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LG Stuttgart: Kein Rechtsmissbrauch bei sog. Abmahn-Flatrate


Das Landgericht Stuttgart hat mit Urteil vom 16. Mai 2013 zum Aktenzeichen 35 O 116/12 KfH entschieden, dass eine Abmahn-Flatrate-Vereinbarung keinen Rechtsmissbrauch im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG begründet.

Eine Flatrate-Vereinbarung, nach der der Abmahner monatlich 85,00 € an seinen Anwalt zahlt und von der wiederum dessen gesamte Abmahntätigkeit finanziert wird, sodass der Abmahner keine weiteren finanziellen Belastungen trägt, führt noch nicht zur Unzulässigkeit von Abmahnung und Verfügungsantrag infolge Rechtsmissbrauchs. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass gegenüber dem Abgemahnten ein Anspruch auf Ersatz von Abmahnkosten aus einem Streitwert von 10.000,00 € und mithin in Höhe von 651,80 € behauptet wird. Dies gilt selbst dann, wenn noch weitere sachfremde Abmahnziele hinzutreten, solange es dem Abmahner überwiegend um lauterkeitsrechtliche Gesichtspunkte geht (hier: die Verwendung einer veralteten Widerrufsbelehrung durch den abgemahnten Mitbewerber im Rahmen eines eBay-Angebots). Stattdessen ist die Zulässigkeit einer solchen Flatrate-Vereinbarung ggf. in einem entsprechenden berufs- oder strafrechtlichen Verfahren gegen den abmahnenden Anwalt vor den hierfür zuständigen Gerichten zu klären.

Gegen die Entscheidung ist das Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Stuttgart anhängig (OLG Stuttgart, Az. 2 U 69/13, Stand: 04.07.2013).

Anmerkung: Die Entscheidung des Landgerichts Stuttgart betrifft eine internetweit bekannte Vielfachabmahnerin und deren Bevollmächtigte, die in den vergangenen Jahren wegen ihrer Massenabmahnungen auch für andere Mandanten in Erscheinung getreten sind. Andere (örtlich auch zuständige) Gerichte haben in gleicher Konstellation einen Rechtsmissbrauch im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG bestätigt. Die Abmahnerin wird zwischenzeitlich (Stand: 31.07.2013) nicht mehr von ihren abmahnenden Bevollmächtigten vertreten.




Das Urteil des LG Stuttgart vom 16.05.2013, Az. 35 O 116/12 KfH im Volltext:

Im einstweiligen Verfügungsverfahren


- Verfügungsklägerin -

Prozessbevollmächtigte:

gegen

- Verfügungsbeklagte -

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Weiß u. Koll., Katharinenstraße 16, 73728 Esslingen

wegen Unterlassung

hat die 35. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 21. Februar 2013

durch

XXX

für Recht erkannt:

1. Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Stuttgart vom 27.12.2012 - 35 O 116/12 
KfH - wird aufrechterhalten.

2. Die Verfügungsbeklagte trägt auch die weiteren Kosten des Verfahrens.



Tatbestand:

Die Verfügungsbeklagte wendet sich mit ihrem Widerspruch gegen eine einstweilige Verfügung auf Unterlassung wettbewerbswidrigen Handelns, der die Verwendung einer nicht den gesetzlichen Anforderungen genügenden Widerrufsbelehrung zugrunde liegt.

Nach ihrer eigenen Behauptung betreibt die Verfügungsklägerin einen Versandhandel und verkauft über die Handelsplattform eBay in ihrem Onlineshop "XXX" zum Verkäufernamen "XXX" unter anderem Mobiltelefone und deren Zubehör an Letztverbraucher. Die Verfügungsbeklagte vertreibt über ihren Ebay-Shop zum Verkäufernamen XXX gleichartige Artikel an Letztverbraucher.

Die Verfügungsbeklagte verwendet dabei unstreitig eine Widerrufsbelehrung, die nicht (mehr) den gesetzlichen Anforderungen genügt.

Die Verfügungsklägerin hat die Verfügungsbeklagte durch Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 29.11.2012 (Anlage AS 5) abgemahnt. Trotz Erinnerung vom 12.12.2012 (Anlage AS 7) hat die Verfügungsbeklagte die erbetene Unterlassungserklärung nicht abgegeben.

Auf Antrag der Verfügungsklägerin hat die 35. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart durch ihren Vorsitzenden am 27.12.2012 eine einstweilige Verfügung - 35 O 116/12 KfH - mit folgendem Tenor erlassen:

I. Die Antragsgegnerin hat es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00 - ersatzweise Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten - oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall bis zu insgesamt zwei Jahren, zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, zu unterlassen,

(...)

Gegen diese einstweilige Verfügung hat die Verfügungsbeklagte mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 14.01.2013, eingegangen bei Gericht am selben Tage, Widerspruch eingelegt, den sie mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 24.01.2013 begründet hat.

Die Verfügungsbeklagte bestreitet, dass die Verfügungsklägerin existiere und die Prozessvollmacht zugunsten ihres Verfahrensbevollmächtigten unterzeichnet habe. Aus den im Internet verfügbaren Informationen im Zusammenhang mit der angegebenen Telefonnummer und Geschäftsadresse ergäben sich erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass der Zeuge Z der tatsächliche Anbieter sei.

Selbst wenn die Verfügungsklägerin existiere, sei sie allein nicht aktivlegitimiert gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG, weil sie eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit dem Zeugen Z betreibe.

Im Übrigen beruft sie sich auf Rechtsmissbrauch gemäß § 8 Abs. 4 UWG. Sie bestreitet hierzu, dass die Verfügungsklägerin ihren Verfahrensbevollmächtigten mit der Einleitung eines Verfügungsverfahrens gegen sie beauftragt hat. Anlass für diese Annahme sei der Umstand, dass die Verfahrensbevollmächtigten in den vergangenen Jahren auch eine Reihe anderer Mitbewerber vertreten hätten, in deren Namen Abmahnungen ausgesprochen worden seien, ohne dass die behaupteten Unterlassungsansprüche gerichtlich weiterverfolgt worden sind. Darüber hinaus bestünden Anhaltspunkte, dass auf ihre Wettbewerbsverfehlung durch Verwendung nicht mehr zulässiger Widerrufsbelehrungen nicht die Verfügungsklägerin, sondern deren Verfahrensbevollmächtigter aufmerksam geworden sei, in dem er entweder über sein Büro eigene Recherchen betreibe oder aber auf einen Abmahnpool zurückgreife. Schließlich seien die Verfahrensbevollmächtigten der Verfügungsklägerin als vollmachtslos und rechtsmissbräuchlich abmahnende Rechtsanwälte bekannt. Diesen gehe es lediglich um die Generierung von Gebührenansprüchen, nicht aber um lauterkeitsrechtliche Belange.

Die Verfügungsbeklagte beantragt (BI. 13 d.A.):

Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Stuttgart vom 27.12.2012 - 35 O 116/12 KfH - wird aufgehoben und der auf ihren Erlass gerichtete Antrag zurückgewiesen.

Die Verfügungsklägerin beantragt (BI. 38 d.A.):

Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Stuttgart vom 27.12.2012 - 35 O 116/12 KfH - wird bestätigt.

Die Verfügungsklägerin trägt vor, sie habe die Prozessvollmacht an ihren Verfahrensbevollmächtigten eigens für dieses Verfahren unterzeichnet.

Sie betreibe den Handel als Einzelkaufmann. Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit dem Zeugen Z gebe es nicht.

Rechtsmissbrauch scheide allein schon angesichts des Umfangs ihrer Geschäftstätigkeit aus.

Wegen der Einzelheiten des Parteivortrages wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen Z. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 21.02.2013 (BI. 44 ff. d.A.) verwiesen.


Entscheidungsgründe:

Der Widerspruch ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Der Erlass einer einstweiligen Verfügung ist gerechtfertigt.

I.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig.

1.
Die Verfügungsklägerin ist parteifähig (§ 50 ZPO).

Entgegen dem Vortrag der Verfügungsbeklagten ist die Verfügungsklägerin existent. Sie war in der mündlichen Verhandlung vom 21.02.2013 anwesend und hat sich durch einen gültigen ungarischen Reisepass ausgewiesen. Anhaltspunkte, die Anlass zu Zweifeln an der Echtheit des Dokumentes gegeben hätten, waren für das Gericht nicht ersichtlich.

2.
Der Erlass einer einstweiligen Verfügung ist wirksam beantragt worden. Die Verfügungsklägerin ist im vorliegenden Verfahren wirksam durch ihren Verfahrensbevollmächtigten vertreten.

Auf die Rüge des Verfügungsbeklagtenvertreters (§ 88 ZPO) hat die Prüfung durch das Gericht ergeben, dass die Verfügungsklägerin ihrem Verfahrensbevollmächtigten wirksam Prozessvollmacht erteilt hat.

Der Verfügungsklägervertreter hat seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung eine auf die Parteien des vorliegenden Verfahrens konkretisierte Prozessvollmacht wegen einstweiliger Verfügung mit einer Originalunterschrift unter dem handschriftlichen Datum 19.12.2012 beigefügt, die augenscheinlich den Namen der Verfügungsklägerin trägt (BI. 7 d.A.). Die Verfügungsklägerin hat in der mündlichen Verhandlung vom 21.02.2013 nach Einsichtnahme in das Original dieser Prozessvollmacht erklärt, dass es sich hierbei um ihre Unterschrift handele.

Darüber hinaus hat die Kammer in der mündlichen Verhandlung den Eindruck gewonnen, dass die Verfügungsklägerin - entgegen der Behauptung der Verfügungsbeklagten - ihren Versandhandel über die Handelsplattform eBay in ihrem Online-Shop "XXX" selbst betreibt und die Durchführung des vorliegenden Verfahrens ihrem Willen entspricht.

3.
Die Verfügungsklägerin ist klagebefugt.

Die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs ist nicht rechtsmissbräuchlich (§ 8 Abs.4 UWG).

Von einem Missbrauch im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG ist auszugehen, wenn das beherrschende Motiv der Gläubigerin bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sachfremde Ziele sind. Diese müssen allerdings nicht das alleinige Motiv der Gläubigerin sein. Ausreichend ist, dass die sachfremden Ziele des Handeins eindeutig überwiegen. Als typischen Beispielsfall eines solchen sachfremden Motivs nennt das Gesetz das Gebührenerzielungsinteresse. Nach dem letzten Halbsatz des § 8 Abs. 4 UWG, der mit "insbesondere" beginnt, ist die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs unzulässig, die vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen. Davon ist auszugehen, wenn die äußeren Umstände in ihrer Gesamtheit aus Sicht eines wirtschaftlich denkenden Unternehmers deutlich machen, dass der Anspruchsberechtigte kein nennenswertes wirtschaftliches oder wettbewerbspolitisches Interesse an der Rechtsverfolgung haben kann und deshalb allein oder ganz überwiegend nur ein Gebühreninteresse verfolgt. Geht es andererseits dem Gläubiger hauptsächlich um die Unterbindung unlauteren Wettbewerbs, genügt es für die Begründung des Missbrauchstatbestands nicht, wenn auch sachfremde Motivationen, ohne vorherrschend zu sein, bei der Anspruchsverfolgung eine Rolle spielen. Ob die Anspruchsverfolgung vorwiegend von sachfremden Erwägungen bestimmt ist, muss im Einzelfall im Rahmen einer Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller wesentlichen Umstände bestimmt werden. Anhaltspunkte insoweit bilden Art und Schwere der Zuwiderhandlung, das Verhalten des Anspruchstellers bei der Rechtsverfolgung auch in anderen und früheren Fällen, das Verletzerverhalten nach der Zuwiderhandlung und auch das Vorgehen sonstiger Anspruchsberechtigter. Grundsätzlich ist dabei zu berücksichtigen, dass die Abmahnpraxis von Mitbewerbern und Verbänden und die klageweise Anspruchsverfolgung dem Interesse (auch) der Allgemeinheit an der Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs dienen und deshalb, auch bei umfangreichen Tätigkeiten, insoweit für sich allein einen Missbrauch noch nicht hinreichend belegen. Es müssen weitere Umstände hinzutreten, die die Missbräuchlichkeit der Geltendmachung des Anspruchs begründen, so insbesondere eine Rechtsverfolgung primär im Gebühreninteresse, eine Behinderungs- oder Schädigungsabsicht gegenüber dem Verletzer, ungerechtfertigte Mehrfachabmahnungen, eine selektive Schuldnerauswahl oder auch eine fremdbestimmte Rechtsverfolgung lediglich im Interesse eines Dritten (OLG Hamm, Urteil vom 14.05.2009 - 4 U 17/09 -).

Die Kammer ist aufgrund der Anhörung der Verfügungsklägerin und der Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen Z zu der Überzeugung gelangt, dass es der Verfügungsklägerin bei der Geltendmachung der Unterlassung hauptsächlich um die Unterbindung unlauteren Wettbewerbs ging.

Dies geht bereits klar aus der Anhörung der Verfügungsklägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung hervor. Die Verfügungsklägerin hat geschildert, dass sie zu Beginn ihres Geschäftsbetriebes mit zahlreichen Abmahnungen überzogen worden ist, infolge derer sie erhebliche finanzielle Aufwendungen gehabt habe, die die Existenz ihres Geschäftsbetriebes bedroht hätten. Dies hat die Verfügungsklägerin nach ihrer Darstellung veranlasst, ihrerseits Abmahnungen auszusprechen. Sie hat damit zugleich die Hoffnung verbunden, dass die Abmahntätigkeit ihr gegenüber abnimmt.

Der Zeuge Z hat die Angaben der Verfügungsklägerin in vollem Umfang bestätigt. Er hat ausgesagt, dass die Verfügungsklägerin bereits kurze Zeit nach Geschäftsbeginn mit Abmahnungen überhäuft worden sei. Sie habe daraufhin im Internet nach Hilfe gesucht und sei dabei auf ihren jetzigen Verfahrensbevollmächtigten gestoßen. Die zahlreichen Abmahnungen hätten die Verfügungsklägerin ihrerseits zur Abmahntätigkeit veranlasst. Sie habe "zurückschießen" wollen, was die Kammer dahingehend auslegt, dass die Verfügungsklägerin nunmehr ihrerseits die Mitbewerber zur Unterlassung unlauteren Handelns veranlassen wollte. Er hat ferner bekundet, dass er beim zurückgehenden Umsatz eines Artikels nachsehe, welcher Mitbewerber diesen Artikel anbiete und ob dieser Mitbewerber eine in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht fehlerhafte Internetpräsenz unterhalte. Die entsprechenden Mitbewerber gebe er dann zum Zwecke der Abmahnung an den Verfügungsklägervertreter weiter.

Die Angaben des Zeugen Z sind glaubhaft. Er hat seine Aussage detailliert und widerspruchsfrei erstattet. Der Zeuge Z ist auch glaubwürdig. Zwar verkennt die Kammer nicht, dass ihm als Lebensgefährten der Verfügungsklägerin einerseits und als Unterstützungskraft im Geschäftsbetrieb der Verfügungsklägerin ein Interesse am Ausgang des Rechtsstreits unterstellt werden kann, zumal sich der Zeuge innerhalb des Geschäftsbetriebs der Verfügungsklägerin um die wettbewerbsrechtlichen Fragen gekümmert hat. Jedoch hat die Kammer den Eindruck gewonnen, dass der Zeuge ersichtlich um eine wahrheitsgemäße Aussage bemüht war und seine eigenen Interessen am Ausgang des Rechtsstreits hintangestellt hat.

Die Kammer verkennt nicht, dass die Verfügungsklägerin mit ihrer Abmahntätigkeit auch sachfremde Ziele verfolgt. Der Zeuge Z hat hierzu geäußert, dass es bei der Abmahntätigkeit der Verfügungsklägerin auch darum gehe, Mitbewerber aus dem Markt zu drängen oder zu schocken. Soweit es zwar nicht ausschließlich, aber überwiegend darum geht, den Verletzer mit möglichst hohen Prozesskosten und Risiken zu belasten und seine personellen und finanziellen Kräfte zu binden, kann ein Missbrauch vorliegen (Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl., Rdnr. 4.13). Die Kammer hat jedoch hierzu in der mündlichen Verhandlung den Eindruck gewonnen, dass dies keinesfalls das beherrschende Motiv der Verfügungsklägerin bei den von ihr veranlassten Abmahnungen darstellt.

Nach Überzeugung der Kammer liegen keine ausreichenden Anhaltspunkte für weitere sachfremde Ziele der Verfügungsklägerin bei ihrer Abmahntätigkeit vor.

Zwar betreibt die Verfügungsklägerin eine umfangreiche Abmahntätigkeit. Die Verfügungsbeklagte bezeichnet diese als Vielfachabmahnerin, ohne dass sie bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung konkrete Zahlen genannt hat. Dies wird durch den Zeugen Z bestätigt. Er hat in seiner Vernehmung angegeben, dass er im Namen der Verfügungsklägerin regelmäßig Aufträge für Abmahnungen an deren jetzigen Verfahrensbevollmächtigten erteile, wobei manchmal 10 - 15 Abmahnaufträge in einer E-Mail enthalten sein könnten. Jedoch wird der Rechtsmissbrauch nicht schon dadurch begründet, dass die Verfügungsklägerin eine umfangreiche Abmahntätigkeit betreibt. Es müssen vielmehr weitere Umstände hinzutreten, die die Missbräuchlichkeit der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs begründen können (OLG Hamm, Urteil vom 26.07.2012 - 4 U 49/11 -).

Solche weiteren Umstände liegen hier aber nicht vor.

Zwar geht die Verfügungsklägerin mit ihrer umfangreichen Abmahntätigkeit ein erhebliches Kostenrisiko ein. Denn grundsätzlich muss sie befürchten, dass sie in einzelnen Auseinandersetzungen mit Mitbewerbern unterliegt oder aber - im Obsiegensfall - Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen Mitbewerber erfolglos verlaufen, so dass sie ihre eigenen außergerichtlichen Kosten und die Gerichtskosten selbst tragen muss.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein Missbrauch dann anzunehmen ist, wenn die Abmahntätigkeit sich verselbstständigt, das heißt in keinem vernünftigen Verhältnis zur gewerblichen Tätigkeit des Abmahnenden steht und bei objektiver Betrachtung an der Verfolgung bestimmter Wettbewerbsverstöße kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse außer dem Gebührenerzielungsinteresse bestehen kann (Bornkamm/Köhler, § 8 Rdnr. 4.12).

Die Abmahntätigkeit der Verfügungsklägerin steht jedoch nicht in einem unvernünftigen Verhältnis zu ihrer gewerblichen Tätigkeit. Der Zeuge Z hat bekundet, dass die Verfügungsklägerin im Jahr 2011 einen Umsatz von über 1 Mio € getätigt hat und hieraus einen Gewinn in Höhe von über € 80.000 erzielt hat. Hierzu hat der Zeuge die Gewinnermittlung 2011 der Verfügungsklägerin vorgelegt, die nach seinen Angaben Bestandteil der Steuererklärung der Verfügungsklägerin ist. Die Kammer hat an den Angaben des Zeugen keinen Zweifel, weil sich der Zeuge schwerwiegenden Konsequenzen aussetzen würde, wenn diese Angaben nicht zuträfen. Selbst bei 100 Anmahnungen im Jahr würde das Kostenrisiko für die Verfügungsklägerin angesichts der für das Wettbewerbsrecht eher geringen Streitwerte kaum € 20.000,00 übersteigen. Dies steht nicht in einem unvernünftigen Zusammenhang mit dem jährlichen Gewinn, zumal es lediglich ein Risiko ist, das sich bei vernünftiger Betrachtungsweise allenfalls zu einem Bruchteil verwirklicht.

Erst recht ist aber deshalb kein unvernünftiges Verhältnis anzunehmen, weil die Verfügungsklägerin dieses Kostenrisiko überhaupt nicht trägt. Der Zeuge Z hat glaubhaft bekundet, dass sämtliche Abmahnaufträge der Verfügungsklägerin von dem ihrem jetzigen Verfahrensbevollmächtigten durchgeführt werden und die Verfügungsklägerin hierfür lediglich eine Flatrate in Höhe von € 85,00 monatlich bezahlt. Die Kammer hat aus dem Gesamtzusammenhang der Vernehmung entnommen, dass die Verfügungsklägerin darüber hinaus für die von ihr beauftragte Abmahntätigkeit keine finanziellen Belastungen trägt. Der Zeuge Z hat bekundet, dass der Verfahrensbevollmächtigte der Verfügungsklägerin keinen Vorschuss verlangt. Der Zeuge hat ausdrücklich angegeben, dass nach seiner Auffassung die gesamte Abmahntätigkeit von der Flatrate umfasst sei. Zwar würde die als Anlage Ast 7 vorgelegte Rechnung diesen Angaben widersprechen. Der Zeuge hat jedoch hierzu glaubhaft ausgeführt, dass die vom Verfahrensbevollmächtigten gestellten Rechnungen nicht immer bezahlt werden. Sinngemäß hat er geäußert, dass die vom Verfahrensbevollmächtigten erzielten Einnahmen aus der Abmahntätigkeit ausreichen, um dessen Honorarforderungen auszugleichen. Ob eine derartige Flatrate und damit verbundene Handhabung wie im vorliegenden Fall zulässig ist und der Verfahrensbevollmächtigte der Verfügungsklägerin zu Recht Kostenerstattungsansprüche gegenüber den Abzumahnenden geltend machen darf, obwohl im Innenverhältnis solche Ansprüche wegen der Flatrate-Vereinbarung nicht bestehen, ist gegebenenfalls in einem entsprechenden berufs- oder strafrechtlichen Verfahren gegen den Verfahrensbevollmächtigten vor den hierfür zuständigen Gerichten zu klären. Der Verfügungsklägerin kann die Flatrate jedenfalls nicht zum Nachteil bei der Frage eines möglichen Rechtsmissbrauchs gereichen. Zwar verkennt die Kammer nicht, dass in der obergerichtlichen Rechtsprechung (beispielsweise OLG Frankfurt, Urteil vom 14.12.2006 - 6 U 129/06 -) für diesen Fall von einem missbräuchlichen Vorgehen ausgegangen wird, da der Abmahner ersichtlich keine ernsthaften Interessen am Schutz gegen unlauteren Wettbewerb verfolge, sondern sich lediglich dafür hergebe, seinem Anwalt eine Gebühreneinnahmequelle zu verschaffen. Die Kammer hat sich jedoch aufgrund der Beweisaufnahme - wie bereits ausgeführt - die Überzeugung verschafft, dass dies im vorliegenden Fall nicht zutrifft, weil es der Verfügungsklägerin überwiegend um lauterkeitsrechtliche Gesichtspunkte ging. Hätte hier ein bewußtes kollusives Zusammenwirken auch von Seiten der Verfügungsklägerin vorgelegen, hätte die Verfügungsklägerin und der Zeuge Z hierüber nicht so bereitwillig berichtet, weil sie sich mit einem derartigen Vorgehen dem Verdacht des (versuchten) gewerblichen Betruges aussetzen würden.

Ein Gebührenerzielungsinteresse bei der Verfügungsklägerin selbst besteht zur Überzeugung der Kammer ebenfalls nicht. Der Zeuge Z, der nach Angaben der Verfügungsklägerin deren Finanzen bearbeitet, hat glaubhaft bekundet, dass die Verfügungsklägerin von den Gebühren, die der jetzige Verfahrensbevollmächtigte mit der Abmahntätigkeit erziele, keinerlei Anteile erhalte. Auch die Flatrate werde weder ganz noch teilweise zurückerstattet.

Die Verfügungsklägerin hat keinen überhöhten Gegenstandswert zugrunde gelegt. Der angegebene Wert von € 7.500,00 entspricht der Rechtsprechung der Kammern für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart in vergleichbaren Fällen und beruht auf der ständigen Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Stuttgart (OLGR Stuttgart 2008, Seite 377).

Die Verfügungsklägerin hat auch den fliegenden Gerichtsstand nicht missbräuchlich ausgenutzt. Zwar ist die Entfernung für die Verfügungsbeklagte erheblich. Es kann jedoch der Verfügungsklägerin nicht zum Missbrauch gereichen, wenn sie Möglichkeit des fliegenden Gerichtsstandes heranzieht, um an ihrem Wohnsitzgericht zu klagen. Unerheblich sind daher auch die Erwägungen der Verfügungsbeklagten, dass der Verfahrensbevollmächtigte der Verfügungsklägerin bei seinem "Heimatgericht" als vollmachtslos und rechtsmissbräuchlich auftretender Rechtsanwalt bekannt ist.

Die Verfügungsklägerin wird auch nicht fremdbestimmt durch ihren jetzigen Verfahrensbevollmächtigten. Die Verfügungsklägerin und der Zeuge Z haben klar ausgesagt, dass jedenfalls nicht der Verfahrensbevollmächtigte selbst die Abzumahnenden ausgesucht hat. Der Zeuge Z hat vielmehr detailliert geschildert, dass und wie er die Abzumahnenden ermittelt und dann an den Verfahrensbevollmächtigten im Rahmen eines Abmahnauftrages weitergibt. Etwas Gegenteiliges kann auch nicht aus der eidesstattlichen Versicherung der Kanzleiangestellten K vom 20.12.2012 (Anlage Ast 4) gefolgert werden. Die Kammer hält es für einen nicht unüblichen Vorgang, dass der Verfahrensbevollmächtigte die von der Verfügungsklägerin in Auftrag gegebene Abmahnung im Rahmen seiner rechtlichen Überprüfung durch seine Kanzlei erneut hinsichtlich des Sachverhalts untersuchen lässt.

Auf ein rechtsmissbräuchliches Handeln der Verfügungsklägerin kann schließlich auch nicht aus dem Umstand geschlossen werden, dass die Verfahrensbevollmächtigten der Verfügungsklägerin wettbewerbsrechtliche Ansprüche anderer Mandanten nicht vollständig verfolgt haben.

Es mag sein, dass ein anderer, wirtschaftlich "kühler" denkender Unternehmer diese Abmahntätigkeit nicht unternehmen würde, weil sowohl sein wirtschaftliches als auch sein wettbewerbspolitisches Interesse an einer solchen Abmahnung zu gering wäre. Es gereicht jedoch einem Unternehmer nicht zum Rechtsmissbrauch, wenn er auch aus lauter Verärgerung über umfangreiche, zum Teil mit erheblicher Kostenbelastung verbundene Abmahntätigkeit von Mitbewerbern selbst die Lauterkeit der Mitbewerber herbeiführen will.

Unerheblich ist im Übrigen, dass sich der Verfahrensbevollmächtigte nach der Behauptung der Verfügungsbeklagten derzeit in einem Strafverfahren im Zusammenhang mit seiner Abmahntätigkeit verantworten muss. Der hierzu von der Verfügungsbeklagten geschilderte Sachverhalt des Strafverfahrens ist mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar. Soweit das Strafverfahren zu einer Verurteilung führt, vermag dies keinen Rechtsmissbrauch der hiesigen Verfügungsklägerin zu begründen.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist auch begründet.

1.
Der Verfügungsklägerin steht ein Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu.

a)
Die Verfügungsklägerin ist zur Geltendmachung wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsansprüche aktivlegitimiert.

Die Ansprüche unterliegen zur Überzeugung der Kammer nicht der gemeinschaftlichen Geltendmachung der Gesellschafter einer GbR (§ 714 BGB). Entgegen dem Vortrag der Verfügungsbeklagten betreibt die Klägerin ihren Handel nicht in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit dem Zeugen Z.

Zwar verkennt das Gericht nicht, dass in der rechtlichen Information des Anbieters im Internet neben der Verfügungsklägerin auch der Zeuge Z aufgeführt ist, zumal jener auch Inhaber der Domain "XXX.de" ist.

Die übrigen Umstände sprechen jedoch gegen eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Die Verfügungsklägerin hat in ihrer Anhörung klar geäußert, dass der Zeuge Z ihr lediglich behilflich sei. Auch der Zeuge Z hat in seiner Vernehmung ausgeführt, dass er den Geschäftsbetrieb nicht gemeinsam mit der Verfügungsklägerin führe, sondern nur deren Gehilfe bzw. Assistent sei. Die Angaben der Verfügungsklägerin und des Zeugen Z werden gestützt durch die verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Danach wird ausschließlich die Verfügungsklägerin aus den geschlossenen Verträgen berechtigt und verpflichtet.

b)
Die Parteien stehen unstreitig in einem Wettbewerbsverhältnis.

c)
Der Verfügungsklägerin steht gegen die Verfügungsbeklagte gemäß §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 312 c Abs. 1, Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB ein Anspruch auf Unterlassung der beanstandeten Teile der von der Verfügungsbeklagten verwendeten Widerrufsbelehrung unstreitig zu.

(...)

2.
Der Verfügungsgrund ist gegeben. Gemäß § 12 Abs. 2 UWG spricht zugunsten der Verfügungsklägerin eine tatsächliche Vermutung für die Dringlichkeit. Es gibt hier auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Dringlichkeitsvermutung widerlegt sein könnte. Die Verfügungsklägerin hat zwar lediglich vorgetragen, dass sie "jüngst" erstmals Kenntnis von der rechtsverletzenden Handlung der Verfügungsbeklagten erlangt habe. Dies muss jedoch unter Berücksichtigung der Angaben in der Beweisaufnahme über die jeweilige Beauftragung dahingehend verstanden werden, dass dies in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit den Feststellungen der Kanzleiangestellten K am 29.11.2012 erfolgt ist. Ein frühere Kenntniserlangung durch die Verfügungsklägerin ist von der Verfügungsbeklagten nicht behauptet worden. Unter Berücksichtigung des Eingangs des Antrags bei Gericht am 27.12.2012 ist die AntragsteIlung nicht verzögert.

3.
Die Androhung des Ordnungsmittels beruht auf § 890 Abs. 2 ZPO.


III.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 ZPO.



(LG Stuttgart, Urteil vom 16.05.2013, Az. 35 O 116/12 KfH)



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