Angabe „OEM“ irreführend, wenn kein Erstausrüsterprodukt

Die Abkürzung „OEM“ (Original Equipment Manufacturer) ist im technischen und automobilen Sprachgebrauch allgegenwärtig. Verbraucher verbinden damit meist Qualität auf Hersteller-Niveau – ein Versprechen, das Vertrauen schafft. Doch genau hier liegt die Gefahr: Wer mit „OEM“ wirbt, ohne tatsächlich ein Erstausrüsterprodukt anzubieten, riskiert rechtlichen Ärger.
Das OLG Schleswig hat dies in einem Urteil vom 14.09.2023 (Az. 6 U 49/22) deutlich gemacht: „OEM“ bedeutet nicht automatisch „so gut wie Original“ – sondern wird als echtes Erstausrüsterprodukt verstanden.
Was bedeutet das für Händler, Hersteller und Online-Shops? Und wie können Abmahnungen oder teure Gerichtsprozesse vermieden werden?
Was bedeutet „OEM“ überhaupt? – Eine juristisch relevante Abkürzung
„OEM“ steht für „Original Equipment Manufacturer“ – also einen Hersteller, der ein Produkt (etwa ein Ersatzteil oder Öl) original für einen Fahrzeug- oder Maschinenhersteller produziert und direkt an diesen liefert.
Verbraucherverständnis:
- OEM-Produkte = Erstausrüsterqualität
- Assoziationen: Verlässlichkeit, getestete Sicherheit, passgenaue Verarbeitung
- Implizite Aussage: „Dieses Produkt verwendet der Autohersteller selbst.“
Genau diese Verbrauchererwartung macht die Sache rechtlich heikel.
Der Fall: Schmierstoffanbieter verwendet „O.E.M.“ auf Produktverpackung
Die Beklagte, ein Anbieter von Schmierstoffen, kennzeichnete ihre Produkte prominent mit dem Hinweis „O.E.M.“ – allerdings handelte es sich nicht um ein tatsächlich vom Fahrzeughersteller für die Erstausrüstung bestimmtes Produkt.
Das Landgericht und das OLG Schleswig sahen hierin eine wettbewerbsrechtlich relevante Irreführung nach § 5 Abs. 1 UWG.
Die Entscheidung des OLG Schleswig – Urteil vom 14.09.2023 (Az.: 6 U 49/22)
a) Der angesprochene Verkehr versteht „O.E.M.“ als Erstausrüsterprodukt
Das Gericht stellte klar:
„Die angesprochenen Verkehrskreise verstehen die Buchstabenfolge als Abkürzung für original equipment manufacturer, mithin als Behauptung, das Produkt werde als Erstausrüsterprodukt von einem Fahrzeug- oder Getriebehersteller verwendet.“
Selbst die abweichende Schreibweise mit Punkten („O.E.M.“) ändere daran nichts.
b) Kein Hinweis auf „Qualität“ oder bloße Anlehnung – sondern Behauptung eines Faktums
Wichtig ist: Es genügt nicht, dass das Produkt qualitativ dem eines Erstausrüsters „ähnlich“ sei. Wird mit dem Begriff „O.E.M.“ geworben, wird beim Verbraucher der Eindruck erzeugt, es handele sich um ein Originalprodukt, nicht um ein Nachbauprodukt.
Das Gericht betonte:
„Die Werbung erweckt nicht den Eindruck, es werde lediglich mit einer Qualität geworben, die der eines Erstausrüsterproduktes entspreche.“
c) Kein entlastender Hinweis im Sichtfeld des Verbrauchers
Auf der Verpackung war zusätzlich (aber kleiner und wenig auffällig) „O.E.M. Quality“ zu lesen – dies reichte nicht als Relativierung.
„Die Angabe ‘O.E.M. Quality’ […] ist so gestaltet, dass sie nicht am Blickfang teilhat […].“
Das bedeutet: Allein der Eindruck zählt, der im Blickfang entsteht – also in der ersten Wahrnehmung des Kunden. Eine nachträgliche Erläuterung „kleingedruckt“ kann eine Irreführung nicht beseitigen.
Irreführung im Sinne des UWG – Tatbestand erfüllt
Die Irreführung nach § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG liegt laut OLG Schleswig vor, wenn über:
- die wesentlichen Merkmale der Ware
- insbesondere über ihre Herkunft oder Herstellereigenschaft
falsche Angaben gemacht werden oder ein unzutreffender Eindruck entsteht.
Das war hier der Fall.
Anlockwirkung als Wettbewerbsverstoß:
„Die Angabe […] ist geeignet, die Entscheidung der angesprochenen Verkehrskreise im Sinne eines Anlockeffektes zu beeinflussen.“
Damit wurde auch die geschäftliche Relevanz (Erheblichkeit) der Irreführung bejaht.
Konsequenzen für die Praxis: Was Händler und Shop-Betreiber beachten müssen
a) Verwendung von „OEM“ nur bei echter Erstausrüstung
Verwenden Sie die Bezeichnung nur dann, wenn das Produkt tatsächlich vom Hersteller selbst (z. B. Mercedes-Benz, VW, BMW) als Originalteil bezogen oder in der Erstmontage eingesetzt wurde.
b) Nicht ausreichend:
- bloße Anlehnung an Herstellerstandards
- ähnliche Qualität oder Kompatibilität
- Bezugnahme auf ein bestimmtes Modell („O.E.M. for 9G-Tronic“)
c) Auch Schreibweise mit Punkten schützt nicht vor Irreführung
Es spielt keine Rolle, ob Sie „OEM“, „O.E.M.“ oder „O.E.M. Quality“ schreiben – das Verbraucherverständnis bleibt gleich.
Ausblick: Wie sollten Unternehmen auf dieses Urteil reagieren?
Strategien zur Risikominimierung:
- OEM nur bei echter Erstausrüstung verwenden
- Klartext statt Abkürzungen: "Ersatzteil in Erstausrüsterqualität" ist möglich – wenn wahr
- Zusätze wie „kompatibel mit XYZ“ oder „geeignet für XYZ“ klar und transparent kommunizieren
- Blickfanggestaltung beachten: Der erste Eindruck zählt!
- Werbende Aussagen vorher juristisch prüfen lassen
Fazit: OEM nur für echte Originale – sonst Abmahnung oder Klage
Das Urteil des OLG Schleswig ist ein wichtiges Warnsignal für alle, die technische Produkte verkaufen – besonders im Kfz-Bereich. OEM ist keine bloße Qualitätsaussage, sondern eine Tatsachenbehauptung über die Herkunft.
Die unbedachte Verwendung kann als wettbewerbswidrig eingestuft werden – mit weitreichenden Folgen: Abmahnung, Unterlassung, Schadensersatz, Prozesskosten.
Kurz zusammengefasst:
- „OEM“ = Originalausrüstung durch Fahrzeughersteller
- Wer damit wirbt, muss das auch nachweislich belegen können
- Ansonsten droht eine Wettbewerbsverletzung nach UWG
Für Händler und Marken:
Setzen Sie auf Ehrlichkeit, Klarheit und Transparenz – und vermeiden Sie Abkürzungen, die den falschen Eindruck erwecken. Denn im Zweifelsfall entscheidet der erste Eindruck – und nicht das Kleingedruckte.
✅ Checkliste: Darf ich mit „OEM“ werben?
1. Bedeutet die Abkürzung „OEM“ in meiner Werbung wirklich „Original Equipment Manufacturer“?
- ☐ Ja – Ich verkaufe ein Produkt, das nachweislich vom Hersteller selbst stammt und zur Erstausrüstung (z. B. in der Produktion) verwendet wird.
- ☐ Nein – Dann ist Vorsicht geboten! Der Begriff „OEM“ darf nicht verwendet werden.
2. Liegt ein tatsächliches Erstausrüsterprodukt vor?
- ☐ Produkt wird direkt vom Kfz-/Maschinenhersteller bezogen.
- ☐ Herstellerzertifikat / Seriennummer / Originalverpackung liegt vor.
- ☐ Das Produkt ist identisch mit dem in Neufahrzeugen verbauten Teil.
➡️ Nur wenn alle Punkte zutreffen, ist die Bezeichnung „OEM“ zulässig.
3. Wird der Begriff „OEM“ klar und transparent erklärt?
- ☐ Gibt es eine deutliche Erläuterung, was mit „OEM“ gemeint ist?
- ☐ Steht die Erläuterung unmittelbar beim Blickfang (nicht versteckt im Kleingedruckten)?
- ☐ Wird klargestellt, dass es sich ggf. nur um eine gleichwertige Qualität handelt (z. B. durch „in OEM-Qualität“ statt nur „OEM“)?
➡️ Transparenz reduziert das Risiko der Irreführung.
4. Wird ein konkreter Fahrzeug- oder Getriebetyp genannt („OEM for Mercedes 9G-Tronic“)?
- ☐ Ja – Dies kann den Eindruck erwecken, das Produkt werde tatsächlich in diesem Fahrzeug verwendet → hohes Irreführungspotenzial.
- ☐ Nein – Allgemeine Angaben sind weniger problematisch, aber dennoch kritisch zu prüfen.
➡️ Nie behaupten oder suggerieren, dass eine Herstellerfreigabe besteht – wenn diese fehlt.
5. Wird der Begriff „OEM“ prominent im Blickfang dargestellt?
- ☐ Ja – z. B. auf Etikett, Verpackung, Online-Shop-Bild, Werbebanner → besondere Vorsicht geboten.
- ☐ Nein – Nur im technischen Datenblatt oder Vergleichstabelle → weniger problematisch, aber trotzdem prüfen.
➡️ Werbeblickfang darf keine Tatsachen vortäuschen.
6. Ist die Kombination mit anderen Aussagen problematisch?
- ☐ Kombination mit „Originalöl“, „zertifiziert“, „Mercedes freigegeben“, etc. kann irreführend sein, wenn kein Nachweis vorliegt.
- ☐ Zusatz „in OEM-Qualität“ ohne Beleg kann ebenfalls problematisch sein.
➡️ Immer genau prüfen, ob Aussage durch Nachweise gedeckt ist.
7. Ist die Irreführung geeignet, die Kaufentscheidung zu beeinflussen?
- ☐ Ja – wenn z. B. durch „OEM“ ein Vertrauensvorschuss erweckt wird.
- ☐ Ja – wenn Preis oder Auswahlentscheidung dadurch maßgeblich beeinflusst werden kann.
➡️ Dann liegt ein Wettbewerbsverstoß nach § 5 UWG nahe.
Besonderer Hinweis:
Auch die Schreibweise mit Punkten („O.E.M.“) ändert nichts am Verbraucher-Verständnis – das bestätigte das OLG Schleswig (Urt. v. 14.09.2023 – Az. 6 U 49/22). Auch „O.E.M. Quality“ ist nicht zulässig, wenn es kein Erstausrüsterprodukt ist.
Fazit & Empfehlung:
Verwenden Sie den Begriff nur dann, wenn er vollständig zutrifft und belegbar ist. Andernfalls:
- Nutzen Sie stattdessen Begriffe wie:
✅ „Nachbau passend für …“
✅ „Kompatibel mit …“
✅ „In Anlehnung an OEM-Spezifikation“
✅ „In Erstausrüsterqualität“ (mit Nachweis) - Dokumentieren Sie Ihre Werbeaussagen intern.
- Lassen Sie unklare Aussagen vorab juristisch prüfen.
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