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Ausschluss des Widerrufsrechts auch bei noch nicht begonnener Herstellung

Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 21.10.2020, Az. C-529/19
| Rechtsanwalt Frank Weiß

Sofern ein Verbraucher spezielle Wünsche hat und die Ware nach diesen anfertigen lässt, hat dies Auswirkungen auf das Widerrufsrecht. Doch wie ist die Lage zu beurteilen, wenn der Unternehmer noch nicht mit der Herstellung begonnen hat? Mit dieser Frage hat sich der Europäische Gerichtshof auseinandergesetzt und entschieden, dass ein Verbraucher, der außerhalb von Geschäftsräumen einen Kaufvertrag über eine Ware geschlossen hat, in einem solchen Fall den Vertrag nicht widerrufen kann.



Hintergrund
Die Beklagte hatte auf einer gewerblichen Messe eine Einbauküche bestellt, und zwar mit einigen auf sie zugeschnittenen Veränderungen. Sodann hat sie den Vertrag innerhalb der 14-Tage-Frist für Verträge im Fernabsatz widerrufen. In Folge dessen und der Weigerung, die Küche bei Fertigstellung abzunehmen, hat die Klägerin beim Amtsgericht Potsdam eine Schadensersatzklage wegen Nichterfüllung des in Rede stehenden Vertrags erhoben. Zum Zeitpunkt des Widerrufs war mit der Herstellung der Teile, aus denen die Küche bestehen sollte, noch nicht begonnen worden.

Unklarheit bei noch nicht begonnener Herstellung
In Rede stand die EU-Richtlinie 2011/83 über die Rechte der Verbraucher, die u.a. durch § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB umgesetzt wird. Diese besagt, dass Verträge, die im Fernabsatz oder außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen worden sind, grundsätzlich binnen 14 Tagen ohne Angabe von Gründen widerrufen werden können. Dieses Widerrufsrecht ist jedoch bei Waren ausgeschlossen, die nach Kundenspezifikation angefertigt werden oder eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind.

Vorabentscheidungsfrage
Das Amtsgericht hat dem EuGH in seinem Vorabentscheidungsersuchen die Frage gestellt, ob dieser Ausschluss bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen auch dann gilt, wenn die Ware zwar nach Kundenspezifikation herzustellen ist, mit der Herstellung aber noch nicht begonnen wurde, beziehungsweise Änderungen leicht rückgängig gemacht werden können.

EuGH: Ausschluss des Widerrufsrechts
Der EuGH hat sich mit der Frage auseinandergesetzt und dazu Stellung genommen. Die Richtlinie sei dahingehend auszulegen, dass die Ausnahme vom dort geregelten Widerrufsrecht einem Verbraucher, der außerhalb von Geschäftsräumen einen Kaufvertrag über eine Ware geschlossen hat, die nach seinen Spezifikationen herzustellen ist, unabhängig davon entgegengehalten werden kann, ob der Unternehmer mit deren Herstellung begonnen hat oder nicht.
Was den konkreten Fall, also den Messekauf angeht, hat der EuGH ganz allgemein darauf hingewiesen, dass ein Stand auf einer solchen Messe als Geschäftsraum angesehen werden könnte. Als "außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossen" könne der Vertrag dann angesehen werden, wenn er zwar auf einer Messe, nicht aber an einem dortigen Stand abgeschlossen worden wäre. Dann würde grundsätzlich ein 14-tägiges Widerrufsrecht bestehen. Das Amtsgericht werde für den vorliegenden Fall nun zu prüfen haben, ob überhaupt ein "außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossener Vertrag" vorliege.

Widerrufsrecht im konkreten Fall widerspräche dem Ziel der Richtlinie
Die Richter führten weiter aus, dass die in der Richtlinie vorgesehene Ausnahme vom Widerrufsrecht unabhängig des Falles gelte, ob der Unternehmer bereits mit der Herstellung begonnen habe oder nicht. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut und dem Regelungszusammenhang. Darüber hinaus entspreche dies aber gerade dem Ziel der Richtlinie, die Rechtssicherheit zu erhöhen. Das Bestehen oder der Ausschluss des Widerrufsrechts dürfe nicht vom Fortschritt der Vertragserfüllung abhängig gemacht werden, über den der Verbraucher üblicherweise ohnehin nicht informiert werde. Damit habe er hierauf erst recht keinen Einfluss.

Auswirkungen der Entscheidung
Ob überhaupt ein "außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossener Vertrag" vorliegt, hat nun das Amtsgericht Potsdam zu entscheiden, sodass die Sache mit der Vorabentscheidung des EuGH noch nicht abschließend geklärt war. Die Entscheidung des EuGH hat jedenfalls auch Auswirkungen auf Online-Kaufverträge, bei denen der Käufer seine individuellen Wünsche im Hinblick auf die noch zu fertigende Ware äußert.

Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 21.10.2020, Az. C-529/19

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