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Rechtsanwalt ist in einfachen Verzugsfällen erforderlich

BGH, Urteil vom 17.09.2015, Az. IX ZR 280/14


Rechtsanwalt ist in einfachen Verzugsfällen erforderlich

Der Bundesgerichtshof hat im September 2015 beschlossen, dass ein Gläubiger auch in einfach gelagerten Fällen einen Rechtsanwalt mit der Verfolgung seiner Interessen beauftragen darf. Eine Beschränkung auf ein Schreiben einfacher Art ist nicht geboten.

Im verhandelten Fall ging es um einen Autobesitzer, der zwei Reparaturrechnungen nicht oder nur teilweise bezahlt hatte. Die Werkstatt schickte ihm eine Zahlungsaufforderung und eine Mahnung, auf die er nicht reagierte. Die Werkstatt trat anschließend den Schaden an den späteren Kläger ab, der dem Schuldner für jede der beiden offenen Rechnungen ein von einem Anwalt aufgesetztes Mahnschreiben zukommen ließ, in dem zusätzlich zu den Schulden auch eine Anwaltsgebühr zuzüglich einer Auslagepauschale in Rechnung gestellt wurde. Diese Schreiben wurden im Juli und August 2011 versandt, der Beklagte zahlte im September die Rechnungsbeträge, aber nicht die Rechtsanwaltskosten. Daraufhin verfolgte der Kläger die Erstattung dieser Kosten, die er gemäß Nr. 2300 VV Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) in Höhe einer 1,3 Geschäftsgebühr erhoben hatte. Das Amtsgericht Hamburg-Barmbek sprach ihm lediglich zwei 0,3 Geschäftsgebühren nach Nr. 2302 VV RVG aF (= Nr. 2301 VV RVG) zuzüglich Auslagenpauschalen und Umsatzsteuer für jeweils ein Schreiben einfacher Art zu und wies die weitergehende Klage ab. Der Kläger ging daraufhin in Berufung, hatte aber damit keinen Erfolg. Da das LG Hamburg als Berufungsgericht die Revision zugelassen hatte, musste nun der Bundesgerichtshof über diesen Fall entscheiden.

Zum vom BGH anberaumten Verhandlungstermin erschien der Beklagte Schuldner nicht, es erging daher ein Versäumnisurteil, das allerdings nicht auf der Versäumnis, sondern anhand einer umfassenden Prüfung der Sache erging. Der BGH hob das Urteil des Berufungsgerichts auf und verwies die Sache zurück an das LG Hamburg. Die Vorinstanzen waren in ihren Urteilen davon ausgegangen, dass der Gläubiger aufgrund der sich aus § 254 BGB ergebenden Schadensminderungspflicht dazu angehalten sei, bei Einschaltung eines Rechtsanwalts sich an den „objektiven Erfordernissen der Rechtsverfolgung“ zu orientieren. In diesem Fall sei keine anwaltliche Tätigkeit über ein einfaches Mahnschreiben hinaus nötig gewesen, das nur mit 0,3 Geschäftsgebühren in Rechnung zu stellen sei. Nach Ansicht des BGH war diese Auffassung allerdings falsch, die Beschränkung so nicht begründbar.

In der Rechtsprechung des BGH wurde immer wieder deutlich gemacht, dass ein Schädiger nicht einfach alle anfallenden Rechtsanwaltskosten der Gegenseite zu tragen hat, sondern nur diejenigen, die zur Wahrnehmung der Rechte des Geschädigten erforderlich waren. Dabei ist jeweils aus einer ex ante-Sicht zu entscheiden, also aus der Perspektive des Geschädigten zum Zeitpunkt der Beauftragung eines Anwalts. Dabei kommt es also darauf an, wie sich aus Sicht des Geschädigten der Fall mutmaßlich entwickeln wird und welche anwaltlichen Maßnahmen aus dieser Sicht zu ergreifen sind. Im Falle einer Entgeltforderung gegenüber einem Schuldner ist nach Rechtsprechung des BGH (z. B. BGH, Urteil vom 8. November 1994) auch in einfach gelagerten Fällen die Beauftragung eines Rechtsanwaltes erforderlich, der dem Begehren des Gläubigers gegenüber dem Schuldner Nachdruck verleiht. Deshalb muss sich der Gläubiger nicht auf die Beauftragung eines einfachen Schreibens beschränken.

In diesem konkreten Fall habe der Schuldner auf mehrere Mahnungen nicht reagiert. Der Grund für den Zahlungsverzug blieb unklar, weshalb der Gläubiger in jedem Fall berechtigt war, anwaltliche Beratung einzuholen. Beispielsweise wäre im Falle einer dauerhaften Zahlungsunfähigkeit des Schuldners ein einfaches Mahnschreiben nicht erfolgversprechend gewesen. Außerdem kann sich der Versuch einer außergerichtlichen Einigung anbieten, die mithilfe eines Anwaltes ausgehandelt werden müsse. Der Gläubiger verfüge aber nicht über die nötige Rechtskunde, um derartige Fragen zu klären und sei deshalb auf die Hinzuziehung eines Anwaltes angewiesen. Der BGH hielt also eine „Zweckmäßigkeitsberatung“ bezüglich der zu ergreifenden Maßnahmen für sinnvoll und geboten. Abgesehen davon dürfe auch ein Schreiben einfacher Art vom Rechtsanwalt nicht ungeprüft versandt werden, weshalb die von den Vorinstanzen angesetzte niedrige Gebühr nicht angemessen sei. Bei einem auf Mahnschreiben nicht reagierenden Schuldner sei jedenfalls nicht vorhersehbar, wie sich der Fall entwickelt und eine anwaltliche Beurteilung immer sinnvoll. Außerdem hätte es der Schuldner selbst in der Hand gehabt, einen Anspruch des Gläubigers auf Anwaltsgebühren gar nicht erst entstehen zu lassen. Dazu hätte er sich lediglich vertragstreu verhalten müssen. Ob eine Anwaltsgebühr von 1,3 angemessen sei, müsse im Einzelfall entschieden werden, der Anwalt habe unter Umständen detailliert darzulegen, inwieweit seine Tätigkeit umfangreich oder schwierig gewesen sei.

BGH, Urteil vom 17.09.2015, Az. IX ZR 280/14


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