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„Abnehmen im Liegen“: Irreführende Werbung

| Rechtsanwalt Frank Weiß

"Abnehmen im Liegen – mit Soforteffekt!" – Was klingt wie ein verlockendes Versprechen an eine Diät-müde Gesellschaft, wurde vom Landgericht Berlin als unzulässige Werbeaussage eingestuft. In einer Zeit, in der gesundheitsbezogene Aussagen im Internet florieren und sich immer mehr Anbieter von Kosmetik- und „Wellness“-Behandlungen auf vermeintlich wissenschaftliche Methoden berufen, zeigt dieses Urteil einmal mehr, wie wichtig ehrliche, belegbare Werbung ist.

Doch was steckt hinter dem Urteil vom 18.07.2023 (Az. 102 O 129/22) – und was bedeutet es für Anbieter solcher Verfahren?

Der Fall: Ultraschallgeräte und große Versprechen

Die beklagte Firma warb auf ihrer Website mit dem Slogan „Abnehmen im Liegen“ und versprach spektakuläre Ergebnisse:

  • „Mit SOFORT-Effekt: 2–5 cm weniger Umfang nach der ersten Behandlung“
  • „Langfristige und nachhaltige Ergebnisse, die bis zu 8 Monate andauern“

Die angebotene Methode: Ultraschallbehandlungen zur Reduktion von Körperfett – bequem im Liegen, ohne Sport, ohne Diät. Mehrere Standorte deutschlandweit waren laut Werbung geplant.

Der Kläger, ein Wettbewerbsverband, ging gerichtlich gegen diese Aussagen vor – mit Erfolg.

Entscheidung des LG Berlin: Gesundheitsbezogene Werbung muss wissenschaftlich belegt sein

Das LG Berlin stufte die Aussagen der Beklagten als gesundheitsbezogene Werbung ein, die den strengen Anforderungen des § 3 HWG (Heilmittelwerbegesetz) unterliegt.

Was bedeutet das konkret?

Gesundheitsbezogene Werbung liegt vor, wenn der Eindruck entsteht, eine bestimmte Maßnahme könne die Gesundheit fördern oder Leiden lindern. Die Aussage „Abnehmen im Liegen“ suggeriert eine medizinisch relevante Wirkung – nämlich eine nachhaltige Reduktion von Körpergewicht.

Und genau hier lag das Problem: Für solche Aussagen braucht es belastbare wissenschaftliche Studien. Die Beweislast liegt beim Werbenden.

Mangelnde Studienlage: Die Argumentation des Gerichts

Das LG Berlin stellte in seinem Urteil klar:

„In keinem der Studienergebnisse ist [...] von einer messbaren Gewichtsreduktion die Rede.“

a) Umfang vs. Gewicht: Irreführende Vermischung

Die Beklagte verwies auf Studien, die eine Verringerung des Körperumfangs an einzelnen Stellen zeigten – nicht aber des Gesamtkörpergewichts.

  • Fettzellen zerstören ≠ Abnehmen im medizinischen Sinn
  • Eine rein lokale Veränderung lässt keine Rückschlüsse auf tatsächliches „Abnehmen“ zu.

b) Unzureichende wissenschaftliche Qualität

Die Studien, auf die sich die Beklagte berief, hatten gravierende Mängel:

  • Teilweise lagen nur Abstracts vor – keine vollständigen Publikationen
  • Keine Angaben zu Studiendesign, Probandenwahl oder Kontrollgruppen
  • Messungen mit Maßband – ohne objektive Messmethoden oder Reproduzierbarkeit

c) Fehlende Differenzierung in der Werbung

Die Werbung der Beklagten versprach „Abnehmen“ – ohne zu erklären, ob damit eine Veränderung des Gewichts, des Umfangs oder lediglich eine kosmetische Verbesserung gemeint ist. Diese unscharfe Sprache bewertete das Gericht als gezielte Irreführung.

Rechtsfolgen: Warum die Werbung unzulässig ist

Verstoß gegen § 3 HWG i.V.m. § 5 UWG (Irreführende Werbung)

Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass die Aussagen nicht nur unbelegt, sondern objektiv irreführend seien:

„Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit der wissenschaftlichen Absicherung der konkret angegriffenen Werbeaussagen [...] vorliegt.“

Für den durchschnittlichen Verbraucher entsteht ein klarer Gesundheitsbezug, den die Beklagte nicht belegen konnte.

Die Werbung war daher zu unterlassen – und zwar unabhängig davon, ob einzelne Kunden subjektiv Erfolge wahrgenommen haben.

Praxisfolgen für Anbieter: Was bedeutet das Urteil?

1. Wer gesundheitsbezogen wirbt, trägt die volle Beweislast

Insbesondere Aussagen wie:

  • „Abnehmen“
  • „Soforteffekt“
  • „Langfristige Ergebnisse“
  • „Reduktion von Fettzellen“

müssen durch solide, unabhängige Studien belegt sein. Fehlt dieser Beweis, ist die Werbung unzulässig.

2. Studien müssen wissenschaftlichen Standards genügen

Abstracts, Erfahrungsberichte oder vage Quellen reichen nicht aus. Es braucht:

  • Peer-Review-Studien
  • Kontrollgruppen
  • Objektive Messmethoden
  • Reproduzierbare Ergebnisse

3. Anbieter müssen Begrifflichkeiten trennscharf verwenden

Wer „Abnehmen“ verspricht, darf nicht nur eine optische Veränderung des Bauchumfangs meinen. Solche Aussagen müssen klar, konkret und belegbar sein.

Fazit: Irreführung hat Konsequenzen – auch im Internet

Das Urteil des LG Berlin ist ein wichtiges Signal für die Werbepraxis im Gesundheitsbereich. In einer Welt, in der „Wellness“, „Biohacking“ und „Medical Beauty“ zunehmend verschwimmen, braucht es klare Regeln und Beweise – zum Schutz der Verbraucher und zum Erhalt des fairen Wettbewerbs.

Wer online mit „Abnehmen im Liegen“ wirbt, sollte sich bewusst sein: Diese Aussage ist nicht nur ungenau – sondern juristisch riskant.

Handlungsempfehlung für Unternehmen

Wenn Sie gesundheitsbezogene Produkte oder Dienstleistungen bewerben:

  • Lassen Sie Ihre Werbeaussagen rechtlich prüfen
  • Stellen Sie sicher, dass alle Aussagen durch wissenschaftlich valide Studien belegt sind
  • Vermeiden Sie unpräzise Begriffe wie „Abnehmen“, „Entgiftung“, „Soforteffekt“ ohne Kontext
  • Holen Sie sich bei Unsicherheiten juristische Beratung ein

Gerne unterstützt Sie unsere Kanzlei bei der Prüfung, Optimierung und rechtlichen Absicherung Ihrer Werbung.

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