AGB per QR-Code einbeziehen – reicht das aus?

Mit einem simplen QR-Code allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) in einen Vertrag einbeziehen – das klingt praktisch, aber ist das rechtlich wirklich zulässig? Genau diese Frage stand im Zentrum eines aktuellen Urteils des Landgerichts Lübeck (Urt. v. 07.12.2023, Az.: 14 S 19/23). In einer zunehmend digitalisierten Welt, in der Verträge oft schnell und mobil abgeschlossen werden, zeigt diese Entscheidung, wie sich Recht und Technik einander annähern – oder zumindest annähern sollten.
Das Gericht stellte klar: Der Durchschnittskunde ist heute technisch so ausgestattet, dass er einen QR-Code nutzen kann – und damit auch rechtlich als in der Lage gilt, AGB zur Kenntnis zu nehmen. Diese Entscheidung hat Sprengkraft: Sie modernisiert das Verständnis von "Zugänglichkeit" und "Zumutbarkeit" in § 305 Abs. 2 BGB grundlegend.
Der Fall vor dem LG Lübeck – Worum ging es konkret?
Im Kern des Rechtsstreits ging es um einen Vergütungsanspruch. Die Parteien stritten darüber, ob bestimmte Regelungen in AGB Vertragsbestandteil geworden waren. Bei der Auftragserteilung hatte die eine Partei ein Formular verwendet, das einen QR-Code enthielt, der wiederum auf eine Website mit den relevanten AGB verwies – konkret eine Honorartabelle.
Die Frage lautete also: Reicht ein solcher QR-Code zur wirksamen Einbeziehung von AGB?
Was sagt § 305 Abs. 2 BGB zur Einbeziehung von AGB?
Damit AGB wirksam in einen Vertrag einbezogen werden, verlangt das Gesetz:
- Hinweis auf die AGB vor Vertragsschluss,
- Zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme, und
- Einverständnis der anderen Vertragspartei.
Insbesondere der zweite Punkt – die zumutbare Möglichkeit zur Kenntnisnahme – war hier entscheidend. Wie kann man AGB "zugänglich" machen? Reicht ein Link, ein QR-Code oder braucht es den klassischen Ausdruck?
Die Argumentation des LG Lübeck: Was genügt dem Durchschnittskunden?
Das Landgericht Lübeck kam zu dem Schluss: Ein QR-Code auf einem Formular, der auf eine Webseite mit den AGB verweist, reicht aus.
Die Richter betonen:
„Zudem befindet sich ein zur Honorartabelle führender QR-Code auf dem Formular. Dies genügt zur Überzeugung der Kammer, damit der allein maßgebliche Durchschnittskunde zumutbar Kenntnis erlangen kann.“
Warum?
- Laut Statistischem Bundesamt verfügten bereits 2018 über 77 % der Haushalte über ein Smartphone.
- Der Durchschnittskunde sei technisch in der Lage, den QR-Code zu nutzen.
- Es komme nicht darauf an, dass jede einzelne Person die AGB zur Kenntnis nehmen kann, sondern nur auf die Möglichkeit des Durchschnittskunden.
Wichtig: Ob jemand die AGB tatsächlich liest oder versteht, ist rechtlich nicht erforderlich. Es genügt, dass die Möglichkeit dazu besteht.
Was ist mit den anderen 23 % ohne Smartphone?
Auch hier zeigt sich die praxisnahe Haltung des Gerichts:
„Die Kammer verkennt dabei nicht, dass es naturgemäß auch noch eine signifikante Anzahl an Personen ohne Smartphone bzw. ganz ohne Internetzugang gibt.“
Aber:
- Maßgeblich sei nicht die absolute Zugänglichkeit für jedermann, sondern nur die für den Durchschnittskunden.
- Wer keinen Internetzugang habe, könne immer noch nach einem Ausdruck der AGB fragen.
- Dies sei zumutbar und ausreichend im Sinne des § 305 Abs. 2 BGB.
Damit stellt das LG Lübeck klar: Das Gesetz verlangt keine barrierefreie AGB-Verbreitung für alle denkbaren Fälle, sondern eine realistische, praxistaugliche Lösung.
Kein Problem, dass die Kundin die AGB nicht gelesen hat
Auch das wurde angesprochen:
„Ob die Geschädigte hier tatsächlich Kenntnis genommen hat, ist im Übrigen unerheblich. Auf eine tatsächliche Kenntnisnahme kommt es nicht an.“
Das bedeutet: Es reicht die objektive Möglichkeit der Kenntnisnahme – ob der Kunde oder die Kundin diese Chance dann auch nutzt, ist ihre eigene Verantwortung.
Praktische Bedeutung für Unternehmen: Was bedeutet das Urteil konkret?
Das Urteil aus Lübeck ist mehr als eine Einzelfallentscheidung. Es schafft Rechtssicherheit für moderne Vertragsgestaltung, besonders in folgenden Bereichen:
✅ Mobile Geschäftsprozesse:
Ideal für Außendienst, Lieferdienste oder Baustellen: Auftragsformulare mit QR-Code genügen zur AGB-Einbeziehung.
✅ Verzicht auf Papier:
Kein Ausdruck der AGB nötig – spart Kosten, Zeit und schont die Umwelt.
✅ Digitaler Wandel in der Rechtspraxis:
Das Urteil stärkt Unternehmen, die auf digitale Kommunikation setzen, ohne juristisch angreifbar zu sein.
Aber Vorsicht: Das Urteil hat auch Grenzen
Auch wenn das Urteil praxisfreundlich ist, sollten Unternehmen auf folgende Punkte achten:
- QR-Code muss lesbar sein und funktionieren.
- Die verlinkten AGB müssen klar, verständlich und eindeutig sein.
- Die Hinweispflicht vor Vertragsschluss muss eingehalten werden.
- Ein QR-Code allein ohne Hinweis, dass er zu den AGB führt, reicht nicht aus.
Außerdem handelt es sich hier um ein Urteil eines Landgerichts – bindend ist es nur für den konkreten Fall, aber wegweisend für künftige Entscheidungen.
Fazit: Ein kleiner Code, ein großer Schritt für die digitale Vertragswelt
Das LG Lübeck bringt das AGB-Recht ins digitale Zeitalter. Unternehmen können AGB per QR-Code wirksam einbeziehen – wenn sie die technischen und rechtlichen Voraussetzungen einhalten. Der Verweis per QR-Code auf eine Website reicht für den Durchschnittskunden zur Kenntnisnahme aus.
Damit wird die Einbeziehung von AGB einfacher, schneller und moderner – ohne dabei die Rechte der Kunden zu gefährden.
Checkliste für Unternehmer: So machen Sie AGB per QR-Code wirksam einbezogen
✅ Auftragsformular enthält deutlichen Hinweis auf AGB
✅ QR-Code ist funktionstüchtig und leicht scanbar
✅ Verlinkte Seite ist sofort und dauerhaft abrufbar
✅ AGB dort sind klar, verständlich und vollständig
✅ Kunden haben realistische Möglichkeit der Kenntnisnahme
Ansprechpartner
Frank Weiß
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