Antwortpflicht bei Abmahnung: Wann Sie schweigen dürfen
Eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung ist für die Betroffenen häufig ein Schockmoment. Der Vorwurf, gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) verstoßen zu haben, trifft Unternehmer und Onlinehändler oft völlig unerwartet. Noch größer wird die Verunsicherung, wenn man sicher ist, dass der beanstandete Wettbewerbsverstoß gar nicht begangen wurde. Viele fragen sich dann: Muss ich auf die Abmahnung überhaupt reagieren – oder darf ich sie einfach ignorieren?
Die Antwort auf diese Frage ist von erheblicher praktischer Bedeutung. Denn wer auf eine Abmahnung gar nicht reagiert, läuft theoretisch Gefahr, dass der Abmahner gerichtliche Schritte einleitet. Kommt es dann zum Verfahren, stellt sich die nächste Frage: Wer trägt die Kosten, wenn sich später herausstellt, dass die Abmahnung unberechtigt war?
Genau hier setzt beispielsweise die Rechtsprechung des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg an. Nach seiner Entscheidung besteht im Wettbewerbsrecht grundsätzlich keine Pflicht, auf eine Abmahnung zu antworten, wenn der Abgemahnte den behaupteten Verstoß nicht begangen hat. Schweigen kann also durchaus eine zulässige und rechtlich sichere Reaktion sein – sofern tatsächlich keine wettbewerbswidrige Handlung vorliegt.
Wichtig ist allerdings, den Geltungsbereich dieser Rechtsprechung richtig einzuordnen. Die hier dargestellten Grundsätze gelten nur für Abmahnungen nach dem Wettbewerbsrecht, also solche, die auf das UWG gestützt werden. In anderen Rechtsgebieten – etwa im Urheberrecht oder Markenrecht – können abweichende Maßstäbe gelten. Dort kann sich im Einzelfall eine Pflicht zur Aufklärung ergeben.
Der folgende Beitrag konzentriert sich daher ausschließlich auf das Wettbewerbsrecht. Er erläutert, wann Sie auf eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung reagieren sollten, wann Schweigen erlaubt ist und welche Kostenfolgen drohen können, wenn der Abmahner den Streit vor Gericht trägt. Ziel ist es, Ihnen eine rechtlich fundierte und zugleich verständliche Orientierung zu geben, damit Sie im Ernstfall wissen, wie Sie sich richtig verhalten.
Hintergrund: Die wettbewerbsrechtliche Abmahnung
Abmahnungen gehören im Wettbewerbsrecht zum Alltag. Sie dienen dazu, Wettbewerbsverstöße außergerichtlich zu klären und gerichtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden. Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) sieht in § 13 UWG ausdrücklich vor, dass Mitbewerber oder berechtigte Verbände einen Verstoß zunächst durch Abmahnung beanstanden dürfen, bevor sie gerichtliche Schritte einleiten.
Eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung verfolgt also zwei Ziele:
Zum einen soll sie dem Abgemahnten die Möglichkeit geben, den beanstandeten Verstoß freiwillig zu beenden. Zum anderen dient sie der Vermeidung kostspieliger Gerichtsverfahren.
Typischerweise enthält eine Abmahnung:
- eine Darstellung des behaupteten Wettbewerbsverstoßes,
- die Aufforderung, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben,
- eine Fristsetzung, innerhalb der reagiert werden soll, sowie
- die Forderung nach Erstattung der Abmahnkosten.
Viele Betroffene konzentrieren sich zunächst auf diese Abmahnkosten, die häufig einige hundert oder auch tausend Euro betragen können. Das eigentliche Risiko liegt aber an anderer Stelle: in einem möglichen gerichtlichen Verfahren.
Reagiert der Abgemahnte nicht oder weist die Abmahnung zurück, kann der Abmahner eine Unterlassungsklage erheben oder eine einstweilige Verfügung beantragen. Aufgrund der regelmäßig hohen Streitwerte im Wettbewerbsrecht – häufig zwischen 10.000 und 50.000 Euro, in Einzelfällen deutlich mehr – können dabei erhebliche Gerichts- und Anwaltskosten entstehen. Diese Kosten sind meist um ein Vielfaches höher als die ursprünglichen Abmahnkosten.
Kommt es dann im weiteren Verlauf heraus, dass der angebliche Wettbewerbsverstoß gar nicht begangen wurde, stellt sich die entscheidende Frage: Wer trägt die Kosten des Gerichtsverfahrens? Muss der Abgemahnte sie übernehmen, weil er zuvor nicht reagiert hat? Oder bleibt der Abmahner darauf sitzen, weil sein Vorgehen von Anfang an unbegründet war?
Genau an diesem Punkt setzt die Rechtsprechung des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg an. Sie befasst sich mit der Frage, ob ein zu Unrecht Abgemahnter verpflichtet ist, auf die Abmahnung zu reagieren, um spätere Kosten zu vermeiden – oder ob er auch schweigen darf, ohne das Risiko zu tragen, für die entstandenen Gerichtskosten aufkommen zu müssen.
Die zentrale Frage: Gibt es im Wettbewerbsrecht eine Antwortpflicht?
Wer eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung erhält, befindet sich häufig in einer schwierigen Lage. Einerseits möchte man nicht durch eine unbedachte Reaktion Kosten auslösen oder gar ein Fehlverhalten einräumen. Andererseits besteht die Sorge, dass Schweigen als Schuldeingeständnis gewertet werden oder einen teuren Prozess nach sich ziehen könnte. Aber auch menschlich nachvollziehbare Reaktionen, dass man den Abmahner, der einem (bildlich gesprochen) mit der Abmahnung auf die Füße treten will, auflaufen lassen möchte, können eine Rolle spielen.
Gerade dann, wenn Sie sicher sind, dass Sie keinen Wettbewerbsverstoß begangen haben, stellt sich die entscheidende Frage: Sind Sie verpflichtet, auf die Abmahnung zu antworten, um spätere Kosten zu vermeiden?
Zunächst ist zu unterscheiden zwischen einer berechtigten und einer unberechtigten Abmahnung:
- Eine berechtigte Abmahnung liegt vor, wenn tatsächlich ein Wettbewerbsverstoß begangen wurde oder ein solcher unmittelbar droht. In diesem Fall ist eine Reaktion dringend anzuraten, um eine gerichtliche Unterlassungsklage oder eine einstweilige Verfügung zu vermeiden.
- Eine unberechtigte Abmahnung liegt dagegen vor, wenn kein Wettbewerbsverstoß stattgefunden hat oder der Abgemahnte für das beanstandete Verhalten nicht verantwortlich ist.
In der Praxis wird immer wieder argumentiert, der Abgemahnte müsse sich zumindest erklärend äußern, um klarzustellen, dass er mit dem Vorwurf nichts zu tun hat. Diese Auffassung klingt nachvollziehbar, findet aber keine Stütze im Gesetz und auch nicht in der herrschenden Rechtsprechung.
Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg hat in seinem Beschluss vom 24.11.2008 (Az. 5 W 117/08) ausdrücklich sowie frühzeitig klargestellt: Eine Antwortpflicht des Abgemahnten besteht nicht, wenn er keinen Wettbewerbsverstoß begangen hat und auch kein solcher droht. Das bedeutet: Wer zu Unrecht abgemahnt wird, ist nicht verpflichtet, auf die Abmahnung zu reagieren oder seine fehlende Verantwortlichkeit zu erläutern. Die bloße Übersendung einer Abmahnung schafft kein rechtliches Verhältnis, aus dem eine Pflicht zur Aufklärung entstehen könnte.
Allerdings gilt dieser Grundsatz nicht grenzenlos. Eine Ausnahme kann dann bestehen, wenn der Abgemahnte selbst den Anschein eines Verstoßes gesetzt hat – etwa, weil sein Verhalten objektiv geeignet war, den Abmahner in dem Glauben zu bestärken, er sei verantwortlich. In solchen Fällen kann eine Pflicht zur Aufklärung im Einzelfall angenommen werden.
Für die Praxis bedeutet das:
Schweigen auf eine unberechtigte wettbewerbsrechtliche Abmahnung ist grundsätzlich zulässig und führt nicht automatisch dazu, dass der Abgemahnte später die Kosten eines Gerichtsverfahrens tragen muss. Entscheidend bleibt, ob der Abmahner überhaupt berechtigt war, gerichtliche Schritte einzuleiten.
Diese Linie wurde in der genannten Entscheidung des OLG Hamburg besonders deutlich herausgearbeitet – sie bildet den Kern der heutigen Rechtsprechung zur sogenannten „Antwortpflicht des Abgemahnten“.
Die Entscheidung des OLG Hamburg (Beschluss vom 24.11.2008 – 5 W 117/08)
Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg hatte in seinem Beschluss vom 24. November 2008 (Az. 5 W 117/08) über eine typische Konstellation zu entscheiden, die in der Praxis häufig vorkommt:
Eine Antragstellerin hatte eine Wettbewerberin wegen einer vermeintlich irreführenden Werbung abgemahnt. Die Abgemahnte reagierte auf das Schreiben nicht. Daraufhin beantragte die Antragstellerin den Erlass einer einstweiligen Verfügung – und erhielt sie zunächst auch. Im anschließenden Widerspruchsverfahren stellte sich jedoch heraus, dass die Abgemahnte für die beanstandete Anzeige gar nicht verantwortlich war. Sie hatte den Wettbewerbsverstoß weder begangen noch veranlasst und auch nicht den Eindruck erweckt, dass sie dafür verantwortlich sein könnte.
Das Landgericht hob die einstweilige Verfügung daraufhin auf. Über die Kosten des Verfahrens musste gesondert entschieden werden. Die Abmahnerin argumentierte, die Abgemahnte hätte auf die Abmahnung reagieren müssen und durch ihr Schweigen die gerichtlichen Kosten mitverschuldet.
Das OLG Hamburg wies diese Argumentation eindeutig zurück. Nach Auffassung des Senats besteht keine „Antwortpflicht des Abgemahnten“, wenn dieser keinen Wettbewerbsverstoß begangen hat oder eine solche Handlung nicht droht.
Zur Begründung führte das Gericht aus:
- Allein die Zusendung einer Abmahnung begründet kein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen Abmahner und Abgemahntem.
- Eine Pflicht zur Aufklärung lässt sich nicht aus § 311 Abs. 2 BGB (vorvertragliche Schuldverhältnisse) und auch nicht aus den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) herleiten.
- Ebenso wenig könne eine entsprechende Pflicht aus § 840 ZPO (Haftung mehrerer Schuldner) oder anderen Vorschriften abgeleitet werden.
Eine Ausnahme komme nur dann in Betracht, wenn der Abgemahnte zurechenbar den Anschein eines Wettbewerbsverstoßes gesetzt habe. Ein solcher Fall lag hier jedoch nicht vor. Das Gericht stellte außerdem klar, dass der bloße Umstand, dass keine Reaktion auf die Abmahnung erfolgt ist, keinen Anlass für gerichtliche Schritte im Sinne des § 93 ZPO begründet. Das bedeutet: Wenn der Abmahner trotz fehlender Reaktion ein gerichtliches Verfahren einleitet und sich später herausstellt, dass der Abgemahnte gar keinen Wettbewerbsverstoß begangen hat, muss der Abmahner selbst die Kosten des Verfahrens tragen.
Mit dieser Entscheidung hat das OLG Hamburg die Linie des Bundesgerichtshofs bestätigt und deutlich gemacht, dass es im Wettbewerbsrecht keine generelle Antwortpflicht des Abgemahnten gibt. Wer zu Unrecht abgemahnt wurde, darf also schweigen – und läuft dabei grundsätzlich nicht Gefahr, später auf den Kosten eines Gerichtsverfahrens sitzenzubleiben.
Rechtliche Begründung und Einordnung im Wettbewerbsrecht
Die Entscheidung des OLG Hamburg fügt sich nahtlos in die gefestigte Rechtsprechung zum Wettbewerbsrecht ein. Sie beruht auf der grundlegenden Überlegung, dass eine Abmahnung nach dem UWG kein besonderes Rechtsverhältnis zwischen Abmahner und Abgemahntem begründet, solange kein tatsächlicher Wettbewerbsverstoß vorliegt.
Keine gesetzliche Pflicht zur Antwort im UWG
Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb kennt keine Vorschrift, die den Empfänger einer Abmahnung verpflichtet, auf diese zu reagieren. § 13 UWG regelt lediglich das Abmahnverfahren selbst und die Voraussetzungen einer berechtigten Abmahnung. Daraus ergibt sich jedoch keine Pflicht des Abgemahnten, eine Erklärung abzugeben oder sich zu äußern.
Das Ziel der Vorschrift ist vielmehr, gerichtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden. Wenn der Abgemahnte den behaupteten Wettbewerbsverstoß gar nicht begangen hat, besteht aber von vornherein kein Anlass für ein gerichtliches Verfahren – und damit auch keine Grundlage für eine Mitwirkungspflicht.
Kein gesetzliches Schuldverhältnis
Das OLG Hamburg hat ausdrücklich klargestellt, dass die Übersendung einer Abmahnung kein gesetzliches Schuldverhältnis im Sinne des § 311 Abs. 2 BGB begründet. Eine solche Pflichtbeziehung setzt voraus, dass die Parteien in eine rechtliche oder wirtschaftliche Sonderverbindung treten, die besondere Aufklärungs- oder Schutzpflichten auslöst. Eine bloße, einseitige Abmahnung erfüllt diese Voraussetzung nicht.
Auch eine analoge Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) (§§ 677 ff. BGB) lehnt die Rechtsprechung ab. Der Abmahner handelt zwar im eigenen Interesse, aber nicht im „Interesse“ des Abgemahnten, sodass schon die Grundvoraussetzungen einer GoA nicht vorliegen.
Keine Anwendung des § 840 ZPO
Ebenfalls ausgeschlossen ist eine analoge Anwendung des § 840 ZPO, der die Haftung mehrerer Schuldner betrifft. Diese Vorschrift dient der internen Abgrenzung von Verantwortlichkeiten zwischen Gesamtschuldnern, nicht aber der Begründung von Pflichten zwischen einem Abmahner und einem vermeintlichen Verletzer.
Mögliche Ausnahme: Zurechenbarer Anschein eines Verstoßes
Eine Antwortpflicht kann nur in Ausnahmefällen entstehen – etwa dann, wenn der Abgemahnte durch sein Verhalten objektiv den Eindruck erweckt hat, für einen Wettbewerbsverstoß verantwortlich zu sein. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn ein Unternehmen Werbung zulässt, die so gestaltet ist, dass sie aus Sicht Dritter ihm zugerechnet werden kann. In einem solchen Fall kann eine Pflicht zur Aufklärung entstehen, um den Irrtum des Abmahners zu beseitigen.
Abgrenzung zu anderen Rechtsgebieten
Wichtig ist die klare Trennung zu anderen Rechtsgebieten. Die Grundsätze dieser Entscheidung gelten nur im Wettbewerbsrecht. Im Urheberrecht, Markenrecht oder Designrecht kann sich im Einzelfall eine Aufklärungspflicht ergeben, etwa wenn ein Rechteinhaber berechtigt Auskunft verlangt oder der Abgemahnte über seine Mitwirkung an einer Rechtsverletzung informieren muss.
Im Wettbewerbsrecht dagegen bleibt es bei der klaren Linie: Keine Antwortpflicht bei unberechtigter Abmahnung, sofern kein Wettbewerbsverstoß begangen wurde und kein zurechenbarer Anschein besteht.
Damit hat das OLG Hamburg die Rechtslage eindeutig bestätigt – und zugleich Rechtssicherheit für Abgemahnte geschaffen, die zu Unrecht in Anspruch genommen werden.
Kostenfrage: Wer trägt die Kosten, wenn der Abmahner klagt?
Das eigentliche Risiko einer Abmahnung liegt selten in den reinen Abmahnkosten, sondern in den Kosten eines anschließenden Gerichtsverfahrens. Viele Abmahner scheuen sich nicht, eine Unterlassungsklage oder eine einstweilige Verfügung einzuleiten, wenn auf ihr Abmahnschreiben keine Reaktion erfolgt. Gerade im Wettbewerbsrecht sind die Streitwerte dabei oft erheblich – nicht selten zwischen 20.000 und 50.000 Euro oder sogar darüber. Entsprechend hoch fallen die Gerichts- und Anwaltskosten aus.
Doch was passiert, wenn der Abmahner ein solches Verfahren einleitet und sich später herausstellt, dass der Abgemahnte gar keinen Wettbewerbsverstoß begangen hat? Muss der Abgemahnte dann trotzdem die hohen Prozesskosten tragen, nur weil er auf die Abmahnung nicht reagiert hat?
Die Antwort lautet: Nein – jedenfalls dann nicht, wenn er tatsächlich unschuldig ist.
Kein Anlass zur Klage – Anwendung des § 93 ZPO
Nach der ständigen Rechtsprechung, die auch das OLG Hamburg bestätigt hat, trägt der Abmahner die Kosten eines gerichtlichen Verfahrens, wenn der Abgemahnte keinen Anlass zur Klage gegeben hat. Grundlage dafür ist § 93 der Zivilprozessordnung (ZPO).
Diese Vorschrift besagt:
Erkennt der Beklagte den geltend gemachten Anspruch sofort an und hat er keinen Anlass zur Klage gegeben, so fallen dem Kläger (also dem Abmahner) die Kosten des Verfahrens zur Last.
Ein „Anlass zur Klage“ besteht nur, wenn der Abgemahnte sich tatsächlich rechtswidrig verhalten hat oder durch sein Verhalten den Eindruck eines Wettbewerbsverstoßes erweckt hat. Das bloße Schweigen auf eine unberechtigte Abmahnung genügt dafür nicht.
Mit anderen Worten: Wenn Sie zu Unrecht abgemahnt wurden und keine wettbewerbswidrige Handlung begangen haben, müssen Sie nicht für die Prozesskosten aufkommen – selbst dann nicht, wenn Sie auf die Abmahnung nicht reagiert haben. Das Gericht sieht in einem solchen Fall keinen zurechenbaren Anlass, der die Klage rechtfertigt.
Der Abmahner bleibt auf den Kosten sitzen
In der Praxis bedeutet das, dass der Abmahner das finanzielle Risiko trägt, wenn sich seine Abmahnung als unbegründet herausstellt. Er kann die hohen Kosten eines gerichtlichen Verfahrens – insbesondere bei einstweiligen Verfügungen oder Unterlassungsklagen – nicht auf den Abgemahnten abwälzen, wenn sich später zeigt, dass dessen Verhalten gar nicht wettbewerbswidrig war.
Damit wird verhindert, dass unberechtigte Abmahnungen und leichtfertige Klagen zum Kostenrisiko für diejenigen werden, die sich rechtmäßig verhalten haben. Das Gericht geht davon aus, dass der Abmahner selbst sorgfältig prüfen muss, ob tatsächlich ein Wettbewerbsverstoß vorliegt, bevor er gerichtliche Schritte einleitet.
Praktische Bedeutung
Für Abgemahnte hat diese Rechtsprechung eine klare Konsequenz:
Wer zu Unrecht abgemahnt wurde und sicher ist, dass kein Wettbewerbsverstoß vorliegt, darf schweigen, ohne deshalb das Risiko zu tragen, später die Prozesskosten übernehmen zu müssen.
Anders kann es allerdings aussehen, wenn Sie nicht sicher ausschließen können, dass Ihr Verhalten als Verstoß gewertet wird. In solchen Fällen sollte die Abmahnung anwaltlich geprüft werden. Denn wenn sich der behauptete Verstoß doch als berechtigt herausstellt, kann ein unbedachtes Schweigen teuer werden.
Praktische Empfehlungen für Abgemahnte im Wettbewerbsrecht
Eine Abmahnung ist nie angenehm – und oft mit erheblichem Zeitdruck verbunden. Dennoch sollten Sie besonnen reagieren. Auch wenn nach der Rechtsprechung grundsätzlich keine Antwortpflicht besteht, wenn Sie keinen Wettbewerbsverstoß begangen haben, kann es in bestimmten Situationen dennoch sinnvoll sein, überlegt zu handeln.
1. Ruhe bewahren und keine vorschnellen Erklärungen abgeben
Reagieren Sie nicht unüberlegt. Eine voreilige Unterlassungserklärung kann weitreichende Folgen haben, da sie Sie in der Regel lebenslänglich bindet und bei einem Verstoß eine Vertragsstrafe von mehreren tausend Euro auslöst. Selbst wenn die Abmahnung unberechtigt erscheint, sollten Sie sie ernst nehmen und juristisch prüfen lassen.
2. Prüfen lassen, ob überhaupt ein Wettbewerbsverstoß vorliegt
Gerade im Wettbewerbsrecht ist die Bewertung, ob ein bestimmtes Verhalten tatsächlich unlauter im Sinne des UWG ist, rechtlich komplex. Nicht selten beruhen Abmahnungen auf fragwürdigen oder überzogenen Ansichten des Abmahners. Ein erfahrener Anwalt oder Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz kann schnell einschätzen, ob die Abmahnung berechtigt oder unbegründet ist – und welche Reaktion im konkreten Fall sinnvoll ist.
3. Schweigen ist zulässig – aber nur, wenn Sie sicher sind
Wenn Sie sicher wissen, dass der behauptete Wettbewerbsverstoß nicht von Ihnen ausgegangen ist, dürfen Sie grundsätzlich schweigen. Das bloße Nichtreagieren begründet keine Pflichtverletzung und führt nicht automatisch zu einer ungünstigen Kostenentscheidung, sollte der Abmahner später klagen.
Aber Vorsicht: Wenn Sie durch Ihr Verhalten den Anschein eines Verstoßes gesetzt haben – etwa, weil die Werbung auf Ihrer Internetseite einem Dritten zugerechnet werden könnte –, kann eine Aufklärungspflicht entstehen. In solchen Fällen kann ein kurzes, sachliches Antwortschreiben sinnvoll sein, um den Irrtum aufzuklären und eine Klage zu vermeiden.
4. Nicht jede Abmahnung ignorieren
Auch wenn die Entscheidung des OLG Hamburg für den zu Unrecht Abgemahnten beruhigend ist: Es gibt Situationen, in denen eine Reaktion notwendig bleibt. Wenn Sie sich unsicher sind, ob der behauptete Verstoß vorliegt oder wenn eine Wiederholungsgefahr denkbar ist, sollte das Schreiben nicht unbeantwortet bleiben. Schweigen kann in diesen Fällen zu weiteren rechtlichen Schritten führen.
5. Kostenrisiken realistisch einschätzen
Das Kostenrisiko im Wettbewerbsrecht ist hoch. Schon eine einstweilige Verfügung kann bei entsprechendem Streitwert mehrere tausend Euro an Gerichts- und Anwaltskosten verursachen. Deshalb lohnt sich die anwaltliche Beratung auch dann, wenn Sie überzeugt sind, dass die Abmahnung unbegründet ist. Oft lassen sich mit einer kurzen anwaltlichen Stellungnahme oder einem präventiven Hinweis teure Verfahren vermeiden.
6. Strategisch reagieren
Manchmal kann es sinnvoll sein, bewusst zu schweigen, insbesondere wenn klar ist, dass kein Wettbewerbsverstoß vorliegt. In anderen Fällen kann eine kurze Mitteilung an den Abmahner – ohne Schuldeingeständnis, aber mit klarer Darstellung der tatsächlichen Umstände – die bessere Strategie sein. Welche Vorgehensweise im Einzelfall die richtige ist, hängt von den Umständen des Falles ab.
Fazit
Eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung löst bei den Betroffenen verständlicherweise Unsicherheit und Handlungsdruck aus. Doch wer keinen Wettbewerbsverstoß begangen hat, muss sich nicht zu einer Stellungnahme gedrängt fühlen. Nach der Rechtsprechung des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg besteht keine Antwortpflicht, wenn der Abgemahnte nicht verantwortlich für den behaupteten Verstoß ist und auch kein solcher droht.
Das Schweigen auf eine unberechtigte Abmahnung kann daher rechtlich zulässig und sogar sinnvoll sein – insbesondere dann, wenn Sie sicher sind, dass die Abmahnung unbegründet ist. Die bloße Zusendung einer Abmahnung begründet kein rechtliches Verhältnis, das eine Aufklärungspflicht auslösen könnte.
Kommt es dennoch zu einem gerichtlichen Verfahren, weil der Abmahner Klage erhebt oder eine einstweilige Verfügung beantragt, trägt dieser die Kosten, wenn sich herausstellt, dass kein Wettbewerbsverstoß vorliegt. § 93 ZPO schützt den zu Unrecht Abgemahnten davor, für die Kosten eines unbegründeten Verfahrens aufkommen zu müssen.
Gleichzeitig bleibt Vorsicht geboten: Wer den Anschein eines Verstoßes gesetzt hat oder wer sich nicht sicher ist, ob der Vorwurf zutrifft, sollte eine Abmahnung nicht einfach ignorieren. Eine fachkundige Prüfung kann helfen, unnötige Risiken zu vermeiden und eine sinnvolle Strategie zu wählen.
Für das Wettbewerbsrecht gilt somit eine klare Linie:
- Keine Antwortpflicht bei unberechtigter Abmahnung.
- Keine Kostentragungspflicht bei unbegründeter Klage.
- Aber: Eine sorgfältige Prüfung bleibt immer ratsam.
Im Ergebnis dürfen Sie also schweigen, wenn Sie zu Unrecht abgemahnt wurden – sollten sich jedoch beraten lassen, bevor Sie entscheiden, ob und wie Sie reagieren. Denn das Wettbewerbsrecht bleibt ein sensibles und kostenintensives Feld, in dem rechtliches Augenmaß und taktisches Vorgehen über den Ausgang entscheiden.
Ansprechpartner
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