Die Abmahnung im Wettbewerbsrecht – Das sollten Sie wissen

Stellen Sie sich vor, Sie leiten ein Unternehmen in einem hart umkämpften Markt – jeder Schritt zählt, und schon ein kleiner Fehltritt kann gravierende Folgen haben. In dieser dynamischen Umgebung fungiert die Abmahnung als erster, aber entscheidender Warnschuss: Sie signalisiert dem potenziellen Rechtsverletzer, dass sein Verhalten nicht unbemerkt bleibt und noch eine außergerichtliche Möglichkeit zur Beilegung des Konflikts besteht.
Die Abmahnung im UWG ist weit mehr als nur ein formaler Vorgriff auf ein Gerichtsverfahren. Sie stellt ein strategisches Instrument dar, das den Rechtsfrieden fördert und gleichzeitig den Weg zu schnellen, außergerichtlichen Lösungen ebnet. Durch die präzise gesetzliche Regelung in § 13 Abs. 1 UWG wird klar vorgegeben, wie ein berechtigter Anspruch auf Unterlassung geltend gemacht werden soll – bevor es überhaupt zu einem teuren und langwierigen Gerichtsprozess kommt.
In diesem Beitrag erfahren Sie, wie die Abmahnung als zentraler Baustein im gewerblichen Rechtsschutz wirkt. Wir beleuchten, warum sie trotz fehlender Formvorschriften unverzichtbar ist, welche inhaltlichen Anforderungen sie erfüllen muss und welche Rolle die Rechtsprechung dabei spielt.
Das Wichtigste in Kürze:
• Die Abmahnung ist das zentrale außergerichtliche Instrument im Wettbewerbsrecht (gemäß § 13 Abs. 1 UWG), das beiden Parteien die Möglichkeit bietet, Konflikte ohne teure und langwierige Gerichtsverfahren zu lösen.
• Eine ordnungsgemäße Abmahnung muss alle gesetzlichen Anforderungen erfüllen – von der eindeutigen Identifikation und Aktivlegitimation des Abmahnenden bis zur klar formulierten Forderung einer strafbewehrten Unterlassungserklärung.
• Obwohl eine Abmahnung grundsätzlich ratsam ist, kann sie in eng begrenzten Ausnahmefällen (z. B. bei dringender Eile, ergänzenden Sequestrationsanträgen oder bei ersichtlicher Erfolglosigkeit) entbehrlich sein, wobei der Verzicht das Risiko eines sofortigen Anerkenntnisses mit sich bringt, was zu erheblichen Gerichts- und Verfahrenskosten gemäß § 93 ZPO führen kann.
Bedeutung der Abmahnung im UWG
Inhalt der Abmahnung
Form der Abmahnung
Keine Pflicht zur Abmahnung
Frist der Abmahnung
Muss der Abmahnung eine Vollmacht beigefügt sein
Zugang der Abmahnung
Kosten der Abmahnung
Entbehrlichkeit der Abmahnung
Die Reaktion auf eine Abmahnung (und Möglichkeiten)
Verstoß gegen Unterlassungserklärung
Bedeutung der Abmahnung im UWG
Die Abmahnung ist das zentrale Instrument, das den Beginn einer wettbewerbsrechtlichen Auseinandersetzung markiert. Sie dient als außergerichtlicher Warnschuss, der beiden Parteien – dem Abmahnenden und dem Abgemahnten – die Möglichkeit bietet, den Konflikt zu lösen, ohne gleich den Weg vor Gericht beschreiten zu müssen. Dieser Mechanismus ist im Wettbewerbsrecht von fundamentaler Bedeutung, da er einerseits den Rechtsfrieden fördert und andererseits den Zugang zu einer schnellen, außergerichtlichen Streitbeilegung ermöglicht.
Gesetzliche Grundlage
Die Grundlage für die Abmahnung im Wettbewerbsrecht bildet § 13 Abs. 1 UWG, der klar festlegt, wie ein berechtigter Anspruch auf Unterlassung geltend gemacht werden soll. Der Wortlaut lautet:
„Die zur Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs Berechtigten sollen den Schuldner vor der Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens abmahnen und ihm Gelegenheit geben, den Streit durch Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung beizulegen.“
Diese Regelung unterstreicht den präventiven Charakter der Abmahnung. Durch die vorherige Abmahnung wird dem Abgemahnten die Chance eingeräumt, sein Verhalten anzupassen und eine gerichtliche Auseinandersetzung zu vermeiden. Gleichzeitig sichert sie dem Abmahnenden erste Rechte und Ansprüche, die im Streitfall vor Gericht weiterverfolgt werden können.
Bedeutung im praktischen Kontext
Die Abmahnung eröffnet in der Regel den Weg zur außergerichtlichen Einigung. In der Praxis steht sie häufig am Anfang von Streitigkeiten, die sich etwa aus der Verletzung von Urheberrechten, Markenrechten oder anderen geschützten Kennzeichen ergeben. Indem sie den Konflikt frühzeitig thematisiert, ermöglicht sie beiden Parteien, Missverständnisse auszuräumen und kostspielige Gerichtsverfahren zu vermeiden. Anders als in manchen anderen Rechtsgebieten – beispielsweise im Patentrecht, wo oft zunächst eine Berechtigungsanfrage erfolgt – bleibt die Abmahnung im Wettbewerbsrecht ein essenzielles Mittel, um einen Rechtsstreit zu initiieren und gleichzeitig einen deeskalierenden Dialog zu fördern.
Insgesamt zeigt sich, dass die Abmahnung im UWG weit mehr ist als nur ein Vorgriff auf ein gerichtliches Verfahren. Sie ist ein zentrales Instrument zur außergerichtlichen Konfliktlösung, das beiden Seiten – dem Abmahnenden und dem Abgemahnten – wichtige Chancen bietet. Durch die explizite gesetzliche Vorgabe in § 13 Abs. 1 UWG und die unterstützende Rechtsprechung wird deutlich, dass die Abmahnung im Wettbewerbsrecht ein unverzichtbares Mittel darstellt, um Rechtsstreitigkeiten frühzeitig zu entschärfen und gleichzeitig klare Rahmenbedingungen für das spätere gerichtliche Vorgehen zu schaffen.
Inhalt der Abmahnung
Die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Abmahnung im Wettbewerbsrecht – konkret nach § 13 Abs. 2 UWG – sind seit der Reform von 2020 klar definiert. Die Abmahnung dient dazu, den Abgemahnten außergerichtlich auf ein wettbewerbswidriges Verhalten hinzuweisen und ihm die Möglichkeit zu geben, durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung den Rechtsstreit zu vermeiden.
1. Übersicht über den Inhalt einer Abmahnung
Gemäß § 13 Abs. 2 UWG muss eine Abmahnung folgende Elemente enthalten:
- Angabe des Abmahnenden und seines Vertreters:
Es sind der Name bzw. die Firma des Abmahnenden sowie – im Falle einer Vertretung – die des beauftragten Rechtsanwalts anzugeben. Die Angabe des Namens oder der Firma des Abmahnenden sowie des Vertreters ist unabdingbar, um dessen Identität eindeutig festzulegen (BT-Drcks. 19/12084, S. 31).
- Darlegung der Aktivlegitimation/Anspruchsberechtigung:
Der Abmahnende muss glaubhaft machen, dass er in einem nicht unerheblichen Umfang am Markt tätig ist und in einem relevanten Wettbewerbsverhältnis zum Abgemahnten steht. Es muss klar ersichtlich sein, dass der Abmahnende in erheblichem Maße Waren oder Dienstleistungen vertreibt, sodass ein konkretes Wettbewerbsverhältnis begründet ist (vgl. OLG Hamburg, Beschl. v. 20.2.2009, 3 W 161/08, Tz. 6).
- Geltendmachung eines Aufwendungsersatzanspruchs:
Hierbei muss präzise angegeben werden, ob und in welcher Höhe Kosten (zum Beispiel nach dem RVG oder auf Basis einer Honorarvereinbarung) erstattet werden sollen. Der Abmahnende muss die Berechnungsgrundlage seines Aufwendungsersatzanspruchs transparent darlegen, um dem Abgemahnten eine nachvollziehbare Prüfung zu ermöglichen (vgl. BGH, Urt. v. 22.1.2019, VI ZR 402/17, Tz. 14–20).
- Umschreibung des beanstandeten Verhaltens:
Es muss exakt dargelegt werden, welches konkrete Verhalten als wettbewerbswidrig beanstandet wird. Dabei ist es ausreichend, den Sachverhalt so zu schildern, dass der Abgemahnte den Vorwurf nachvollziehen und gegebenenfalls abstellen kann. Der Abgemahnte muss ohne Weiteres erkennen können, welches konkrete Verhalten ihm vorgeworfen wird (vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 30.11.2017, 1 W 40/17).
- Androhung gerichtlicher Maßnahmen:
Auch wenn diese Androhung inhaltlich nicht abschließend vorgeschrieben ist, gehört sie zur Praxis, um die Ernsthaftigkeit des Schreibens zu unterstreichen. Ohne die Androhung gerichtlicher Schritte könnte dem Abgemahnten der Ernst der Konsequenzen nicht ausreichend vermittelt werden (vgl. BGH, Urt. v. 1.6.2006, I ZR 167/03, Tz. 12).
- Forderung einer strafbewehrten Unterlassungserklärung:
Dies ist der Kernpunkt jeder Abmahnung. Es wird eine Erklärung gefordert, in der der Abgemahnte sich verpflichtet, das beanstandete Verhalten künftig zu unterlassen – verbunden mit einer im Wiederholungsfall zu zahlenden Vertragsstrafe. Die strafbewehrte Unterlassungserklärung ist das zentrale Element, da sie den Rechtsstreit de facto vermeiden helfen soll (vgl. OLG Jena, Urt. v. 21.3.2012, 2 U 602/11, II.1).
- Optional: Mit oder ohne vorformulierte Unterlassungserklärung:
Wird eine vorformulierte Erklärung beigelegt, stellt dies ein Angebot zum Abschluss eines Unterlassungsvertrags dar. Wird sie nicht beigelegt oder vom Abgemahnten modifiziert, kommt der Vertrag erst durch eine gesonderte Annahme zustande. - Folgen einer inhaltlich unzureichenden Abmahnung:
Erfüllt die Abmahnung nicht die gesetzlichen Anforderungen, kann dies weitreichende Konsequenzen haben: Der Abgemahnte kann beispielsweise einen Aufwendungsersatzanspruch nach § 13 Abs. 5 UWG geltend machen, während der Abmahnende seinerseits seine Kosten nicht ersetzt verlangen kann. Ein Verstoß gegen die inhaltlichen Vorgaben führt dazu, dass der Abmahnende im Zweifel seine Aufwendungen nicht ersetzt verlangen kann (vgl. BT-Drcks. 19/12084, S. 31).
2. Name, Firma, Vertretung
Ein elementarer Bestandteil jeder Abmahnung ist die eindeutige Nennung des Abmahnenden. Dies umfasst:
- Identifikation des Abmahnenden:
Hier ist der vollständige Name bzw. die Firma des Abmahnenden anzugeben, um eine klare Identifikation zu ermöglichen. Die klare Benennung des Abmahnenden ist Voraussetzung dafür, dass der Abgemahnte den Ursprung des Schreibens nachvollziehen kann (BT-Drcks. 19/12084, S. 31).
- Angabe des Vertreters:
Wird die Abmahnung durch einen Rechtsanwalt verfasst, muss auch dessen Name bzw. Firma genannt werden. Dabei geht es nicht um den gesetzlichen Vertreter (etwa den Geschäftsführer), sondern um denjenigen, der aktiv die Abmahnung ausspricht. Es ist erforderlich, dass auch der Vertreter des Abmahnenden ausdrücklich benannt wird, um dessen Handlungsbefugnis transparent zu machen (vgl. BT-Drcks. 19/12084, S. 31).
3. Aktivlegitimation/Anspruchsberechtigung
Die Aktivlegitimation bzw. Anspruchsberechtigung eines Abmahnenden im Wettbewerbsrecht stellt sicher, dass nur diejenigen Mitbewerber bzw. Verbände abmahnen dürfen, die tatsächlich in einem relevanten Wettbewerb zueinander stehen.
Wesentliche Inhalte:
- Tätigkeit im relevanten Umfang:
Mitbewerber müssen darlegen, dass sie in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich Waren oder Dienstleistungen vertreiben oder nachfragen. Dabei reichen qualitative Angaben oder Größenkategorien der Verkaufszahlen aus – konkrete Umsatzzahlen oder eine Steuerberaterbescheinigung sind nicht zwingend erforderlich. - Wettbewerbsverhältnis:
Es muss nachvollziehbar gemacht werden, dass zwischen dem Abmahnenden und dem Abgemahnten ein tatsächliches Wettbewerbsverhältnis besteht. Dabei muss der Abmahnende klar angeben, in welchem Umfang und bei welchen Überschneidungen das Wettbewerbsverhältnis zu sehen ist, sodass der Abgemahnte sich nicht selbst aktiv nach den relevanten Schnittmengen umsehen muss. Der Abmahnende hat es in der Hand, sich klar zu äußern, und das Risiko, ob er die Abmahnung akzeptiert, liegt beim Abgemahnten (OLG Hamburg, Beschl. v. 20.2.2009, 3 W 161/08, Tz. 6; OLG Hamm, Beschl. v. 23.2.2017, 4 W 102/16, Tz. 7).
- Besondere Anforderungen für Verbände:
Für Wirtschaftsverbände, deren wettbewerbsrechtliche Anspruchsberechtigung nicht allgemein bekannt ist, gilt, dass sie in ihrer Abmahnung detailliertere Angaben machen müssen. Hierbei ist insbesondere nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG darzulegen, inwiefern die beanstandeten Rechtsverletzungen die Interessen ihrer Mitglieder berühren. Eine individuelle Namensnennung der einzelnen Mitglieder ist dabei im vorgerichtlichen Abmahnverfahren nicht erforderlich (Ahrens/Achilles, Der Wettbewerbsprozess, 7. Aufl. [2013], Kap. 2 Rdnr. 20). - Rechtsänderung durch die UWG-Reform 2020:
Mit Wirkung zum 1. Dezember 2021 hat sich die Rechtslage deutlich verändert:
- Abmahnberechtigt ist nun nur noch ein Mitbewerber, der in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich tätig ist und dessen angebotene Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis zu den des Abgemahnten stehen.
- Die Abmahnung muss hierzu entsprechende Ausführungen enthalten. Bekannte Unternehmen können hierbei mit einer knappen Darstellung auskommen, während weniger bekannte Anbieter detaillierter darlegen müssen, auf welche konkreten Produkte oder Dienstleistungen sie ihr Wettbewerbsverhältnis stützen und in welchem Zeitraum entsprechende Verträge abgeschlossen wurden.
- Ein bloßes Vorhalten eines Angebots ohne signifikanten Absatz reicht hierbei nicht mehr aus.
- Spezifische Anforderungen für Verbände nach der Reform:
Aktiv legitimiert sind nun nur noch solche Verbände, die beim Bundesamt für Justiz in der Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände gemäß § 8b UWG eingetragen sind – und zwar nur, wenn die beanstandete Zuwiderhandlung tatsächlich die Interessen ihrer Mitglieder berührt. In der Abmahnung genügt hier ein Verweis auf diese Liste (ggf. ergänzt durch die URL), während eine detaillierte Darstellung der konkreten Mitgliederinteressen noch nicht zwingend erfolgen muss. - Vorgerichtliche Beweisführung und Risiken:
Frühere Entscheidungen (z. B. OLG Saarbrücken, Urt. v. 6.6.2017 und BGH, Urteil vom 18.10.1995, I ZR 126/93) zeigen, dass der Anspruchsgegner – also der Abgemahnte – bereits dann die Veranlassung zur Klageerhebung haben kann, wenn ihm die zur Prüfung des Anspruchs notwendigen Tatsachen schlüssig dargelegt werden. Das bedeutet, der Abmahnende ist nicht verpflichtet, bereits vorgerichtlich sämtliche Voraussetzungen im Detail zu belegen, wie es in einem späteren Klageverfahren gefordert werden könnte. Das Risiko, dass von ihm bezweifelte Anspruchsvoraussetzungen später bestätigt werden, trägt der Abgemahnte.
Die Aktivlegitimation erfordert daher eine nachvollziehbare Darstellung der eigenen Marktaktivität und des bestehenden Wettbewerbsverhältnisses. Die Anforderungen haben sich mit der UWG-Reform 2020 verschärft, sodass künftig eine detailliertere und kontextabhängige Darstellung erforderlich ist. Für Wirtschaftsverbände gilt zusätzlich, dass sie nur dann abmahnen können, wenn sie formell als qualifizierte Wirtschaftsverbände eingetragen sind und ihre Mitgliederinteressen konkret berührt werden. Diese Anpassungen sollen sicherstellen, dass der Abgemahnte eine konkrete und nachvollziehbare Grundlage erhält, um zu prüfen, ob der beanstandete Wettbewerbsverstoß vorliegt und wie er gegebenenfalls darauf reagieren soll.
4. Geltendmachung eines Aufwendungsersatzanspruchs
Früher war es ausreichend, einen Aufwendungsersatzanspruch pauschal anzukündigen – heute bedarf es einer detaillierten Darstellung:
- Klarheit über den Kostenvorbehalt:
Es muss unmissverständlich angegeben werden, ob ein Anspruch auf Ersatz der durch die Abmahnung entstandenen Aufwendungen besteht und wie sich dieser konkret berechnet. Ohne eine nachvollziehbare Darstellung der Berechnungsgrundlage des Aufwendungsersatzes kann der Anspruch nicht wirksam geltend gemacht werden (vgl. BGH, Urt. v. 22.1.2019, VI ZR 402/17, Tz. 14–20).
- Berechnungsgrundlage:
Die übliche Berechnung erfolgt nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) – gegebenenfalls angepasst durch eine individuelle Honorarvereinbarung, die jedoch die RVG-Grenzen nicht überschreiten darf. Die Offenlegung der Berechnungsgrundlage ist für die Überprüfbarkeit des Kostenanspruchs entscheidend (vgl. BGH, Urt. v. 22.1.2019).
- Konsequenzen bei Unklarheit:
Fehlt diese detaillierte Darstellung, kann der Abmahnende den Ersatz seiner Aufwendungen nach § 13 Abs. 3 UWG nicht verlangen, während der Abgemahnte im Streitfall zusätzlich Gegenansprüche geltend machen kann. Die unzureichende Darstellung des Kostenvorbehalts ermöglicht dem Abgemahnten, Gegenansprüche zu erheben (vgl. BT-Drcks. 19/12084).
5. Umschreibung des beanstandeten Verhaltens
Das zentrale Element jeder Abmahnung ist die präzise Beschreibung des beanstandeten Verhaltens:
- Konkretisierung des Sachverhalts:
Der Abmahnungstext muss so formuliert sein, dass der Abgemahnte genau erkennen kann, welche konkrete Handlung beanstandet wird und warum diese als wettbewerbswidrig einzustufen ist. Der Abgemahnte muss aus dem Schreiben unmittelbar ersehen können, was ihm konkret vorgeworfen wird (vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 30.11.2017, 1 W 40/17).
- Rechtliche Begründung des Vorwurfs:
Neben der sachlichen Schilderung ist auch eine knappe rechtliche Begründung erforderlich, die erläutert, warum das beanstandete Verhalten als Rechtsverletzung zu werten ist. Die Begründung dient dazu, Missbrauchsmöglichkeiten durch pauschale Abmahnungen zu vermeiden (vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v. 10.1.2024, 6 U 28/23, Tz. 89 ff.).
- Erforderliche Detailtiefe:
Es genügt, wenn der Sachverhalt so detailliert geschildert wird, dass der Abgemahnte erkennen kann, welche Handlungen er unterlassen muss, um einen Rechtsstreit zu vermeiden. Der Vorwurf muss so konkret erfolgen, dass die erforderlichen Folgerungen eindeutig abgeleitet werden können (vgl. BGH, Urt. v. 16.11.2006, I ZR 191/03).
6. Hinweis auf die Kostenfreiheit bzw. Kostenerstattung
Die Abmahnung muss auch hinsichtlich der anfallenden Kosten klar Stellung beziehen:
- Kostenfreiheit:
In bestimmten Fällen – insbesondere bei Erstabmahnungen, die unter § 13 Abs. 4 UWG fallen – darf keine Kostenforderung erhoben werden. Der Hinweis auf Kostenfreiheit soll dem Abgemahnten signalisieren, dass ihn im Falle der Abgabe einer Unterlassungserklärung keine finanziellen Mehrkosten erwarten (vgl. § 13 Abs. 2 Nr. 5 UWG).
- Aufwendungsersatzanspruch:
Wird ein Aufwendungsersatzanspruch geltend gemacht, muss in der Abmahnung genau angegeben werden, in welcher Höhe und auf welcher Berechnungsgrundlage diese Forderung beruht. Ohne die exakte Darstellung der Kostenermittlung ist der Aufwendungsersatzanspruch nicht verwertbar (vgl. BGH, Urt. v. 22.1.2019).
7. Sonstiger verpflichtender Inhalt und Androhung gerichtlicher Maßnahmen
Obwohl die gesetzlichen Anforderungen nicht abschließend sind, gehören auch folgende Punkte zur üblichen Gestaltung:
- Androhung gerichtlicher Schritte:
Es muss klar signalisiert werden, dass bei Nichtabgabe der geforderten Unterlassungserklärung gerichtliche Maßnahmen ergriffen werden. Ohne eine klare Androhung gerichtlicher Schritte wird die Ernsthaftigkeit des Abmahnschreibens unterminiert (vgl. BGH, Urt. v. 1.6.2006, I ZR 167/03, Tz. 12).
- Sonstige Hinweise:
Ergänzende Hinweise, die sich aus allgemeinen Grundsätzen des Lauterkeitsrechts ergeben, können aufgenommen werden, ohne jedoch zwingend die Rechtsfolgen zu beeinflussen. Zusätzliche Hinweise sind zulässig, solange sie nicht zu den Rechtsfolgen der §§ 13 Abs. 3 und 5 UWG führen (vgl. BT-Drcks. 19/12084, S. 31).
8. Forderung einer strafbewehrten Unterlassungserklärung
Die zentrale Forderung einer Abmahnung ist die strafbewehrte Unterlassungserklärung:
- Klar definierte Verpflichtung:
Der Abgemahnte muss sich verpflichten, das beanstandete Verhalten künftig zu unterlassen, und zwar mit der Vereinbarung einer Vertragsstrafe für den Fall eines erneuten Verstoßes. Die strafbewehrte Unterlassungserklärung sichert ab, dass im Wiederholungsfall ein konkreter Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe entsteht (vgl. OLG Jena, Urt. v. 21.3.2012, 2 U 602/11, II.1).
- Vorformulierte Unterlassungserklärung – Option a:
Wird dem Abgemahnten eine vorformulierte Erklärung beigelegt, stellt dies ein konkretes Vertragsangebot dar, das bei Unterschrift als verbindlicher Unterlassungsvertrag gilt. Mit der vorformulierten Erklärung wird dem Abgemahnten ein konkretes Angebot zum Abschluss eines Unterlassungsvertrags unterbreitet (vgl. BGH, Urt. v. 17.9.2009, I ZR 217/07, Tz. 19).
- Alternative ohne vorformulierte Unterlassungserklärung – Option b:
Wird keine vorformulierte Erklärung beigefügt oder wird sie vom Abgemahnten verändert, so kommt der Unterlassungsvertrag erst durch die spätere Annahme der abgeänderten Erklärung durch den Abmahnenden zustande Ändert der Abgemahnte den vorformulierten Text, so bedarf es der gesonderten Annahme, damit ein wirksamer Unterlassungsvertrag entsteht (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.11.2023, 2 U 99/22).
- Vertragsstrafeklauseln und deren Grenzen:
Die Höhe und Gestaltung der Vertragsstrafe müssen angemessen sein. Eine zu weitgehende Forderung kann zu einer unangemessenen Benachteiligung führen, was nach § 307 Abs. 1 BGB zur Unwirksamkeit der Klausel führen kann. Die Vertragsstrafe darf nicht in einem Ausmaß festgelegt werden, das den Abgemahnten unangemessen benachteiligt (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.11.2023, 2 U 99/22, Tz. 128).
9. Folgen einer inhaltlich unzureichenden Abmahnung
Sollte die Abmahnung nicht alle inhaltlichen Anforderungen erfüllen, ergeben sich für beide Parteien besondere Konsequenzen:
- Aufwendungsersatzanspruch des Abgemahnten:
Wird der Inhalt der Abmahnung als unzureichend bewertet, so hat der Abgemahnte einen Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen gemäß § 13 Abs. 5 UWG. Eine inhaltlich mangelhafte Abmahnung berechtigt den Abgemahnten zum Aufwendungsersatz – selbst wenn der beanstandete Verstoß letztlich berechtigt ist (vgl. BT-Drcks. 19/12084, S. 31).
- Kostenverzicht des Abmahnenden:
Gleichzeitig verliert der Abmahnende in einem solchen Fall das Recht, seine Anwalts- und sonstigen Kosten gemäß § 13 Abs. 3 UWG vom Abgemahnten einzufordern. Der Rechtsmissbrauch bei unzureichender Darstellung des Sachverhalts führt dazu, dass der Abmahnende seine Kosten nicht ersetzt verlangen kann (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 23.2.2017).
- Rechtliche Folgen im gerichtlichen Verfahren:
Ein Verstoß gegen die inhaltlichen Vorgaben beeinflusst zwar nicht die grundsätzliche Wirksamkeit einer Abmahnung, kann jedoch im späteren Gerichtsverfahren zu Einwendungen führen, die eine schnelle Anerkenntnisverfügung verhindern. Der unzureichende Tatsachenvortrag in der Abmahnung kann zu einer strategischen Verzögerung im Gerichtsverfahren führen (vgl. BGH, Urt. v. 28.7.2022, I ZR 205/20, Tz. 41).
Die inhaltliche Ausgestaltung einer Abmahnung im Wettbewerbsrecht ist daher ein äußerst sensibles Instrument. Jeder Bestandteil – von der Identifikation des Abmahnenden über die genaue Beschreibung des beanstandeten Verhaltens bis hin zur Forderung einer strafbewehrten Unterlassungserklärung – muss präzise und nachvollziehbar formuliert sein. Die Rechtsprechung betont immer wieder, dass bereits geringfügige Unklarheiten oder Auslassungen dazu führen können, dass der Abmahnende im späteren Rechtsstreit seine Aufwendungen nicht ersetzt verlangen kann. Gleichzeitig wird dadurch dem Abgemahnten ein legitimer Prüfungsrahmen eingeräumt, um zu beurteilen, ob der Vorwurf gerechtfertigt ist und welche Konsequenzen er bei Nichtabgabe einer adäquaten Erklärung zu erwarten hat.
Form der Abmahnung
Grundsätzlich schreibt das Wettbewerbsrecht keine besondere Form für die Abmahnung vor – sie kann mündlich, per Fax, per E‑Mail oder in schriftlicher Form (Brief) erfolgen. Dennoch sprechen zwei wesentliche Gründe dafür, dass Abmahnungen schriftlich abgefasst werden:
- Erfüllung der inhaltlichen Anforderungen
Nach § 13 Abs. 2 UWG muss eine Abmahnung bestimmte inhaltliche Vorgaben erfüllen. Erfüllt sie diese Anforderungen nicht, ist sie unwirksam. Da der Abmahnende die Darlegungs- und Beweislast für die ordnungsgemäße Erfüllung dieser Anforderungen trägt, ist es nahezu unumgänglich, dass er die Abmahnung in einer Form vorlegen kann. Nur so kann im Streitfall eindeutig bewiesen werden, dass die erforderlichen Angaben – wie Identität, Konkretisierung des beanstandeten Verhaltens, Forderung der Unterlassungserklärung und gegebenenfalls die Kostenaufstellung – tatsächlich erfolgt sind. - Nachweis des Zugangs
In der Praxis kommt es häufig zu Streitigkeiten darüber, ob eine Abmahnung überhaupt zugegangen ist. Eine schriftliche Abmahnung, die idealerweise per Einschreiben, als E‑Mail mit Lesebestätigung oder mittels eines Fax mit aussagekräftigem Sendeprotokoll verschickt wird, bietet einen verlässlichen Beweis für den Zugang. Dies ist insbesondere wichtig, da der Abmahnende im Falle eines gerichtlichen Verfahrens den Zugang der Abmahnung nachweisen muss. Zwar kann auch eine mündliche Abmahnung erfolgen, doch ist deren Nachweis wesentlich schwieriger zu erbringen, was zu erheblichen Beweisproblemen und im schlimmsten Fall zu einem Verlust von Ansprüchen führen kann.
Keine Pflicht zur Abmahnung
Nach § 13 Abs. 1 UWG sieht das Gesetz vor, dass der Anspruchsberechtigte grundsätzlich vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens den Unternehmer, der eine unlautere geschäftliche Handlung begangen hat, abmahnen und ihm die Möglichkeit einräumen soll, den Unterlassungsanspruch außergerichtlich zu erfüllen. Diese Abmahnung ist als Obliegenheit zu verstehen, jedoch keine zwingende Voraussetzung für die Erhebung einer Klage oder den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung.
Wesentliche Aspekte
- Obliegenheit statt Pflicht:
Zwar wird in der Abmahnung dem Abmahnenden ein Handlungspfad nahegelegt, um eine außergerichtliche Einigung herbeizuführen, doch steht es ihm grundsätzlich frei, auch ohne vorherige Abmahnung direkt Klage zu erheben oder eine einstweilige Verfügung zu beantragen. - Kostenrisiko bei Verzicht auf Abmahnung:
Entscheidet sich der Anspruchsberechtigte dafür, ohne Abmahnung vorzugehen, läuft er Gefahr, sämtliche Verfahrenskosten selbst zu tragen, falls die Gegenseite – beispielsweise durch ein sofortiges Anerkennen der einstweiligen Verfügung oder des Klageantrags – die Ansprüche nicht bestreitet. Dies wird durch § 93 ZPO geregelt. - Geschäftsähnliche Handlung und Vertragsangebot:
Die Abmahnung wird von der Rechtsprechung als „geschäftsähnliche Handlung“ bewertet. Sie kann gleichzeitig ein konkretes Angebot zum Abschluss eines Unterlassungsvertrags enthalten, sofern eine vorformulierte Unterlassungserklärung beigefügt wird. - Folgen mangelnder Unterlassungserklärung:
Reagiert der Abgemahnte auf eine berechtigte Abmahnung nicht mit der geforderten vertragsstrafenbewehrten Unterlassungserklärung, gibt dies dem Unterlassungsgläubiger Anlass, gerichtliche Schritte einzuleiten. Wer auf eine berechtigte Abmahnung keine ausreichende Unterlassungserklärung abgibt, gibt dem Unterlassungsgläubiger Anlass zur Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens (OLG Saarbrücken, Urt. v. 6.6.2017, 1 W 18/17, 2.a).
Obwohl die Abmahnung somit als Obliegenheit anzusehen ist, besteht keine gesetzliche Pflicht, vor der Einleitung gerichtlicher Maßnahmen eine Abmahnung zu versenden. Wer jedoch auf den Abmahnungsweg verzichtet, riskiert höhere Kosten, da bei einem unmittelbaren gerichtlichen Verfahren nach § 93 ZPO sämtliche Verfahrenskosten vom Antragsteller getragen werden müssen, falls die Gegenseite die Ansprüche anerkennt. Gleichzeitig fungiert die Abmahnung häufig als Geschäftsangebot, indem sie – insbesondere bei beigefügter vorformulierter Unterlassungserklärung – einen Unterlassungsvertrag vorschlägt. Wird diesen Aufforderungen nicht entsprochen, berechtigt dies den Unterlassungsgläubiger, weitere rechtliche Schritte einzuleiten.
Frist der Abmahnung
In einer Abmahnung ist es essenziell, einen konkreten Zeitpunkt festzulegen, bis zu dem der Abgemahnte – im Regelfall durch Abgabe einer vertragsstrafebewehrten Unterlassungserklärung – reagieren muss. Dieser Fristansatz spielt eine zentrale Rolle, um dem Abgemahnten eine klare Handlungsanweisung zu geben und gleichzeitig die außergerichtliche Konfliktlösung zu fördern.
Wesentliche Punkte:
- Konkrete Fristsetzung:
Die Abmahnung muss unmissverständlich einen Termin nennen, bis zu dem die geforderte Unterlassungserklärung abgegeben werden soll. Dies ist notwendig, damit der Abgemahnte genau weiß, bis wann er handeln muss, um gerichtliche Schritte zu vermeiden. - Dauer der Frist – Einzelfallabhängigkeit:
Die angemessene Frist richtet sich immer nach den Umständen des Einzelfalls. In den meisten Fällen ist eine Frist von etwa einer Woche üblich, da dem Schuldner so ausreichend Zeit zum Überlegen und zur Einholung anwaltlichen Rats eingeräumt wird. Im Regelfall, in dem es darum geht, dass eine wettbewerbswidrige Werbung irgendwann wiederholt wird, muss dem Schuldner Zeit zum Überlegen und zum Einholen anwaltlichen Rates gelassen werden (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 13.3.2014, Tz. 123, 4 U 121/13).
- Dringende Fälle:
In besonders eiligen Fällen kann die Frist auch erheblich kürzer bemessen sein – manchmal sogar nur in Stunden–, sofern die Dringlichkeit dies rechtfertigt. - Angemessenheit der Frist:
Sollte die vom Abmahnenden gesetzte Frist unangemessen kurz sein, so wird im Streitfall eine angemessene Frist angenommen. Dies dient dem Schutz des Abgemahnten, der ansonsten unter unzumutbaren Zeitdruck geraten würde. Wird die gesetzte Frist als unangemessen kurz bewertet, setzt das Gericht an ihrer Stelle eine angemessene Frist in Gang (vgl. BGH, Urt. v. 19.10.1989, I ZR 63/88, Tz. 11).
- Beginn der Frist und Berücksichtigung von Feiertagen:
Die Frist beginnt in der Regel mit dem Zugang der Abmahnung. Zudem ist bei der Fristbemessung unbedingt zu beachten, ob der letzte Tag der Frist auf einen Samstag, Sonntag oder einen am Erklärungsort staatlich anerkannten Feiertag fällt. In einem solchen Fall verlängert sich die Frist automatisch bis zum Ende des nächsten Werktages. Nach § 193 iVm. § 186 BGB verschiebt sich der Ablauf der Frist auf den nächsten Werktag, wenn der letzte Fristtag auf einen Sonnabend, Sonntag oder Feiertag fällt (vgl. OLG Bamberg, Beschl. v. 9.4.2018, 3 W 11/18, Tz. 12).
- Folgen der Fristüberschreitung:
Der Abgemahnte ist verpflichtet, innerhalb der gesetzten (oder bei Unzumutbarkeit innerhalb einer vom Gericht als angemessen erachteten) Frist zu reagieren – sei es durch Abgabe einer Unterlassungserklärung oder durch eine ausdrückliche Ablehnung. Versäumt er diese Frist, kann dies als stillschweigende Zustimmung gewertet werden und weitere rechtliche Schritte nach sich ziehen. - Keine Pflicht zur Fristverlängerung:
Der Abmahnende ist nicht verpflichtet, einer Bitte um Fristverlängerung nachzukommen. Erst in Ausnahmefällen könnte eine sogenannte Nachfasspflicht bestehen – in der Regel muss der Abmahnende auf seine ursprüngliche Frist bestehen.
Die Fristsetzung in einer Abmahnung ist somit von zentraler Bedeutung, um dem Abgemahnten eine klare und nachvollziehbare Handlungsanweisung zu geben. Dabei muss der Zeitpunkt so gewählt sein, dass er den konkreten Umständen des Einzelfalls gerecht wird – üblicherweise reicht hier eine Woche, kann aber in dringenden Fällen wesentlich kürzer sein. Gleichzeitig sind alle gesetzlichen Vorgaben zu berücksichtigen, etwa die automatische Verlängerung, wenn der Fristabschluss auf einen Wochenend- oder Feiertag fällt. Nur durch eine präzise und angemessene Fristsetzung lässt sich gewährleisten, dass der Abgemahnte ausreichend Zeit zur Reaktion hat und der Abmahnende im Streitfall seinen Beweis für den rechtzeitigen Zugang der Abmahnung erbringen kann.
Muss der Abmahnung eine Vollmacht beigefügt sein
Die Frage, ob einer Abmahnung eine Vollmacht beigefügt werden muss, ist in der Praxis und Rechtsprechung differenziert zu betrachten – insbesondere im Hinblick darauf, ob die Abmahnung ein konkretes Angebot zum Abschluss eines Unterlassungsvertrags enthält.
Kernaussagen der Rechtsprechung
- Keine Pflicht bei konkretem Vertragsangebot:
Häufig werden Abmahnungen von Rechtsanwälten im Auftrag eines Wettbewerbers ausgesprochen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Rechtsanwalt nicht verpflichtet, der Abmahnung eine Vollmacht beizufügen, wenn das Schreiben ein konkretes Angebot zum Abschluss eines Unterlassungsvertrags enthält. Der Rechtsanwalt ist nicht verpflichtet, mit der Abmahnung eine Vollmacht seines Mandanten beizufügen, wenn die Abmahnung ein konkretes Angebot zum Abschluss eines Unterlassungsvertrags enthält (BGH, Urt. v. 19.5.2010, I ZR 140/08, Tz. 11, 14 f).
- Unwirksamkeit wird nicht angenommen:
Der Wirksamkeit einer Abmahnung steht nicht entgegen, dass dem anwaltlichen Abmahnschreiben keine Vollmacht des Klägers beigefügt wurde – auch wenn der Abgemahnte dies als Argument zur Zurückweisung vorbringt. Dies liegt daran, dass § 174 Satz 1 BGB, der für einseitige Rechtsgeschäfte ohne Vertretungsmacht maßgeblich wäre, auf Abmahnungen mit Unterlassungserklärungsangebot nicht anwendbar ist. - Vertragsangebotcharakter:
Die Abmahnung kann bereits ein verbindliches Vertragsangebot zum Abschluss eines Unterlassungsvertrags enthalten, sofern sie von einem Rechtsbindungswillen getragen und hinreichend bestimmt ist. In einem solchen Fall kommt der Vertrag zustande, wenn der Abgemahnte das Angebot annimmt – unabhängig davon, ob der Vertreter eine Vollmacht vorgelegt hat. Bereits in der Abmahnung kann ein Vertragsangebot zum Abschluss eines Unterwerfungsvertrags liegen, wenn es von einem Rechtsbindungswillen getragen und hinreichend bestimmt ist (vgl. BGH, Urt. v. 17.9.2009, I ZR 217/07, Tz. 18).
Vertretungsmacht und Zweifel
- Zweifel an der Vertretungsmacht:
Falls der Schuldner Zweifel an der Vertretungsmacht des Abmahnenden hat, besteht grundsätzlich die Möglichkeit, die Annahme des Angebots vom Vorlegen einer Vollmachtsurkunde abhängig zu machen. In Fällen, in denen der Schuldner Zweifel an der Vertretungsmacht des Vertreters hat, kann der Schuldner die Unterwerfungserklärung von der Vorlage einer Vollmachtsurkunde abhängig machen (BGH, I ZR 140/08 – Vollmachtsnachweis, Rdnr. 15).
- Abmahnungen ohne konkretes Angebot:
Für Abmahnungen, die kein konkretes Angebot zum Abschluss eines Unterlassungsvertrags enthalten, kann eine andere Rechtsauffassung gelten. Das Urteil des OLG Nürnberg (Urteil v. 9.5.2023, 3 U 3524/22, Tz. 18 f) zeigt, dass in solchen Fällen möglicherweise eine Vollmachtsbeifügung erwartet wird, um die Vertretungsmacht nachzuweisen.
Zusammenfassende Bewertung
- Mit konkretem Angebot:
Wird der Abmahnung ein konkretes Angebot zum Abschluss eines Unterlassungsvertrags beigelegt, so ist es nicht erforderlich, eine Vollmacht beizufügen. Der Zweck der Abmahnung – nämlich dem Schuldner die Möglichkeit zu geben, ohne gerichtliche Inanspruchnahme klaglos zu stellen – wird dadurch erreicht, dass er das Angebot annehmen kann. Die fehlende Vollmachtsurkunde hindert in diesem Fall nicht an der Wirksamkeit des Schreibens. - Ohne konkretes Angebot:
Bei Abmahnungen, die kein solches Angebot enthalten, könnte der Nachweis der Vertretungsmacht relevanter werden, sodass in Einzelfällen die Vorlage einer Vollmachtsurkunde sinnvoll oder erforderlich sein kann.
Insgesamt zeigt die Rechtsprechung, dass die Beifügung einer Vollmacht nicht zwingend vorgeschrieben ist, sofern die Abmahnung als geschäftsähnliche Handlung mit einem konkreten Vertragsangebot ausgestaltet ist. Bei Zweifeln an der Vertretungsmacht steht dem Schuldner jedoch der Weg offen, die Annahme der Unterlassungserklärung von der Vorlage einer entsprechenden Vollmachtsurkunde abhängig zu machen.
Zugang der Abmahnung
Der tatsächliche Zugang einer Abmahnung ist ein wesentlicher Grundpfeiler ihres rechtlichen Wirkens, da der Abgemahnte nur dann zur Abgabe einer Unterlassungserklärung oder zur sonstigen Reaktion verpflichtet ist, wenn ihm das Schreiben tatsächlich zugegangen ist. Zugleich wirkt der Zugang als Voraussetzung für Ansprüche auf Aufwendungsersatz gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG.
1. Übersicht
Die Abmahnung muss dem Adressaten zugehen, damit dieser in die Lage versetzt wird, auf das Schreiben zu reagieren. Der Zugang ist darüber hinaus maßgeblich für die Beweisführung in einem Rechtsstreit: Es muss festgestellt und gegebenenfalls bewiesen werden, dass die Abmahnung tatsächlich an den richtigen Empfänger verschickt und dort auch empfangen wurde. Die praktische Problematik besteht darin, dass es häufig zu Streitigkeiten darüber kommt, ob und wann eine Abmahnung zugegangen ist – insbesondere, wenn der Abgemahnte bestreitet, das Schreiben erhalten zu haben.
2. Wem muss die Abmahnung zugehen?
Grundsätzlich ist die Person abzumahnen, die den wettbewerbswidrigen Verstoß begangen hat. Dabei gilt:
- Empfangseinrichtung und Adressat:
Es reicht nicht zwingend, die Hauptniederlassung des Unternehmens anzuschreiben. Vielmehr ist auch der Zugang an einer Zweigstelle oder einer als Empfangseinrichtung eingerichteten Filiale ausreichend. Grundsätzlich ist die Person abzumahnen, die den Wettbewerbsverstoß begangen hat – eine Zweigstelle oder Filiale kann als Empfangseinrichtung gelten, sofern dort gewöhnlich Post entgegengenommen wird (vgl. OLG Celle, Beschl. v. 4.7.2011, 13 W 58/11, siehe auch Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl. 2011, § 12, Rn. 1.14).
- Besondere Adressatssituationen:
Bei Minderjährigen, die abgemahnt werden, reicht der Zugang beim Abgeordneten nicht aus – hier muss das Schreiben dem gesetzlichen Vertreter zugehen (vgl. KG Berlin, Urt. v. 25.10.2019, 5 U 49/19, II.1.a.bb). - Ort der Zustellung bei Abwesenheit:
Gerade in Branchen mit hoher Mobilität, wie etwa im professionellen Influencer-Geschäft, ist es wichtig, dass der Adressat auch bei längerer Ortsabwesenheit sicherstellt, dass er für den Empfang von Abmahnungen erreichbar ist (vgl. KG, Beschl. v. 18.2.2021, 5 W 1005/20, Tz. 7).
3. Zugang bei Einschreiben
- Versand mittels Einschreiben mit Rückschein:
Wird eine Abmahnung per Einschreiben versandt, so gilt sie als zugegangen, sobald sie in der Zustellstelle des Empfängers abgegeben wird oder, im Fall von Abwesenheit, ein Benachrichtigungsschein hinterlassen wird (vgl. KG, Beschl. v. 18.2.2021, 5 W 1005/20, Tz. 5). - Folgen der Nichtabholung:
Wird das Einschreiben zwar zugestellt, jedoch aufgrund der Abwesenheit des Empfängers nicht abgeholt und bleibt es innerhalb der gesetzlich festgelegten Lagerfrist (meist sieben Werktage) unberührt, so kann dies zulasten des Empfängers gehen. Der Zugang wird in einem solchen Fall fiktiv angenommen, wenn der Empfänger seiner Mitwirkungspflicht (Abholung) nicht nachkommt (vgl. KG, Beschl. v. 18.2.2021, 5 W 1005/20, Tz. 8).
4. Zugang bei E-Mail
- Zugangsvoraussetzung bei E-Mail-Versand:
Wird die Abmahnung per E-Mail versendet, so ist die Rechtslage komplexer. Ein E-Mail-Versand allein gilt nicht automatisch als Zugang. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass der Abmahnungstext – insbesondere wenn er als Dateianhang versandt wird – erst dann als zugegangen gilt, wenn der Empfänger den Anhang tatsächlich öffnet. Wird ein Abmahnschreiben lediglich als Dateianhang zu einer E-Mail versandt, ist es nur dann zugegangen, wenn der E-Mail-Empfänger den Dateianhang auch tatsächlich öffnet (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 9.3.2022, 4 W 119/20, Tz. 20).
- Diskussionsstand in der Rechtsprechung:
Es gibt Ansichten, wonach im geschäftlichen Verkehr der Eingang der E-Mail auf dem Server des Empfängers grundsätzlich den Zugang bewirken könnte. Diese Auffassung wird jedoch kritisch gesehen, da gerade der Virenrisiko-Hinweis dazu führen kann, dass der Empfänger den Anhang nicht öffnet, sodass ein tatsächlicher Zugang nicht nachgewiesen werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 6.10.2022, VII ZR 895/21 – umstritten).
5. Konsequenzen des (fehlenden) Zugangs und Beweislast
Der Zugang der Abmahnung hat unmittelbare Folgen für die Rechtsfolgen, insbesondere im Hinblick auf ein sofortiges Anerkenntnis und auf einen etwaigen Aufwendungsersatzanspruch.
- Zugang und sofortiges Anerkenntnis:
Wird in einem gerichtlichen Verfahren bestritten, dass die Abmahnung zugegangen sei, kann der Schuldner ein sofortiges Anerkenntnis erteilen und gleichzeitig beantragen, dass dem Abmahnenden die Kosten des Verfahrens auferlegt werden. In diesem Fall muss der Abmahnende – als Kläger – im Rahmen der sogenannten sekundären Darlegungslast konkret darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass die Abmahnung ordnungsgemäß verschickt und zugegangen ist. Der Kläger muss die genauen Umstände der Absendung vortragen und unter Beweis stellen, dass die Abmahnung zugegangen ist, um nicht dem Risiko eines sofortigen Anerkenntnisses ausgesetzt zu sein (vgl. BGH, Beschl. v. 21.12.2006, I ZB 17/06, Tz. 11 ff).
- Zugang und Kostenerstattungsanspruch:
Ein Anspruch auf Erstattung der durch die Abmahnung entstandenen Kosten (Aufwendungsersatz) setzt zwingend voraus, dass die Abmahnung dem Adressaten zugegangen ist. Fehlt der Zugang, kann der Abmahnende seine Kosten nicht ersetzt verlangen. Aufwendungsersatz nach § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG kann nur verlangt werden, wenn der Verletzer die Abmahnung auch tatsächlich erhalten hat (vgl. KG Berlin, Urt. v. 14.5.2013, 5 U 49/12, Tz. 5).
- Beweislast und praktische Maßnahmen:
Die Beweislast für den Zugang der Abmahnung liegt grundsätzlich beim Abmahnenden. Wird dieser Umstand bestritten, kann der Abmahnende den Zugang durch den Versand per Einschreiben, mittels Rückschein oder durch weitere Versandformen (z. B. paralleler Versand per Fax und E-Mail) erleichtern. An den Nachweis der negativen Tatsache – nämlich dass die Abmahnung nicht zugegangen sei – dürfen keine überzogenen Anforderungen gestellt werden, da dies dem Kläger die Beweisführung erheblich erschwert (vgl. OLG Hamburg, Beschl. v. 25.4.2012, 3 W 2/12; KG, Beschl. v. 17.11.2016, 5 W 223/15).
- Praktische Konsequenz für den Empfänger:
Wird der Abmahnte aktiv versuchen, den Zugang zu vereiteln – etwa durch Nichtergreifen des Einschreibens – so muss er sich im Ergebnis so behandeln lassen, als sei ihm die Abmahnung zugegangen, sofern er nicht nachweisen kann, dass er zur Abholung ordnungsgemäß Gelegenheit hatte.
Der Zugang der Abmahnung ist für das Wirksamwerden und die rechtliche Durchsetzung der Ansprüche von zentraler Bedeutung. Er bildet die Grundlage dafür, dass der Abgemahnte in die Lage versetzt wird, auf das Schreiben zu reagieren – sei es durch die Abgabe einer Unterlassungserklärung oder durch das Bestreiten des Vorwurfs. Die Wahl geeigneter Versandmethoden (wie Einschreiben mit Rückschein) kann dabei helfen, den Zugang im Streitfall nachzuweisen. Gleichzeitig obliegt es dem Abmahnenden, im Rahmen einer sekundären Darlegungslast die genauen Umstände des Versands und des Zugangs darzulegen. Wird der Zugang bestritten, kann dies nicht nur zu einem sofortigen Anerkenntnis führen, sondern auch den Anspruch auf Aufwendungsersatz gefährden.
Kosten der Abmahnung
Die Frage des Aufwendungsersatzanspruchs des Abmahnenden – also des Wettbewerbers, der die Abmahnung ausspricht – ist eines der zentralen Themen im Wettbewerbsrecht. Ziel der Regelung ist es, dem Abmahnenden die Erstattung der tatsächlich entstandenen und erforderlichen Kosten (insbesondere der anwaltlichen Aufwendungen) zu ermöglichen, sofern die Abmahnung berechtigt, erforderlich und auch wirksam (insbesondere zugegangen) ist.
1. Aufwendungsersatzanspruch des Abmahnenden aus § 13 Abs. 3 UWG
a. Zweck der Regelung
Der wesentliche Sinn der vorgerichtlichen Abmahnung liegt darin, dem Schuldner die Möglichkeit zu bieten, den Rechtsstreit außergerichtlich beizulegen – und zwar durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung. Dies soll dazu beitragen, langwierige und kostspielige Gerichtsverfahren zu vermeiden. Da diese außergerichtliche Lösung auch im Interesse des Schuldners liegt, wird dem Abmahnenden der Ersatz der für die Abmahnung erforderlichen Aufwendungen gewährt. Es ist der Sinn der vorgerichtlichen Abmahnung nach § 12 Abs. 1 Satz 1 UWG, dem Schuldner Gelegenheit zu geben, den Streit durch Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungserklärung beizulegen … Nur wenn die Abmahnung diese Funktion erfüllt, handelt es sich um eine berechtigte Abmahnung im Sinne von § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG (vgl. BGH, Urt. v. 21.1.2010, I ZR 47/09, Tz. 5 – Kräutertee; BGH, Urt. v. 7.10.2007, I ZR 216/07, Tz. 11 – Schubladenverfügung).
b. Voraussetzungen: Berechtigte Abmahnung
Für den Aufwendungsersatzanspruch muss zunächst eine Abmahnung vorliegen. Dies umfasst mehrere Anforderungen:
- Vorliegen einer Abmahnung:
Es muss festgestellt werden, dass der Abmahnende den Schuldner zur Abgabe einer Unterlassungserklärung aufgefordert und dabei auch die Androhung gerichtlicher Maßnahmen ausgesprochen hat (vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v. 27.6.2012, 6 U 15/11). - Inhaltliche und formelle Gesetzeskonformität:
Die Abmahnung muss den in § 13 Abs. 2 UWG festgelegten Anforderungen genügen. Das bedeutet, dass der beanstandete Rechtsverstoß so konkret und eindeutig benannt wird, dass der Schuldner die notwendigen Folgerungen ziehen kann (vgl. BGH, Urt. v. 12.2.2015, I ZR 36/11 – „Monsterbacke II“; OLG Frankfurt, Beschl. v. 30.11.2017, 1 W 40/17). - Berechtigte und erforderliche Abmahnung:
- Berechtigung: Es muss ein materiell-rechtlicher Unterlassungsanspruch vorliegen. Eine Abmahnung ist nur berechtigt, wenn der beanstandete Verstoß tatsächlich wettbewerbswidrig ist (vgl. BGH, Urt. v. 19.5.2010, I ZR 140/08, Tz. 16 f).
- Erforderlichkeit: Die Abmahnung muss dem Schuldner einen effektiven Weg aufzeigen, um den Rechtsstreit außergerichtlich beizulegen. Dabei ist es unerheblich, ob der Schuldner den Unterlassungsanspruch später gerichtlich anerkennt oder nicht – entscheidend ist, dass ihm durch die Abmahnung die Möglichkeit zur klaglosen Beilegung eröffnet wird (vgl. BGH, Urt. v. 21.1.2021, I ZR 17/18, Tz. 13; BGH, Urt. v. 28.7.2022, I ZR 205/20, Tz. 23).
- Zugang der Abmahnung:
Der Aufwendungsersatzanspruch besteht nur, wenn die Abmahnung dem Schuldner tatsächlich zugegangen ist, sodass er die Gelegenheit hatte, darauf zu reagieren (vgl. KG Berlin, Urt. v. 14.5.2013, 5 U 49/12, Tz. 5). - Irrtum über den Verantwortlichen:
Sollte die Abmahnung an die falsche Person gerichtet worden sein, sind die dafür entstandenen Kosten grundsätzlich nicht erstattungsfähig – es sei denn, die Abmahnung diente der Sachverhaltsaufklärung und führte letztlich zur Identifizierung des tatsächlichen Verletzers (vgl. BGH, Urt. v. 23.11.2006, I ZR 276/03, Tz. 24; BGH, Vers. Urt. v. 22.3.2018, I ZR 265/16, Tz. 19, 25). - Kein Rechtsmissbrauch:
Der Ersatzanspruch entfällt, wenn die Abmahnung missbräuchlich erfolgt ist, beispielsweise zur Erpressung von Zahlungen oder ohne tatsächliche Grundlage (vgl. BGH, Vers.-Urt. v. 26.8.2018, I ZR 248/16, Tz. 40). - Keine automatische Kostenübernahme durch Unterlassungserklärung:
Die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung führt nicht automatisch zum Kostenübernahmeanspruch, sofern nicht ausdrücklich der Vorwurf der Kostenpflicht anerkannt wird (vgl. BGH, Urt. v. 24.9.2013, I ZR 219/12, Tz. 10 – Medizinische Fußpflege; OLG Hamm, Urt. v. 12.6.2012, I‑4 U 9/12, Tz. 26).
c. Besonderheiten bei Telemedien, E-Commerce und Datenschutz
Im Rahmen der UWG-Reform 2020 wurde der Aufwendungsersatzanspruch für bestimmte Rechtsverstöße eingeschränkt:
- Ausschluss gemäß § 13 Abs. 4 UWG:
Für Verstöße gegen Informations- und Kennzeichnungspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr sowie für datenschutzrechtliche Verstöße (gemäß DSGVO und BDSG) besteht – insbesondere bei Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern – grundsätzlich kein Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen.
Diese Regelung soll insbesondere kleine Unternehmen und gemeinnützige Vereine schützen, die im Online-Bereich vermehrt mit standardisierten Verstößen konfrontiert werden.
2. Weitere Ersatzansprüche und Kostenthemen
Neben dem Aufwendungsersatzanspruch aus § 13 Abs. 3 UWG werden auch andere Kostenerstattungsansprüche diskutiert:
- Geschäftsführung ohne Auftrag:
Im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes (z. B. Marken-, Patent-, Urheberrecht) könnte theoretisch auch ein Anspruch aus der Geschäftsführung ohne Auftrag herangezogen werden. Die UWG-Regelung in § 13 Abs. 3 UWG ist jedoch abschließend, sodass ein zusätzlicher Rückgriff auf diese Grundsätze in der Regel ausgeschlossen ist (vgl. BT-Drcks. 19/12084, S. 32). - Ersatzanspruch aus § 9 UWG:
Ob ein Ersatzanspruch auch aus § 9 UWG ableitbar ist, wird kontrovers diskutiert. Die neuere Rechtsprechung tendiert jedoch dazu, den speziell ausgestalteten Aufwendungsersatzanspruch aus § 13 Abs. 3 UWG als alleinige Kostenerstattungsgrundlage anzusehen. - Kostentragung im Gerichtsverfahren:
Gemäß § 91 ZPO trägt grundsätzlich die unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits. Allerdings greift § 93 ZPO, wenn der Schuldner den Anspruch sofort anerkennt, sodass hier besondere verfahrensrechtliche Konsequenzen zu beachten sind.
Der Aufwendungsersatzanspruch des Abmahnenden aus § 13 Abs. 3 UWG bezweckt, denjenigen Wettbewerber, der durch eine berechtigte und erforderliche Abmahnung zur außergerichtlichen Streitbeilegung ansetzt, in seinen tatsächlich entstandenen und notwendigen Kosten (insbesondere den Kosten der anwaltlichen Vertretung) zu entschädigen. Dabei ist entscheidend, dass:
- Eine Abmahnung vorliegt, die sowohl inhaltlich als auch formell den gesetzlichen Vorgaben entspricht.
- Die Abmahnung berechtigt und erforderlich ist, um dem Schuldner eine klaglose Möglichkeit zur Beilegung des Streits zu bieten.
- Der Zugang der Abmahnung nachgewiesen werden kann, da ohne diesen Zugang kein Anspruch auf Aufwendungsersatz besteht.
- Keine Rechtsmissbrauchsvorwürfe oder Fehladressierungen vorliegen, die den Anspruch entkräften würden.
- In speziellen Bereichen des elektronischen Geschäftsverkehrs, der Telemedien und des Datenschutzes der Gesetzgeber vorsieht, dass der Aufwendungsersatzanspruch unter bestimmten Voraussetzungen – insbesondere für kleine Unternehmen – ausgeschlossen ist.
Zudem hat der Gesetzgeber mit § 13 Abs. 3 UWG beabsichtigt, diese Regelung abschließend zu gestalten, sodass sich ergänzende Ansprüche aus der Geschäftsführung ohne Auftrag oder aus § 9 UWG nicht zusätzlich ergeben können.
Diese umfassende Regelung stellt sicher, dass die vorgerichtliche Abmahnung als Instrument der außergerichtlichen Streitbeilegung ihre doppelte Funktion – die Vermeidung eines teuren Gerichtsverfahrens und die Kostenerstattung für die entstandenen Aufwendungen – erfüllt und dabei sowohl den Interessen des Abmahnenden als auch denen des Schuldners Rechnung trägt.
Entbehrlichkeit der Abmahnung
Obwohl eine Abmahnung grundsätzlich ratsam ist, um dem Abgemahnten eine außergerichtliche Möglichkeit zur Streitbeilegung einzuräumen, ist sie – rechtlich gesehen – keine zwingende Voraussetzung zur Einleitung eines Gerichtsverfahrens. Vielmehr besteht die Pflicht zur Abmahnung nur als Obliegenheit. Wird diese unterlassen, kann der Schuldner gemäß § 93 ZPO in einem Gerichtsverfahren den Anspruch sofort anerkennen, wodurch ihm die Kosten des Verfahrens auferlegt werden. Allerdings gibt es eng umgrenzte Ausnahmefälle, in denen die Abmahnung als entbehrlich angesehen wird.
1. Grundsatz: Abmahnung ist ratsam
Grundsätzlich ist es – auch wenn sie keine Zulässigkeitsvoraussetzung für ein gerichtliches Verfahren darstellt – sehr ratsam, den Unterlassungsanspruch zunächst außergerichtlich geltend zu machen. Eine Abmahnung bietet dem Schuldner die Gelegenheit, mit Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung klaglos Stellung zu nehmen. Dies dient nicht nur dem Ziel der Kosteneinsparung (da der Schuldner im Falle eines sofortigen Anerkenntnisses gemäß § 93 ZPO die Kosten des Gerichtsverfahrens tragen muss), sondern fördert auch eine schnelle und außergerichtliche Konfliktlösung.
2. Entbehrlichkeit der Abmahnung
In Ausnahmefällen kann die Abmahnung entbehrlich sein. Entscheidend ist dabei stets die ex ante-Sicht des Antragstellers, das heißt, es muss zum Zeitpunkt der Antragstellung objektiv erkennbar sein, dass eine Abmahnung entweder nutzlos wäre oder dem Schuldner die außergerichtliche Beilegung unzumutbar erscheint. Nachfolgend werden die einzelnen Konstellationen näher erläutert.
2a. Bei einem ergänzenden Sequestrationsantrag
Wenn neben dem Unterlassungsanspruch ein Sequestrationsanspruch geltend gemacht wird, kann eine Abmahnung unter Umständen entbehrlich sein. Der Grund liegt darin, dass eine vorherige Abmahnung dem Verletzer die Gelegenheit geben würde, den angegriffenen Warenbestand – der ansonsten im Rahmen einer Sequestrationsanordnung sichergestellt werden soll – beiseitezuschaffen. Insbesondere bei der Weiterverbreitung schutzrechtsverletzender Ware besteht die berechtigte Sorge, dass der Verletzer durch eine Warnung Zeit gewinnen könnte, um seine wirtschaftlichen Interessen zu sichern.
Wird im einstweiligen Verfügungsverfahren neben dem Unterlassungsanspruch auch ein Sequestrationsanspruch geltend gemacht, kann sich die Unzumutbarkeit der Abmahnung daraus ergeben, dass eine Abmahnung dem Verletzer die Möglichkeit eröffnet, zur Vermeidung wesentlicher Nachteile den vorhandenen, angegriffenen Warenbestand beiseite zu schaffen (vgl. KG, Beschl. v. 25.4.2008, 5 W 39/06; OLG Hamburg GRUR-RR 2004, 191).
Auch die Rechtsprechung bestätigt, dass in solchen Fällen der Antragsteller berechtigte Befürchtungen haben muss, dass eine Abmahnung den Zweck der Sequestration vereiteln würde (vgl. OLG Hamburg GRUR-RR 2007, 29; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 11.1.2013, 6 W 82/12).
2b. Bei besonderer Eile
Eine Abmahnung kann entbehrlich sein, wenn eine außergewöhnliche Dringlichkeit besteht, die eine sofortige gerichtliche Intervention erforderlich macht. In Fällen, in denen der Wettbewerbsverstoß so eilig ist, dass eine Abmahnung den Erfolg der außergerichtlichen Streitbeilegung gefährdet – etwa weil der Verletzer unmittelbar damit beginnt, schutzrechtsverletzende Ware beiseitezuschaffen oder anderweitig seine Position zu sichern –, ist es unzumutbar, erst eine Abmahnung abzuwarten.
Wenn es nach den konkreten Umständen des Falles unzumutbar ist, den Verletzer vor der Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe abzumahnen, weil eine besondere Dringlichkeit besteht, kann eine Abmahnung entbehrlich sein (vgl. OLG Saarbrücken, Urt. v. 14.7.2008, 1 W 99/08).
Hierbei erlauben moderne Kommunikationsmittel auch sehr kurzfristige Abmahnungen, doch wenn die Gefahr einer schnellen Vermögenssicherung oder anderweitigen Handlungen des Verletzers besteht, ist die Abmahnung als Warnschuss schlichtweg zu spät.
2c. Bei ersichtlicher Erfolglosigkeit oder Unzumutbarkeit
Die Abmahnung ist entbehrlich, wenn für den Gläubiger bereits absehbar ist, dass sie ohne Erfolg bleiben würde oder für den Schuldner unzumutbar wäre. Dies kann der Fall sein, wenn der Verletzer bereits frühzeitig signalisiert, dass er den Anspruch nicht anerkennen wird, oder wenn die Verzögerung durch die Abmahnung dazu führen würde, dass sich seine Rechtsposition wesentlich verbessert – beispielsweise durch das Eintrittsdatum der Verjährung.
Eine Abmahnung ist entbehrlich, wenn sie aus der Sicht des Verletzten voraussichtlich erfolglos bleibt oder wenn der mit ihr verbundene Zeitverzug den Zweck der außergerichtlichen Streitbeilegung vereiteln würde (vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 14.2.2018, 6 W 6/18; KG, Beschl. v. 1.11.2002, 5 W 139/02).
Die Frage der Erforderlichkeit wird stets aus der ex ante-Sicht des Antragstellers beurteilt. Nachträgliche Umstände, die sich erst nach der Abmahnung ergeben, sind dabei nicht relevant.
Sonderfall: Mehrere Unterlassungsschuldner im gleichen Lager
In besonderen Fällen, in denen mehrere potenzielle Unterlassungsschuldner (z. B. verschiedene Organe oder verbundene Unternehmen) im gleichen organisatorischen Rahmen betroffen sind, kann die Abmahnung als entbehrlich erachtet werden, wenn bereits an einem Organ – beispielsweise dem Geschäftsführer – abgemahnt wurde und sich nicht ergab, dass dessen persönliches Verhalten von der Unternehmensführung abweicht.
Wird ein Unternehmen erfolglos abgemahnt, mag eine weitere Abmahnung eines zusätzlichen Organs überflüssig erscheinen, da das Unternehmen als Ganzes bereits in Anspruch genommen wurde (vgl. KG, Beschl. v. 8.3.2011, 5 U 155/10; Bornkamm in: Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl., § 12 Rn. 1.14).
Es ist dabei zu beachten, dass nicht automatisch jede weitere Abmahnung entbehrlich ist – vielmehr ist im Einzelfall zu prüfen, ob die zusätzliche Abmahnung einen neuen und relevanten Umstand adressiert, der bei der ersten Abmahnung noch nicht berücksichtigt wurde.
2d. Nicht schon bei vorsätzlichem Handeln
Wichtig ist, dass vorsätzliches Handeln des Verletzers allein nicht zur Entbehrlichkeit der Abmahnung führt. Selbst wenn der Verletzer vorsätzlich handelt, kalkuliert er in der Regel mit der Möglichkeit, vorab abgemahnt zu werden – da er weiß, dass sein Verhalten rechtswidrig ist. Die bewusste, vorsätzliche Handlung schließt daher nicht automatisch eine außergerichtliche Beilegung aus.
Allein die Tatsache, dass der Verletzer vorsätzlich handelt, macht die Abmahnung nicht entbehrlich, da auch ein rational handelnder Verletzer häufig den Weg der außergerichtlichen Einigung wählt, um einem kostenintensiven Gerichtsverfahren zu entgehen (vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 14.2.2018, 6 W 6/18; LG Düsseldorf, Urt. v. 17.3.2015, 4b O 5/15; Bornkamm in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 36. Aufl. 2018, Rnr. 1.66).
Die Abmahnung ist grundsätzlich ratsam, da sie dem Schuldner eine außergerichtliche Möglichkeit zur Beilegung des Streits einräumt und damit ein teures Gerichtsverfahren vermeiden hilft. Allerdings ist sie in eng begrenzten Ausnahmefällen entbehrlich:
- Bei einem ergänzenden Sequestrationsantrag (vgl. KG, Beschl. v. 25.4.2008; OLG Hamburg GRUR-RR 2004, 191), wenn die Abmahnung dem Verletzer die Möglichkeit eröffnet, schutzrechtsverletzende Ware beiseitezuschaffen.
- Bei besonderer Eile (vgl. OLG Saarbrücken, Urt. v. 14.7.2008), wenn aufgrund der Dringlichkeit sofortige gerichtliche Maßnahmen erforderlich sind, um einen erheblichen Schaden abzuwenden.
- Bei ersichtlicher Erfolglosigkeit oder Unzumutbarkeit (vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 14.2.2018; KG, Beschl. v. 1.11.2002), wenn absehbar ist, dass eine Abmahnung den angestrebten außergerichtlichen Erfolg nicht herbeiführt oder für den Verletzer eine Abmahnung unzumutbar ist.
- Im Sonderfall mehrerer Unterlassungsschuldner im gleichen Lager (vgl. KG, Beschl. v. 8.3.2011; Bornkamm in: Köhler/Bornkamm, UWG), wenn bereits ein Organ abgemahnt wurde und eine weitere Abmahnung eines anderen Organs keine zusätzlichen Rechte verschafft.
- Nicht jedoch allein bei vorsätzlichem Handeln, da auch vorsätzlich handelnde Verletzer oft mit einer Abmahnung rechnen und sich diese außergerichtliche Möglichkeit bewusst in ihre Kalkulation einbeziehen (vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 14.2.2018; LG Düsseldorf, Urt. v. 17.3.2015).
Die Entscheidung, ob eine Abmahnung entbehrlich ist, muss stets unter Berücksichtigung der konkreten Umstände im Einzelfall und aus ex ante-Sicht des Gläubigers getroffen werden. Dabei spielen sowohl die Interessen des Gläubigers – der durch die Abmahnung eine außergerichtliche Streitbeilegung anstrebt – als auch die des Schuldners eine Rolle. Wird die Abmahnung entbehrlich erklärt, verliert der Schuldner unter Umständen den Vorteil, sich durch ein sofortiges Anerkenntnis gemäß § 93 ZPO vor gerichtlichen Kosten zu schützen.
Diese differenzierte Betrachtung gewährleistet, dass die vorgerichtliche Abmahnung als Instrument zur außergerichtlichen Streitbeilegung ihre doppelte Funktion – einerseits als Warnmechanismus und andererseits als Mittel zur Kostensenkung – voll erfüllen kann, ohne dabei den Prinzipien des fairen Wettbewerbsrechts zu widersprechen.
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