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Vermietungsgebühren bei Wiedergabe von Musiktonträgern

EuGH, Urteil vom 15.03.2012 – Az. C-135/10


Vermietungsgebühren bei Wiedergabe von Musiktonträgern

Spielt ein Zahnarzt in seiner Praxis Musik ab, liegt hierin keine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 8 Abs. 2 der europäischen Richtlinie 2001/29 EG, weswegen keine Lizenzgebühren zu zahlen sind. Dies hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden und zugleich festgehalten, dass dies für einen Hotelbetreiber, der Tonträger in seinen Zimmern verbreitet, nicht gilt, sodass ein solcher Gebühren zu entrichten hat (EuGH, Urteil vom 15.03.2012 – Az. C-135/10).

Sachverhalt und Verfahrenshergang
Der Entscheidung lag ein in Italien begonnener Rechtsstreit zugrunde. Ein Zahnarzt wurde von der italienischen Musikverwaltungsgesellschaft Società Consortile Fonografici (SCF), dem italienischen Äquivalent zur deutschen GEMA (Deutsche Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte), aufgefordert, für das Abspielen von Musik in seiner Praxis Lizenzgebühren zu entrichten. Dieser Aufforderung kam der Zahnarzt nicht nach. Er verwies u. a. darauf, dass es sich bloß um Hintergrundmusik handelte und er außerdem nur ein Radioprogramm abspielte. Daraufhin verklagte ihn die SCF und verlangte die Zahlung der Lizenzgebühren. Gestützt wurde die Klage auf eine italienische Rechtsgrundlage, welche der Umsetzung der europäischen Richtlinie 2001/29 EG zur Harmonisierung diverser Teile des Urheberrechts sowie verwandter Schutzrechte diente. In erster Instanz wurde ein Zahlungsanspruch abgelehnt und die Klage abgewiesen. Im von der Klägerin betriebenen Berufungsverfahren stellte sich dann allerdings schnell die Frage, ob die Wiedergabe von Radiomusik in einer Zahnarztpraxis eine öffentliche Wiedergabe oder Zugänglichmachung im Sinne der Richtlinie 2001/29 EG darstellt. Die italienischen Gerichte setzten das Verfahren deshalb zunächst aus und verlangten eine Vorabentscheidung des EuGH nach Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV).

Radiomusik in einer Zahnarztpraxis ist keine öffentliche Wiedergabe – Zusammenfassung der Urteilsgründe
Der EuGH schloss sich der Ansicht des erstinstanzlichen Gerichts an. Sie stellten fest, dass das Abspielen von Radiomusik in einer Zahnarztpraxis keine öffentliche Wiedergabe bzw. Zugänglichmachung im Sinne von Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2001/29 EG darstellt.

Zunächst machten die höchsten europäischen Richter deutlich, dass der Begriff der öffentlichen Wiedergabe eine indidividuelle Einzelfallbeurteilung erfordert. Hierbei seien eine Reihe verschiedener Kriterien zu berücksichtigen, zu denen u. a. die Rolle des Nutzers gehörten. Dieser nimmt – so das Gericht – eine öffentliche Wiedergabe vor, wenn er in absoluter Kenntnis der Folgen seines Verhaltens tätig wird, um seinen Kunden den Zugang zu einer Rundfunksendung zu verschaffen, welche ein geschütztes Werk enthält.

Ferner sei der Begriff der Öffentlichkeit, wie er in der Richtlinie 2001/29 EG verwendet wird, durch eine unbestimmte Anzahl an Leistungsempfängern geprägt, sodass eine recht große Personenzahl nötig sei. Zudem sei bei der Prüfung, ob eine öffentliche Wiedergabe stattfindet, zu beachten, ob die Wiedergabe erwerblich erfolgt.

Diese Voraussetzungen sah der EuGH im vorliegenden Fall als nicht erfüllt an. Selbst wenn anzunehmen sei, dass der Zahnarzt die Wiedergabe bewusst durchführte, bildeten seine Patienten eine weitgehend stabile Zusammensetzung von Personen, weswegen nicht von einer unbestimmten Anzahl an Leistungsempfängern gesprochen werden könne. Außerdem sei die Wiedergabe nicht erwerblich erfolgt, da sich die Patienten eines Zahnarztes wegen seiner zahnärztlichen Behandlung in dessen Hände begäben. Zu einer solchen Zahnarztbehandlung gehört die Wiedergabe von Musik allerdings nicht, so das Gericht.

Praxisfolgen des Urteils und Bewertung
Dem Urteil des EuGH ist zuzustimmen. Der Sachverhalt macht deutlich, wie weit sich Musikverwertungsgesellschaften wie GEMA und Co mittlerweile aus dem Fenster lehnen. In Deutschland wurde sogar einmal ein Kindergarten zur Kasse gebeten. Der EuGH setzt diesem Verhalten nun Grenzen. Er betonte in zutreffender Weise, dass eine öffentliche Wiedergabe eine große Anzahl potenzieller Leistungsempfänger voraussetzt und es zu berücksichtigen gilt, ob die Wiedergabe im konkreten Fall Erwerbszwecken dient oder nicht.

EuGH, Urteil vom 15.03.2012 – Az. C-135/10


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