibung auch eine Liste derjenigen Hilfsmittel enthalten muss, die zusammen mit dem Produkt getestet wurden.

2. Beispiel zu den Anforderungen an Dienstleistungen

Dienstleistungen, die dem BFSG unterfallen, müssen zur Barrierefreiheit die nachfolgenden Vorgaben erfüllen, 

  • werden Produkte die dem BSFG unterfallen zur Erbringung der Dienstleistung verwendet, müssen diese die allgemeinen und ggf. speziellen Produktanforderungen der Verordnung erfüllen (siehe beispielswiese Ziffer 1.),
  • Informationen über die Funktionsweise der Dienstleistung müssen bereitgestellt werden, sowie für den Fall, dass für die Erbringung der Dienstleistung Produkte verwendet werden, müssen Informationen über die Verbindung der Dienstleistung zu diesen Produkten sowie über die Barrierefreiheitsmerkmale und die Interoperabilität dieser Produkte mit assistiven Technologien bereitgestellt werden und zusätzlich die folgenden Anforderungen erfüllen:
    • a) die Informationen werden über mehr als einen sensorischen Kanal bereitgestellt,
    • b) sie sind für den Verbraucher auffindbar,
    • c) sie werden in verständlicher Weise dargestellt,
    • d) sie werden den Verbrauchern auf eine Weise dargestellt, die sie wahrnehmen können,
    • e) der Informationsinhalt wird in Textformaten zur Verfügung gestellt, die sich zum Generieren alternativer assistiver Formate durch den Verbraucher eignen, die auf unterschiedliche Art dargestellt und über mehr als einen sensorischen Kanal wahrgenommen werden können,
    • f) sie werden in einer Schriftart mit angemessener Größe und mit geeigneter Form unter Berücksichtigung des vorhersehbaren Nutzungskontexts und mit ausreichendem Kontrast sowie ausreichenden Abständen zwischen den Buchstaben, Zeilen und Absätzen dargestellt,
    • g) es wird eine alternative Darstellung des Inhalts angeboten, wenn Elemente nichttextlichen Inhalts enthalten sind,
    • h) die für die Erbringung der Dienstleistung erforderlichen digitalen Informationen werden auf konsistente und angemessene Weise bereitgestellt, indem sie wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust gestaltet werden.
  • Webseiten, einschließlich der zugehörigen Online-Anwendungen und auf Mobilgeräten angebotenen Dienstleistungen, einschließlich mobiler Apps, müssen auf konsistente und angemessene Weise wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust gestaltet werden;
  • im Fall der Verfügbarkeit von Unterstützungsdiensten wie Help-Desk, Call-Center, technische Unterstützung, Relaisdienste und Schulungsdienste, müssen diese die Informationen über die Barrierefreiheit und die Kompatibilität der Dienstleistung mit assistiven Technologien mit barrierefreien Kommunikationsmitteln bereitstellen.

Dienstleistungen, die unter das BFSG fallen, müssen so gestaltet sein, dass sie für alle Menschen zugänglich und nutzbar sind. Wichtige Anforderungen umfassen:

3. Beispiel zu den Anforderungen an einen Online-Shop (Dienstleistung)

Die Vorgaben an die Dienstleistung eines Webshops, kann dann wie folgt zusammengefasst werden:

  • Online-Shops müssen auf konsistente und angemessene Weise wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust gestaltet werden;
  • Online-Shops bzw. deren Betreiber müssen 
    • a) Informationen zur Barrierefreiheit der zum Verkauf stehenden Produkte und der angebotenen Dienstleistungen bereitstellen, soweit diese Informationen vom verantwortlichen Wirtschaftsakteur (Hersteller, Einführer bzw. Dienstleister) zur Verfügung gestellt werden,
    • b) Identifizierungs-, Authentifizierungs-, Sicherheits- und Zahlungsfunktionen, wenn diese nicht in Form eines Produkts, sondern im Rahmen einer Dienstleistung bereitgestellt werden, wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust gestalten,
    • c) Identifizierungsmethoden, Authentifizierungsmethoden, elektronische Signaturen und Zahlungsdienste, wenn diese bereitgestellt werden, wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust gestalten.

Was allerdings im Sinne des Gesetzgebers als wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust zu verstehen ist, bleibt sowohl im BSFG sowie in der zugehörigen Verordnung zunächst undefiniert. Um dies in Erfahrung zu bringen, ist ein Rückgriff auf die Richtlinie (EU) 2016/2102 denkbar.

Diese legt Barrierefreiheitsanforderungen für Websites und mobile Anwendungen der öffentlichen Stellen, z.B. der Behörden, fest.

Demnach ist die

  • Wahrnehmbarkeit erfüllt, wenn die Informationen den Nutzern in einer Weise dargestellt werden, dass sie sie wahrnehmen können, z.B. Textalternativen zu Bildern; 
  • Bedienbarkeit, wenn der Nutzer die Navigation handhaben kann, z.B. Bedienbarkeit per Tastatur;
  • Verständlichkeit, wenn die Informationen und die Handhabung verständlich ist, z.B. Fehlermeldungen und Eingabehinweise für Formulare;
  • Robustheit, wenn die Inhalte zuverlässig von einer Vielfalt von Benutzeragenten, z.B. verschiedene Browser, einschließlich assistiver Technologien, interpretiert werden können.

Konkrete Anforderungen ergeben sich hieraus aber ebenfalls nicht, sodass bis zur Konkretisierung durch offizielle Leitlinien oder gerichtliche Auslegungen auf die Europäische Standard Norm EN 301 549 zurückgegriffen werden kann.

Die Norm definiert Anforderungen an die Barrierefreiheit der Informations- und Kommunikationstechnik des öffentlichen Sektors und gilt für diesen Sektor als verbindlicher Standard.

Ihre in Ziffer 9 definierten Kriterien spezifizieren die Bedeutung von Wahrnehmbarkeit, Bedienbarkeit, Verständlichkeit und Robustheit.

Beispielsweise muss zur Wahrnehmbarkeit für jeden Nicht-Text-Inhalt, der dem Nutzer oder der Nutzerin präsentiert wird, eine Text-Alternative bereitgestellt werden. Für informationstragende visuelle Videoinhalte muss zur Wahrnehmbarkeit eine Audiodeskription bereitgestellt werden. Zur Erfüllung der barrierefreien Bedienbarkeit sollte der Online-Shop auch ohne Maus - also ausschließlich mit der Tastatur - zu benutzen sein. Das Kriterium der Verständlichkeit könnte ggf. nicht erfüllt sein, wenn ein Formular, beispielsweise im Bestellablauf, eine Fehlermeldung erzeugt, ohne dass der Nutzer barrierefrei darüber informiert wird, wie der Fehler zu korrigieren ist. Für die Robustheit wäre erforderlich, dass die in der Norm vorgegebenen technischen Standards eingehalten werden, sodass die vom Nutzer ggf. eingesetzte Hilfssoftware die Nutzung des Online-Shops unterstützen kann.

nach oben

Welche Dokumentations- und Nachweispflichten bestehen?

Das BSFG verpflichtet die Wirtschaftsakteure zu unterschiedlichen Dokumentation- und Nachweispflichten. 

1. Hersteller:

  • Technische Dokumentation gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 BFSG: Erstellung und Aufbewahrung für fünf Jahre nach Inverkehrbringen des Produkts.
  • Konformitätsbewertungsverfahren gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 BFSG: Durchführung zur Sicherstellung der Übereinstimmung mit den Barrierefreiheitsanforderungen.
  • EU-Konformitätserklärung gemäß § 18 BFSG: Ausstellung und Aufbewahrung für fünf Jahre.
  • CE-Kennzeichnung gemäß § 19 BFSG: Anbringung der CE-Kennzeichnung auf dem Produkt.
  • Kennzeichnungs- und Informationspflichten gemäß § 7 BFSG: Angabe von Typen-, Chargen- oder Seriennummer sowie Name und Kontaktanschrift auf dem Produkt; Beifügung von Gebrauchsanleitung und Sicherheitsinformationen in deutscher Sprache.

2. Einführer:

  • Kennzeichnungs- und Informationspflichten nach § 10 BFSG: Angabe eigener Kontaktdaten auf dem Produkt; Beifügung von Gebrauchsanleitung und Sicherheitsinformationen in deutscher Sprache.
  • Dokumentationspflichten nach § 10 BFSG: Aufbewahrung einer Kopie der EU-Konformitätserklärung für fünf Jahre.

3. Dienstleistungserbringer:

  • Barrierefreiheitserklärung gemäß § 14 BFSG: Angabe in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder auf andere deutlich wahrnehmbare Weise, wie die Dienstleistung die Barrierefreiheitsanforderungen erfüllt.
  • Dokumentationspflichten: Aufbewahrung der Barrierefreiheitserklärung und zugehöriger Informationen für die Dauer der Dienstleistungserbringung.

nach oben

Ab wann müssen Unternehmen die Anforderungen des BFSG umsetzen?

Die Anforderungen des BFSG treten zum 28. Juni 2025 in Kraft. Ab diesem Datum müssen alle betroffenen Produkte und Dienstleistungen, die unter das Gesetz fallen, den  Barrierefreiheitsanforderungen entsprechen. Übergangsfristen gibt es nur für Dienstleistungserbringer, die ihre Dienstleistungen mit Produkten erbringen, die sie vor dem 28.06.2025 schon rechtmäßig eingesetzt haben. Diese Dienstleister dürfen ihre Dienstleistungen mit diesen Produkten bis längstens den 27.06.2030 erbringen, ohne die Vorgaben des BFSG beachten zu müssen. Eine Sonderübergangsfrist gibt es zudem für sog. Selbstbedienungsterminals, beispielsweise Fahrkarten- oder Bankautomaten, die vor dem 28.06.2025 schon genutzt werden. Diese Terminals dürfen bis zum Ende ihrer wirtschaftlichen Nutzungsdauer, aber nicht länger als 15 Jahre nach ihrer Ingebrauchnahme, ohne Einhaltung des BFSG eingesetzt werden.

nach oben

Welche Konsequenzen drohen bei Nichteinhaltung der Vorgaben?

Die gemeinsame Marktüberwachungsbehörde (MLBF) mit Sitz in Magdeburg fungiert als „Wächter“ für die Einhaltung der Bestimmungen des BFSG durch die betroffenen Wirtschaftsakteure.

Das Verfahren bei einer Nichtumsetzung der Barrierefreiheitsanforderungen ist klar definiert. Falls die Marktüberwachungsbehörde aufgrund einer Beschwerde oder eigener Kontrollen den Verdacht hat, dass ein Produkt oder eine Dienstleistung die Barrierefreiheitsanforderungen nicht erfüllt, wird zunächst geprüft, ob dies tatsächlich zutrifft. Sollte sich herausstellen, dass die Anforderungen nicht erfüllt sind, fordert die Behörde den betreffenden Wirtschaftsakteur zunächst auf, die Barrierefreiheit des Produkts oder der Dienstleistung herzustellen.

Wenn der Wirtschaftsakteur dieser Aufforderung nicht nachkommt, stehen der Marktüberwachungsbehörde mehrere Maßnahmen zur Verfügung. Sie kann die Bereitstellung des Produkts auf dem deutschen Markt einschränken, gänzlich untersagen oder eine Rücknahme beziehungsweise einen Rückruf des Produkts anordnen.

Im Fall von Dienstleistungen, wie etwa bei einem Online-Shop, wird der Wirtschaftsakteur bei unzureichender Barrierefreiheit nach der ersten Aufforderung erneut aufgefordert, die Konformität herzustellen. Sollte er auch dieser Aufforderung nicht nachkommen, kann die Marktüberwachungsbehörde die Einstellung der Dienstleistungserbringung anordnen.

Neben den Maßnahmen zur Herstellung der Barrierefreiheit kann die Marktüberwachungsbehörde zudem ein Bußgeld verhängen. Verstöße können mit einem Bußgeld von bis zu 100.000 Euro belegt werden. In § 36 BFSG ist ein Katalog der Pflichtverstöße aufgeführt, bei denen ein Bußgeld verhängt werden kann.

Zudem sollte beachtet werden, dass eine fehlende Barrierefreiheit trotz der Verpflichtung aus dem BFSG auch zu einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung führen kann, entweder durch einen Konkurrenten oder durch zugelassene Verbände. Grundlage für solche Abmahnungen ist das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).

nach oben

Ansprechpartner

Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Andere über uns

WEB CHECK SCHUTZ

Gestalten Sie Ihre Internetseite / Ihren Onlineshop rechts- und abmahnsicher.

WEB CHECK Schutzpakete der Anwaltskanzlei Weiß & Partner

Erfahren Sie mehr über die Schutzpakete der Anwaltskanzlei Weiß & Partner für die rechtssichere Gestaltung Ihrer Internetpräsenzen.

Cyber-Sicherheit

Webpräsenz der Allianz für Cyber-Sicherheit

Aktuelles

| Rechtsanwalt Frank Weiß | Aktuell
I. Einleitung: Greenwashing im Fokus der Justiz Wer als Unternehmen mit Begriffen wie „nachhaltig“, „klimaneutral“ oder „CO₂-neutral“ wirbt, verspricht mehr als nur ein gutes Gew…
| Rechtsanwalt Frank Weiß | Aktuell
Am 13. September 2024 hat das österreichische Bundesverwaltungsgericht (BVwG) unter dem Aktenzeichen W298 2274626-1/8E eine richtungsweisende Entscheidung zur datenschutzrechtlich…
| Rechtsanwalt Frank Weiß | Aktuell
Der Online-Handel mit Biozid-Produkten unterliegt strengen gesetzlichen Vorgaben. Ein aktuelles Urteil des Landgerichts Trier (Urt. v. 25.10.2024 – Az. 7 HK O 44/24) verdeutlicht…
| Rechtsanwalt Frank Weiß | Aktuell
1. Der Fall „Katze NÖ“ – Hintergrund und Sachverhalt Die Klägerin ist Grafikdesignerin und Illustratorin. Im Jahr 2021 entwarf sie eine stilisierte Comic-Zeichnung einer Katze, d…