Auch für DSGVO-Klagen - Anwaltspflicht ab Landgericht
Datenschutzklagen sind längst Alltag. Was viele übersehen: Vor deutschen Gerichten gelten auch bei DSGVO-Verfahren die ganz normalen zivilprozessualen Regeln. Das betrifft insbesondere den Anwaltszwang ab dem Landgericht. Wer hier falsch abbiegt, riskiert die Unzulässigkeit eines Rechtsmittels, verlorene Zeit und zusätzliche Kosten. Eine aktuelle höchstrichterliche Entscheidung bestätigt diese Linie und bringt praxisnahe Klarheit.
Rechtlicher Rahmen in Kürze
ZPO statt Sonderweg
Die DSGVO eröffnet Betroffenen materielle Ansprüche und prozedurale Wege. Sie hebt die prozessualen Spielregeln jedoch nicht auf. Maßgeblich bleiben die Vorschriften der ZPO. Das bedeutet: Vor Amtsgerichten können Sie sich in Zivilsachen grundsätzlich selbst vertreten. Ab dem Landgericht und vor dem Oberlandesgericht ist die Vertretung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt erforderlich.
Art. 80 DSGVO richtig verstehen
Art. 80 Abs. 1 DSGVO erlaubt es qualifizierten Einrichtungen, im Namen der betroffenen Person Beschwerden einzureichen und die in Art. 77, 78 und 79 DSGVO genannten Rechte wahrzunehmen sowie – sofern dies im Recht der Mitgliedstaaten vorgesehen ist – auch Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO geltend zu machen. Eine eigene Postulationsfähigkeit vor Land- und Oberlandesgerichten vermittelt Art. 80 Abs. 1 DSGVO nicht; der Anwaltszwang nach § 78 Abs. 1 S. 1 ZPO bleibt unverändert. Organisationen können begleiten, koordinieren und vorbereiten, die Prozesshandlung vor LG/OLG muss jedoch anwaltlich erfolgen.
Der entschiedene Fall – Sachverhalt detailliert
Ausgangspunkt vor dem Amtsgericht
In einer familienrechtlichen Streitigkeit beauftragte das Amtsgericht Sonneberg einen Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie mit einem vorläufigen familienpsychologischen Sachverständigengutachten. Die Betroffene klagte auf Grundlage von Art. 79 DSGVO gegen die Datenverarbeitung; das Amtsgericht wies die Klage mit Urteil vom 16. Januar 2025 (Az.: 5 C 171/24) ab.
Der Schritt zum Landgericht – und der zentrale Fehler
Gegen das Urteil legte die Betroffene Berufung zum Landgericht ein. Sie trat dort nicht mit anwaltlicher Vertretung auf, sondern ließ sich von einem eingetragenen Verein vertreten. Das Landgericht Meiningen verwarf die Berufung mit Beschluss vom 17. März 2025 (Az.: 3 S 9/25) gemäß § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig, weil die Klägerin nicht anwaltlich vertreten war und der auftretende ‚A. e. V.‘ vor dem Landgericht nicht postulationsfähig ist.
Vor dem Bundesgerichtshof: Prozesskostenhilfe scheitert
Die Klägerin beantragte beim Bundesgerichtshof Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Rechtsbeschwerde gegen den Verwerfungsbeschluss und die Beiordnung eines Rechtsanwalts am Bundesgerichtshof. Der BGH (Beschl. v. 15.09.2025 - Az.: I ZB 36/25) lehnte den Antrag insgesamt ab, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Erfolgsaussicht bot. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung habe keine hinreichende Erfolgsaussicht, weil die Berufung bereits formell unzulässig gewesen sei. Damit fehlte es an der Grundlage für PKH. Die Argumentation, eine Organisation dürfe die Vertretung übernehmen, überzeugte den BGH nicht.
Die Entscheidungsgründe – was der BGH klarstellt
Anwaltszwang ab LG bleibt maßgeblich
Der BGH betont, dass § 78 Abs. 1 Satz 1 ZPO den Anwaltszwang vor LG und OLG unberührt lässt. Art. 80 Abs. 1 DSGVO ändere daran nichts. Die Vorschrift erlaube Organisationen zwar, im Namen der betroffenen Person Rechte geltend zu machen, sie verleihe jedoch keine Postulationsfähigkeit vor Gerichten, an denen Anwaltszwang gilt. Die Gerichtsregeln bleiben einzuhalten.
Keine grundsätzliche Bedeutung – klare Linie in Rechtsprechung und Literatur
Der BGH sieht keine Frage grundsätzlicher Bedeutung, da der Wortlaut des Art. 80 Abs. 1 DSGVO eindeutig ist und die nahezu einhellige Auffassung in Rechtsprechung und Literatur dies bestätigt. Aus der von der Klägerin angeführten Entscheidung des LG Meiningen vom 25. Juni 2025 (4 T 63/25) zur Postulationsfähigkeit im Parteiprozess nach § 79 Abs. 2 ZPO ergibt sich nichts anderes. Der Wortlaut des Art. 80 Abs. 1 DSGVO und die weit überwiegende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur sprechen dafür, dass die Norm nur eine Bevollmächtigung im fremden Namen regelt, nicht aber die formale Vertretungsbefugnis vor den Gerichten des Anwaltsprozesses.
Rechtsschutzgleichheit bleibt gewahrt
Auch verfassungsrechtliche Erwägungen tragen keine andere Bewertung: Die aus Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG hergeleitete Rechtsschutzgleichheit gebietet nicht, die Erfolgsaussichten zu bejahen oder PKH zu gewähren. Das Erfordernis dient Verfahrenssicherheit und qualifizierter Rechtsdurchdringung – gerade in komplexen Materien wie dem Datenschutzrecht.
Einordnung: Was heißt das für Ihre Strategie in DSGVO-Verfahren?
Unterstützung ja – Prozessvertretung durch den Anwalt
Organisationen, Verbände und Vereine können wertvolle Partner sein: Beratung, Fallaufbereitung, Dokumentenmanagement, Koordination von Betroffenen. Prozesshandlungen vor LG/OLG müssen jedoch über Ihre Anwältin oder Ihren Anwalt laufen. Das ist kein Nachteil, sondern erhöht die Prozessqualität und minimiert Formrisiken.
Fazit
Die Linie ist klar und für Ihre Prozessstrategie entscheidend: DSGVO-Klagen folgen den allgemeinen ZPO-Regeln. Ab dem Landgericht brauchen Sie eine anwaltliche Vertretung. Organisationen bleiben wertvolle Begleiter, ersetzen die Anwältin oder den Anwalt jedoch nicht. Wer das beherzigt, vermeidet formelle Fallstricke und stärkt die Aussichten auf eine Entscheidung in der Sache.
Ansprechpartner
Alexander Bräuer
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