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§ 34d GewO stellt Marktverhaltensregelung dar

BGH, Urteil vom 18.09.2013, Aktenzeichen I ZR 183/12
| Rechtsanwalt Frank Weiß

Der Bundesgerichtshof hat am 18.09.1013 durch Urteil zum Aktenzeichen I ZR 183/12 einen wettbewerbsrechtlichen Streit um die Befugnisse der gesetzlichen Krankenkassen entschieden. Als Kläger trat ein eingetragener Verein auf, dessen Aufgabe laut Satzung darin besteht, unlauteren Wettbewerb zu bekämpfen und dadurch gewerbliche Interessen seiner Mitglieder zu wahren.
Geklagt wurde gegen eine gesetzliche Krankenversicherung, die zur Ergänzung ihrer gesetzlichen Leistungen Zusatzversicherungen privater Versicherungsanbieter an ihre Versicherten vermittelt. Die gesetzlichen Regeln für die Tätigkeit einer gesetzlichen Krankenkasse sind im 5. Buch des Sozialgesetzbuchs zusammengefasst. Die Vermittlung von Zusatzversicherungen, die von privaten Versicherungsträgern angeboten werden, ist der gesetzlichen Krankenkasse aufgrund der spezifischen Regelungen nicht verboten. In § 194 Absatz 1a SGB V wird die Ermächtigung, solche Vermittlungsleistungen durch Satzung zuzulassen, ausdrücklich ausgesprochen. Der Kläger vertritt die Ansicht, dass sich die Beklagte als gesetzliche Krankenversicherung bei der Vermittlung von Versicherungsleistungen, die von privaten Versicherern angeboten werden, an die allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Regelungen für die private Versicherungswirtschaft halten müsste. Es sei deshalb als unlauterer Wettbewerb gemäß § 4 Nummer 11 UWG anzusehen, wenn der gewerbliche Versicherungsvermittler nicht die für die Vermittlungstätigkeit erforderliche behördliche Erlaubnis gemäß § 34d GeWO nachweisen könne.

Der Kläger beanstandet, dass die Beklagte in einem konkret bezeichneten Fall durch eine Mitarbeiterin eine private Zusatzversicherung vermittelt hat. Auf die daraufhin erteilte wettbewerbsrechtliche Abmahnung erklärte sich die Beklagte nicht bereit, die verlangte Unterlassungserklärung abzugeben. Der Kläger reichte daraufhin Klage bei dem Landgericht Potsdam ein. Die Klage wurde abgewiesen. Auch die daraufhin beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingelegte Berufung wurde abgewiesen. Schließlich hatte der unter anderem auf Wettbewerbsrecht spezialisierte erste Senat des Bundesgerichtshofes in der Revisionsinstanz abschließend zu entscheiden. Die höchsten Zivilrichter in Deutschland hoben das Berufungsurteil auf und gaben der Klage statt. Unstreitig stand als Entscheidungsgrundlage fest, dass das Vermitteln von Versicherungsleistungen, die durch private Anbieter erbracht werden sollen, nicht zum öffentlich-rechtlichen Handeln einer gesetzlichen Krankenversicherung gehört, sondern eine zivilrechtlich zu bewertende Tätigkeit ist. Grundsätzlich gehört ein solches Handeln in den Regelungsbereich des „Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb“, den § 2 UWG definiert. Auch nach dem eigenen Vortrag der Beklagten war es für die Richter unzweifelhaft, dass die hier streitgegenständliche Handlung als Versicherungsvermittlung zu qualifizieren ist. Ein Anhaltspunkt dafür, dass ein Ausnahmefall von der generellen Erlaubnispflicht des § 34d GeWO vorliegen könnte, wurde durch den Bundesgerichtshof nicht festgestellt. Zur Feststellung einer entgeltlichen Tätigkeit sei es ausreichend, dass der private Versicherungsanbieter der Beklagten die Erstattung eines Unkostenbeitrages in Aussicht stellte.

Zu klären blieb das Verhältnis zwischen § 194 SGB V als Ermächtigungsgrundlage für die Vermittlung privater Zusatzversicherungen durch eine gesetzliche Krankenversicherung, und § 34d GeWO als Grundvorschrift für ein Tätigwerden im Bereich der wirtschaftlich motivierten, privaten Versicherungsvermittlung. Der Bundesgerichtshof folgte der Argumentation der Beklagten, dass die Anwendbarkeit des § 34 d GeWO bereits durch Vorrangigkeit des § 194 Absatz 1a SGB V ausgeschlossen sei, nicht. Das Vermitteln von privaten Zusatzversicherungen gehört auch dann nicht zu den ursprünglich den gesetzlichen Krankenkassen zugewiesen Tätigkeiten, wenn durch den Abschluss solcher Zusatzversicherungen Absicherungslücken geschlossen werden sollen, die erst durch Gesetzesänderungen und die daraus folgenden Leistungskürzungen durch die gesetzliche Krankenversicherung aufgerissen worden sind. Der Gesetzgeber hat, als er die für die Versicherungswirtschaft geltende Marktzutrittsregel des § 34 d GeWO erlassen hat, gerade nicht formuliert, dass gesetzliche Krankenkassen und ihre Mitarbeiter von dieser den Verbraucher vor Übervorteilung durch schlecht informierte oder im Eigeninteresse handelnde Vermittler schützenden Regelung ausgenommen sein sollen. Die Vorschrift des § 34 d GeWO ist deshalb neben der generellen Möglichkeit zur Erlaubniserteilung zur Versicherungsvermittlung, die den gesetzlichen Krankenversicherern durch § 194 Absatz 1a SGB V eingeräumt wurde, anzuwenden.
Weil die Beklagte als gewerbliche Vermittlerin einer privaten Versicherung aufgetreten ist, ohne dazu durch die entsprechende Erlaubnis befugt zu sein, liegt ein Verstoß gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften vor, so dass der Anspruch auf Unterlassung gerechtfertigt ist.

BGH, Urteil vom 18.09.2013, Aktenzeichen I ZR 183/12

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