Abmahnkosten nicht erstattungsfähig
Die Abmahnung ist ursprünglich als ein Instrument im Zivilrecht gedacht, das es den Beteiligten eine rechtliche Auseinandersetzung schnell, kostengünstig und direkt ohne Einschaltung eines Gerichtes beizulegen. Der häufigste Anwendungsfall sind Unterlassungsansprüche, die mit Abmahnungen durchgesetzt werden. Allerdings sorgten Abmahnwellen in den vergangenen Jahren immer wieder für öffentliche Debatten, weil vor allem Shopbetreiber und Blogger mit Abmahnungen konfrontiert waren, die zumindest den Eindruck erwecken konnten, nicht dem Schutz berechtigter Interessen zu diesen, sondern den Abmahnern die Kasse zu füllen.
In einem solchen Fall hat nun das Landgericht Braunschweig entschieden, dass unter bestimmten Voraussetzungen Abmahnungen rechtsmissbräuchlich sind und der Abgemahnte nicht zum Ersatz der Kosten der Abmahnung verpflichtet ist.
Im konkreten Fall ging es um einen Händler, der online unter anderem bei eBay Computerkomponenten verkaufte. In der Kundeninformation seines Shops beschrieb der Händler das Widerrufsrecht für seine Kunden, das im Detail nicht mit den rechtlichen Vorgaben deckungsgleich war. Der Kläger, ebenfalls ein Händler für Computerkomponenten, stellte seinem Mitbewerber daraufhin eine Abmahnung zu und reichte Klage ein, nachdem die Abmahnung nicht beantwortet wurde.
Der Kläger legte vor Gericht dar, dass er durch die Widerrufsklausel des Mitbewerbers Wettbewerbsnachteile erleiden würde, weil er sich an die rechtlichen Vorgaben halte und Kunden ihre Kaufentscheidung an der Gestaltung der Widerrufsklausel orientieren könnten.
Bis zu Beginn der gerichtlichen Auseinandersetzung hatte der Beklagte Online-Händler seine Widerrufsklausel so angepasst, dass sie den rechtlichen Mindestvorgaben entsprach. In der Hauptsache hatte der Kläger also durchaus seinen Willen bekommen. Vor Gericht ging es allerdings noch um die Kosten der Abmahnung in Höhe von 232 Euro, die der Kläger vom Beklagten erstattet haben wollte.
An dieser Stelle wurde es für den Kläger unangenehm, denn das Landgericht Braunschweig kam zu der Auffassung, dass der Abgemahnte die Kosten nicht zu erstatten hat, denn die Abmahnung sei erstens rechtsmissbräuchlich und zweitens seien die Kosten nicht vom Beklagten zu erstatten, da der Kläger für die Abmahnung eigenes Personal einer 100-prozentigen Tochtergesellschaft eingesetzt hat. Der Beklagte hätte grundsätzlich aber nur tatsächliche Kosten zu erstatten. Kosten für das eigene Personal könnten hier nicht angeführt werden, da diese Kosten im Rahmen der normalen Geschäftstätigkeit anfielen und nicht Zielen wie der Rechtspflege, sondern ausschließlich den eigenen Gewinnerzielungsinteressen dienen. Allein daher sei der Beklagte nicht zur Zahlung zu verurteilen gewesen.
Problematischer für den Kläger war jedoch die Frage der Rechtsmissbräuchlichkeit. Das Landgericht Braunschweig kam zu der Auffassung, dass der Kläger das Instrument der Abmahnung missbraucht hat, indem er nicht etwa die eigenen rechtlichen Belange schützen wollte, sondern das Kassieren der Abmahngebühren der eigentliche Geschäftszweck war. Das Gericht formulierte eine Reihe von Anhaltspunkten, die nach Ansicht der Kammer für eine rechtsmissbräuchliche Abmahnung sprechen könnten.
Dazu gehörte zunächst die große Zahl der Abmahnungen. Allein beim Landgericht Braunschweig seien in wenigen Monaten hunderte Verfahren im Zusammenhang mit Abmahnungen des Klägers anhängig gewesen. Weiterhin bewertete das Gericht, ob die Abmahntätigkeit in einem vernünftigen Verhältnis zur eigentlichen Geschäftstätigkeit des Abmahners steht. Im Zusammenhang mit der hohen Fallzahl ging das Gericht davon aus, dass der eigentliche Geschäftszweck des Unternehmens das Abfassen von Abmahnungen war. Darüber hinaus zog der Kläger vor Gerichte, die vom Beklagten räumlich weit entfernt lagen und setzte ungewöhnlich hohe Streitwerte an. Der Kläger wollte damit offenbar erreichen, dass für die Beklagten das Prozessrisiko zu hoch wurde und sie statt den Rechtsweg zu beschreiten lieber zähneknirschend zahlen.
Dieser Praxis hat das Gericht einen Riegel vorgeschoben und damit unseriösen Massenabmahnern die Geschäftsgrundlage entzogen. Ein Freibrief für Urheber- und Wettbewerbsrechtsverstöße ist das Urteil dennoch nicht, denn die einschlägigen Regeln gelten natürlich weiter und Abmahnungen, die eben nicht rechtsmissbräuchlich sind, können Missetätern nach wie vor ins Haus flattern.
LG Braunschweig, Urteil vom 08.07.2007, Az. 9 O 482/07