Auch Zufriedenheitsgarantie ist Garantie nach § 479 BGB

Zufriedenheitsgarantien gehören zu den beliebtesten Werbemitteln im Online-Handel. „Wenn Sie nicht zufrieden sind, schicken Sie den Artikel einfach zurück“ – klingt unkompliziert und kundenfreundlich. Doch was als freiwilliger Service erscheint, kann rechtlich weitreichende Folgen haben. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit Urteil vom 28.09.2023 entschieden, dass auch solche Zufriedenheitsgarantien als gewerbliche Garantie im Sinne des § 479 BGB (und Art. 2 Nr. 14 der Verbraucherrechte-Richtlinie 2011/83/EU) gelten – und damit strengen Informationspflichten unterliegen.
Der rechtliche Rahmen: § 479 BGB und die EU-Richtlinie
§ 479 BGB – Mindestanforderungen an Garantieerklärungen
Der deutsche Gesetzgeber verlangt in § 479 BGB von Unternehmern, die eine Garantie gegenüber Verbrauchern erklären, unter anderem:
- Hinweis, dass die gesetzlichen Mängelrechte unberührt bleiben,
- Inhalt der Garantie: was genau wird versprochen?
- Dauer der Garantie,
- Verfahren zur Geltendmachung,
- Name und Anschrift des Garantiegebers,
- Form: Die Erklärung muss auf einem dauerhaften Datenträger vorliegen (z. B. E-Mail, Papier).
Art. 2 Nr. 14 der RL 2011/83/EU
Dort ist der Begriff der „gewerblichen Garantie“ wie folgt definiert:
„jede dem Verbraucher vom Unternehmer zusätzlich zu den gesetzlichen Verpflichtungen eingeräumte Verpflichtung (...), nach der dem Verbraucher im Falle der Nichtübereinstimmung mit der Vertragsvereinbarung eine Rückerstattung des gezahlten Preises, ein Ersatz oder eine Reparatur der Waren gewährt wird, ohne dass dies zusätzliche Kosten für den Verbraucher verursacht.“
Der Fall: LACD GmbH gegen BB Sport GmbH & Co. KG
Die Garantieaussage
Die LACD GmbH warb mit folgender Garantie auf ihren Produkten:
„Jedes LACD-Produkt ist mit unserer eigenen lebenslangen Garantie ausgestattet. Wenn Sie mit einem unserer Produkte nicht voll und ganz zufrieden sind, schicken Sie es bitte an den Händler zurück, bei dem Sie es erworben haben. Sie können es auch direkt an ‚LACD‘ zurückschicken, aber vergessen Sie nicht, uns mitzuteilen, wo und wann Sie es gekauft haben.“
Die Beanstandung
Die BB Sport GmbH & Co. KG, ein Mitbewerber, mahnte ab. Begründung:
- Die Garantie stelle eine gewerbliche Garantie i.S.d. § 479 BGB dar.
- Die Pflichtangaben fehlten vollständig: Keine Infos über Dauer, Umfang, Gesetzesvorbehalt etc.
- Es liege ein Wettbewerbsverstoß gem. § 3a UWG i.V.m. § 479 BGB vor.
Die deutsche Instanz (OLG München) legte den Fall dem EuGH vor, da es sich um die Auslegung unionsrechtlicher Vorschriften handelt.
Die Entscheidung des EuGH (C-133/22 vom 28.09.2023)
Die zentrale Frage
Fällt eine Zufriedenheitsgarantie, die sich nicht auf Mängel, sondern auf das subjektive Empfinden des Käufers bezieht, unter den Begriff der „gewerblichen Garantie“ im Sinne der Verbraucherrechte-Richtlinie?
Die Antwort des EuGH: Ja – auch subjektive Zufriedenheitsgarantien sind Garantien
Der EuGH antwortet:
„Art. 2 Nr. 14 der Richtlinie 2011/83 ist dahin auszulegen, dass der Begriff ‚gewerbliche Garantie‘ auch eine Verpflichtung umfasst, die sich auf in der Person des Verbrauchers liegende Umstände wie seine Zufriedenheit mit der erworbenen Ware bezieht, ohne dass das Vorliegen dieser Umstände objektiv geprüft werden müsste.“
Entscheidungsgründe im Detail
- Weite Auslegung der Garantie: Die Definition in Art. 2 Nr. 14 ist nicht auf Mängel beschränkt, sondern erfasst jede zusätzliche Leistungspflicht.
- Subjektivität ist kein Ausschlusskriterium: Auch wenn die Zufriedenheit des Kunden nicht objektiv überprüfbar ist, liegt eine Garantie vor.
- Wille des Garantiegebers entscheidend: Entscheidend ist, dass das Unternehmen eine Verpflichtung gegenüber dem Verbraucher übernimmt – unabhängig davon, ob sie sich auf technische Eigenschaften oder subjektives Empfinden bezieht.
- Ziel: Schutz des Verbrauchers: Der Verbraucher soll durch die Informationspflichten vor unzureichenden oder missverständlichen Garantieversprechen geschützt werden.
Bedeutung für § 479 BGB und die deutsche Praxis
§ 479 BGB gilt auch für Zufriedenheitsgarantien
Das Urteil bedeutet: Auch subjektiv begründete Zufriedenheitsgarantien müssen die Anforderungen des § 479 BGB erfüllen – also dieselben Informationspflichten wie produktbezogene Garantien bei Mängeln.
Praktische Folgen für Unternehmen
Unternehmen, die mit Slogans wie „100 % zufrieden oder Geld zurück“ werben, müssen künftig:
- Die gesetzlich vorgeschriebenen Garantieinformationen beifügen,
- In der Werbung oder spätestens bei Lieferung auf einem dauerhaften Datenträger (z. B. Garantiekarte, E-Mail) informieren,
- Klarstellen, dass die gesetzlichen Mängelrechte unabhängig davon weiter gelten.
Abmahnrisiko durch Wettbewerber
Ein Verstoß gegen § 479 BGB kann gleichzeitig ein Wettbewerbsverstoß nach § 3a UWG darstellen – das heißt:
- Abmahnung durch Mitbewerber oder Verbraucherzentralen,
- Unterlassungsanspruch und Kostenerstattungspflicht.
Fazit
Mit seinem Urteil in der Rechtssache C-133/22 hat der EuGH klargestellt, dass auch sogenannte Zufriedenheitsgarantien rechtlich als gewerbliche Garantien im Sinne des europäischen Verbraucherrechts zu behandeln sind. Diese Entscheidung hat enorme Auswirkungen für die Praxis im Online- und Einzelhandel:
- Wer solche Garantien anbietet, kann sich nicht mehr auf die Freiwilligkeit berufen, sondern muss die strengen Informationspflichten nach § 479 BGB beachten.
- Der Begriff der Garantie wird damit nicht vom Gegenstand (z. B. Funktion, Haltbarkeit), sondern vom Inhalt der Versprechens bestimmt.
Praxistipp für Unternehmer:
Wenn Sie weiterhin mit einer Zufriedenheitsgarantie werben möchten:
✅ Ergänzen Sie Ihre Werbetexte um alle Pflichtinformationen nach § 479 BGB
✅ Stellen Sie eine Garantieerklärung auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung
✅ Trennen Sie klar zwischen gesetzlicher Gewährleistung und zusätzlicher Garantie
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