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Auch Rückrufkosten können unter § 945 ZPO fallen

BGH, Urteil vom 19.11.2015, Az. I ZR 109/14
| Rechtsanwalt Frank Weiß

Mit Urteil vom 19.11.2015 bestätigte der BGH, dass und unter welchen Voraussetzungen ein Marktteilnehmer, der eine einstweilige Verfügung beantragt, dem Betroffenen gegenüber zu Schadensersatz verpflichtet ist, wenn die einstweilige Verfügung von Anfang an ungerechtfertigt war.

Beklagte und Klägerin handeln mit Wärmepantoffeln. Da die Beklagte die Wärmepantoffeln der Klägerin für unlautere Nachahmungen ihres Produkts hielt, beantragte sie eine einstweilige Verfügung gegen die Klägerin, die mit Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 7. Dezember 2010 und folgendem Inhalt erging: Der Klägerin wurde unter Androhung von Ordnungsmitteln verboten, "Fußwärmer [wie nun beschrieben] im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs anzubieten, ..." Die einstweilige Verfügung wurde auf Widerspruch der Klägerin mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Hamburg vom 16. Februar 2011 aufgehoben.

Die Klägerin beantragte vor dem LG Osnabrück Ersatz des Schadens, der ihr durch Vollziehung der am 7. Dezember 2010 ergangenen, später wieder aufgehobenen einstweiligen Verfügung des Landgerichts Hamburg entstand. Der Schaden ergebe sich aus der Rückholung von bereits an den Groß- und Einzelhandel ausgelieferter Ware und dem Umstand, dass erhebliche Mengen an Wärmepantoffeln [aufgrund der einstweiligen Verfügung] nicht hätten verkauft werden können. Die Klägerin beantragte, die Beklagten zur Zahlung eines Betrages von 107.434,50 EUR zu verurteilen und die Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz des darüber hinausgehenden Schadens und der Erstattung vorgerichtlicher Kosten festzustellen.

Das LG Osnabrück sprach der Klägerin für die bis Erlass und Zustellung der einstweiligen Verfügung noch nicht verkauften Wärmepantoffeln Schadensersatz in Höhe von 9.212,00 EUR nebst Zinsen zu und wies die Klage im Übrigen ab. Beklagte und Klägerin gingen in Berufung, am 29.04.2014 hat das Berufungsgericht OLG Oldenburg unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin die Klage insgesamt abgewiesen.

Das Berufungsgericht hat einen Schadensersatzanspruch gemäß § 945 ZPO verneint, weil die einstweilige Verfügung nicht hätte aufgehoben werden dürfen. Der Beklagten habe ein Unterlassungsanspruch gegen die Klägerin gemäß §§ 8, 3, 4 Nr. 9 a UWG zugestanden, weil die ... Pantoffeln der Beklagten aufgrund ihrer typischen Gestaltung wettbewerblich eigenartig seien und am Vorliegen einer Herkunftstäuschung keine ernsthaften Zweifel bestehen könnten. Die Klägerin verfolgte ihre Klageanträge per Revision weiter, die Beklagte beantragte Zurückweisung der Revision.

Der BGH hob das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 29. April 2014 auf die Revision der Klägerin auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück:

- Mit der vom Berufungsgericht vorgelegten Begründung könne ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte nicht verneint werden.
- Die Partei, die eine von Anfang an ungerechtfertigte einstweilige Verfügung erwirkt, ist nach § 945 Fall 1 ZPO verpflichtet, dem Gegner den aus der Vollziehung dieser einstweiligen Verfügung entstehenden Schaden zu ersetzen.
- Die einstweilige Verfügung vom 7. Dezember 2010 sei von Anfang an ungerechtfertigt gewesen.
- Die Aufhebung der einstweiligen Verfügung mit Urteil vom 16. Februar 2011 sei zu Recht erfolgt.
- Nach § 4 Nr. 9 UWG sei Vertrieb einer Nachahmung nur wettbewerbswidrig, wenn das nachgeahmte Produkt wettbewerbliche Eigenart aufweist. Wettbewerbliche Eigenart weist ein Produkt auf, wenn seine konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale geeignet sind, interessierte Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder Besonderheiten hinzuweisen. Sie fehle, wenn der angesprochene Verkehr die prägenden Gestaltungsmerkmale des Erzeugnisses nicht (mehr) einem bestimmten Hersteller oder einer bestimmten Ware zuordne. Die zu beurteilenden "Hot Sox" der Beklagten würden vom angesprochenen Verkehr als "Wärmeschuhe" wahrgenommen, ohne dass es auf Herkunft von einem bestimmten Hersteller oder Vorliegen einer ganz bestimmten Ware ankomme, wettbewerbliche Eigenart und damit Wettbewerbswidrigkeit i.S.d. § 4 Nr. 9 UWG lägen nicht vor, der Antrag auf einstweilige Verfügung war von Anfang ungerechtfertigt.
- Ein Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1, §§ 3, 5 Abs. 2 UWG scheitere an Verwechslungsgefahr der "Hot Sox" mit der Ware der Beklagten

BGH, Urteil vom 19.11.2015, Az. I ZR 109/14

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