Abmahnung nach Schmähkritik im Arbeitsverhältnis

Meinungsfreiheit des Arbeitnehmers: Grenzen und rechtliche Konsequenzen
Das Arbeitsgericht Berlin hatte sich in seinem Urteil vom 05.12.2024 mit den Grenzen der Meinungsfreiheit eines Arbeitnehmers auseinanderzusetzen. Eine Überschreitung der Meinungsfreiheit des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber liegt mit einem Aufruf im Internet vor, dieser verhalte sich tarifwidrig, mitbestimmungsfeindlich und antidemokratisch, erhöhe dadurch den Rechtsruck und befördere den Aufstieg der AfD. Eine hiergegen gerichtete Abmahnung des Arbeitnehmers war rechtmäßig.
Hintergrund: Veröffentlichung eines Aufrufs durch ver.di-Mitglied
Der Kläger arbeitet als Betriebshandwerker und Elektriker bei der Beklagten, der Freien Universität Berlin. Zusätzlich ist er Vorstandsmitglied der ver.di-Betriebsgruppe und vollständig freigestelltes Personalratsmitglied. Am 30.01.2024 veröffentlichte der Kläger auf der Website der Betriebsgruppe einen Aufruf zu einem Aktionstag, mit folgendem Motto:
„Gegen AfD und die Abschiebe- und Kürzungspolitik der Ampelregierung“.
Hierin hieß es unter anderem:
„Die Bundesregierung kürzt bei allen Sozialausgaben und in der öffentlichen Daseinsvorsorge, aber hat Milliarden für die Rüstung übrig. Rechtes Gedankengut wächst am besten in einem solchen Klima der Prekarität. Das gilt auch für unseren Arbeitgeber: Wer wie das FU-Präsidium Tarifverträge nicht einhält, bekämpft aktiv Mitbestimmung und demokratische Prozesse und sorgt so für politischen Verdruss. Im Ergebnis fördert auch die FU damit den Rechtsruck und den Aufstieg der AfD, denen gewerkschaftliche Organisierung ebenfalls ein Dorn im Auge ist. Bis heute sind zudem Beschäftigtengruppen der unteren Lohngruppen und mit hohem Migrant*innenanteil wie z.B. Reinigungskräfte an der FU ausgegliedert und damit von der betrieblichen Gemeinschaft ausgegrenzt und schlechter gestellt.“
Die Beklagte sah sich durch diese Aussagen in ihren Rechten verletzt. Sie hat den Kläger mit Schreiben vom 04.03.2024 abgemahnt.
Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten durch öffentliches Verhalten
Die Beklagte war der Auffassung, dass der Kläger auf diese Weise seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt habe. Insbesondere als Beschäftigter des öffentlichen Dienstes unterliege der Kläger einer besonderen Treue- und Loyalitätspflicht gegenüber seinem Arbeitgeber. Hieraus folge auch die Verpflichtung, ehrverletzende Kritik am Arbeitgeber zu unterlassen. Mit den Aussagen habe der Kläger durch sein Verhalten jegliche sachliche, von der Meinungsfreiheit gedeckte Kritik an seinem Arbeitgeber verlassen. Sie mahnte den Kläger im Rahmen des bestehenden Arbeitsverhältnisses ab. Sodann machte der Kläger gerichtlich die Entfernung der ausgesprochenen Abmahnung geltend.
Anspruch auf Entfernung der Abmahnung bestand nicht
Die Beklagte hatte den Kläger zu Recht abgemahnt, sodass dieser keinen Anspruch darauf hatte, diese aus der Personalakte entfernen zu lassen. Einen solchen Anspruch hatte er auf die §§ 242, 1004 BGB gestützt. Er bestehe nur dann, wenn die Abmahnung entweder inhaltlich unbestimmt sei, unrichtige Tatsachenbehauptungen enthalte, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruhe oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletze. Dies gelte auch dann, wenn selbst bei einer zu Recht erteilten Abmahnung kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers mehr an deren Verbleib in der Personalakte bestehe. Dies war nach der Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts Berlin nicht der Fall. Der Ausspruch der Abmahnung in der gewählten Form war rechtmäßig, denn die Abmahnung war aus formellen Gründen nicht zu beanstanden. Sie hat auch keine unrichtige Tatsachenbehauptung enthalten, denn die Beklagte hatte das Verhalten des Klägers rechtlich zutreffend bewertet.
Keine Deckung durch Grundrechte: Schmähkritik statt Meinungsfreiheit
Das Verhalten des Klägers hatte vorliegend einen hinreichenden Bezug zum Arbeitsverhältnis. Durch den Aufruf hatte dieser seine arbeitsvertragliche Nebenpflicht zur Rücksichtnahme im Arbeitsverhältnis verletzt. Die getätigten Äußerungen waren auch nicht von der Meinungsfreiheit nach Art. 5 GG gedeckt, da es sich nach Auffassung des Gerichts um reine Schmähkritik handelt. Denn die Äußerung habe einzig den Zweck, die Beklagte verächtlich zu machen. Diese seien nicht auf konkrete Anhaltspunkte in der Realität zurückzuführen. Da es in der Abmahnung einzig und allein um diffamierende Äußerungen in Bezug auf die Beklagte gehe, seien die Äußerungen auch nicht mit der Koalitionsfreiheit gem. Art. 9 Abs. 3 GG zu rechtfertigen.
Fazit: Keine Toleranz gegenüber Schmähkritik im Arbeitsverhältnis
Ein Arbeitgeber muss sich die Schmähkritik seines Arbeitnehmers nicht gefallen lassen. Ein derartiges Verhalten kann eine arbeitsrechtliche Abmahnung zur Folge haben, mit welcher der Arbeitnehmer angezählt ist. Aufgrund von Abgrenzungsschwierigkeiten stellt sich jedoch oft die Frage, ab wann eine Äußerung als Schmähkritik einzustufen ist, die nicht unter den Schutz von Art. 5 Abs. 1 GG fällt. Deshalb ist es ratsam, sich juristischen Rat einzuholen, bevor arbeitsrechtliche Maßnahmen ergriffen werden.
Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 05.12.2024, Az. 58 Ca 4568/24
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