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Lizenzpflicht privates Kabelnetz

Ein privates Kabelnetz begründet keine Lizenzpflicht


Lizenzpflicht privates Kabelnetz

Ist das Kabelnetz in einer Wohnanlage bereits eine öffentliche und damit lizenzpflichtige Sendeeinrichtung oder handelt es sich dabei um einen „organisierten Privatempfang“? Das Münchner Landgericht I hat dazu ein bemerkenswertes Urteil gesprochen. 

Der Fall: In München hat eine Wohnungseigentümergemeinschaft, die sich als ein Verein organisiert hat, ein einheitliches Wohngebäude mit 343 Wohneinheiten errichtet. Für den Rundfunkempfang gibt es eine Gemeinschaftsantenne, deren Signale über ein Kabelnetz in die Wohnungen verteilt wird. Dieses Kabelnetz ist seit 1971 in Betrieb. Erst im Jahr 2011 wurde eine Verwertungsgesellschaft, die die Rechte von Komponisten, Textdichtern und Musikverlagen vertritt, auf dieses Kabelnetz aufmerksam und verlangte von der Wohnungseigentümergemeinschaft rückwirkend für das Kabelnetz eine Lizenzgebühr. Die Verwertungsgesellschaft argumentierte, dass es sich bei dem Kabelnetz der Wohnungseigentümergemeinschaft um eine Kabelweitersendungseinrichtung im Sinne der §§ 20 und 20a des Urheberrechtsgesetztes (UrhG) handele. Diese Paragraphen definieren eine Kabelweitersendung als eine öffentliche Verbreitung von Sendeinhalten und sprechen daraus den Verwertungsgesellschaften den Anspruch auf eine Vergütung zu. 

Bei dem Rechtstreit vor dem Landgericht München I ging es im Kern um die Frage, wann und vor allem ab welcher Größe ein solches Kabelnetz als privat und wann als öffentlich anzusehen ist. Die betreffende Verwertungsgesellschaft beruft sich hier auf eine Grenze von 75 Wohnungen, die ihrer Ansicht nach allgemein anerkannt sei. Wenn diese Grenze überschritten werde, handele es sich somit beim Betreiben eines Kabelnetzes um eine Sendeaktivität, die lizensierungspflichtig sei. Das Landgericht München wies diese Klage mit Urteil vom 20. Februar 2013 jedoch ab (Az 21 O 16054/12).

Zur Begründung führte das Landgericht an, dass es sich bei dem Kabelnetz der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht um eine Kabelweitersendungsanlage im Sinne der §§ 20 und 20a UrhG handele. Denn die über das Netz verbreiteten urheberrechtlich geschützten Werke würden nicht der Öffentlichkeit, sondern lediglich den Mitgliedern der Wohnungseigentümergemeinschaft in einem einheitlichen Gebäude zugänglich gemacht. Das Landgericht verwies darauf, dass eine Abgrenzung von urheberrechtsrelevantem und urheberrechtsfreiem Empfang nur schwer vorzunehmen sei. Man könne sich deshalb nicht allein auf technische Kriterien stützen, sondern müsse eine wertende Betrachtung vornehmen. Dabei müsse auch der „soziale Vorgang“ in Betracht gezogen werden. Es liege keine öffentliche Sendung vor, wenn die technischen Vorrichtungen lediglich zu einem „organisierten Privatempfang“ dienten. Aus diesem Grund versteht das Landgericht die Zahl von 75 Wohneinheiten auch nicht als eine statische Grenze für den Übergang von einem vergütungsfreien zu einem vergütungspflichtigen Kabelnetz, denn dies sei „sozial abwegig“ gerade auch in Hinblick auf die Größe der in den 1970er-Jahren üblicherweise errichteten Gebäudeeinheiten. Im konkreten Fall konstatierte das Gericht zudem trotz der beachtlichen Größe der Wohnanlage einen sozialen Zusammenhalt unter den Mitgliedern der Wohnungseigentümergemeinschaft, der sich in einer gemeinsam betriebenen Sauna und einem Schwimmbad sowie in einem einmal jährlich gemeinschaftlich organisierten Fest ausdrücke. 

Eine Festlegung auf eine starre Grenze riefe schließlich auch verfassungsrechtliche Zweifel hervor, da die Bewohner jenseits der 75er-Marke in ihren Teilhaberechten am Rundfunkprogramm beschränkt und dadurch ihrer passiven Rundfunk- und Pressefreiheit beschnitten würden. 

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, da die Klägerin Berufung dagegen eingelegt hat. 

LG München I, Urteil vom 20. Februar 2013, Az. O 16054/12


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