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Apotheken-Zugaben können gegen die Preisbindung verstoßen

VG Münster, Urteil vom 12.11.2015, Az. 5 K 954/14
| Rechtsanwalt Frank Weiß

Apotheker müssen verschreibungspflichtige Medikamente zum durch die Arzneimittelverordnung vorgegebenen Apothekenabgabepreis abgeben. Dabei sind Rabatte, irgendwelche Preisnachlässe oder Werbegaben nicht gestattet.

Durch Zugaben, auch wenn diese geringwertig sind, wird die Preisbindung umgangen. Der Kunde bezahlt den angegebenen Preis für das Arzneimittel, erhält dazu aber durch die Zugaben Vorteile, die ihm den Kauf des Arzneimittels wirtschaftlich günstiger erscheinen lassen.

Ein preisgebundenes Arzneimittel darf aber nicht mit Vorteilen gekoppelt werden, die bei seinem Erwerb gewährt werden. Der Kunde soll bei der Entscheidung, welches Heilmittel er erwerben soll, nicht durch Zugaben oder Werbegeschenke beeinflusst werden. Auch wenn die Beigaben nur einen geringen Wert haben, stellen sie eine unsachliche Beeinflussung dar und verstoßen gegen das Arzneimittelrecht.

Verboten sind jegliche Vorteile, nicht nur wie in diesem verhandelten Fall die angeführten Kuschelsocken oder Geschenkpapier oder Dinge, die einen ähnlichen Wert haben. Dem Verbot unterliegen auch Papiertaschentücher, Halsbonbons und Cremes.
Aufgabe der Apotheker ist es, ihren hoch stehenden Berufsstand zu erhalten. Die Abgabe von Zugaben beim Erwerb preisgebundener Arzneimittel ist eine berufsrechtswidrige Handlung.

Rabatte, Preisnachlässe und Werbung hierfür sind nicht gestattet.

Apothekerabgabepreise, die in der Arzneimittelpreisverordnung geregelt sind, dürfen von den Apotheken weder nach oben noch nach unten korrigiert werden. Diese Preisbindungen verstoßen nicht gegen die Berufsausübungsfreiheit des Apothekers.

Verbindliche Apothekenabgabepreise von rezeptpflichtigen Medikamenten dienen dazu, die Bevölkerung flächendeckend und gleichmäßig mit Arzneimitteln zu versorgen und sollen einen undurchsichtigen Wettbewerb verhindern. Zudem stellen sie die Beratungsfunktion des Apothekers sicher und schützen den Erkrankten vor in seiner Situation unzumutbaren Preisvergleichen, weil der Wert von Arzneimitteln nicht wie bei anderen Waren vom Käufer eingeschätzt werden kann.

Wird der Vorteil nur bei der Einlösung eines Rezeptes gewährt, ist dies einem Versprechen gleichzusetzen, das bei der Rezepteinlösung erfüllt wird. Es handelt sich dann nicht mehr um ein selbständiges Geschenk oder eine nette Aufmerksamkeit der Apotheke.

Sachzugaben sind ein Verstoß gegen die Preisbindungsvorschriften. Dabei ist es unerheblich, ob diese weniger als 0,50 € wert sind. Eine Bagatellgrenze existiert nicht. Auch geringfügige Vorteile für den Kunden eröffnen einen Wettbewerb bei verschreibungspflichtigen oder preisgebundenen Medikamenten. Dies führt zu einer Beeinflussung des Patienten, der jedoch besonders geschützt werden muss. Die Gewährung von Vorteilen ist mit der bei der Preisbindung verbundenen Zielsetzung nicht vereinbar.
Dass die Praxis der Abgabe von Sachzugaben auch bei preisgebundenen Arzneimitteln lange nicht berufsrechtlich geahndet wurde, macht die Abgabe von kleinen Zugaben nicht automatisch zulässig. Die Ansicht über eine Rechtsfrage, die eine Interessenvertretung in einer Zeitschrift verbreitet, ist nicht rechtlich bindend.

Jede Vergünstigung für preisgebundene Arzneimittel ist demnach unzulässig. Die Preisbindungsvorschriften und die berufsrechtlichen Regelungen verstoßen dabei nicht gegen Europäisches Recht.

Ist die Abgabe geringwertiger Sachen nicht an den Erwerb eines preisgebundenen Arzneimittels gekoppelt, so bleiben Zuwendungen erlaubt. Das kann der Fall sein, wenn der Kunde Unannehmlichkeiten beim Erwerb des Arzneimittels hatte oder wenn es sich um nicht preisgebundene Arzneimittel handelt. Dann können Zugaben wie Luftballons, Cremes, Papiertaschentücher und andere Kleinigkeiten weiterhin abgegeben werden.

VG Münster, Urteil vom 12.11.2015, Az. 5 K 954/14

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