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Bahn darf keine Pflicht zur Angabe von E-Mail oder Handynummer verlangen

| Rechtsanwalt Frank Weiß

Wer bei der Deutschen Bahn ein günstiges „Sparpreis“- oder „Super-Sparpreis“-Ticket buchen wollte, musste bisher entweder seine E-Mail-Adresse oder Handynummer preisgeben – selbst am Bahnhofsschalter. Doch damit ist jetzt Schluss. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat in einem vielbeachteten Urteil vom 10. Juli 2025 (Az. 6 UKl 14/24) entschieden: Die Bahn darf den Ticketkauf nicht mehr von der Angabe solcher personenbezogenen Daten abhängig machen. Das Urteil stärkt den Datenschutz und setzt ein deutliches Signal an Unternehmen, die unnötig Daten erheben.

 

Worum ging es konkret?

Die Deutsche Bahn Fernverkehr AG bietet unterschiedliche Vertriebswege für ihre Fahrkarten an: Online, per App, telefonisch, am Automaten oder am klassischen Schalter. Doch ausgerechnet die besonders günstigen „Spar“- und „Super-Sparpreistickets“ waren bis Ende 2024 ausschließlich digital erhältlich – also nicht etwa am Automaten, sondern nur online, über die App, per Hotline oder am Schalter. Und das hatte einen Haken: Wer ein solches Ticket erwerben wollte, musste zwingend seine E-Mail-Adresse oder seine Handynummer angeben.

Diese Daten wurden genutzt, um dem Kunden das digitale Ticket oder eine Auftragsnummer zukommen zu lassen. Ohne digitale Erreichbarkeit – kein günstiges Ticket. Eine analoge Alternative existierte nicht.

Ein Verbraucherschutzverband klagte gegen dieses Vorgehen – mit Erfolg.

Die Entscheidung des OLG Frankfurt: Ein Sieg für den Datenschutz

Das OLG Frankfurt erklärte die Praxis der Deutschen Bahn für rechtswidrig. Zur Begründung berief sich das Gericht ausdrücklich auf die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) – genauer gesagt auf die Frage der „Erforderlichkeit“ der Datenverarbeitung zur Vertragserfüllung (Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO).

Kein Ticket ohne Telefonnummer oder E-Mail? Unzulässig!

Zentraler Punkt der Entscheidung war: Die Verarbeitung von E-Mail-Adresse oder Handynummer ist nicht erforderlich, um ein Ticket zu kaufen. Das Ziel des Kunden sei es, eine Bahnfahrkarte zu erwerben – nicht, digital kontaktiert zu werden. Ob das Ticket nun auf Papier oder digital vorliegt, sei für den Vertragszweck zweitrangig.

Das Gericht machte deutlich:

„Kundinnen und Kunden möchten zu einem günstigen Preis mit der Bahn an einem bestimmten Tag von A nach B fahren. Dafür wird der Fahrpreis gezahlt.“

Der Zweck der Datenverarbeitung – etwa um den digitalen Ticketversand zu ermöglichen – diene in erster Linie internen Interessen der Bahn, z.B. der Kundenbindung, Werbung oder der Verhaltensanalyse. Das ist datenschutzrechtlich nicht zulässig, wenn der Erwerb eines günstigen Tickets davon abhängig gemacht wird.

Auch keine wirksame Einwilligung

Die Bahn konnte sich auch nicht auf eine Einwilligung der Kunden berufen. Denn eine Einwilligung muss nach der DSGVO freiwillig erfolgen. Genau daran fehle es hier, so das OLG:

„Die Verbraucher hatten keine echte oder freie Wahl. Vielmehr hat die Beklagte die Vertragserfüllung von der Einwilligung abhängig gemacht.“

Besonders schwer wiege dies, weil die Deutsche Bahn im Fernverkehr faktisch marktbeherrschend sei. Verbraucher könnten kaum auf alternative Anbieter ausweichen.

Auch keine berechtigten Interessen der Bahn

Zudem scheiterte die Datenverarbeitung auch an einer Interessenabwägung gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO. Denn selbst wenn die Bahn ein berechtigtes Interesse an der Nutzung digitaler Kommunikationswege habe, müsse immer die mildeste Maßnahme gewählt werden. Und hier gelte:

„Der Verantwortliche muss den Prozess für den Zugang zu seinen Leistungen so gestalten, dass möglichst wenige personenbezogene Daten verarbeitet werden.“

Die Bahn hätte also auch alternative Wege wählen können – etwa durch Papierausdrucke am Schalter oder Automaten, ohne dabei auf digitale Kontaktdaten zurückgreifen zu müssen.

Entscheidung mit Signalwirkung

Das Urteil des OLG Frankfurt ist nicht anfechtbar – ein Umstand, der es besonders bedeutsam macht. Unternehmen im digitalen Geschäftsverkehr sollten nun genau hinsehen, welche Daten sie tatsächlich zwingend benötigen – und welche sie bloß „aus Effizienzgründen“ oder zur Marketingoptimierung abfragen.

Was bedeutet das Urteil für Sie als Verbraucher?

Für Bahnreisende ist das Urteil ein echter Durchbruch:

  • Sie dürfen künftig nicht mehr gezwungen werden, persönliche Kontaktdaten anzugeben, wenn Sie ein günstiges Ticket kaufen möchten.
  • Auch offline – also am Schalter – muss es eine Möglichkeit geben, Tickets ohne digitale Zwänge zu erwerben.
  • Der Grundsatz „Datensparsamkeit“ der DSGVO wurde hier eindrucksvoll bestätigt.

Was bedeutet das Urteil für Unternehmen?

Die Entscheidung zeigt sehr deutlich: Es reicht nicht aus, Daten „praktisch“ oder „nützlich“ zu finden – sie müssen unbedingt erforderlich sein. Gerade Unternehmen mit marktstarker Stellung müssen beim Datenschutz besonders sorgsam agieren.

Die Kernaussagen lassen sich auch auf andere Geschäftsmodelle übertragen:

  • Pflicht zur Telefonnummer für Terminbuchungen? Nur erlaubt, wenn wirklich nötig.
  • Pflicht zur E-Mail für den Zugang zu Dienstleistungen? Nicht, wenn der Dienst auch analog funktionieren könnte.
  • Verknüpfung von Rabatten mit Datenerhebung? Problematisch, wenn keine echte Wahl besteht.

Fazit: Datenschutz ist kein Nice-to-have – sondern Pflicht

Mit seinem Urteil setzt das OLG Frankfurt ein klares Zeichen für Verbraucherschutz und informationelle Selbstbestimmung. Die Bahn muss künftig auch ohne digitale Daten Tickets verkaufen – ein Erfolg für alle, die selbst entscheiden wollen, welche Informationen sie preisgeben.

Für Sie als Verbraucher heißt das: Sie haben ein Recht auf Bahnfahren – auch ohne Handynummer oder E-Mail-Adresse. Und für Unternehmen gilt: Nur weil etwas technisch möglich ist, heißt das noch lange nicht, dass es auch rechtlich zulässig ist.

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