Arzt darf Nahrungsergänzung nicht mit Titel bewerben
Nahrungsergänzungsmittel erfreuen sich großer Beliebtheit. Ob Vitamine, Spurenelemente oder pflanzliche Präparate – der Markt boomt. Besonders wirksam erscheinen diese Produkte oft dann, wenn sie durch medizinische Autoritäten empfohlen werden. Was aber, wenn hinter dieser Autorität keine objektive medizinische Bewertung steht, sondern ein geschickter Marketingtrick? Genau damit hatte sich das Oberlandesgericht Köln in seinem Urteil vom 16. Mai 2025 (Az.: 6 U 29/25) auseinanderzusetzen.
Das Gericht stellte klar: Ein ärztlicher Doktortitel darf in der Online-Werbung für Nahrungsergänzungsmittel nicht verwendet werden, wenn dadurch der irreführende Eindruck entsteht, die Produkte seien medizinisch geprüft oder ärztlich empfohlen. Der Fall zeigt beispielhaft, wo die Grenzen zwischen seriöser Berufsbezeichnung und unzulässiger Verbrauchertäuschung verlaufen.
Der Sachverhalt: Werbung mit „Dr. med.“ für Nahrungsergänzungsmittel
Im Zentrum des Rechtsstreits stand ein approbierter Arzt, der zugleich Geschäftsführer eines Unternehmens ist, das über das Internet Nahrungsergänzungsmittel vertreibt. Auf der Website des Unternehmens wurde intensiv mit seiner Person und seinem ärztlichen Titel geworben. Im Einzelnen hieß es dort unter anderem:
- „Dr. med. X (…) Gesundheit ist Vertrauenssache.“
- „Dr. med. X steht als Arzt für Seriosität, Kompetenz und Vertrauenswürdigkeit. Damit Ihre Gesundheit sicher aufgehoben ist, lautet sein Credo: Keine Wunder versprechen, sondern medizinisch fundierte Empfehlungen geben.“
Diese Aussagen standen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Präsentation und dem Verkauf der angebotenen Nahrungsergänzungsmittel. Ein Zusammenhang, der rechtlich problematisch ist.
Das Unternehmen machte sich gezielt das hohe Vertrauen zunutze, das Ärzte in der Öffentlichkeit genießen. Die Positionierung des Geschäftsführers als „Dr. med.“ wirkte nicht wie ein bloßer Hinweis auf seine Qualifikation, sondern war zentrales Werbemittel für die Glaubwürdigkeit der Produkte.
Ein Verbraucherschutzverband mahnte dies ab – mit Erfolg.
Die Entscheidung des OLG Köln: Unlauterer Wettbewerb durch Irreführung
Das OLG Köln stufte die Werbung mit dem ärztlichen Titel in Verbindung mit den Nahrungsergänzungsmitteln als unzulässig nach § 5 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) ein. Die zentrale Begründung: Die Werbung sei irreführend, weil sie den Eindruck vermittle, die angebotenen Produkte seien aufgrund medizinischer Prüfung oder ärztlicher Empfehlung besonders sicher, wirksam oder allgemein zu empfehlen – obwohl es an einer solchen objektiven medizinischen Grundlage fehlte.
Zulässigkeit der Titelführung an sich
Zwar stellte das Gericht klar, dass es einem Arzt nicht grundsätzlich verboten sei, seinen Doktortitel auch im geschäftlichen Kontext zu verwenden. Dies gelte insbesondere dann, wenn er tatsächlich approbiert und zur Führung des Titels berechtigt sei. Doch damit war der Fall noch nicht abgeschlossen.
Irreführende Gesamtwirkung der Werbung
Entscheidend sei, so das Gericht, nicht die formale Richtigkeit des Titels, sondern der Gesamteindruck, den die Werbung beim angesprochenen Verbraucher hinterlässt. Und dieser Eindruck sei problematisch: Die Kombination aus ärztlichem Titel und vertrauensbildenden Aussagen suggeriere eine besondere medizinische Qualität der Produkte.
„Der Beklagte nimmt für sein Sortiment eine besondere medizinische Absicherung in Anspruch, gründend auf die eigene Expertise als promovierter Mediziner, ohne darzulegen, dass diese seine eigene Meinung auch der allgemeinen Ansicht in der Wissenschaft entspricht.“
Das bedeutet: Die werblichen Aussagen des Arztes mögen dessen persönliche Überzeugung widerspiegeln – doch das genügt nicht, um Produkte medizinisch fundiert oder wissenschaftlich empfohlen erscheinen zu lassen. Es fehlten objektive, belastbare wissenschaftliche Belege.
Gesundheitswerbung ist besonders streng reguliert
Besonders betonte das Gericht, dass im Bereich der Werbung für Produkte mit Gesundheitsbezug besondere Sorgfalts- und Transparenzpflichten gelten. Der Gesetzgeber schützt hier nicht nur den wirtschaftlichen Wettbewerb, sondern auch die Gesundheit der Bevölkerung.
Die Richter machten deutlich, dass bei gesundheitsbezogener Werbung der Verbraucher besonders schutzwürdig sei – gerade, weil Vertrauen in medizinisches Fachwissen leicht zu Fehleinschätzungen führen kann:
„Dies birgt die Gefahr, dass die beworbenen Nahrungsergänzungsmittel vom angesprochenen Verkehr als vermeintlich allgemein empfehlenswert verstanden oder jedenfalls aufgrund einer geminderten Kritikhaltung gegenüber dem sie bewerbenden Arzt sorgloser eingenommen werden […].“
Die Folge: Eine erhöhte gesundheitliche Gefährdung. Denn der Verbraucher könnte dazu verleitet werden, ein Produkt allein deshalb zu konsumieren, weil ein „Dr. med.“ es als sinnvoll oder vertrauenswürdig darstellt – unabhängig von einer tatsächlichen medizinischen Notwendigkeit oder Wirksamkeit.
Health-Claims-Verordnung greift nicht – Gesamtwirkung entscheidend
Besonders interessant ist die Feststellung des Gerichts, dass selbst ein etwaiger Verstoß gegen die Health-Claims-Verordnung (HCVO) nicht entscheidend sei – weil der Werbeauftritt in seiner Gesamtheit irreführend sei.
Die HCVO regelt eigentlich, welche gesundheitsbezogenen Aussagen für Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel verwendet werden dürfen. Auch wenn einzelne Werbeaussagen möglicherweise noch im Rahmen der HCVO lagen, so reichte dies nicht aus, um die Werbung insgesamt als zulässig anzusehen.
Das Gericht machte klar:
„Es sei unerheblich, ob die einzelnen Produkte den Anforderungen der Health-Claims-Verordnung genügten, denn die Gesamtwirkung der Werbung gehe darüber hinaus.“
Das bedeutet: Auch rechtlich zulässige Einzelbestandteile der Werbung können in ihrer Kombination zu einem unzulässigen Gesamteindruck führen.
Fazit: Ärztliche Autorität darf nicht zur Verkaufsförderung missbraucht werden
Das Urteil des OLG Köln ist ein wegweisendes Beispiel dafür, wie sensibel das Thema Gesundheitswerbung zu behandeln ist – gerade dann, wenn medizinische Titel ins Spiel kommen. Ein Doktortitel ist kein Marketinginstrument, sondern Ausdruck einer besonderen beruflichen Verantwortung.
Wer den ärztlichen Titel gezielt dazu verwendet, Vertrauen in ein Produkt zu erzeugen, das keine objektiv gesicherte medizinische Wirksamkeit besitzt, handelt wettbewerbswidrig. Die Entscheidung schützt nicht nur den fairen Wettbewerb, sondern vor allem die Verbraucher – und letztlich das Ansehen der gesamten Ärzteschaft.
Was bedeutet das für Ihre Praxis?
Wenn Sie im Gesundheitsbereich tätig sind – sei es als Arzt, Unternehmer oder Marketingverantwortlicher – sollten Sie genau prüfen, welche Aussagen Sie tätigen, welche Titel Sie verwenden und welchen Eindruck Ihre Werbung hinterlässt.
Denn schon kleine Formulierungen können eine große rechtliche Wirkung entfalten – insbesondere dann, wenn sie geeignet sind, beim Verbraucher das Gefühl ärztlicher Empfehlung oder wissenschaftlicher Fundierung zu erzeugen, obwohl diese nicht besteht.
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