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Abgabe von Getränken ohne Pfand

| Rechtsanwalt Frank Weiß

Dem Urteil lag ein Rechtsstreit zugrunde, in dem ein Unternehmen aus dem Bereich des Onlinehandels beklagt wurde. Die Beklagte hatte über ihre Website Säfte in Einweg-Kunststoffflaschen mit einem Volumen von 500 ml zum Kauf angeboten. Auffällig war, dass sie diese Getränke ohne Erhebung des gesetzlich vorgeschriebenen Pfands von 0,25 € pro Flasche verkaufte. Es handelte sich dabei um sogenannte Einweggetränkeverpackungen aus Kunststoff, bei denen gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 Verpackungsgesetz (VerpackG) eine Pfanderhebungspflicht besteht.

Der Kläger sah hierin einen klaren Verstoß gegen das Verpackungsgesetz sowie einen damit verbundenen Wettbewerbsverstoß gemäß § 3a UWG. Er beantragte daher gerichtlich die Unterlassung dieses Verhaltens.

Für die Beurteilung durch das Gericht war entscheidend, ob das Verhalten der Beklagten tatsächlich gegen eine gesetzliche Vorschrift verstößt, die im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) das Marktverhalten zu regeln bestimmt ist. Dies war insbesondere davon abhängig, ob § 31 VerpackG als sogenannte Marktverhaltensregel im Sinne des § 3a UWG einzustufen ist. Nur dann wäre ein Verstoß gegen das Verpackungsgesetz gleichzeitig auch wettbewerbsrechtlich relevant und sanktionierbar.

Die Entscheidungsgründe des LG Berlin im Detail

Das Landgericht Berlin stellte in seinem Urteil ausdrücklich fest, dass die Beklagte durch ihr Verhalten gegen § 31 Abs. 1 Satz 1 VerpackG verstoßen hat. Die Vorschrift regelt eindeutig, dass Einweggetränkeverpackungen aus Kunststoff, die mit bepfandeten Getränken befüllt werden, nur dann in den Verkehr gebracht werden dürfen, wenn zugleich ein Pfand in Höhe von mindestens 0,25 Euro brutto je Verpackung erhoben wird. Die Pflicht trifft sowohl Hersteller als auch Vertreiber, also auch denjenigen, der die Ware letztlich an den Endkunden verkauft – wie hier im Online-Shop der Beklagten geschehen.

Das Gericht stellte fest, dass es zwischen den Parteien unstreitig war, dass die betreffenden Getränke in Kunststoffflaschen mit einem Füllvolumen von 500 ml angeboten wurden. Diese Größe fällt unzweifelhaft unter die Pfandpflicht, da sie dem typischen Flaschenformat für bepfandete Einweggetränke entspricht. Auch die Materialeigenschaft – Kunststoff – entspricht der gesetzlichen Voraussetzung zur Anwendbarkeit der Pfandpflicht.

Zentral für die rechtliche Bewertung war nicht nur der Verstoß gegen das Verpackungsgesetz an sich, sondern auch die Frage, ob dieser Verstoß zugleich eine unlautere geschäftliche Handlung im Sinne des UWG darstellt. Dies wiederum hängt davon ab, ob die verletzte Vorschrift – hier § 31 VerpackG – eine sogenannte Marktverhaltensregel ist. Das LG Berlin bejahte dies eindeutig.

Dabei verwies das Gericht zunächst auf die systematische Stellung und den Regelungszweck des Verpackungsgesetzes. Zwar dient dieses Gesetz primär umweltpolitischen Zielsetzungen, insbesondere der Rückführung von Verpackungsmaterialien in den Verwertungskreislauf. Allerdings betonte das Gericht, dass die Pfandpflicht in § 31 VerpackG nicht allein Umweltinteressen schützt, sondern auch ordnungspolitische Funktion hat. Denn das Pfand sorgt nicht nur für die Rückgabe und das Recycling von Verpackungen, sondern stellt auch sicher, dass alle Marktteilnehmer unter denselben rechtlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen handeln.

Würde ein Unternehmen – wie im vorliegenden Fall – das Pfand nicht erheben, ergäben sich daraus für dieses Unternehmen unmittelbare Wettbewerbsvorteile: Zum einen wäre der Preis für den Verbraucher augenscheinlich günstiger, weil der Pfandbetrag fehlt. Zum anderen würde der Händler die mit der Pfanderhebung verbundenen organisatorischen und logistischen Pflichten (z. B. Rücknahme, Lagerung, Abwicklung der Rückzahlung) umgehen. Diesen betriebswirtschaftlichen Vorteil erkannte das Gericht als einen relevanten Einfluss auf das Marktverhalten an. Anders ausgedrückt: Ein Unternehmen, das gegen die Pfandpflicht verstößt, verschafft sich einen strukturellen Wettbewerbsvorteil gegenüber gesetzestreuen Mitbewerbern.

Das Gericht nahm ausdrücklich Bezug auf die bereits etablierte Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Köln (Urteil vom 19. Oktober 2012 – Az. 6 U 103/12), das bereits zur Vorgängerregelung in der Verpackungsverordnung entschieden hatte, dass es sich bei den Pfandvorschriften um Marktverhaltensregeln handelt. Das LG Berlin führte aus, dass sich die rechtliche Bewertung durch den Wechsel von der Verpackungsverordnung zum Verpackungsgesetz nicht geändert habe. Im Gegenteil: Die Intention des Gesetzgebers sei sogar noch klarer gefasst worden. § 31 VerpackG sei demnach nicht bloß eine reflexhafte Umweltvorschrift, sondern explizit dazu bestimmt, den Wettbewerb ordnungsgemäß zu gestalten.

Entscheidend war für das Gericht, dass die Norm unmittelbar darauf abzielt, gleiche Ausgangsbedingungen für alle Anbieter zu schaffen. Der Verzicht auf die Pfanderhebung wirkt sich also nicht nur faktisch, sondern auch rechtlich auf den Wettbewerb aus. Ein Unternehmen, das sich dieser Pflicht entzieht, handelt nach Auffassung des LG Berlin in zweifacher Hinsicht rechtswidrig: Zum einen liegt ein Verstoß gegen das öffentlich-rechtliche Verpackungsrecht vor, zum anderen wird durch dieses Verhalten auch die Lauterkeit des Wettbewerbs verletzt. Damit sei der Tatbestand des § 3a UWG erfüllt.

Abschließend hob das Gericht die besondere Bedeutung der Einhaltung solcher Vorschriften im digitalen Handel hervor. Gerade im E-Commerce, wo Preisvergleiche durch Verbraucher innerhalb von Sekunden erfolgen können, sei der Preis ein zentraler Wettbewerbsfaktor. Der scheinbar niedrigere Preis durch den Wegfall des Pfands könne einen entscheidenden Vorteil im Wettbewerb darstellen – obwohl er auf einer gesetzlichen Pflichtverletzung beruhe. Damit wird aus einer Umweltvorschrift eine wettbewerbsrelevante Marktverhaltensregel, deren Verletzung nicht nur abmahnfähig, sondern auch gerichtlich untersagbar ist.

Fazit des Urteils

Zusammenfassend kommt das Landgericht Berlin in seinem Urteil zu dem klaren Ergebnis, dass der Verkauf von Getränken in Einweg-Plastikflaschen ohne die gesetzlich vorgeschriebene Pfanderhebung nicht nur gegen § 31 VerpackG verstößt, sondern zugleich eine unzulässige geschäftliche Handlung im Sinne des § 3a UWG darstellt. Das Verhalten des beklagten Unternehmens verletzte eine gesetzliche Marktverhaltensregel, die dazu bestimmt ist, gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen und das Marktverhalten zu regulieren. Der so erzielte Wettbewerbsvorteil durch Preisgestaltung und Umgehung organisatorischer Pflichten wurde vom Gericht als unlauter qualifiziert. Die Unterlassung dieses Verhaltens war folglich zuzusprechen.

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