Redtube - Streaming oder Download?
Die Redtube-Abmahnungen der Kanzlei Urmann und Collegen haben in den letzten Tagen für einige Aufregung gesorgt. Nachdem sich zwischenzeitlich die Indizienkette in Bezug auf die IP-Ermittlungen verhärtet und die bisherige Berichterstattung in den Medien zumeist von „Streaming“ spricht, wäre noch zu klären, ob es sich rein technisch bei den Vorgängen auf Redtube.com überhaupt um ein „Streaming“ handelt. So war auf BILD.de diese Woche zu lesen, dass Redtube wie Youtube ein Streaming-Portal sei, also Filme auf der Seite angeschaut, jedoch nicht aktiv heruntergeladen würden.
Vorab: Diese Aussage ist definitiv falsch!
Wir haben uns den technischen Vorgängen auf Redtube einmal zusammen mit einem IT-Unternehmen angenommen und mussten Feststellen, dass bei Redtube die Filmdateien auf den Rechner des Usres heruntergeladen werden, somit ein Download der Filmdateien stattfindet. Insofern müssen auch wir einige unserer damaligen Ausführungen revidieren:
Unsere Tests mit einem „jungfräulichen“ Windows 8.1. sowie den Browsern IE, Firefox und Chrome in den aktuellen Versionen haben eindeutig ergeben, dass ein Download stattfindet, kein Streaming. Die entsprechende Datei wird auch entgegen vieler Vermutungen nicht gelöscht wenn der entsprechende Tab des Browsers oder sogar der Browser selbst geschlossen wird. Selbst bei einem Neustart des Computers war der Testfilm (Miriam's Adventures) noch im temporären Ordner des Betriebssystems wie auch des Browsers enthalten. Lediglich eine manuelle Löschung der temporären Ordner entfernte die Filmdatei endgültig.
Vorab bleibt festzuhalten, dass wir feststellen mussten, dass es sich bei dem Testfilm keinesfalls um gestreamte Inhalte handelt, sondern um einen sogenannten progressiven Download, der keine Streaming- Technologie enthält.
Bei einem progressiven Download startet der Film unmittelbar nach Betätigung eines Links auf der entsprechenden Webseite, ohne dass sich die Film-Datei zu diesem Zeitpunkt bereits vollständig auf dem Rechner des Users befindet. Jedoch wird der ganze Film während der Betrachtung im Hintergrund geladen. Bei einer schnellen Internetverbindung des Users kann es so vorkommen, dass sich nach einer nur kurzen Betrachtungszeit bereits der gesamte Film auf seinem Rechner befindet. Wie weit ein solcher Download fortgeschritten ist, wird dem User bei Redtube grafisch angezeigt:
Der schwach rot schattierte Bereich gibt dabei den Downloadfortschritt, der kräftiger rote Bereich die Betrachtungszeit wieder.
So produziert dieses Verfahren immer eine lokale Kopie des Films auf dem Computer des Users.
Aber der Reihe nach. Unsere Tests:
Technische Evaluation
Datum der Durchführung 17.12.2013
Testumgebung
Virtualisierungs Technologie: Microsoft Hyper-V
Hostname: pr-testvm-01
Gast-Betriebssystem: Windows 8.1 Pro 64 Bit
Installation: Neuinstallation von DVD
Installierte Programme / Browser: Microsoft Internet Explorer, Mozilla Firefox 26.0, Google Chrome, Adobe Flash Player, NirSoft VideoCacheView 2.65 (ohne diese Software ist es zugegebenermaßen schwer, die Videodateien überhaupt zu finden).
Anpassungen: Explorer: alle Dateien anzeigen, inkl. Systemdateien; Browser: Startseite: Keine (leeren Tab)
Evaluation des Browser-Cache-Verhalten
Cache leeren, abspielen, pausieren, vor + zurückspringen, weitersurfen, Browser schließen, PC neustarten, Cache leeren
Internet Explorer - Internet-Explorer Test-Setup
Internet-Explorer Temp-Pfad: C:\Users\%USERNAME%\AppData\Local\Microsoft\Windows\INetCache\Low
Internet-Explorer Browser-Cache-Pfad: C:\Users\%USERNAME%\AppData\Local\Microsoft\Windows\INetCache\Low\IE
Fenster rechts oben: Browser
Fenster rechts unten: Temporäres Verzeichnis des Rechners
Fester links oben: Browser Cache
Fester links unten: Video Cache View
Ausgangssituation
IE Test, Schritt 1: Cache leeren (Strg + Shift + Entf)
- Temp-Pfad: Nur standardmäßige Ordner und Dateien, sonst leer
- Browser-Cache-Pfad: Nur standardmäßige Ordner und Dateien, sonst leer
IE Test, Schritt 2: Abspielen (redtube.com/49655)
- Temp-Pfad: Cachedatei wird neu angelegt und wächst mit der Zeit
- Browser-Cache-Pfad: Cachedatei wird neu angelegt und wächst mit der Zeit
IE Test, Schritt 3: pausieren
- Temp-Pfad: Cachedatei wächst weiter
- Browser-Cache-Pfad: Cachedatei wächst weiter
IE Test, Schritt 4: vor + zurückspringen
- Temp-Pfad: Je Sprung wird vorherige Cachedatei gelöscht, eine neue Datei wird angelegt und wächst mit der Zeit
- Browser-Cache-Pfad: Je Sprung wird eine weitere Cachedatei angelegt
IE Test, Schritt 5: Weitersurfen ohne Browser zu schließen
- Temp-Pfad: Cachedatei bleibt erhalten
- Browser-Cache-Pfad: Cachedateien bleiben erhalten
IE Test, Schritt 6: Browser schließen
- Temp-Pfad: Cachedatei wird gelöscht
- Browser-Cache-Pfad: Cachedateien bleiben erhalten
IE Test, Schritt 7: PC Neustart
- Temp-Pfad: keine Cachedatei vorhanden
- Browser-Cache-Pfad: Cachedateien weiterhin erhalten
IE Test, Schritt 8: Cache manuell löschen (Strg + Shift + Entf)
- Temp-Pfad: keine Cachedatei vorhanden
- Browser-Cache-Pfad: Cachedateien werden gelöscht
Der Test mit Firefox 26.
Der Test mit Chrome 31.0.1650.63
Test Fazit aus technischer Sicht:
Im Zusammenhang mit redtube Videos von Streaming zu sprechen ist zwar weit verbreitet, technisch aber falsch, Filme werden progressiv heruntergeladen und mindestens temporär gespeichert.
Zusätzlich speichern Browser die Videodaten in ihrem Browsercache, welcher die Daten zusätzlich vorhält und erst löscht wenn das dem Browser für Caching zur Verfügung stehende Speicherkontingent ausgeschöpft ist, die maximale Vorhaltedauer erreicht, oder die Daten manuell gelöscht werden. Hier verhalten sich alle getesteten Browser praktisch gleich.
Test Fazit aus rechtlicher Sicht:
Zunächst könnte man aufgrund dieses Tests meinen, dass die abmahnenden Anwälte Urmann + Collegen (zumindest in rechtlicher Sicht) vielleicht doch nicht so falsch mit ihren Vorwürfen liegen.
Aber besinnen wir uns nochmals auf die rechtlichen Rahmenbedingungen zurück:
Möglichen Schutz für die Abgemahnten bieten § 44a Nr. 2 UrhG und/oder § 53 UrhG. Nach § 44a Nr. 2 UrhG sind vorübergehende Vervielfältigungshandlungen u.a. nur dann zulässig, wenn sie flüchtig oder begleitend sind.
Hierbei wird zu klären sein, ob auch dann noch eine flüchtige oder begleitende Vervielfältigungshandlung vorliegt, wenn die Filmdatei solange im temporären Verzeichnis des Browsers erhalten bleiben, bis sie dort manuell wieder gelöscht wird.
In einem Interview gegenüber der Onlineplattform irights.info erklärt Medienrechtsprofessor Gerald Spindler zur „Hilferegelung“ des § 44a UrhG:
"Das hängt davon ab, wie technisch man den § 44a UrhG (...) versteht. Stellt man auf das Ziel der Norm ab, dass rein technisch bedingte Zwischenspeicherungen im Wege der Schranke vom Vervielfältigungsrecht ausgenommen sein sollen, kommt es nicht auf Haupt- oder temporären Speicher an, sondern nur darauf, was der Durchschnittsnutzer dauerhaft an Kopie herausziehen kann. Wenn der normale Nutzer nicht in der Lage ist, die an sich temporär gefertigten Kopien weiter zu verwenden, liegt die Schranke nach § 44a UrhG meines Erachtens vor."
Würde sich diese Auffassung durchsetzen, wären die Abgemahnten also schon deshalb geschützt, weil es wohl – auch nach unserer Auffassung – übertrieben wäre, jedem Internetnutzer die technischen Kenntnisse und Möglichkeiten zu unterstellen, die erforderlich sind, um die im temporären Verzeichnis des Browsers enthaltenen Video-Dateien mit Hilfsprogrammen ausfindig zu machen und abzuspielen. Dies mag im Einzelfall natürlich geschehen – der „Durchschnittsnutzer“ wird von diesen theoretisch denkbaren Möglichkeiten aber wohl eher keinen Gebrauch machen.
Selbst wenn man das aber anders sehen und bewerten wollte, hilft den Abgemahnten im Falle der „Streaming-Abmahnungen“ der U+C Rechtsanwälte aber glücklicherweise noch § 53 UrhG weiter. Hierbei wird den Abgemahnten insbesondere zugute kommen, dass es sich bei den über die Plattform Redtube verfügbaren Filmen wohl kaum um „offensichtlich“ (!) rechtswidrig hergestellte oder öffentlich zugänglich gemachte Vorlagen handelt.
Die Plattform Redtube lebt geradezu davon, dass dort Filme – mit Zustimmung der Rechteinhaber – massenhaft abrufbar sind. Selbst wenn sich darunter also wirklich einmal eine rechtswidrig hergestellte oder öffentlich zugänglich gemachte Vorlage befinden sollte, wird dies für den Internetnutzer also wohl kaum „offensichtlich“ im Sinne des § 53 UrhG sein.
Die weiteren erheblichen (nicht nur moralischen) Bedenken gegen die Massenabmahnung außer Betracht gelassen, spricht somit schon aus Rechtsgründen Vieles für die Abgemahnten und damit gegen die „Streaming“-Abmahner.
Wird sind daher gespannt, welche Ansicht sich in rechtlicher und technischer Hinsicht durchsetzen wird.
Kommentare (1)
thomas
Wirklich schlimm ist nur, dass jeder unbedarfte Nutzer ein vertiefendes Browserstudium machen muss um UrHG-Fallen zu umschiffen zu können oder als Alternative Abmahngebühren bezahlt.
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