Abmahnung per WhatsApp zulässig?
Die Kommunikation im Geschäftsverkehr hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt. Während Abmahnungen im gewerblichen Rechtsschutz traditionell per Post, Fax oder zumindest per E-Mail verschickt wurden, rücken inzwischen auch Messenger-Dienste wie WhatsApp in den Fokus. Unternehmen und manchmal auch Rechtsanwälte greifen zunehmend auf diese schnellen Kommunikationswege zurück, um ihre Ansprüche durchzusetzen und sofortige Reaktionen zu erzielen.
Auf den ersten Blick bietet WhatsApp dabei entscheidende Vorteile: Nachrichten erreichen den Empfänger in Sekunden, die Zustellung ist über Lesebestätigungen nachvollziehbar, und selbst umfangreiche Dokumente lassen sich unkompliziert im Anhang versenden. Gerade in einer digitalisierten Geschäftswelt scheint es naheliegend, auch rechtlich bedeutsame Mitteilungen über diesen Kanal zu verschicken.
Doch dieser moderne Weg birgt erhebliche rechtliche Herausforderungen. Abmahnungen müssen bestimmten Anforderungen genügen, um wirksam zu sein. Die Frage, ob eine Nachricht über WhatsApp diese Voraussetzungen erfüllt und ob sich ein Zugang im Streitfall zweifelsfrei nachweisen lässt, ist rechtlich heikel. Zudem stehen Fragen der Authentizität des Absenders und der Ernsthaftigkeit der Erklärung im Raum.
Damit stellt sich für Abmahner wie auch für Abgemahnte gleichermaßen die Frage: Kann eine Abmahnung per WhatsApp tatsächlich rechtswirksam sein – oder droht die Gefahr, dass sie im Streitfall ins Leere läuft?
Rechtlicher Rahmen der Abmahnung im gewerblichen Rechtsschutz
Die Abmahnung ist im gewerblichen Rechtsschutz ein zentrales Instrument. Sie dient dazu, einen bestehenden Rechtsverstoß – etwa im Wettbewerbsrecht, im Markenrecht oder im Urheberrecht – außergerichtlich zu beseitigen. Ihr Hauptzweck besteht darin, dem Verletzer die Möglichkeit zu geben, sein Verhalten sofort einzustellen und eine kostspielige gerichtliche Auseinandersetzung zu vermeiden. Gleichzeitig verschafft die Abmahnung dem Abmahner einen Anspruch auf Kostenerstattung, sofern sie berechtigt ist.
Ziel und Funktion einer Abmahnung
Im Kern soll eine Abmahnung zweierlei leisten: Sie rügt einen konkreten Rechtsverstoß und fordert den Abgemahnten zur Unterlassung auf. Zugleich wird ihm die Möglichkeit eingeräumt, durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung die Wiederholungsgefahr auszuräumen. Dieses Prinzip der Selbstregulierung ist gesetzlich ausdrücklich gewollt, weil es die Gerichte entlastet und Konflikte rasch beilegt.
Überblick über relevante Rechtsgrundlagen
Die Abmahnung findet sich in verschiedenen Rechtsgebieten wieder:
– Im Wettbewerbsrecht (UWG) ist sie das gängige Mittel, um unlautere geschäftliche Handlungen zu unterbinden.
– Im Markenrecht (MarkenG) wird sie eingesetzt, um Markenverletzungen zu stoppen.
– Im Urheberrecht (UrhG) dient sie dazu, unbefugte Nutzungen von geschützten Werken zu unterbinden.
Allen Rechtsgebieten ist gemein, dass eine Abmahnung nicht nur als reine Mitteilung verstanden wird, sondern eine konkrete Aufforderung an den Verletzer darstellt, sich rechtlich verbindlich zur Unterlassung zu verpflichten.
Formvorgaben und ihre Grenzen
Besondere gesetzliche Formvorschriften für die Abmahnung existieren im gewerblichen Rechtsschutz grundsätzlich nicht. Weder das UWG noch das MarkenG oder das UrhG verlangen ausdrücklich eine schriftliche Abmahnung im klassischen Sinne. Das bedeutet: Eine Abmahnung kann mündlich, per E-Mail, per Fax – oder eben auch per WhatsApp – ausgesprochen werden. Entscheidend ist, dass der Empfänger den Inhalt eindeutig erfassen kann und klar ist, dass es sich um eine ernst gemeinte Abmahnung handelt.
Gleichzeitig zeigt die Praxis, dass die Wahl des Übermittlungswegs erhebliche Auswirkungen auf die Rechtssicherheit hat. Denn im Streitfall muss der Abmahner beweisen können, dass die Abmahnung den Empfänger tatsächlich erreicht hat und dass deren Inhalt den gesetzlichen Anforderungen genügte. Genau an diesem Punkt stößt die moderne Kommunikation über Messenger-Dienste schnell an ihre Grenzen.
Zulässigkeit und technische Anforderungen einer Abmahnung per WhatsApp
Die zentrale Frage lautet: Kann eine Abmahnung rechtlich wirksam per WhatsApp zugestellt werden? Grundsätzlich gilt im gewerblichen Rechtsschutz der Grundsatz der Formfreiheit. Das bedeutet, dass für eine Abmahnung keine strenge Schriftform – etwa mit eigenhändiger Unterschrift – vorgeschrieben ist. Entscheidend ist allein, dass die Abmahnung dem Empfänger zugeht und dieser ihren Inhalt klar und eindeutig zur Kenntnis nehmen kann.
Formfreiheit der Abmahnung
Weder das UWG noch das Marken- oder Urheberrecht verlangen, dass eine Abmahnung zwingend schriftlich auf Papier ergehen muss. Eine mündliche Abmahnung wäre ebenso denkbar wie eine elektronische Übermittlung per Fax oder E-Mail. Diese Formfreiheit öffnet auch die Tür für Abmahnungen über Messenger-Dienste wie WhatsApp. Rein rechtlich ist also nicht ausgeschlossen, dass eine solche Abmahnung wirksam sein kann.
Zugang als entscheidendes Kriterium
Rechtlich maßgeblich ist der sogenannte Zugang. Eine Erklärung gilt dann als zugegangen, wenn sie so in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass unter gewöhnlichen Umständen mit ihrer Kenntnisnahme zu rechnen ist. Überträgt man dieses Prinzip auf WhatsApp, bedeutet das: Sobald die Abmahnung im Chat-Fenster des Empfängers erscheint und er die Möglichkeit hat, sie zu lesen, ist sie grundsätzlich zugegangen. Auch die bekannten „Häkchen“ von WhatsApp können hier eine gewisse Indizwirkung entfalten.
Vergleich zur E-Mail-Zustellung
Die rechtliche Bewertung einer WhatsApp-Abmahnung ist damit durchaus mit der E-Mail vergleichbar. Auch bei einer E-Mail kommt es nicht auf das tatsächliche Lesen an, sondern darauf, dass die Nachricht im Postfach abrufbar ist. Allerdings bestehen bei WhatsApp zusätzliche Unsicherheiten. Anders als bei einer E-Mail lässt sich der Zugang im Streitfall schwerer beweisen. Screenshots oder Lesebestätigungen können manipuliert sein und bieten im Prozess oftmals keine ausreichende Beweiskraft.
Damit steht fest: Eine Abmahnung per WhatsApp ist zwar nicht von vornherein unzulässig, sie ist aber mit erheblichen rechtlichen Unsicherheiten behaftet. Für den Abmahner bedeutet das ein erhöhtes Risiko, im Ernstfall keinen rechtssicheren Nachweis erbringen zu können.
Risiken und Beweisfragen bei WhatsApp-Abmahnungen
Auch wenn eine Abmahnung per WhatsApp rechtlich grundsätzlich denkbar ist, bringt dieser Kommunikationsweg erhebliche praktische Risiken mit sich. Gerade im gewerblichen Rechtsschutz, wo es häufig um hohe Streitwerte und empfindliche Kostenfolgen geht, spielt die Rechtssicherheit eine zentrale Rolle.
Authentizität und Absenderidentität
Ein wesentliches Problem liegt in der Frage, ob der Empfänger zweifelsfrei erkennen kann, dass die Abmahnung tatsächlich von der angegebenen Person oder Kanzlei stammt. Während bei einem klassischen Briefkopf oder einer unterzeichneten Abmahnung die Urheberschaft klar erkennbar ist, lassen sich WhatsApp-Accounts vergleichsweise leicht fälschen oder unter fremdem Namen betreiben. Für den Empfänger bleibt daher oft unklar, ob die Nachricht wirklich von einem berechtigten Abmahner stammt oder ob es sich um eine Fälschung handelt.
Zustellnachweis und Lesebestätigung
Auch der Nachweis der Zustellung ist bei WhatsApp problematisch. Zwar suggerieren die bekannten Häkchen, dass eine Nachricht zugestellt oder sogar gelesen wurde. Vor Gericht haben diese Symbole jedoch nur eingeschränkte Beweiskraft. Sie lassen sich technisch umgehen, deaktivieren oder sogar manipulieren. Ein rechtssicherer Nachweis darüber, dass eine bestimmte Abmahnung den Empfänger erreicht und dieser sie tatsächlich zur Kenntnis genommen hat, ist daher kaum möglich.
Mögliche Angreifbarkeit durch fehlende Empfangssicherheit
Schließlich ist die Empfangssicherheit bei WhatsApp deutlich geringer als bei etablierten Kommunikationswegen wie Einschreiben oder Fax. So kann etwa die App deinstalliert sein, das Smartphone verloren gehen oder Nachrichten können durch technische Störungen nicht zugestellt werden. Im Streitfall ist der Abmahner in der Beweispflicht – und gerade bei WhatsApp lässt sich nur schwer belegen, dass der Zugang unter gewöhnlichen Umständen gewährleistet war. Dies macht eine Abmahnung über diesen Kanal leicht angreifbar und birgt das Risiko, dass sie als unwirksam eingestuft wird.
Insgesamt zeigt sich: Der vermeintliche Vorteil der Schnelligkeit bei WhatsApp-Abmahnungen wird durch erhebliche Beweisprobleme und rechtliche Unsicherheiten relativiert. Für Abmahner kann dies im Ernstfall teure Konsequenzen haben.
Handlungsempfehlung für die Praxis
Die theoretische Möglichkeit, Abmahnungen und Unterlassungserklärungen per WhatsApp zu versenden, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieser Weg in der Praxis mit erheblichen Unsicherheiten verbunden ist. Gerade im gewerblichen Rechtsschutz, wo es um hohe Streitwerte und teure Kostenrisiken geht, sollten Abmahner wie Abgemahnte besonders umsichtig vorgehen.
Für Absender: WhatsApp nur als Ergänzung, nicht als Ersatz
Für Abmahner mag WhatsApp verlockend sein: schnell, direkt und scheinbar unkompliziert. Doch als alleiniger Übermittlungsweg ist der Messenger nicht zu empfehlen. Die Beweisprobleme im Hinblick auf Authentizität, Zustellung und Lesebestätigung sind zu gravierend. Wer sicherstellen möchte, dass seine Abmahnung wirksam ist und im Streitfall Bestand hat, sollte weiterhin auf die klassischen Kanäle setzen – also Post (Einschreiben oder Bote), Fax oder zumindest E-Mail mit PDF-Anhang. WhatsApp kann allenfalls als ergänzender Weg genutzt werden, um die Aufmerksamkeit des Empfängers zu erhöhen oder parallel zu informieren. Rechtssicherheit verschafft jedoch nur die klassische Zustellung.
Für Abgemahnte: Vorsicht und sofortige Prüfung durch einen Anwalt
Für den Empfänger einer WhatsApp-Abmahnung gilt: Eine Nachricht über den Messenger sollte keinesfalls vorschnell ignoriert werden. Auch wenn Zweifel an der Wirksamkeit bestehen, kann sich dahinter eine ernsthafte Abmahnung mit erheblichen rechtlichen Folgen verbergen. Schon eine falsche Reaktion – etwa das unbedachte Unterzeichnen einer Unterlassungserklärung – kann teuer werden. Deshalb gilt: Jede Abmahnung, auch wenn sie „nur“ per WhatsApp kommt, sollte sofort rechtlich geprüft werden. Der Gang zu einem Fachanwalt ist zwingend erforderlich, um Fristen zu wahren, Risiken einzuschätzen und die richtigen Schritte einzuleiten.
Praktische Empfehlung
Für beide Seiten gilt daher: WhatsApp mag im Alltag ein schnelles Kommunikationsmittel sein, für rechtlich verbindliche Erklärungen im gewerblichen Rechtsschutz eignet es sich jedoch nur sehr eingeschränkt. Wer Wert auf Rechtssicherheit legt, sollte auf etablierte Wege zurückgreifen. Für Abgemahnte ist es unverzichtbar, die Situation professionell prüfen zu lassen – um kostspielige Fehler zu vermeiden und die eigenen Rechte optimal zu wahren.
Fazit: WhatsApp als bequeme, aber risikobehaftete Option
Die Idee, Abmahnungen per WhatsApp zu verschicken, klingt in Zeiten digitaler Sofortkommunikation naheliegend. Tatsächlich ist dieser Weg rechtlich nicht ausgeschlossen – die Abmahnung unterliegt im gewerblichen Rechtsschutz keiner strengen Schriftform. Entscheidend ist allein, dass der Empfänger den Inhalt zweifelsfrei zur Kenntnis nehmen kann. Damit sind WhatsApp-Abmahnungen grundsätzlich denkbar.
In der Praxis zeigt sich jedoch schnell, dass dieser Weg mit erheblichen Unsicherheiten verbunden ist. Die Rechtssicherheit steht und fällt mit dem Nachweis der Zustellung und der Authentizität. Gerade hier stößt WhatsApp an seine Grenzen: Lesebestätigungen oder Screenshots lassen sich leicht manipulieren und reichen vor Gericht regelmäßig nicht aus, um den Zugang zweifelsfrei nachzuweisen. Für den Abmahner besteht somit ein erhebliches Risiko, dass seine Abmahnung ins Leere läuft – mit allen kostspieligen Folgen.
Das bedeutet für die Praxis: WhatsApp mag als zusätzliches Instrument zur schnellen Kontaktaufnahme dienen, ein Ersatz für die rechtssichere Zustellung per Post, Fax oder E-Mail ist es nicht. Für Abmahner bleibt der Messenger daher ein riskantes Experiment. Für Abgemahnte gilt umgekehrt: Auch wenn eine WhatsApp-Abmahnung ungewöhnlich wirkt, sollte sie keinesfalls ignoriert werden. Hinter ihr kann eine ernsthafte rechtliche Auseinandersetzung stehen, die zwingend fachkundiger Prüfung bedarf.
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